Brant, Sebastian (1457/58-1521): Das Narrenschiff
Brant, Sebastian (1457/58-1521): Das Narrenschiff
Einleitung
Das "Narrenschiff" von Sebastian Brant, veröffentlicht im Jahr 1494, ist ein Meisterwerk der deutschen Literatur des Spätmittelalters und der Frührenaissance. Dieser satirische Text präsentiert eine Vielzahl von menschlichen Schwächen und Laster, eingebettet in die Allegorie einer Schiffsreise, auf der die Narren zu der Narragonien genannten Insel der Narren segeln. Brants Werk ist nicht nur wegen seiner literarischen Qualität bedeutend, sondern auch, weil es Einblicke in die sozialen, politischen und religiösen Verhältnisse seiner Zeit bietet. In diesem aiMOOC wirst Du in die Welt des "Narrenschiffs" eingeführt, erfährst mehr über den Autor Sebastian Brant und die historischen sowie kulturellen Hintergründe des Werks.
Sebastian Brant und das Narrenschiff
Sebastian Brant
Sebastian Brant (1457/58-1521) war ein deutscher Jurist, Universitätsprofessor und Humanist. Geboren in Straßburg, einem wichtigen Zentrum des frühen Humanismus, spielte Brant eine zentrale Rolle in der intellektuellen und kulturellen Landschaft seiner Zeit. Seine Arbeit als Professor der Rechte und später als Stadtschreiber in Straßburg ermöglichte ihm, tiefgreifende Beobachtungen über menschliche Verhaltensweisen und gesellschaftliche Zustände zu machen, die er im "Narrenschiff" verarbeitete.
Das Narrenschiff
Das "Narrenschiff" ist eine Sammlung von 112 kurzen, satirischen Gedichten, die in der Form von Moralsatiren geschrieben sind. Jedes Gedicht behandelt ein spezifisches Laster oder eine menschliche Dummheit, wie Geiz, Eitelkeit, Trunksucht oder den Missbrauch von Macht. Das Schiff, das nach Narragonien segelt, dient als Metapher für die Torheit der menschlichen Gesellschaft, die blind für ihre eigenen Fehler und Laster ist. Die Popularität des Werks bei seinem Erscheinen war enorm und es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, was Brant einen Platz in der europäischen Literaturgeschichte sicherte.
Historischer Kontext
Das späte 15. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs in Europa. Der Buchdruck, erst kürzlich erfunden, revolutionierte die Verbreitung von Wissen und Ideen. Dieses neue Medium ermöglichte es Brant, seine Botschaften einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Gleichzeitig zeigten sich Risse in der mittelalterlichen Ordnung, und das "Narrenschiff" spiegelt die zunehmende Unzufriedenheit mit der Kirche und den herrschenden Klassen wider. Brants scharfe Kritik an der Korruption und den moralischen Verfehlungen seiner Zeitgenossen macht das Werk zu einem wichtigen Dokument der frühen Reformationsbewegung.
Themen und Motive
Die zentralen Themen des "Narrenschiffs" umfassen menschliche Laster und Tugenden, die Kritik an gesellschaftlichen Zuständen und die Frage nach der wahren Weisheit. Brant nutzt das Schiff und die Seefahrt als leitende Metaphern, um die Narrheit der Menschen zu illustrieren, die sich von ihren Lastern treiben lassen, ohne das rettende Ufer der Vernunft und Tugend zu erreichen. Seine Figuren, die Narren, sind in ihrer Vielfalt ein Spiegel der Gesellschaft und bieten Einblicke in die menschliche Natur und die sozialen Dynamiken seiner Zeit.
Interaktive Aufgaben
Quiz: Teste Dein Wissen
In welchem Jahr wurde das Narrenschiff veröffentlicht? (1494) (!1484) (!1504) (!1514)
Wer ist der Autor des Narrenschiffs? (Sebastian Brant) (!Johann Gutenberg) (!Martin Luther) (!Erasmus von Rotterdam)
Wofür steht die Reise zum Narragonien im Narrenschiff? (Für die menschliche Narrheit und Torheit) (!Für die Entdeckung neuer Länder) (!Für eine Wallfahrt) (!Für den Beginn der Renaissance)
Welches Medium trug zur schnellen Verbreitung des Narrenschiffs bei? (Der Buchdruck) (!Das Internet) (!Die Telegrafie) (!Der Rundfunk)
Was kritisiert Brant in seinem Werk vor allem? (Menschliche Laster und Dummheiten) (!Die Entdeckung Amerikas) (!Die Erfindung des Buchdrucks) (!Die Kunst der Renaissance)
Wie viele Gedichte umfasst das Narrenschiff? (112) (!100) (!120) (!150)
In welche Sprachen wurde das Narrenschiff übersetzt? (In zahlreiche Sprachen) (!Nur ins Lateinische) (!Nur ins Englische) (!Nur ins Französische)
Was symbolisiert das Schiff im Narrenschiff? (Die Gesellschaft auf dem Weg in ihr Verderben) (!Eine tatsächliche Seereise) (!Die Entdeckung neuer Welten) (!Ein religiöses Ritual)
In welchem Jahrhundert lebte Sebastian Brant? (15. Jahrhundert) (!14. Jahrhundert) (!16. Jahrhundert) (!17. Jahrhundert)
Welcher Beruf war Sebastian Brant nicht? (Bäcker) (!Jurist) (!Universitätsprofessor) (!Humanist)
Memory
Narrenschiff | 1494 |
Sebastian Brant | Humanist |
Buchdruck | Verbreitung |
Narragonien | Insel der Narren |
Laster | Thema |
Kreuzworträtsel
narragonien | Wohin segelt das Narrenschiff? |
brant | Wer ist der Autor des Narrenschiffs? |
buchdruck | Welches Medium ermöglichte die schnelle Verbreitung des Werks? |
laster | Was wird im Narrenschiff hauptsächlich kritisiert? |
humanist | Was war Sebastian Brant von Beruf neben Jurist und Universitätsprofessor? |
vernunft | Was erreichen die Menschen auf dem Narrenschiff nicht? |
satire | Welches literarische Genre repräsentiert das Narrenschiff? |
weisheit | Nach welcher Tugend strebt das Narrenschiff vergeblich? |
LearningApps
Lückentext
Offene Aufgaben
Leicht
- Recherchiere weitere Werke der deutschen Literatur des Spätmittelalters und vergleiche sie mit dem Narrenschiff: Wie behandeln sie ähnliche Themen?
- Gestalte ein Poster, das eine der Narrenfiguren aus dem Narrenschiff darstellt. Beschreibe dabei das Laster, das die Figur repräsentiert.
- Schreibe ein kurzes Gedicht oder eine Geschichte, die ein modernes Laster auf humorvolle Weise kritisiert, inspiriert durch das Narrenschiff.
Standard
- Erstelle eine Präsentation über die Bedeutung des Buchdrucks für die Verbreitung des Narrenschiffs und anderer literarischer Werke.
- Führe ein Interview mit einem Literaturhistoriker oder -wissenschaftler über das Narrenschiff und seine Bedeutung für die deutsche Literaturgeschichte.
- Untersuche, wie das Narrenschiff in der heutigen Gesellschaft rezipiert wird: Gibt es moderne Adaptionen oder Interpretationen?
Schwer
- Analysiere die sprachlichen Mittel und Stilmittel, die Sebastian Brant im Narrenschiff verwendet, um seine Kritik auszudrücken.
- Vergleiche das Narrenschiff mit einem ähnlichen Werk aus einem anderen Kulturkreis: Was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung menschlicher Laster?
- Entwickle ein eigenes multimediales Projekt, das die Themen des Narrenschiffs in einen aktuellen Kontext setzt.
Mündliche Prüfung
- Diskutiere, inwiefern das Narrenschiff als Spiegel der Gesellschaft des späten 15. Jahrhunderts betrachtet werden kann.
- Erörtere die Relevanz von Sebastian Brants Kritik an menschlichen Lastern für unsere heutige Zeit.
- Vergleiche die allegorische Darstellung der Gesellschaft im Narrenschiff mit einer anderen literarischen oder künstlerischen Darstellung aus einer anderen Epoche.
- Analysiere, wie Brant durch die Verwendung von Satire und Allegorie seine Botschaften vermittelt.
- Reflektiere über die Rolle des Buchdrucks bei der Verbreitung von Ideen und Kritik in der Frühen Neuzeit, am Beispiel des Narrenschiffs.
OERs zum Thema
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Das Narrenschiff von Sebastian Brant |
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MUSS NOCH FORMATIERT WERDEN
Eine Vorrede zu dem Narrenschiff
Zu nutz vnd heylsamer ler / vermanung
vnd ervolgung der wyßheit /
vernunfft vnd guter sytten: Ouch zu
verachtung vnd straff der narheyt /
blintheyt yrrsal vnd dorheit / aller
ståt / vnd geschlecht der menschen: mit
besunderem flyß ernst vnd arbeyt / gesamlet
zu Basell: durch Sebastianum
Brant. in beyden rechten doctor.
<a name="page6" title="Wassermann/wedi" id="page6"></a><a name="page7" title="Wassermann/wedi" id="page7"></a> Alle Lande sind jetzt voll heiliger Schrift
Und was der Seelen Heil betrifft:
Voll Bibeln, heiliger Väter Lehr
Und andrer ähnlicher Bücher mehr,
So viel, daß es mich wundert schon,
Weil niemand bessert sich davon.
Ja, Schrift und Lehre sind veracht't,
Es lebt die Welt in finstrer Nacht
Und tut in Sünden blind verharren;
Alle Gassen und Straßen sind voll Narren,
Die treiben Torheit an jedem Ort
Und wollen es doch nicht haben Wort.
Drum hab ich gedacht zu dieser Frist,
Wie ich der Narren Schiff' ausrüst:
Galeeren, Füst,
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Leichtes Rennschiff oder Kaperschiff, ital.
fusta.</a> Krack,
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Lastschiff, franz.
carrache.</a> Naue,
<a href="#ID233B1PKBADJZNFNJD5OIXSZLB3RR3I1X2GECZFGMGUOUVOQS15N">[*]
Kleineres Lastschiff, lat.
navis.</a> Bark,
Kiel, Weidling,
<a href="#IDJQYNDIZ3JRI2LILMDBO2Q4MUQHKTV112F4RGE4GNC02RUXLJYIL">[*]
Fischernachen.</a> Hornach,
<a href="#IDIWS1EIXTUUHNNLA2B1CQH52OSOPGZH4CAZLLSAEXRFH5QBOJV4TF">[*]
Wörtlich Schmutznachen: Baggerprahm.</a> Rennschiff stark,
Auch Schlitten, Karre, Schiebkarr, Wagen:
Denn
ein Schiff könnt nicht alle tragen,
So groß ist jetzt der Narren Zahl;
Ein Teil sucht Fuhrwerk überall,
Der stiebt herbei gleichwie die Immen,
Versucht es, zu dem Schiff zu schwimmen:
Ein jeder will der erste sein;
Viel Narren und Toren kommen drein,
Deren Bildnis ich hier hab gemacht.
Wär jemand, der die Schrift veracht't,
Oder einer, der sie nicht könnt lesen,
Der sieht im
Bilde<a href="#IDVXU1U2AP0MFOGYFFCUEIS3UIGLEJAWI3BNYWFQI3LLZBCKLEXGZB">[*]
im molen: Gemeint sind die Holzschnitte, mit denen das Original ausgestattet ist.</a> wohl sein Wesen
<a name="page8" title="Wassermann/wedi" id="page8"></a> Und schaut in diesem, wer er ist,
Wem gleich er sei, was ihm gebrist.
<a href="#IDS3KHSCHK23G5FIY2HVWCWBSB4JRCE4I1GCREMJEOL4WIOJCUYIZN">[*]
Fehlt.</a>
Den
Narrenspiegel ich dies nenne,
In dem ein jeder Narr sich kenne;
Wer jeder sei, wird dem vertraut,
Der in den Narrenspiegel schaut.
Wer sich recht spiegelt, der lernt wohl,
Daß er nicht weise sich achten soll,
Nicht von sich halten, was nicht ist,
Denn niemand lebt, dem nichts gebrist,
Noch der behaupten darf fürwahr,
Daß er sei weise und
kein Narr.
Denn wer sich selbst als Narr eracht't,
Der ist zum Weisen bald gemacht,
Wer aber stets will weise sein,
Ist fatuus,
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Ein Narr (lat.): Wortspiel mit
gfatter.</a> der Gevatter mein,
Der sich zu mir recht übel stellt,
Wenn er dies Büchlein nicht behält.
Hier wird an Narren nicht gespart,
Ein jeder findet seine Art,
Und auch, wozu er sei geboren,
Warum so viele sind der Toren;
Welch hohes Ansehn Weisheit fand,
Wie sorgenvoll
<a href="#ID2PBE2PM1OSY1OYDWJHDZQX5LKDOZ2HENNZXYXUCILNCJ5BCOBKZD">[*]
sörglich, d. h. sorgenerregend, bedenklich, gefährlich.</a> der Narren Stand.
Hier findet man der Welten Lauf,
Drum ist dies Büchlein gut zum Kauf.
Zu Scherz und Ernst und allem Spiel
Trifft man hier Narren, wie man will,
Ein Weiser sieht, was ihm behagt,
Ein Narr gern von den Brüdern sagt.
<a name="page9" title="Wassermann/wedi" id="page9"></a> Hier hat man Toren, arm und reich,
Schlim schlem,
<a href="#IDM43DPWD0IG5TFPFPDR4SONGXHODV0KFHGT4QBDXBXEPO34P1QB">[*]
Aus lat.
similis (quaerit) similem entstanden.</a> gleich findet gleich.
Ich schneidre Kappen manchem Mann,
Der meint, es gehe ihn nichts an,
<a href="#IDS52OFH0NGSITPDEGHCCMDX0P4K4QPE1YBJXSSBBK0E4Y5SMXUNO">[*]
Der sich des doch nit nymet an, d. h., der sich doch nicht darum bekümmert.</a>
Hätt ich mit Namen ihn genannt,
Spräch er, ich hätt ihn nicht erkannt.
Doch hoff ich, daß die Weisen alle
Drin finden werden, was gefalle,
Und sagen dann mit Wissenheit,
<a href="#ID0G0RQ15RUCGTNZ5ZYUEUJEWENPMD5QRKVNGYDED4CJI24GPXA41M">[*]
Aus Überzeugung und Erfahrung.</a>
Daß ich gab recht und gut Bescheid.
Und da ich das von ihnen weiß,
Geb ich um Narren einen Schweiß;
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D. h. einen Dreck, gar nichts.</a>
Sie müssen hören Wahrheit alle,
Ob ihnen es auch nicht gefalle.
Wiewohl Terentius
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Publius Terentius Afer, römischer Komödiendichter († 159 v. Chr.). Die Stelle: Andria I, 1, 41 (
veritas odium parit).</a> saget, daß
Wer Wahrheit ausspricht, erntet Haß;
Und wer sich lange schneuzen tut,
Der wirft zuletzt von sich das Blut;
<a href="#IDZ5G2GFBSJQSRKLLM2Y3UWU5SCCFIVV0F2EA0M1HSLTF22B1LZ4YO">[*]
Sprüche Salomonis 30, 33.</a>
Und wenn man coleram
<a href="#IDPOKMKD5P5DK2BXRW3Z0F0HAGQF35ORSRDUFOXJG5FP1KP1QTJIIG">[*]
Zorn (lat.).</a> anregt,
So wird die Galle oft bewegt.
Darum beacht ich, was man spricht
Mit Worten hinterm Rücken, nicht,
Noch wenn man schmäht die gute Lehr:
Ich habe solcher Narren mehr,
Denen Weisheit nicht gefället wohl,
Von solchen ist dies Büchlein voll.
Doch bitt ich jeden, daß er mehr
<a name="page10" title="Wassermann/wedi" id="page10"></a> Ansehn wolle Vernunft und Ehr
Als mich oder mein schwach Gedicht.
Ich hab fürwahr ohn Mühe nicht
So viele Narrn zu Hauf gebracht:
Gar oft hab ich gewacht die Nacht,
Die schliefen, deren ich gedacht,
Oder saßen vielleicht bei Spiel und Wein,
Wo sie wenig gedachten mein;
Ein Teil in Schlitten fuhr umher
Im Schnee, wo sie gefroren sehr;
Ein Teil trieb Kindereien
<a href="#IDN4GY0YOFPIZPE444QQIG1JIWCN5EZVNHLPJSMEKJZGEUB5PFCXFO">[*]
uff kalbß füss gingen, d. h. kälberten wie die Kinder.</a> just;
Die andern schätzten den Verlust,
Der sie desselben Tags betroffen,
Und welchen Gewinn sie könnten hoffen,
Oder wie sie morgen wollten lügen
Mit Geschwätz, verkaufen und manchen betrügen.
Um diesen nachzudenken allen,
Wie mir solch Art, Wort, Werk gefallen,
Hab ich, kein Wunder ists, gar oft
Gewacht, wann niemand es gehofft,
Damit man tadle nicht mein Werk,
<a href="#IDDRXH40KZQYGWCT3S52VSYXRSPLQ5JL23Y5L4PHOKDYXEXMOAHQCF">[*]
Do mit myn gdicht nit würd gestrofft (das Reimwort ist nicht übertragbar).</a>
In diesen Spiegel sollen schauen
Die Menschen alle, Männer, Frauen;
Die einen mit den andern ich mein':
Die Männer sind nicht Narrn allein,
Man findet auch
Närrinnen viel,
Denen ich Kopftuch, Schleier und Will
<a href="#IDGGDMOEB4OXQOIF0ETF51SR4TGP0TCML2H3UOCNIM0BO0BQ0VZEVG">[*]
Besonders der Schleier (lat.
velum) der Nonnen.</a>
Mit Narrenkappen hier bedecke.
<a name="page11" title="Wassermann/quantenspringer" id="page11"></a> Auch Mädchen
<a href="#IDVC3FC5XTTQKEOWPXEVUA4FUPFEAQMMFXTXWQQSJVXVS5F032LOKK">[*]
Metzen, d. h. leichtfertige Mädchen (ohne den verächtlichen Nebensinn).</a> haben Narrenröcke;
Sie wollen jetzt tragen offenbar,
Was sonst für Männer schändlich war:
Spitze Schuh' und ausgeschnittne Röcke,
Daß man den Milchmarkt nicht bedecke;
Sie wickeln viel Lappen in die Zöpfe
Und machen Hörner auf die Köpfe,
Als käm daher ein mächtger Stier;
Sie gehen umher wie die wilden Tier'.
Doch sollen ehrbare Frauen mir schenken
Verzeihung, denn ihrer will ich gedenken
Wie billig in keiner argen Art;
Den bösen aber sei nichts erspart,
Von denen man ein Teil hier find't,
Die auch im Narrenschiffe sind.
Darum mit Fleiß sich jeder suche,
Und findet er sich nicht im Buche,
So mag er sprechen, daß er sei
Der Kappe und des Kolbens
<a href="#IDFPST05YKCOJ0KHN12RMHZXIALN2RQ505Q1DRSEMSRCOBFTOR0ALK">[*]
Insignien des Narren.</a> frei.
Wer meint, daß ich ihn nicht berühre,
Geh zu den Weisen vor die Türe,
Gedulde sich, sei guter Dinge,
Bis ich 'ne Kappe von Frankfurt
<a href="#IDYZ2EVYMVOEGNPT042CI4LIMMNIP10MH1QRKAICBS5JIMRNYUKRXF">[*]
Von der Frankfurter Messe.</a> bringe!
<a name="page12" title="Wassermann/quantenspringer" id="page12"></a>
<a name="page13" title="Wassermann/quantenspringer" id="page13"></a>
Im Narrentanz voran ich gehe,
Da ich viel Bücher um mich sehe,
Die ich nicht lese und verstehe.
Von unnützen Büchern
Daß ich im Schiffe vornan sitz,
Das hat fürwahr besondern Witz;
<a href="#IDJA4RAS0Y33D5H3QGIPHNFLTSRH1TZO3CD2QAUAGQUXL2S3BTYPXO">[*]
Das
hat worlich eyn sundren gryff, d. h., damit ist eine besondere Absicht verbunden. Eine ironische Anspielung Brants auf sich selbst, wie sie bereits von den Zeitgenossen (Murner, Dedekind) vermutet wurde, liegt hier schwerlich vor; gemeint ist offenbar die auch sonst mit Sorge betrachtete Ausbreitung der Buchdruckerkunst, die dem Büchernarren eine besonders aktuelle Rolle zuweist.</a>
Nicht ohne Ursache ist das:
Auf Bücher ich mich stets verlaß,
Von Büchern hab ich großen Hort,
Versteh ich selten auch ein Wort,
So halt ich sie doch hoch in Ehren:
Will ihnen gern die Fliegen wehren.
Wo man von Künsten
<a href="#IDSWFE2YDGCA0YHJABHABRTOBQDGMNCT2D1SEFG0FLNZMPN1GMUPBD">[*]
D. h. Wissenschaften.</a> reden tut,
Sprech ich: »
Daheim hab ich sie gut!«
Denn es genügt schon meinem Sinn,
Wenn ich umringt von Büchern bin.
Von Ptolemäus
<a href="#IDWYGYH44RCORSF4V1YBRIKQC1SHA1SSJONJT1H5B4THAMOX5GEPG">[*]
König Ptolemäus II. Philadelphus († 246 v. Chr.) war Hauptgründer und Förderer der berühmten alexandrinischen Bibliothek.</a> wird erzählt,
Er hatte die Bücher der ganzen Welt
Und hielt das für den größten Schatz,
Doch manches füllte nur den Platz,
Er zog daraus sich keine Lehr.
Ich hab viel Bücher gleich wie er
Und lese doch nur wenig drin.
Zerbrechen sollt ich mir den Sinn,
Und mir mit Lernen machen Last?
Wer viel studiert, wird ein Phantast!
Ich gleiche sonst doch einem Herrn,
Kann zahlen einem, der für mich lern'!
Zwar hab ich einen groben Sinn,
Doch wenn ich bei Gelehrten bin,
So kann ich sprechen: »Ita! – So!«
Des
deutschen Ordens bin ich froh,
Dieweil ich wenig kann Latein.
Ich weiß, daß
vinum heißet »Wein«,
Gucklus ein Gauch,
<a href="#IDY5XKNDOOWPISE4MEEME0O322FPBFUEY2ZABBVVO5WMUN2NBDCYUD">[*]
Lat.
cuculus, urspr. Kuckuck. –
stultus ein Tor,</a>
Und daß ich heiß': »
domine doctor!«
<a href="#IDYK0TFLR2DGZ0G4LLCQ2HWVCUSGVEIU034SPPKVM2NSTCVPDBYR1L">[*]
Begrüßungsformel: mein Herr Doktor.</a>
Die Ohren sind verborgen mir,
Sonst sah man bald des Müllers Tier.
<a name="page15" title="Wassermann/quantenspringer" id="page15"></a>
Die Bedeutung ist umstritten: der will sich durch seine Unredlichkeit einen fetten Braten verdienen, oder: der wird zum bloßen Werkzeug anderer, die den Vorteil haben (darauf deuten V. 9 u. 10). Nach Geilers Auslegung: der schindet die armen Leute.</a><a name="page16" title="Wassermann/quantenspringer" id="page16"></a>
Wer sich auf Macht im Rate stützt
Und dem Wind folgt, der grade nützt,
Der stößt die Sau zum Kessel itzt. <a href="#IDEB51BMHLQUTXO5STT5AX4UGUWGKTYEZEKLHUAWHOLQVVB3KLJZOD">[*]
Von guten Räten
Viel sind, die trachten früh und spat,
Wie sie bald kommen in den Rat,
Die doch vom Rechte nichts verstehn
Und blindlings an den Wänden gehn.
Den guten Chusi
<a href="#IDXANY4LKUQRASMAAP24KRN2PI2DLM2233WHETYLBPVNW1YLCWGQLC">[*]
Samuel 15-17: Chusai ist der getreue Späher Davids gegen Absalom, Achitophel. Der abtrünnige Ratgeber, der ein schmähliches Ende findet.</a> man begrub,
Zum Rat man Achitophel hub.
Wer richten soll und raten schlecht,
<a href="#IDED15QSXA1Y33KUOYXQ01QCY4RBI4JE32IO55MND5XSHFKHLPXWK">[*]
Schlicht, aufrichtig.
</a> Der rat und stimm allein nach Recht,
Auf daß er nicht ein Zaunpfahl bleibe,
Der nur die Sau zum Kessel treibe.
Fürwahr, sag ich, es hat nicht Fug:
<a href="#IDGY2IASX5JFVCKUWZ5JIJNJ2MUGTSL5A1MBIRSQBP1CFN3UHJR0KB">[*]
Es ist nicht in Ordnung.</a>
Es ist mit Raten nicht genug,
Womit verkürzet wird das Rechte;
Das
Bessere billig man bedächte
Und forschte nach, was man nicht weiß.
Denn wird verdreht des Rechts Geleis,
So stehst du wehrlos da vor Gott,
<a href="#IDDIGNEZN1EL44IM0TJGXG0N1R1LLFMDWLTFF1FBEZBD1RQMC05FB">[*]
So hast kein wörwort gegen got, d. h. keine Rechtfertigung, Entschuldigung.</a>
Und glaube mir, das ist kein Spott!
<a href="#IDGABISW2M02J1KMJF1UQ5YC5EZOGTER4YLZYQBBKXCBB0YLSQD4YC">[*]
Kein Scherz.</a>
Wenn jeder wüßt, was folgt darnach,
War er im Urteil nicht so jach;
<a href="#IDQLVNVC3NU33JHSFXRHJT3IWHGBXD24PGS5AAGUMQIPRSGKD1P0TM">[*]
Eilig, geschwind.</a>
Denn mit
dem Maß wird jedermann
Gemessen, wie
er hat getan.
Wie du mich richtest und ich dich,
<a name="page 17" title="wedi/quantenspringer" id="page17"></a> So wird Gott richten dich und mich.
<a href="#ID1PS5C2ZJUQBLBGGPKIU0MECHPEFBOT1UCJHIDFNLCPPDLNEBKTML">[*]
Matthäus 7, 2.</a>
Ein jeder wart' in seinem Grab
Des Urteils, das er selbst einst gab,
Und wer damit das Recht verletzt,
Dem ist auch schon die Frist gesetzt,
Wo er ein kräftig Urteil find't:
Es fällt der Stein ihm auf den Grind!
Wer hier nicht hält Gerechtigkeit,
Dem droht sie dort mit Härtigkeit:
Denn weder Weisheit, Einsicht, Rat,
Noch Macht vor Gott Bestehen hat.
<a href="#IDCKPIMAGCGDBDNZ4YS4XRQGTRINWZDSHMW1YOFCJDWKH0JWHFS2LF">[*]
Sprüche Salomonis 21, 30.</a><a name="page18" title="wedi/quantenspringer" id="page18"></a>
<a name="page19" title="Wassermann/wedi" id="page19"></a>
Wer setzt die Lust in zeitlich Gut,
Sucht darin Freud und guten Mut,
Der ist ein Narr mit Fleisch und Blut.
Von Habsucht
Der ist ein Narr, wer sammelt Gut
Und hat nicht Freud noch frohen Mut
Und weiß nicht, wem er solches spart,
Wenn er zum finstern Keller
<a href="#IDE2XRLRZEFVFKGQWRHI0SKNFVNNVFWGDEK0KLUWIWZQGWWGBG3HJJ">[*]
D. h. ins Grab.</a> fahrt.
Ein größrer Narr ist, wer vertut
Mit Üppigkeit und leichtem Mut
Das, was ihm Gott gab als das Seine,
Darin er
Schaffner<a href="#ID221L4BWRYU3NFA1DP5333GXYUIU13EXRNXPRLGLM3COAWJOYEHI">[*]
Verwalter.</a> ist alleine,
Wovon er Rechnung geben muß,
Die mehr einst gilt als Hand und Fuß.
<a href="#IDOZCBNWOTHW3JBRK1SSU4MFR0BFLMUCM3JJBUSAGTX13MXVTDQ0TF">[*]
Anspielung auf die Strafe des Abhauens von Hand und Fuß.</a>
Ein Narr läßt seinen Freunden viel,
Die
Seele er nicht versorgen will;
Er fürchtet Mangel in der Zeit
Und sorgt nicht für die Ewigkeit.
O armer Narr, wie bist du blind:
Die Räude scheust du – findst den Grind!
Ein andrer sündigem Gut nachrennt,
Wofür er in der Hölle brennt:
Das achten seine Erben klein,
Sie helfen nicht mit einem Stein,
Sie spendeten kaum ein einzig Pfund,
<a href="#IDZDERAS3HKCVUJFG44G3TVXFMDHUJEV2FV0AHTQL2AD3LC5KFZOE">[*]
Man berechnete das Geld auch nach dem Gewicht, da die Münzen häufig ungleich dick geprägt waren. In Straßburg = 2 Gulden, also eine geringe Summe.</a>
Und läg er tief im Höllengrund.
Gib, da du lebst, zu Gottes Ehr,
Nach deinem Tod wird ein andrer Herr.
Ein Weiser hat noch nie begehrt
Nach Reichtum hier auf dieser Erd,
<a name="page20" title="Wassermann/quantenspringer" id="page20"></a> Wohl aber, daß er selbst sich kenne:
Den Weisen mehr als reich du nenne!
Zuletzt geschah's, daß Crassus
<a href="#IDMS2CKWVFENC0FEYFWR4NG2YS2O1BLEUVHHEFY0HH3WTWFI1ACC4">[*]
Die Parther sollen dem nach Gold unersättlichen Crassus, der bei Karrhä 53 v. Chr. besiegt wurde, geschmolzenes Gold in den Mund gegossen haben.</a> trank
Das Gold, wonach ihn dürstet' lang;
Doch Crates
<a href="#IDG2HRQDLGZOXBG0X2PQWFZWYRMKDXYNZKAZKDQGPXSJFQDSPL14K">[*]
Ein thebanischer Philosoph, Schüler des Diogenes, der sich auf dem Wege nach Athen seines Reichtums entledigte. Beide Exempla entnahm Brant dem Corpus iuris canonici.</a> warf sein Geld ins Meer,
Das hindert' ihn beim Lernen sehr.
Wer sammelt, was vergänglich ist,
Begräbt seine Seele in Kot und Mist.
<a name="page21" title="Wassermann/quantenspringer" id="page21"></a>
<a name="page22" title="Wassermann/quantenspringer" id="page22"></a>
Wer neue Moden <a href="#IDYFSTNZNTJQDOEOBJMHIAS22AJUZGSFXE3EAB0OFGP14OUVY2WHB">[*] nüw fünd, d. h. neue Funde, Neuerungen, Moden.</a> bringt durchs Land,
Der gibt viel Ärgernis und Schand
Und hält den Narren bei der Hand.
Von neuen Moden
Was vormals war ein schändlich Ding,
<a href="#IDMMDQ5Q0UZ55ZMP25RPH4QF31SBDXAFHWO3TQZUC50RYYYJV30Z3D">[*]
Anspielung auf 2. Samuel 10, 4.</a>
Das schätzt man schlicht jetzt und gering:
Sonst trug mit Ehren man den Bart,
Jetzt lernen Männer Weiberart
Und schmieren sich mit Affenschmalz
<a href="#IDJEMFRMQUG4SEHQQRS3RF3PP1WIEYJUEQTPXA0GLRGZWVJVYXMCCH">[*]
D. h. schminken und pflegen sich wie die Affen. Vgl. Kap. 14.</a>
Und lassen am entblößten Hals
Viel Ring' und goldne Ketten sehn,
Als sollten sie vor Lienhart
<a href="#ID0VP5GD1WSUUZOEXB02UHHZ1SUHVVRJ5POVGO0RVDLVPSAPSVCLN">[*]
Dem heiligen Leonhard, als Schutzpatron der Gefangenen, wurden die Ketten der Befreiten dargebracht.</a> stehn.
Mit Schwefel und Harz pufft man das Haar
Und schlägt darein dann Eierklar,
<a href="#IDNMBJABE5EJZIPBRUMWKBPMVVULVP50PZLBKBKTLBVVBR0HLTRCHC">[*]
Eiweiß.</a>
Daß es im Schüsselkorb
<a href="#IDPUCK1WNNFVQNJ11D1F4Y3U5JFJOPP5PYCVYHGTEXH0RQAB3VLT5I">[*]
Ein flacher Korb, den man auf das Haar drückte, um es wellig zu machen.</a> werd' kraus.
Der hängt den Kopf zum Fenster 'raus,
Der bleicht das Haar mit Sonn' und Feuer,
Darunter sind die Läus nicht teuer.
Die können es jetzt wohl aushalten,
Denn alle Kleider sind voll Falten:
Rock, Mantel, Hemd und Tuch dazu,
Pantoffeln, Stiefel, Hosen, Schuh',
Pelzkragen,
<a href="#IDZXRJFB543ITIMXF10IZY3JGKJGVMPVP234GCF1DACTDUWA2C34OF">[*]
wild kappen: es ist nicht ganz klar, ob Pelzwerk gemeint ist oder
wilde, d. h. sonderbare, fremdartige, nach Arncke spanische Mäntel. Die nd. Übersetzung bringt
kappen an den antel, es ist also an eine Art Mantelhaube gedacht. Der Besatz
umblouff) war meist aus Fellen gearbeitet.</a> Mäntel, Besatz daran:
Der
Juden Brauch fängt wieder an.
<a href="#ID55UGWXGLUWKYLLYWATOZLF1CWHSDBMQZZGJZQVPVIIBYU3LANJ">[*]
Die Juden trugen lange, faltige Kaftane.</a>
Vor
einer Mode die
andre weicht,
<a name="page23" title="Wassermann/wedi" id="page23"></a> Das zeigt, wie unser Sinn ist leicht
Und wandelbar zu aller Schande,
Und wieviel Neuerung ist im Lande,
Mit schändlich kurz geschnittnen Röcken,
Die kaum den Nabel mehr bedecken!
Pfui Schande deutscher Nation,
Daß man entblößt, der Zucht zum Hohn,
Und zeigt, was die Natur verhehlt!
Drum ist es leider schlecht bestellt
Und hat wohl bald noch schlimmern Stand.
Weh dem, der Ursach gibt zur Schand!
Weh dem, der solcher Schand nicht wehrt:
<a href="#IDAY3RYMXMQAE2CME4H50UO1AW3J0QB00L2HH4XCDAYBOXKTPZ55BD">[*]
nit strofft: offenbar ist an ein Einschreiten der Obrigkeit gedacht.</a>
Ihm wird ein böser Lohn beschert!
<a name="page24" title="Wassermann/wedi" id="page24"></a>
<a name="page25" title="Wassermann/wedi" id="page25"></a>
Schon steh ich an der Grube dicht,
Im Arsch das Schindermesser sticht, <a href="#IDN1OLCRCM2JSHI4GEU0COUTFIQFKG4TAFQWNXEZHVOO2XRYFBJDYG">[*] das schyntmesser jm ars han, sprichwörtlich für: mit einem Fuß im Grabe stehen.</a>
Doch – meine Narrheit laß ich nicht!
Von alten Narren
»Die Narrheit läßt mich nicht sein greis;
Ich bin sehr alt, doch ganz unweis,
Ein böses Kind von hundert Jahren,
Zeig dem die Schellen, der unerfahren,
Den Kindern geb ich Regiment
<a href="#IDXQFYBVT3YXW0LVGQ4YNA2PAX3PKKYTRUFDQIDOBLTZWWAVHDCKSE">[*]
Lehre, Anleitung.</a>
Und mach mir selbst ein Testament,
Das wird nach meinem Tod mir leid.
Mit schlechtem Beispiel und Bescheid
Treib ich, was meine Jugend lernte;
Daß meine Schlechtigkeit Ehre ernte,
Wünsch ich und rühm mich dreist der Schande,
Wie ich beschissen
<a href="#ID2UJA14CJSCDJMKBGA3SYY0YDPGUVWIBBJVUMDGDYG55C5PAL410K">[*]
Der übliche Ausdruck für betrügen, anführen.</a> alle Lande
Und hab gemacht viel Wasser trübe;
<a href="#IDZ0C3ZD4YR2X2NUE5PBZ12CQMDFLCR3PTOA3FOJFXCVFHVT1ZQ0BO">[*]
D. h. Verwirrung, Unheil gestiftet.</a>
Im Schlechten ich mich allzeit übe,
Es tut mir leid, daß ichs nicht mehr
Vollbringen kann so wie vorher.
Doch was ich jetzt nicht mehr kann treiben,
Soll meinem
Heinz empfohlen bleiben;
Mein Sohn wird tun, was ich gespart,
Er schlägt mir nach wohl in der Art;
Es stehet ihm recht stattlich an,
Und lebt er, wird aus ihm ein Mann.
Er sei mein Sohn, muß man einst sagen;
Dem Schelme wird er Rechnung tragen
Und wird in keinem Ding sich sparen
Und in dem Narrenschiff auch fahren!
Es soll mich noch im Grab ergötzen,
Daß er mich wird so ganz ersetzen!« –
<a name="page26" title="Wassermann/wedi" id="page26"></a> Nach
solchem jetzt das Alter trachtet,
Die Weisheit es gar nicht mehr achtet.
Susannens Richter
<a href="#IDALFOJ5T2GOQNINY0GGCA04NOBGZSFGSUIAWYTGEC2FXARC0BVCUP">[*]
Daniel Kap. 13: Um die schöne und tugendhafte Susanna buhlten zwei alte Richter; von ihr abgewiesen, verurteilten sie die Frau auf Grund falscher Anschuldigungen zum Tode.</a> zeigten wohl,
Was man dem Alter zutraun soll:
Ein alter Narr der Seel nicht schont;
Der tut schwer recht, wers nicht gewohnt.
<a name="page27" title="Wassermann/wedi" id="page27"></a>
<a name="page28" title="cal/wedi" id="page28"></a>
Wer seinen Kindern übersieht
Mutwillen und sie nicht erzieht,
Dem selbst zuletzt viel Leid geschieht.
Von rechter Kinderlehre
Der ist vor Narrheit wohl ganz blind,
Wer nicht drauf achtet, daß sein Kind
In guter Zucht man unterweist,
Und sich insonderheit befleißt,
Daß er sie irrgehn läßt ohn Strafe,
Wie ohne Hirten gehn die Schafe;
Der ihrem Übermut nicht wehrt
Und sie zu strafen nicht begehrt,
Dieweil er meint, sie sei'n zu jung,
Es hafte nicht Erinnerung
In ihrem Ohr, nicht Straf noch Lehre. –
O großer Tor, merk auf und höre:
Der Jugend ist nichts zu geringe,
<a href="#IDBHE2L2AU13IYMFSAULMXSNHHDMH0A3BVKGBNIUC0MMFOA0DTYVIM">[*]
Die jugent ist zuo bhaltten gering, d. h. eigentlich: mit dem Lernen schnell bei der Hand, nimmt schnell auf.</a>
Sie merket wohl auf alle Dinge.
Der neue Topf hält vom Gericht
Geschmack und Duft und läßt ihn nicht.
Ein junger Zweig sich dreht und schmiegt,
Doch wenn man einen alten biegt,
So kracht und bricht er bald entzwei.
Gerechte Straf bringt kein Geschrei,
Der Rute Zucht vertreibt ohn Schmerzen
Die Narrheit aus des Kindes Herzen.
<a href="#ID0XDMFRJOQTBED3CLCP0J3QPFQMPA23OLG0PZ2FDK03Y51CGNVO3I">[*]
Sprüche Salomonis 22,15.</a>
Ohn Strafe selten man belehrt,
Das Übel wächst, dem man nicht wehrt.
Heli war brav und lebte rein,
Doch straft' er nicht die Kinder sein,
Drum straft' ihn Gott, daß er mit Klage
<a name="page29" title="wolfeh/quantenspringer" id="page29"></a> Samt ihnen starb an einem Tage.
<a href="#IDDMCJGVOQDKGBNCNNH4AM52QHZIERHRU0MG4HPFLU1X3EF0VZAXVH">[*]
Samuel 2, 12 – 4, 18: Der Priester Eli starb bei der Nachricht, daß seine mißratenen Söhne mit der Bundeslade in die Hände der Philister gefallen und getötet worden seien.</a>
Weil man der Kinder Zucht nicht will,
Drum trifft man Catilinen
<a href="#IDQYG3GLRYCVPMBEBONLKZOLB21LPSWKS0E3T0H4CVLHM005DFGIP">[*]
Catilina war Urheber der Verschwörung in Rom 63 v. Chr., gegen die Cicero auftrat. Hier wie Kap. 49 als warnendes Beispiel der Auflehnung gegen Ordnung und Gesetz genannt.</a> viel.
Es stände besser um manches Kind,
Gäb man ihm Lehrer wohlgesinnt,
Wie Phönix,
<a href="#IDCEEMMLBGGLD2CLIUC3GDIMTJ0JAAPJOBTFGODDEUCPQDFLAG5DKP">[*]
Phönix war nach Homer der Lehrer und Ratgeber des Achilles; hier nach Plutarch,
De educatione 7, 3. Aus dem gleichen Werk stammen auch die folgenden Exempla.</a> den einst aufgesucht
Peleus zu des Achilles Zucht.
Philipp durchsuchte Griechenland,
Bis er dem Sohn den Meister fand:
Dem größten König
<a href="#IDEWF5RNL03UJGFRRHCB2DPLTUMDLPXOUCQ1OSWAKONFAPEJKFSPHD">[*]
Alexander dem Großen.</a> in der Welt
Ward Aristoteles zugesellt,
Der hörte Plato manches Jahr,
Dem Sokrates einst Lehrer war.
Jedoch die Väter
unsrer Zeit,
Die gehen blind vor Geiz so weit
Und nehmen solchen Lehrer schon,
Der ihnen zum Narren macht den Sohn
Und schickt ihn wieder heim nach Haus
Halb närrischer, als er kam daraus.
Drum ist zu wundern nichts daran,
Wenn närrische Kinder ein Narr gewann.
Der alte Crates
<a href="#IDOSPHQ3FGTMCIGNOUQ05BASHTKHGP0ZF4QDUKXYQ1DG0G43J5LD">[*]
Wieder nach Plutarch 7, 13.</a> sprach, wenn ihm
Es zuständ, wollt mit lauter Stimm'
Er schreien: Narren unbedacht!
Aufs Gütersammeln habt ihr acht
<a name="page30" title="FeGr/wedi" id="page30"></a> Und achtet nicht auf euer Kind,
Für das ihr doch auf Reichtum sinnt.
Aber euch wird zuletzt der Lohn,
Wenn in den Rat soll gehn der Sohn
Und dort auf Zucht und Ehren achten,
Dann wird nach
solchem Ding er trachten,
Wie man's von Kind an ihn gelehrt;
Dann wird des Vaters Leid gemehrt,
Der sich verzehrt, weil er ohn Nutzen
Erzogen einen Winterbutzen.
<a href="#IDGBOYMA1DAKPKBENXULAHUATT5N52HNDDXHGZURIQB5NDHY4O0HNN">[*]
butz = Unhold, Kobold, Schreckscheuche (noch heute spricht man vom
Butzemann). Mit
wintterbutz ist wohl ein Popanz gemeint, wie er beim Winteraustreiben eine Rolle spielte.</a>
Die einen gehn zu der Buben Rott'
Und lästern dort und schmähen Gott;
Die andern hängen sich an Säcke,
<a href="#IDOEVQTY4UUZ5WKUWIVPSA3TO2WHY4D0VV0B20DWMRJSRFMRNPBRVP">[*]
Liederliche Personen, Huren.</a>
Die dritten verspielen Roß und Röcke;
Die vierten prassen Tag und Nacht.
Das wird aus solchen Kindern gemacht,
Die man nicht in der Jugend zieht,
Mit einem Lehrmeister wohl versieht.
Denn Anfang, Mittel, Schluß der Ehre
Entspringt allein aus guter Lehre.
Ein löblich Ding ist adlig sein,
Doch ist es fremd
<a href="#ID2XUYGHA5BNTWLCVGX0MPPY5N2H04G4DATQ1M0LIIROKJXY4I0T1M">[*]
frömbd in der Bedeutung von: nicht eigen, einem andern gehörend.</a> und ist nicht dein:
Es kommt von deinem Elternpaar;
Ein köstlich Ding ist Reichtum gar,
Aber er ist des Glücks Zufall,
Das auf und ab tanzt wie ein Ball;
Der Ruhm der Welt sich schön anläßt:
Doch schwankt er und ist voll Gebrest;
<a name="page31" title="FeGr/wedi" id="page31"></a> Ein schöner Leib steht hoch in Acht
Und währt doch kaum bis über Nacht;
So ist Gesundheit uns sehr lieb
Und stiehlt sich weg doch wie ein Dieb;
Der Stärke Größe, die man schätzt,
Schwindet vor Krankheit und Alter zuletzt:
Darum ist nichts unsterblich mehr
Und unvergänglich, als gute Lehr.
Gorgias
<a href="#ID5UWAG1CL1MEJIV52WLLCCCBCQNE1XWCM2AUCFMD0SCKTBSAJNEP">[*]
Ein griechischer Sophist, in Platons gleichnamigem Dialog Gesprächspartner des Sokrates. Hier wieder nach Plutarch, Kap. 8, ebenso die vorangehenden Verse.</a> fragte, ob glücklich wär
Zu preisen Persiens mächtiger Herr?
Sprach Sokrates: »Ich weiß noch nicht,
Ob er gelernt der Tugend Pflicht!«
Als wollt er sagen, daß Macht und Gold
Ohne Tugendlehre nichts gelten sollt.
<a name="page32" title="FeGr/wedi" id="page32"></a>
<a name="page33" title="quantenspringer/wedi" id="page33"></a>
Wer zwischen Stein und Stein sich legt
Und viel Leut auf der Zunge trägt,
Den Trübsal bald und Schaden schlägt.
Von Zwietrachtstiftern
Gar mancher hat viel Freude dran,
Daß er verwirren jedermann
Und bürsten kann dies Haar auf das,
Daraus dann Feindschaft wächst und Haß.
Mit Afterrede und Lügen groß
Gibt er gar manchem einen Stoß,
Den der erst lang nachher empfindet,
Wenn aus der Freundschaft Haß sich zündet;
Und daß ers wohl besiegeln möge,
Lugt er, wieviel er noch zulege,
Und will es nur beichtweise
<a href="#IDB5UCEIPU4IHSGTALCBNBGGTOENEJNGFW53AGN0HK3FJBD5CVPPEK">[*]
D. h. unter dem Siegel der Verschwiegenheit.</a> sagen,
Um nicht Verweis davonzutragen;
Ja, unter der Rose
<a href="#IDQLGEBBTI0NYIELALGVCGGLQKAP5PBME4IGOLAVLPVJFXVTCZQTHM">[*]
Lat.
sub rosa. Man pflegte im Altertum bei Gastmählern eine Rose als Zeichen der Verschwiegenheit über den Gästen aufzuhängen.</a> – beteuert er –
Es dir ans Herz geleget wär,
Und meint, damit gefall er wohl.
Die Welt ist
solcher Zwietracht voll,
Daß man einen auf der Zunge tragen
Kann weiter als im Hängewagen.
<a href="#IDKPCLNTJX11GWNPEERK2OB4T1BG3AWHJWTI5DBPDYXIUMN1ANGTCG">[*]
In der Kutsche, die in Federn hängt.</a>
Wie Chore
<a href="#IDDOIWQUHWTRSXBDBSMFJE4XQZKNFCOXESOUK4WEODBHHF1FCZWHMF">[*]
4. Mose 16: Korahs Aufruhr gegen Moses (die Schreibweise der Namen folgt dem lat. Text der Vulgata, die Brant benutzte).</a> tat und Absalon,
<a href="#IDQD3P31RBSUZJM4GJYAAUJLZ2P0VPWPDB0WXS2EOGCU1S10NCRTJ">[*]
2. Samuel 15: Absaloms Aufruhr gegen David.</a>
Die wünschten Anhang sich und Kron'
Und holten sich nur Schimpf und Schande.
Ein Alchymus
<a href="#IDD0BV4VFVECIYFG0TESPDFZIG2MHJK300IGRUUSKBGCG3DZNUK4GC">[*]
1. Makkabäer 7, 5ff.: Der abtrünnige Alcimus verriet Israel, starb dann aber unter großen Schmerzen am Schlag.</a> in jedem Lande
Die Freunde entzweit, mit Lügen umringt
Und die Finger zwischen die Angeln bringt;
<a name="page34" title="cal/wedi" id="page34"></a> Die werden oft geklemmt davon,
Wie dem, der wollt empfangen Lohn,
Dieweil er Saul erschlagen hätt,
<a href="#ID3GTC13ZT1C5SNRJ2MLZWABNGNMO0BGE42NO55GH0D3AROWL00CPP">[*]
2. Samuel, 1, 1-16: David ließ den Amalekiterjüngling töten, der in der Hoffnung auf Belohnung vorgab, daß er Saul auf dessen Bitte hin erschlagen hätte.</a>
Und denen, so schlugen Isboseth.
<a href="#IDJJTWH34AFD4OF2N2SY1TFCYDTK2ZUVAFZKRDDPL0KNIVVZFFTXIO">[*]
2. Samuel 4: Die Mörder Isboseths ließ David ebenfalls töten, unter Hinweis auf die Strafe des Amalekiters, der die Nachricht von Sauls Tod überbracht hatte.</a>
Wie der auch zwischen Mühlsteinen liegt,
Der stets an Zwietracht sich vergnügt.
Man sieht ihm an den Gebärden an,
Welch Worte das sind und welch ein Mann:
Verbirgt man den Narren hinter der Tür,
Er streckt die Ohren doch herfür.
<a name="page35" title="cal/wedi" id="page35"></a>
<a name="page36" title="cal/wedi" id="page36"></a>
Wer nicht kann sprechen ja und nein
Und pflegen Rat um groß und klein,
Der trag den Schaden ganz allein.
Gutem Rat nicht folgen
Der ist ein Narr, der weis will sein
Und hält nicht Glimpf
<a href="#IDJM25RE4BWR1ZHK52YWSQJGXV1GVD4VXHI3WMTTGWSFJYIIVDKYHL">[*]
Angemessenes Betragen.</a> noch Maße ein,
Und wenn er Weisheit pflegen will,
So ist ein Gauch sein Federspiel,
<a href="#IDNPM2NQFPSSUIBF4U2WZDUGJPNLZCCARUS2BWOMLRQGCK2TJTNZG">[*]
D. h., er schickt statt eines Falken einen Kuckuck auf die Jagd. Vgl. Kap. 1.</a>
Viel sind mit
Worten weis und klug
Und ziehen doch den Narrenpflug.
Das macht, weil sie zu jeder Zeit
Für klug sich halten und gescheit,
Und achten nicht auf fremden Rat,
Bis ihnen sich das Unglück naht.
Tobias
<a href="#IDQLYMSK5LR1EJHWYLOLLT4DM1NNP523YOCHVJ5SBYXGQC0V0XGX5K">[*]
Tobias 4, 19.</a> stets den Sohn belehrt,
Daß er an weisen Rat sich kehrt;
Man riet der Hausfrau Lots
<a href="#IDWOGON3GCK1QMBUQBYWWXL2OILF2LLYK3VUBWIJNEFEX4EBKXIO5O">[*]
1. Mose 19, 26.</a> wohl gut,
Doch voll Verachtung war ihr Mut,
Drum ward von Gott sie heimgesucht
Und ward zur Säule auf der Flucht.
Rehabeam
<a href="#ID21XZYQFNDGLTDNZDHRZ4QMNCDJMZC0IG0SEDT4DCVVUZYYO0TPNG">[*]
1. Könige 12, 8 ff.</a> nicht folgen wollte
Den alten Weisen, wie er sollte;
Den Narren folgt' er, da verlor
Er Stämme zehn und blieb ein Tor.
Hätt Nebukadnezar
<a href="#IDBDXDQSQ5IZC5NJHDTGIONZXM3LLXHY00XA0LMMKP23K1A2RNV4OP">[*]
Daniel 4, 24-30.</a> auf Daniel gehört,
Er wäre nicht in ein Tier verkehrt;
Und Makkabäus, der stärkste Mann,
Der großer Taten Ruhm gewann,
Hätt Jorams Rat
<a href="#IDRD5W5LIDCBL5MBNT2J5KL3QQOIM4VP30K10BFKDAC5U3AHFZMIB">[*]
1. Makkabäer 9, 1-18. Da
Joram hier nicht als Urheber des Rates genannt wird, muß Brant noch eine andere Vorlage gehabt haben.</a> er zu Herzen genommen,
Er wäre nicht ums Leben gekommen.
<a name="page37" title="wedi/quantenspringer" id="page37"></a> Wer allzeit folgt seinem eignen Haupt
Und gutem Rat nicht folgt und glaubt,
Der lässet Glück und Heil beiseit
Und will verderben vor der Zeit!
Drum Freundes Rat niemand veracht',
Wo Räte viel – dort Glück und Macht.
<a href="#IDP04BTUV4PFP0JYJQT3FGMBGPCLPJBHEL5FU52ANUHKZ5TDTPY11F">[*]
Sprüche Salomonis 11, 14.</a>
Achitophel sich selbst getötet hat,
Weil Saul nicht folgte seinem Rat.
<a href="#IDO5SMS4MIQ0QRKSOLJ1OPANEKJO520ACIX4KMCDFLTCGNXQ54FVPJ">[*]
2. Samuel 17, 1–23: statt
Saul muß es Absalom heißen, wohl ein Gedächtnisfehler.</a><a name="page38" title="wedi/quantenspringer" id="page38"></a>
<a name="page39" title="wedi/quantenspringer" id="page39"></a>
Wer schlecht an Sitte und Gebärde
Und guckt, wo er zum Narren werde,
Der schleift die Kappe an der Erde.
Von schlechten Sitten
Viel gehn in Schauben
<a href="#IDNSBIKCZGMXO0BZXBZMV5AHXCHLDB0MXRLBKFGNFFXDE5QDSTQPJ">[*]
Lange, vorn offene Mäntel, wie auf dem Holzschnitt dargestellt.</a> stolz daher
Und werfen den Kopf bald hin, bald her,
Dann hin zu Tal, dann auf zu Berg,
Dann hinter sich, dann überzwerch,
<a href="#IDWLWYPWEXLD3RIAVWA5PE2BC3UB14LRSRWD3KKTEKZXDSJ2GHDOLD">[*]
In die Quere, seitwärts.</a>
Bald gehn sie rasch, dann sehr gemach;
Das zeigt als Zeichen und Ursach,
Daß sie leichtfertig von Gemüte,
Wovor man sich gar billig hüte.
Wer klug nach guter Sitte späht,
Dem auch sein Wesen wohl ansteht,
Und was er auch beginnt und tut,
Das dünket jeden Weisen gut.
Die echte Weisheit fängt an mit Scham,
Ist züchtig, still und friedesam,
Es ist bei ihr dem Guten wohl,
Drum füllt sie Gott der Gnaden voll.
<a href="#IDRVZM5PMZ35S1PD5Z3RJMA0BN2HIV5GCFNVSZPKI1MR5EA3GX1MOO">[*]
Jakobus 3, 17.</a>
Viel besser hat man gute Gebärde,
<a href="#IDTS4TUOOPQCQBIH05ODE002XHWHEY00M5HVRJJ3NP0I34UMVPEVAG">[*]
D.h. gutes Betragen, das bei Brant als Zeichen der inneren Gesinnung gilt.</a>
Denn allen Reichtum auf der Erde,
Weil aus den Sitten man bald entnimmt,
Wie einer im Herzen ist gestimmt.
Gar mancher der Sitten wenig schont,
Das macht, sie sind ihm ungewohnt,
Er ist erzogen nicht dazu,
Drum hat er Sitten wie eine Kuh.
Die beste Zierde, der höchste Nam',
Sind gute Sitten, Zucht und Scham.
Noah wohl guter Sitten pflag,
<a name="page40" title="wedi/quantenspringer" id="page40"></a> Doch schlug ihm Ham, sein Sohn, nicht nach.
<a href="#ID4OJ5SSISEYUIC5JR2NUVV15XDOQM3ZANTQAHDUNHZHKWOVIFXSMP">[*]
1. Mose 9, 22</a>
Wer einen weisen Sohn gebärt,
Den man Vernunft, Sitt', Weisheit lehrt,
Der danke Gott doch früh und spat,
Der ihn mit Gnade versehen hat.
In des Vaters Nase biß Albin,
<a href="#IDKPPBAWWTS2XZLRNJ0A0G511ECE2MQWK2SNRU4BC3OEM0CCCNLBAK">[*]
Nach einer alten Erzählung, die als Variante einer Fabel des Äsop auch in den Schwänken des 16. Jh. überliefert ist, biß ein Sohn, als er unter dem Galgen stand, dem Vater, der ihn schlecht erzogen, die Nase ab. Bei Brant drastischer:
Syns vatters nase Albinus aß, das er jn nit hatt gzogen baß.</a>
Weil der ihn nicht besser ließ erziehn.
<a name="page41" title="wedi/quantenspringer" id="page41"></a>
Sprichwörtlich: Das lassen sich noch zehn andere zur Warnung dienen.</a>
Wer Gewalt und Unrecht einem Mann
Antut, der Leid ihm nie getan,
Da stoßen sich zehn andre dran. <a href="#IDLI3XRZEZ4CLMKNI55WLEH1HRDGV0GGL3LAXRHABHBYP1Y1AVYT3M">[*]
Von wahrer Freundschaft
Der ist ein Narr mit töricht Blut,
Der einem Menschen Unrecht tut,
Weil er dadurch gar manchem dräut,
Der sich dann seines Unglücks freut.
Wer seinem Freunde Böses tut,
Der all sein Hoffen, Vertrauen und Mut
<a href="#IDNEBIQOFRVLF0I3JEIT0VVYOQNPMLJFCEYVKS0BDNS3VJK00NVGPI">[*]
D.h. Zuversicht.</a>
Allein gesetzet hat auf ihn,
Der ist ein Narr und ohne Sinn. –
Es gibt nicht mehr ein Freundespaar,
Wie Jonathan und David
<a href="#IDTQYVRACPANA4IQLXS1JZMGLZTBNHFSLJ0HPLMJGY3M3FY5C4G13E">[*]
1. Samuel 18 u. 20.</a> war,
Patroklus und Achill
<a href="#IDI40ZE3SU5K30GE2VWOMK22U1GLHZA4Y3ENNW51F3PETV5T3B2YKJ">[*]
Patroklus, der treue Freund und Waffengefährte Achills, wurde vor Troja von Hektor getötet; Achilles rächte seinen Tod.</a> dabei,
Orest und Pylades,
<a href="#ID3SSNSPY2WYLHUZCZE1A2ILWYPRTDCX1522KQJFHC3AC1MJCKG0I">[*]
Orest und Pylades befreiten gemeinsam Iphigenie, die Schwester des Orest.</a> die zwei,
Wie Demades und Pythias
<a href="#IDVGJ3VJWE1Q3QSWWM5MTAY20WKZPZHS4IUDLWHK3G3JLETZPH3E">[*]
Damon und Phintias aus Syrakus: die Geschichte ihrer Freundestreue ist aus Schillers »Bürgschaft« bekannt.</a> gar
Oder der Schildknecht Saulis war,
<a href="#ID3KJEUZI0HBKOM5TLMAH0LWKGPCCF5545RT343NEV4KQ0Y5WLLI5C">[*]
1. Samuel 31, 5: Dieser weigerte sich, Hand an Saul zu legen, folgte ihm dann aber freiwillig in den Tod.</a>
Wie Scipio, Laelius,
<a href="#IDQEHLAQUKZB4KENQ34MWKDFA1L2YTHQBRW13UYHUSOTTS0WOHESG">[*]
Cornelius Scipio Africanus, römischer Feldherr und Politiker († 183 v.Chr.), und sein Landsmann Laelius: beide wurden als Freundespaar sprichwörtlich.</a> die beiden.
Wo Geld gebricht, muß Freundschaft scheiden;
Die Nächstenliebe so weit nicht geht,
Wie im Gesetz
<a href="#IDWBIRT5OXXQHHN22BBZO4DHM1YB40ENHHGSGVY3POSML11SQBFGVN">[*]
gsatz, bezieht sich auf Matthäus 22, 39.</a> geschrieben steht:
Der Eigennutz vertreibt das Recht,
Die Freundschaft, Liebe, Sippschaft, Geschlecht;
Es lebt jetzt keiner Moses gleich,
<a name="page43" title="wedi/quantenspringer" id="page43"></a>
An Nächstenliebe wie dieser reich,
<a href="#IDNUN5YGOAHBBSEH50PWWXOXV3JCYG4EB240ACLSJAM03RO1Q5SQYH">[*]
Vgl. 3. Mose 19, 18.</a>
Oder wie Nehemias
Und mit ihm der fromme Tobias.
<a href="#ID2RRMVSHNCXSJOXOQ5SW2ICQXBEY5TZQK0MJYPGD3TTCGF0C2O3UM">[*]
2. Esra 1 ff.; Tobias 1, 15 ff.: Nehemia wird genannt wegen seiner Tätigkeit für die Wiederherstellung Jerusalems, Tobias wegen seiner aufopfernden Hilfe, die er den Verbannten leistete.</a>
Wem nicht Gemeinnutz so viel wert
Wie Eigennutz, den er begehrt,
Den halt ich für einen närrischen Gauch:
Denn was gemeinsam, ist eigen auch.
Doch Kain lebt jetzt in jedem Stand,
Dem leid ist, wenn Glück Abel fand.
<a href="#IDB1RB0PGOSMV4BSSY5GISIMY1OBKNTZ40CZ2XGGCWD10YH2RF21J">[*]
1. Mose 4, 3–5.</a>
Es gehen Freunde in der Not
Wohl vierundzwanzig auf ein Lot,
Und die am besten wollen sein,
Gehn sieben auf ein Quentelein.
<a name="page44" title="wedi/quantenspringer" id="page44"></a>
<a name="page45" title="wedi/quantenspringer" id="page45"></a>
Wer jedem Narren glauben will,
Da man doch hört von Schrift so viel,
Der schickt sich wohl ins Narrenspiel.
Verachtung der Heiligen Schrift
Der ist ein Narr, der nicht der Schrift
Will glauben, die das Heil betrifft,
Und meint, daß er zu Recht so lebe,
Als ob's nicht Gott noch Hölle gebe,
Verachtend Predigt sowie Lehre,
Als ob er gar nicht säh noch höre. –
Stünd einer von den Toten auf,
Man liefe hundert Meilen drauf,
Damit man hörte neue Märe,
Welch Wesen in der Hölle wäre;
Ob viele Leut dort führen ein,
Ob man auch zapfte neuen Wein
Und ander ähnlich Affenspiel.
Nun hat man doch der Schrift so viel
Vom Alten und vom Neuen Bund,
Kein ander Zeugnis zu der Stund
Braucht man, noch Kapell und Klausen
Des Sackpfeifers von Nickelshausen.
<a href="#IDR5TVGBXRDIEAP1K44MZWI1UWEBQBMONNDUEX2K5BZZPO4AI4FIJ">[*]
In dem Dorfe Niklashausen an der Tauber war 1476 ein Hirte namens Hans Böhme, der »Sackpfeifer« oder »Pauker« genannt, mit der Versicherung aufgetreten, die Jungfrau Maria sei ihm erschienen. Er hatte großen Zulauf unter der Landbevölkerung und predigte nicht nur vom Zorn Gottes und seiner besonderen Gnade für das kleine Taubertal, sondern prophezeite auch eine Umwälzung der sozialen Ordnung. Als er schließlich zu einer bewaffneten Versammlung aufrief, wurde er auf Anordnung des Bischofs von Würzburg festgenommen und mit einigen seiner Anhänger verbrannt.</a>
Denn Gott spricht nach der Wahrheit sein:
»Wer
hier gesündigt, hat
dort Pein,
Und wer sich hier zur Weisheit kehrt,
Der wird in Ewigkeit geehrt.«
Gott gab, das leidet Zweifel nicht,
<a name="page46" title="wedi/quantenspringer" id="page46"></a> Gehör dem Ohr, dem Auge Licht;
Drum ist erblindet und ertaubt,
Der nicht hört Weisheit und ihr glaubt
Und lauscht auf neue Mär und Sage.
Ich fürcht, es kommen bald die Tage,
Daß man mehr neuer Mär werd inne,
Als uns gefall und sei nach Sinne.
Jeremias schrie und hat gelehrt
Und ward von niemand doch gehört,
Desgleichen andre Weise mehr,
Drum kam viel Plage hinterher.
<a href="#ID1LSEX0QM2H4XON1N1ISQDR3B1NDO0I4WOVQE1CI105IGYRFKAPJ">[*]
Hinweis auf die Zerstörung Jerusalems und die babylonische Gefangenschaft.</a><a name="page47" title="wedi/quantenspringer" id="page47"></a>
<a name="page48" title="quantenspringer/wedi" id="page48"></a>
Wer nicht erst gürtet <a href="#IDZEXOGV3U1FGVDE40RLMOZ5ECCBWOZFOU0VXFPOMIGFL1CHYLKYYN">[*] Den Sattelgurt befestigt.</a> vor dem Reiten,
Nicht weise Vorsicht übt beizeiten,
Des spottet man, fällt er zur Seiten.
Von unbesonnenen Narren
Der ist mit Narrheit wohl geeint,
Wer spricht: »Das hätt ich nicht gemeint!«
Denn wer bedenkt all Ding beizeiten,
Der sattelt wohl,
eh er will reiten.
Wer sich bedenkt erst
nach der Tat,
Des Überlegung kommt meist zu spat;
Wer
in der Tat sich raten kann,
Muß sein ein wohlerfahrner Mann,
Oder es haben's ihn Frauen gelehrt,
Die solchen Rats sind hochgeehrt.
Hätt Adam zuvor bedacht sich baß,
<a href="#IDTSTCO12NLO5YC50ZUCRPDYEVHDZHIXPVRKU4RGBZPKGAAN3WGQF">[*]
Besser.</a>
Bevor er von dem Apfel aß,
Er wär nicht um den kleinen Biß
Gestoßen aus dem Paradies.
Hätt Jonathas
<a href="#IDYC2Z5BGPBTG5OMRHWBLQPSXFGEBTOUWKWDBV0ZDSH3RXU3SKGOJ">[*]
1. Makkabäer 12, 43ff.: Tryphon fürchtete, daß der Hohepriester Jonathas sich gegen seinen geplanten Feldzug stellen könnte, er empfing ihn daher freundlich, überreichte ihm Geschenke und überredete ihn, ohne seine Streitmacht weiterzuziehen, woraufhin er ihn gefangennehmen und töten, ließ.</a> sich recht bedacht,
Er hätt die Gaben wohl veracht't,
Die Tryphon ihm in Falschheit bot
Und ihn darnach erschlug zu Tod.
Guten Anschlag wußte alle Zeit
Der Kaiser Julius
<a href="#IDEQ5TXONU31L5CVL3JSSV5KFOSJUIOBNUOMLVZRBFGLAYSRSETTBG">[*]
Julius Cäsar.</a> in dem Streit,
Doch, als er hatte Fried und Glück,
Versäumte er ein kleines Stück,
Daß er den Brief nicht las zur Hand,
<a href="#IDC5P543W1BTS1PU1NDMC4F33U4NCAJXT1JURWBGLNXYUDA1NZPWED">[*]
zuo hant, sogleich.</a>,
Den man zur Warnung ihm gesandt.
<a name="page49" title="Wassermann/wedi" id="page49"></a> Nikanor
<a href="#IDX0OS10RPK1Z0DFWFU0LDNLV1JMF1CWZKI1OCREO2RESIDLHYO3UM">[*]
2. Makkabäer 8, 10-14: Nikanor ließ Juden zum Kauf ausbieten, die er noch gar nicht gefangengenommen hatte und von denen er dann in die Flucht geschlagen wurde.</a> überschlug gering,
Verkaufte das Wildbret, eh ers fing,
Drum ging sein Anschlag fehl genug:
Zung, Hand und Haupt man ab ihm schlug.
<a href="#IDWUZY1GFNASG2BLTTSYTVC0BR4DCLYIH2P4VDWOII5ETXK1JQWG">[*]
2. Makkabäer 15, 30 ff.</a>
Ein weiser Plan allzeit gut paßt,
Wohl dem, der ihn beizeiten faßt.
Gar mancher
eilt und kommt zu spät,
Der stößt sich bald, der zu rasch geht.
Asahel, einst als schnell bekannt,
Sank hin, durchbohrt von Abners Hand.
<a href="#IDFONFQI11HKKR1GKLRPURD2ZINGJEW4D1IUSHSJE0JFCTNTYJLB">[*]
2. Samuel 2, 17-23: Asahels Schnelligkeit wurde ihm zum Verhängnis, da er Abner so lange verfolgte, bis dieser ihn schließlich tötete.</a><a name="page50" title="quantenspringer/wedi" id="page50"></a>
<a name="page51" title="quantenspringer/wedi" id="page51"></a>
An meinem Seile ich nach mir zieh <a href="#IDZEMYXTOJ0J12NIQO2XCW1OFFFE4ML0FLWHRBSRPZX5OLIDBG03EF">[*] Im Original bildkräftiger: draffter yeich, d. h. hin und her zerre und jage.</a>
Viel Affen, Esel und Narrenvieh:
Ich täusche, trüge, verführe sie.
Von Buhlschaft
Ich, Venus mit dem strohernen Steiß,
<a href="#IDLMAKHKHIIGS4L5UH1V12JXB1FKXEJDBUPEPXZHJBNOXQHK0RABAC">[*]
ströwen ars als derbes Bild für die leicht entflammbare Sinnlichkeit.</a>
Bin nicht die letzte des Narrenbreis;
Ich locke zu mir der Narren viel
Und mach zum Gauche, wen ich will,
Meine Kunden niemand nennet all.
Wer je gehört von Circes Stall,
Kalypso, der Sirenen Joch,
<a href="#IDKCEWFOIWE5VFJRMLUDYNOXZKYC3CWHJPXPJMBZD022VGGE0S5ZRH">[*]
Anspielungen auf die Fahrten des Odysseus: die Zauberin Circe verwandelte ihre Liebhaber in Tiere, die Nymphe Kalypso hielt Odysseus sieben Jahre auf ihrer Insel fest, die Sirenen lockten die vorüberfahrenden Schiffer durch ihren bezaubernden Gesang an und töteten sie dann. Vgl. Kap. 108.</a>
Bedenk, welch Macht ich habe noch.
Wer meint, daß klug und schlau er sei,
Den tauch ich tief in Narrenbrei,
Und wer einmal von mir wird wund,
Den macht kein kräftig Kraut gesund.
Drum hab ich einen Sohn, der blind:
Kein Buhler sieht, was er beginnt;
Mein Sohn ein Kind ist, nicht ein Mann:
Und kindisch ist der Buhler Plan;
Sie kennen Worte von Gewicht
Gleich einem kleinen Kinde nicht;
Mein Sohn ist nackt, das zeiget an,
Daß Buhlschaft niemand verbergen kann;
Böse Lieb entfliegt, nicht lang sie steht,
Daher mein Sohn geflügelt geht.
Buhlschaft ist leicht
<a href="#IDMVRGANXZQXGTGMEKCZIZZCSMXJ1DKV3K5OURT3BOPZIZ4WGZQZZL">[*]
Leichtsinnig.</a> zu aller Frist,
Nichts weniger stet auf Erden ist;
Cupido trägt den Bogen bloß,
<a name="page52" title="quantenspringer/wedi" id="page52"></a> An jeder Seit' einen Köcher groß,
In einem hat er Hakenpfeile,
Damit trifft er viel Narrn in Eile,
Die sind scharf, hakig, gülden, spitz,
Und wen sie treffen, verliert den Witz
<a href="#IDVQUOVCCIDOOYNLVLFHP3GW5U5GK5UA5ISMWL55JXMUYFMMMYBRZD">[*]
kumbt von witz, d. h. verliert den Verstand.</a>
Und tanzt darnach am Narrenholze;
Im andern Köcher die Vogelbolze
Sind stumpf, nicht leicht, beschwert mit Blei,
Macht
einer wund, so scheuchen
zwei.
<a href="#IDROPNUVQO403KCZ5QTBXVRS4NEDLR3EFACSJNDDEIU54HGWQ5ZMBN">[*]
Ovids Metamorphosen I, 468 ff. Auch die folgenden Exempla aus der griechischen Mythologie gehen fast sämtlich auf Ovid zurück; neben den Metamorphosen sind Stellen aus den
Remedia Amoris (V. 57-68),
Heroides und
Tristia herangezogen.</a>
Wen traf Cupidos sichre Hand,
Den setzt sein Bruder Amor in Brand,
Daß er nicht löschen kann die Flamm',
Die Dido einst das Leben nahm,
Durch die Medea einst verbrannt
So Kind wie Bruder mit eigner Hand.
<a href="#IDHAZFNIJZJ2QHFXWZN5PBDSFW4B0XHBAC51B20KHG2XH4HMGD5LAC">[*]
Dido, die Königin von Karthago, tötete sich, als Aeneas sie verließ. Medea, die Königstochter aus Kolchis, erstach ihre Kinder, nachdem Jason sie verstoßen hatte; dies wird von Brant offenbar verwechselt mit der Verbrennung des königlichen Schlosses, in dem ihre Nebenbuhlerin umkam.</a>.
Kein Wiedehopf ward Tereus je,
Den Stier vermiede Pasiphae,
Phädra führ' nicht dem Theseus nach,
Sucht' nicht an ihrem Stiefsohn Schmach;
<a href="#IDCTFWYMIA2OPBHMTN2CSTRPEDWBTFNNQDWS02X2PIOS5NJ42HMFAL">[*]
Tereus, der seine Schwägerin Philomela vergewaltigt und der Zunge beraubt hatte, wurde bei der Verfolgung der Flüchtigen in einen Wiedehopf verwandelt. Pasiphae, Gattin des Minos, buhlte mit einem Stier und gebar den Minotaurus. Phädra, ihre Tochter, Gattin des Theseus, verleumdete ihren Stiefsohn Hippolytus, dem sie vergeblich nachstellte.</a>
Nessus
<a href="#IDXKQ4XMMWH24CKHBABNEFPPHS5KSRX2PWESB4BHKXEWIHTD1JGKUH">[*]
Herkules tötete den Zentauren Nessus, als dieser Dejanira zu entführen suchte.</a> wär nicht geschossen tot,
<a name="page53" title="mbechtel/wedi" id="page53"></a> Troja gekommen nicht in Not;
Es ließe Scylla dem Vater das Haar,
<a href="#ID3MOLWOGCEJTYBLX5UAOUB0JN2D1FRMQBFBZDYQIZTPDVWNMU4XQC">[*]
Scylla verliebte sich in Minos, der die Stadt ihres Vaters belagerte, und brachte ihm eine Strähne vom Haar ihres Vaters, in der sein Heil verborgen war.</a>
Hyacinth wär keine Blume
<a href="#IDPS42MBRLTOHOMICJ1JTUCTDAMOYNXYA0LIKZTFCKR044KGXQVFPK">[*]
keyn ritter spor: Apollo tötete den von ihm geliebten Jüngling Hyacinthus versehentlich durch einen Diskuswurf und verwandelte ihn in eine purpurfarbene Lilie.</a> fürwahr,
Leander durchs Meer nicht schwimmen tät,
<a href="#IDEYMTXAEL0WSXLKUYYRB2GNL2RP1FA21UYN0PB5EU3JQHVTGFT13I">[*]
Leander ertrank, als die Lampe Heros, die ihm den Weg über das Meer wies, erlosch.</a>
Messalina wäre in Keuschheit stet;
<a href="#IDU4L1YLO32AMNEGUQDCJ4BOZELC4PYNKQTQE3ICBMHU1CRFMKYSXK">[*]
Messalina, Gemahlin des römischen Kaisers Claudius, war nach Sueton eine berüchtigte Buhlerin.</a>
Mars läg nicht in Ketten um sein Lieben,
<a href="#IDIA3CZ0WUFFOIOUXXJ5CX045D4EYOFI0XYEZKEACVTQWCJ5DWJ3KK">[*]
Mars wurde von Hephaistos auf dem Liebeslager mit Venus überrascht und in erzene Ketten und Netze eingefangen, zum Gespött der herbeigeeilten Götter.</a>
Und fern wäre Procris
<a href="#ID5QA1QE4IEEOCF0SENFDYWKSI4CVUTPKEKR34KXPA2HQ31PCMJYH">[*]
Procris wurde, da sie ihrem Gatten Cephalus aus Eifersucht in den Wald gefolgt war und sich hinter einer Hecke versteckt hatte, von diesem für ein Wild gehalten und getötet.</a> der Hecke geblieben.
Es stürzte nicht Sappho
<a href="#IDKFI1EGBO1L05H5FKMWXTMKSKJMBRGGIRR1AJOTDL3XTHHLHN0RIO">[*]
Die griechische Dichterin Sappho soll sich aus Liebesgram vom Leukadischen Vorgebirge ins Meer gestürzt haben.</a> vom Felsenhang,
Keinen Kiel versehrte Sirenengesang;
Es ließe Circe wohl fahren die Schiffe,
Und Cyclops mit Pan
<a href="#IDTP40BIKQYPLFCOR4NN2I3A23ZBEU5DWDNZABUGHAYLDP3GD2KDV">[*]
Der Zyklop Polyphem klagte über seine unglückliche Liebe zu Galatea, der Hirtengott Pan um die Nymphe Syrinx.</a> nicht kläglich pfiffe;
Leucothea würde nicht Weihrauch gebären,
Myrrha sich nicht mit Adonis beschweren,
<a href="#IDBVYYL5VVEYVTOONKOE1OTI3SUDFTKXQOVFODSNLI1BTPNMPZOEUM">[*]
Leucothea, Geliebte des Sonnengottes, wurde verleumdet und von ihrem Vater lebendig vergraben, von dem Gott aber in einen Weihrauchbaum verwandelt. Myrrha liebte den eigenen Vater, verleitete ihn zur Blutschande und gebar den Adonis.</a>
Byblis wär nicht ihrem Bruder hold,
Es empfinge nicht Danae durch Gold,
Nyctimene flöge nicht aus bei Nacht,
<a name="page54" title="Wassermann/wedi" id="page54"></a> Zur Stimme nicht wäre Echo gemacht;
<a href="#IDS1UR1LD2WHZACZMIQRWBP3SO0IVDRY0HZTR1SYLWRV4AZ52LPWXD">[*]
Byblis liebte ihren Bruder Caunus, verfolgte ihn nach seiner Flucht und wurde in eine Quelle verwandelt. Danae wurde von Jupiter besucht, der als goldener Regen in ihr Gefängnis drang, und gebar den Perseus. Nyctimene, die mit ihrem Vater Unzucht getrieben hatte, wurde zur Strafe in eine Eule verwandelt. Die Nymphe Echo liebte den Narcissus, wurde aber von ihm verschmäht und löste aus Scham darüber ihren Leib in Luft auf, nur ihre Stimme blieb.</a>
Es färbte nicht Thisbe die Beeren rot,
Atalanta käm nicht als Löwin in Not,
<a href="#ID401CWIJH4NG3CTLY4IKTUUWHRQXVNA5G0SYQJF5CVGN443HOEHG">[*]
Thisbe, Geliebte des Pyramus, erstach sich selbst, als sie erkennen mußte, daß sich der Liebhaber um ihretwillen getötet hatte. Atalanta und ihr Gemahl Hippomenes wurden von Cybele in Löwen verwandelt, als sie deren Tempel durch ihre Liebesumarmung entweihten.</a>
Des Leviten Weib wäre nicht geschwächt
Und darum erschlagen ein ganz Geschlecht;
<a href="#IDKG4MZPJUDJJ2JAPSLFFWSPQMAHUWI1ZVV2JZYWM33CQBTLGW4JNJ">[*]
Richter 19-20.</a>
David ließe baden die Bathseba,
Und Samson nicht traute der Delila;
Nicht betete Salomo Götzen an,
Der Schwester hätt Amon nichts Böses getan;
<a href="#IDHKZDGNFP5K5FGEKRW4VMSOSGICPWYIVP0IWKDRFNGIHFN5LNXYLM">[*]
2. Samuel 11; Richter 16; 1. Könige 11; 2. Samuel 13.</a>
Ohn Grund wär Joseph
<a href="#IDQF4FMZZ4P5MKG400YT0HAG3KNQHEI4WSTEIETIZP0MIKJMYAORE">[*]
1. Mose 39.</a>verklaget nit
Wie Bellerophon und Hippolyt;
Der Weise
<a href="#IDKW1JQJC2PUCRIONSZSWEX4RNEACPIN0ONBYZ5B0XPE4EJVZYT3D">[*]
Gemeint ist Aristoteles, der sich nach einer beliebten Erzählung von der Buhlerin Phyllis wie ein Roß aufzäumen und reiten ließ.</a> wie ein Roß nicht ginge,
Am Turm Virgilius
<a href="#IDVP0VTSGGTDE2CP1A4GG2JPRGYIVJWPB3QVYPFMDHP4AOIWHP0OUC">[*]
Nach der im Mittelalter verbreiteten Legende vom Zauberer Vergil ließ eine Frau, die ihn zu erhören versprach und in einem Korbe zu sich emporzog, den verspotteten Liebhaber unterhalb ihres Fensters bis zum nächsten Morgen hängen.</a> nicht hinge,
Ovidius hätte des Kaisers Gunst,
Hätt nicht gelehrt er der Buhler Kunst
<a href="#IDKCWUZZ4MFZBHLYMMHGT0BOU5DCFAYYQZNIQHQUHWEXTUJMYER1CK">[*]
Doppeldeutig: Ovid zog sich die Ungnade des Kaisers, der ihn nach Tomi verbannte, nicht durch sein Werk über die Liebeskunst (
Ars amatoria) zu, sondern durch seine ungeklärte Rolle bei dem ehebrecherischen Treiben der Kaiserenkelin Julia.</a> –
<a name="page55" title="Wassermann/wedi" id="page55"></a> Es käme zur Weisheit mancher noch,
Verlangte er nicht nach der Buhlschaft Joch.
Wer viel mit Frauen hat Credenz,
<a href="#IDADPMXXZ3AVLPPBTLEGNCWIZCGISYAO1OR0SB0GCY01GMSC0Q4BVO">[*]
Vertrauten Umgang.</a>
Dem wird verbrannt sein Conscienz;
<a href="#IDETZEE3ODOPRPGDHTGESMY5MITO1HR1IL0EI12RNHTGNHQX1LCDR">[*]
Gewissen (lat.
conscientia).</a>
Es dienet Gott nicht früh noch spat,
Wer viel mit ihnen zu schaffen hat,
Die Buhlschaft dient einem jeden Stande
Zu Spott und Narrheit und zur Schande;
Noch schändlicher ist sie alsdann,
Wenn buhlt im
Alter Weib und Mann.
Der ist ein Narr, der buhlen will
Und meint zu halten Maß und Ziel;
Denn daß man Weisheit pfleg' – und buhle,
Verträgt sich nicht auf
einem Stuhle.
Ein Buhler wird verblendet gar:
Er meint, es nähm ihn niemand wahr.
Dies ist das kräftigste Narrenkraut,
Die Kappe klebt lang an der Haut.
<a name="page56" title="Wassermann/wedi" id="page56"></a>
<a name="page57" title="Wassermann/quantenspringer" id="page57"></a>
Wer spricht, daß Gott barmherzig sei
Allein, und nicht <a href="#ID4DOUHT5412ZPMSBIOLCO4WVLOFPSSCQI2G3MMQEIEPJJCKJ3ODKP">[*] nit fehlt in der Ausgabe von 1494, ist aber bereits 1495 ergänzt.</a> gerecht dabei,
Der hat Vernunft wie Gäns' und Säu'.
Von Vermessenheit gegen Gott
Der schmiert sich wohl mit Eselsschmalz
<a href="#IDC2Y52IQJFUVUD2GS5YO55NFG0LDTIWF450VGFZKXWDXHBO10SEPP">[*]
D. h. macht sich zum Esel. Das
schmyeren ist eines der vielen Bilder, die Brant für närrisches Betragen setzt, ob es sich nun um
affen schmaltz, esels schmaltz oder
esels schmer handelt. Vgl. Kap. 72.</a>
Und hat die Büchse an dem Hals,
Wer sprechen darf, daß Gott der Herr
Barmherzig sei und zürn nicht sehr,
Wenn man auch manche Sund vollbringe,
Und wägt die Sünden so geringe,
Daß er sie für ganz menschlich nimmt.
Den
Gänsen sei doch nicht bestimmt
Von Gott des Himmelreiches Pracht,
Auch hab man allzeit Sünd vollbracht
Und fang nicht erst von neuem an.
Die Bibel er erzählen kann
Und andere Historien viel,
Daraus er doch nicht merken will,
Daß Strafe überall darnach
Geschrieben steht mit Plag' und Rach',
Und daß es Gott nie lang vertrug,
Wenn man ihn auf die Backen schlug.
Gott ist kein Böhme, kein Tatar,
Doch ihre Sprache ist ihm klar;
Ist sein Erbarmen noch so groß,
Ohn Zahl, Gewicht und Maße los,
So bleibt doch die Gerechtigkeit
Und straft die Sünd in Ewigkeit
An allen, die nicht tuen recht,
Gar oft bis in das neunte Geschlecht.
Barmherzigkeit nicht lang besteht,
<a name="page58" title="Wassermann/quantenspringer" id="page58"></a> Wenn Gottes Gerechtigkeit vergeht.
Wahr ists, der Himmel kommt nicht zu
Den Gänsen; doch auch keine Kuh,
Kein Narr, Aff, Esel oder Schwein
Kommt je ins Himmelreich hinein;
Denn was gehört in des Teufels Zahl,
Das nimmt ihm niemand überall.
<a name="page59" title="Wassermann/quantenspringer" id="page59"></a>
<a name="page60" title="Wassermann/quantenspringer" id="page60"></a>
Wer bauen will, der schlag erst an,
Was ihm der Bau wohl kosten kann,
Sonst sieht er nicht das Ende an.
Von törichtem Planen
Der ist ein Narr, der bauen will
Und nicht zuvor anschlägt, wieviel
Es kosten wird, und ob er kann
Vollbringen es nach seinem Plan.
Groß Werk hat mancher ausersehn
Und konnte nicht dabei bestehn.
Der König Nabuchodonosor
<a href="#IDMWPCCIPGRACHC3ZBNTK0RHH5DIAVIJXAOHA3R1ION3HLTOHTSSDJ">[*]
Nebukadnezar: Daniel 4, 26–30.</a>
Hob einst in Hoffart sich empor,
Weil Babylon die große Stadt
Durch seine Macht gebaut er hat,
Und doch kam es gar bald dazu,
Daß er im Feld lag wie 'ne Kuh.
Nimrod
<a href="#ID4SVKXUH2GSQOJMZSRPBOWCDBAGZAL00V2Y4J5QNEBUNVSNGY2OAP">[*]
Die Verbindung von 1. Mose 10, 10 und 11, 9 führte zu der Annahme, daß Nimrod der Erbauer des babylonischen Turmes gewesen sei.</a> wollt bauen hoch in die Luft
Einen Turm, stärker als Wassers Kluft,
Und schlug nicht an, daß ihm zu schwer
Sein Bauen und nicht möglich war.
Es baut nicht jeder so geschickt,
Wie es Lucullus
<a href="#IDFOWLA14OAC5MHUPOJ2O5I5S4PBSSSKUOVLFGIMJKKCDXZZIBWKLD">[*]
Römischer Feldherr † um 57 v. Chr.), der durch seine im Osten erworbenen Reichtümer in Rom ein glanzvolles Leben führte; nach Plutarch.</a> einst geglückt.
Wer nicht gern Reu beim Bau gewinnt,
Bedenk sich wohl, eh er beginnt,
Denn manchem kommt die Reu zu spät,
Wenn es ihm an den Säckel geht.
Wer große Dinge leitet ein,
Der muß sich selber Bürge sein,
Ob er gelangen mög' zum Ziel,
Das er für sich erreichen will,
<a name="page61" title="Wassermann/Konmax" id="page61"></a> Damit ihn nicht des Glückes Fall
Mach' zum Gespött den Menschen all.
Viel besser ist es, nichts beginnen,
Als Schaden, Schand und Spott gewinnen.
Die Pyramiden kosten viel,
Das Labyrinth auch dort am Nil,
<a href="#IDDCNQETHLGVXXM3SO40TVQMBSYM5HK5RIS1UB02I5M1WPKTJ5GBKC">[*]
Die merkwürdige Ortsangabe erklärt sich aus antiker Überlieferung, vgl. Plinius,
Historia naturalis XXXVI, 84 ff.</a>
Und mußten doch schon längst vergehn:
Kein Bau der Welt kann lang bestehn!
<a name="page62" title="Wassermann/Konmax" id="page62"></a>
<a name="page63" title="JohannN/Konmax" id="page63"></a>
In künftige Armut billig fällt,
Wer Völlerei stets nachgestellt
Und sich den Prassern zugesellt.
Von Völlerei und Prassen
Der zieht einem Narren
<a href="#IDFVIPSWUWI1H1KD4WIZMY1QL4LNZPVSSFI4QYWAJK2MX33OHVP3FL">[*]
D. h. sich selbst. Auch dies nur eine Umschreibung der Einleitungsformel: der ist ein Narr.</a> an die Schuh,
Der weder Tag noch Nacht hat Ruh,
Wie er den Wanst füll' und den Bauch
Und mach' sich selbst zu einem Schlauch,
Als ob er dazu wär geboren,
Daß durch ihn ging viel Wein verloren,
Als müßt ein Reif
<a href="#IDAGB214B2ZGJSH1FXQDTCV0AWBIBN30RZ4J1X5IFSYREZAVJBHONM">[*]
Ein strenger Frost, der den Wein verdirbt.</a> er täglich sein –
Der paßt ins Narrenschiff hinein,
Denn er zerstört Vernunft und Sinne,
Des wird er wohl im Alter inne,
Wenn ihm dann schlottern Kopf und Hände;
Er kürzt sein Leben, ruft sein Ende.
Ein schädlich Ding ists um den Wein,
Bei dem kann niemand weise sein,
Wer darin Freud und Lust nachtrachtet.
Ein trunkner Mensch niemandes achtet
Und weiß nicht Maß noch recht Bescheid.
Unkeuschheit kommt aus Trunkenheit,
Viel Übles auch daraus entspringt:
Ein Weiser ist, wer
mäßig trinkt. –
Noah
<a href="#IDUZB32RPQIVBHNHVANZPCRSZD3OHH42FXEH5NLSD20KXZN2X4I4VE">[*]
1. Mose 9, 20 f.</a> vertrug selbst nicht den Wein,
Der ihn doch fand und pflanzte ein,
Lot
<a href="#IDKTA5QMZA1K31GYQL1XV05LOGFH31SGNFVNZYTCIGA3CLHS23QDDC">[*]
1. Mose 19, 33 ff.</a> ward durch Wein zweimal zum Tor,
Durch Wein der Täufer
<a href="#IDSZ0F5X1RMPGHGWDBFNN0S4B4HGZNDJ3BLUWHRKLXCCGF3FEEPT5J">[*]
Johannes der Täufer: Markus 6, 17 ff.</a> den Kopf verlor.
Wein machet, daß ein weiser Mann
Die Narrenkapp aufsetzen kann.
<a name="page64" title="cal/quantenspringer" id="page64"></a> Als Israel einst schlemmte wohl
Und ihm der Bauch war mehr als voll,
Begann es übermütig Spiel,
Gottloser Tanz ihm wohlgefiel.
<a href="#IDB04UFA0XHHDHCDYLGFTBWDSPZPPU2WTHEJMXPSJSC3W5MXOUBA5K">[*]
Gemeint ist der Tanz um das Goldene Kalb: 2. Mose 32, 6 ff.</a>
Darum gebot Gott Aarons Söhnen,
Sie sollten sich des Weins entwöhnen
Und alles, was da trunken macht
<a href="#ID0ZHCL0X2OJGOF402L2K0WK1S1KFXEQFFA1V3WPO4KSLSN4Y1WYWC">[*]
3. Mose 10, 9.</a>
– Doch haben's Priester wenig acht!
Als Holofernes
<a href="#IDO22N5NMOMRB4M2UWWFPIN1YFSFN0FVRBPGQ34RJNKVPGBK22SICO">[*]
Judith 12, 21 ff.</a> trunken ward,
Verlor den Kopf er samt dem Bart;
Thamyris
<a href="#IDUU115AFS4PDWC33X54D3VMWABBHLQEEARFJRBUP4GO3YJBZKJ3KI">[*]
Nach Herodot.</a> brauchte Speis und Trank,
Als sie den König Cyrus zwang;
Durch Wein lag nieder Bennedab,
<a href="#IDVEB3DXL3ZCCCPNBXZISDCKX4IQIFFZVUVZPA1MVDMGPHSXX1UPI">[*]
Benhadad: 1. Könige 20, 16 ff.</a>
Als er verlor all seine Hab;
Alexander, wenn er trunken war,
Vergaß der Ehr und Tugend gar;
<a href="#IDOGGWY1ZTS1HNMZL1ZZTWWQA0CMF4I40XYECJMJPEMLNRZHNAQMKJ">[*]
Alexander der Große, der im Weinrausch Kleitos tötete; nach Curtius Rufus und Plutarch.</a>
Er tat oft in der Trunkenheit,
Was ihm darnach ward selber leid;
Der Reiche
<a href="#IDVGT521KLIU5QDTXW0UKTD2INRFRAXOCJPKYFAQJHPCZOIFPE5BPP">[*]
Lukas 16, 19 ff.</a> trank wie ein Zechgeselle
Und aß des Morgens in der Hölle.
Der Mensch könnt frei, kein Knecht mehr sein,
Wenn Trunkenheit nicht wär und Wein.
Wer liebt den Wein und fette Bissen,
Wird Glück und Wohlstand ewig missen,
<a href="#IDF1BGX2PKQBN0P5FOVHVXQHSZOCSSM3C2FB2UQFMLD4ZT3LTNBFIK">[*]
Sprüche Salomonis 21, 17.</a>
Ihm Weh und seinem Vater Weh!
Dem wird nur Streit und Unglück je,
Wer stets sich füllt wie eine Kuh
Und jedermann will trinken zu
<a name="page65" title="FeGr/quantenspringer" id="page65"></a> Und tun Bescheid dem, was man bringt
<a href="#ID0EXCUUAVPMGMJU53Y4Z5SR5IVOC0RU52EORDX4PQCDOIFSEWFWGL">[*]
Sprüche Sal. 23, 29 f.; das Folgende ebd. 23, 34.</a>
Denn wer ohn Not viel Wein austrinkt,
Ist
dem gleich, welcher auf dem Meer
Entschläft und liegt ohn Sinn und Wehr:
So tun, die nur auf Praß bedacht,
Schlemmen und demmen Tag und Nacht.
Trägt denen der Wirt als Kunden zu
Einen Bug und Viertel von einer Kuh
Und bringt ihnen Mandeln, Feigen und Reis:
So bezahlen sie ihn wohl auf dem Eis.
<a href="#IDHNUHWCPADTPBEOSOVO420JUK4F1QSWW52DATKPDYRLM2CHHEO2TK">[*]
Sprichwörtlich: zu Pfingsten auf dem Eis, am St.-Nimmerleins-Tag.</a>
Viel würden bald sehr weise sein,
Wenn Weisheit steckte in dem Wein,
Den sie in sich gießen ohne Ruh.
Je einer trinkt dem andern zu:
»Ich bring dir eins! – Ich kitzle dich! –
Das kommt
dir zu!« – Der spricht: »Wart, ich
Will wehrn mich, bis wir beid' sind voll!«
Damit ist Narren jetzo wohl!
Eins auf den Becher, zwei vor den Mund,
Ein Strick an den Hals, war einem gesund
Und besser, als solche Völlerei
Zu treiben; das ist Narretei,
Wie Seneca
<a href="#ID4WRWIH3JJXWAG2YVNJRHXGQZOCCHGKNIPGZVDDZCK4E0145XBJ">[*]
Römischer Philosoph, der Erzieher Neros († 65 n. Chr.).</a> schon sah vorher,
Als in den Büchern geschrieben er,
Daß man würd künftig geben mehr
Dem Trunknen als dem Nüchternen Ehr,
Und daß man noch wolle gerühmet sein,
Wenn einer trunken wäre vom Wein.
<a name="page66" title="FeGr/quantenspringer" id="page66"></a> Die Biersäufer
<a href="#IDDQ0ALSZBUEUHOIQXR42HWPBXYDUNNDAO14SFIBCNB2WJYCKUDI4G">[*]
biersupper, wohl eine nd. Wortform, da es sich um das in Norddeutschland übliche Getränk handelt.</a> dazu ich meine,
Wenn einer trinkt 'ne Tonne alleine
Und wird dabei so toll und voll –
Man stieß mit ihm die Tür auf wohl.
Ein Narr muß
saufen erst recht viel,
Ein Weiser
trinkt mit Maß und Ziel
Und ist dabei doch viel gesunder,
Als wer's mit Kübeln schüttet runter.
Der Wein geht ein – man merkt es nicht,
Zuletzt er wie die Schlange sticht
<a href="#ID5QORYN0FE5JZNYPNHENND4YKMF32H21ZETCIIKCICQOQA3EQSTFE">[*]
Sprüche Salomonis 23, 31 f.</a>
Und gießt sein Gift durch alles Blut,
Gleichwie der Basiliskus
<a href="#IDQXFB0UGELNAYPHVYMER1CHYC1KYD0APY3HVJM3PM1VTX13JV4JTP">[*]
Fabelwesen, dessen starrer Blick bereits tötet.</a> tut.
<a name="page67" title="FeGr/Konmax" id="page67"></a>
<a name="page68" title="FeGr/Konmax" id="page68"></a>
Wer Gut hat, sich ergötzt damit
Und teilt es nicht dem Armen mit,
Dem wird versagt die eigne Bitt'.
Von unnützem Reichtum
Die größte Torheit in der Welt
Ist, daß man ehrt
vor Weisheit Geld
Und vorzieht einen reichen Mann,
Der Ohren hat und Schellen dran;
Der muß allein auch in den Rat,
Weil er viel zu verlieren hat.
Einem jeden glaubt so viel die Welt,
Als er trägt in der Tasche Geld:
»Herr Pfennig!«,
<a href="#IDULFA2LBQBN4ENFDJRH2QIQZXFDCSTIBW3ETQS2IHKJK41IZTSOIE">[*]
Beliebte Personifikation des Reichtums, Pfenning steht für Geld überhaupt.</a> der muß stets vornan.
War noch am Leben Salomo,
Man ließ ihn in den Rat nicht so,
Wenn er ein armer Weber wär
Oder ihm stund der Säckel leer.
Die Reichen lädt man ein zu Tisch
Und bringt ihnen Wildbret, Vögel, Fisch,
Und tut ohn Ende ihnen hofieren,
Dieweil der Arme vor der Türen
Im Schweiß steht, daß er möcht erfrieren.
Zum Reichen spricht man: »Esset, Herr!«
O Pfennig, man gibt
dir die Ehr;
Du schaffst, daß viel dir günstig sind:
Wer Pfennige hat, viel Freund' gewinnt,
Den grüßt und schwagert jedermann.
Hält einer um 'ne Ehfrau an,
Man fragt zuerst: »Was hat er doch?«
Wer fragt nach Ehrbarkeit denn noch
Oder nach Weisheit, Lehre, Vernunft?
Man sucht einen aus der Narrenzunft,
<a name="page69" title="FeGr/quantenspringer" id="page69"></a> Der in die Milch zu brocken habe,
Ob er auch sei ein Köppelknabe.
<a href="#IDMAZCJR45WAQGOMQXQZUEMBKQAC0HBTIDO1I4YJB0V2QHKJMZCTTE">[*]
Kuppler oder Baderknecht; beide Begriffe mochten zu Brants Zeit zuweilen zusammenfallen. Vgl. Kap. 77.</a>
Kunst,
<a href="#IDBHBJ5WR3JJWMEQORBADZDITL0I5QPBRLSWINCCHC0HUR5PZCVYTE">[*]
Wissenschaft.</a> Ehre, Weisheit gelten nicht,
Wo an dem Pfennig es gebricht.
Doch wer sein Ohr vor dem Armen stopft,
Den hört Gott nicht, wenn er auch klopft.
<a href="#ID2AS4WA05HZWGKZZA1FT5KYQNNFYIRBHIBY1CVWPMI5GBWMJHQDEG">[*]
Sprüche Salomonis 21, 13.</a><a name="page70" title="FeGr/cal" id="page70"></a>
<a name="page71" title="FeGr/cal" id="page71"></a>
Der setzt zwei Hasen sich zum Ziel
Wer zweien Herren dienen will
Und ladet auf sich allzuviel.
Vom Dienst zweier Herren
Der ist ein Narr, dem es gefällt,
Daß Gott er diene und der Welt;
Denn wo zween Herren hat ein Knecht,
Kann ihnen dienen er nimmer recht.
<a href="#IDVRA4R4R2TBDQF52DFLGKGHLLKGEATEF25UWMBEIBYPIS4TBA3OII">[*]
Dem Sprichwort liegt Matthäus 6, 24 zugrunde.</a>
Gar oft verdirbt ein Handwerksmann,
Der
viel Gewerb und Künste kann.
Wer jagen will und zu
einer Stund
Zween Hasen fangen mit
einem Hund,
Dem wird kaum einer wohl zuteil
Und oft gar nichts – trotz aller Eil.
Wer mit viel Bogen schießen will,
Der trifft wohl kaum einmal das Ziel;
Und wer auf sich viel Ämter nimmt,
Der kann nicht tun, was jedem
<a href="#ID33RNLZISUQ4NIUYCX5ZA1KLXZEMC44CYDF0ZGYM0AJKIBAHROOED">[*]
Jedem Amt.</a> ziemt;
Wer
hier muß sein und doch auch
dort,
Ist weder hier noch dort am Ort;
Wer's recht tun will nach jedermanns Nasen,
Muß warmen und kalten Atem blasen,
<a href="#IDJE4TSVBT0IRDKT0RQGCRTPXQBF0WEAVDVS1YO4MHXLKGHPQF21HO">[*]
Beliebtes Bild der menschlichen Unzuverlässigkeit und Doppelzüngigkeit, dem eine alte, von Ulrich Boner, Hans Sachs, Burchard Waldis u. a. aufgenommene Fabel zugrunde liegt: man bläst seinen Atem aus, einmal, um die kalten Hände zu wärmen, dann wieder, um die heiße Suppe zu kühlen;
dein zung ist wankelmütig.</a>
Und schlucken viel, was ihm nicht schmecke,
Und strecken sich nach jeder Decke,
Der möge Pfühle unterschieben
Dem Arme jedes nach Belieben,
Und salben jedem wohl die Stirne
Und schauen, daß ihm keiner zürne.
Aber
viel Ämter schmecken gut,
<a name="page72" title="FeGr/cal" id="page72"></a> Man wärmt sich bald bei
großer Glut,
Doch wer der Weine viel erprobt,
Darum noch nicht jedweden lobt.
Ein schlicht Geschmeid ist bald bereit,
Der Weise lobt Einfältigkeit;
<a href="#IDXJCIOSHAQAWMMBVXJC2QL44TPJ0TZGXSTAWEWTDLHOWAX0KTLON">[*]
eynfaltikeyt, d. h. Einfachheit.</a>
Wer einem dient und tut
dem recht,
Den hält man für den treusten Knecht.
Der Esel starb und ward nie satt,
Der täglich neue Herren hatt'.
<a href="#IDPHDKIXJXRLEJIAEIJRHZGLCGOBMSANRHLH4YQFLJXLDZVZGCCXED">[*]
Anspielung auf eine bekannte Fabel vom unzufriedenen Esel.</a><a name="page73" title="FeGr/cal" id="page73"></a>
<a name="page74" title="FeGr/cal" id="page74"></a>
Wer Mund und Zunge gut behüt't,
Der schirmt vor Angst Seel und Gemüt: <a href="#IDD4MM5TAEPDNVNOIGK2SQWGUAKPJIZDBW5PBEAOHLWIARHETRCZFO">[*] Sprüche Salomonis 13, 3.</a>
Ein Specht durch Lärm die Brut verriet.
Von vielem Schwatzen
Der ist ein Narr, wer tadeln will,
Wozu sonst jedermann schweigt still,
Und will unnötig Haß vermehren,
Wo er doch schweigen könnt in Ehren.
Wer reden will, wo er nicht soll,
Der taugt zum Narrenorden wohl;
Wer ohne Frage gibt Bescheid,
Der zeiget selbst sein Narrenkleid.
<a href="#IDC21K4SAKXLUPMSGTVBO3RBFI4IA4AGY4Z0GNOCNYSZGZBYL1OYJO">[*]
Sprüche Sal. 18, 13.</a>
An
solcher Rede hat mancher Freud,
Dem daraus Schaden wächst und Leid.
Mancher verläßt sich auf sein Schwätzen,
Daß er eine Nuß abredet einer Hätzen,
<a href="#IDFVYOEWGOLF0QDBMG3BGUKTUSALNGJ0CJFZWWZOI1S143HIAJCQMN">[*]
Sprichwörtlich: einem Nußhäher eine Nuß aus dem Schnabel schwatzen.</a>
Des Worte sind so stark und tief,
Er schwatzt ein Loch in einen Brief
<a href="#ID4XYUFZZRSZFXOE3LL01N4PILMWHBSPKLI00T1L5JE2FEPOVFTJO">[*]
Urkunde, lat.
breve; d. h., er verdreht den Sinn, verfälscht ein Dokument.</a>
Und richtet an ein Geschwätz gar leicht.
Doch wenn er kommt dann zu der Beicht,
Wo man doch ewigen Lohn verheißt,
Geht ihm die Zunge nicht so dreist.
Noch sind viel Nabal
<a href="#ID5HME3EQHS3MOBA1525HCDYUYIP0FZV2L1NOFKJLNTHXC4SXVM3GD">[*]
1. Samuel 25.</a> auf der Erde,
Die schwätzen mehr, als gut ihnen werde,
Und mancher würde für klug geschätzt,
Wenn er nicht selbst sich hätte verschwätzt:
Ein Specht verrät mit seiner Zungen
Das eigne Nest mitsamt den Jungen.
Im Schweigen liegt oft Antwort viel,
Und Schaden hat, wer schwatzen will.
Oft trägt die Zunge, ein Glied so klein,
<a name="page75" title="quantenspringer/wedi" id="page75"></a> Unruhe und Unfrieden ein,
<a href="#IDEPXFPR31C3KRDSSNQ2D14VT1AFL24W1BLA41BBNNQQSLRBBURIMM">[*]
Diese und die folgenden Verse nach Jakobus 3, 5 ff.</a>
Befleckt gar oft den ganzen Mann
Und stiftet Streit, Krieg, Zanken an;
Ein großes Wundern ist in mir,
Daß man bezähmt ein jedes Tier,
Wie hart, wie wild, wie grimm es ist:
Doch kein Mensch seiner Zunge Meister ist!
Die ist ein unruhiges Gut,
Das Schaden oft dem Menschen tut;
Durch sie wird oft gescholten Gott,
Den Nächsten schmähen wir mit Spott,
Mit Fluchen, Nachred und Veracht,
Den Gott nach seinem Bild gemacht;
Gar mancher wird durch sie verraten,
Sie offenbart geheimste Taten.
Vom Schwatzen nährt sich mancher allein,
Nicht kaufen braucht er Brot und Wein.
Die Zunge braucht man vor Gericht,
Daß krumm wird, was zuvor war schlicht;
<a href="#IDAUGVGUDPO5EVLPZYPKJYW2CBRGZYSLOWVYL5CQI2UY3YGBIXOXEJ">[*]
Einfach, gerade.</a>
Manch armer Narr verliert die Habe
Durch sie und greift zum Bettelstabe.
Dem Schwätzer kostet das Reden nicht viel,
Er kitzelt sich, lacht, wann er will,
Und redet Gutes in der Welt
Von keinem, wie der auch sei gestellt.
Wer viel Lärm und Geschrei jetzt macht,
Den lobt man und hat seiner acht,
Zumal wer köstlich geht einher
Mit dicken Röcken und Ringen schwer;
Die taugen jetzt wohl für die Leute,
<a name="page76" title="quantenspringer/wedi" id="page76"></a> Man achtet dünnen Rocks nicht heute.
Wenn noch auf Erden Demosthenes
Oder Tullius
<a href="#IDAF2GCNXSQIKNHQPZXZA43STWJMGTV2HOZUS5SIBM2HEHH0MI5ZSN">[*]
M. Tullius Cicero († 43 v. Chr.), als römischer Redner ebenso berühmt wie die beiden griechischen Redner Demosthenes und dessen Gegner Aeschines im 4. Jh. v. Chr.</a> wär oder Aeschines,
Man schätzte nicht ihre Weisheit heute,
Wenn sie nicht könnten bescheißen die Leute
Und reden viele Worte geschmückt,
<a href="#IDH0LBGDXKH4KXPGFEJVII4NSNOO5HO1TT0DHPSME3YLWX0J0455L">[*]
reden vil geblümter wort, eine Anspielung auf die sog. geblümte Rede der mittelhochdeutschen Dichter des 13.-14. Jh., die als Geschwätz und Lüge verworfen wird.</a>
Welche zu hören Narren entzückt.
Wer vieles spricht, sagt oft zuviel
Und muß auch schießen nach dem Ziel,
Werfen den Schlegel fern und weit
Und Ränke schmieden im Widerstreit.
<a href="#IDLP1225IL53I2GTT0E22DANQSVLM3KVW2RSWPSIGICIFYYF3YWJ3L">[*]
Im Wettstreit.
Schiessen zuo dem zil und
Werffen den schlegel waren ursprünglich Spiele, bezeichneten dann aber bildlich das Nach-dem-Munde-Reden;
rinckengyessen bedeutet ursprünglich das Gießen von Gürtelschnallen und erhält dann die Bedeutung des Verleumdens und Ränkeschmiedens.</a>
Viel Schwätzen sündigt und betrügt,
Und keines Freund ist, wer viel lügt;
Wenn man vom Herren Übles spricht,
So bleibt das lang verschwiegen nicht,
Ob es auch fern geschäh von ihm:
Die Vögel tragen aus die Stimm',
Es nimmt zuletzt kein gutes Ende,
Denn Herren haben lange Hände.
Wer über sich viel hauen will,
Dem fallen Spän' ins Auge viel,
Und wer seinen Mund in den Himmel setzt,
<a href="#IDAV2KXTDUWJYHBSW3FOUGUYOEYOEEJRC4S42TCBPOAVZGRSMOAJ1L">[*]
D. h., wer seinem Munde nichts unerreichbar glaubt, auch die höchsten Dinge beschwatzt.</a>
Der wird mit Schaden oft geletzt.
<a name="page77" title="FeGr/quantenspringer" id="page77"></a> Ein Narr den Geist auf
einmal zeigt,
Der Weise Besseres hofft und – schweigt.
<a href="#IDILK3PJJPFW5HPBIXVVERV14TU5LRBXW40WYSPJJJJ3IZ5ZEF0BK">[*]
Sprüche Salomonis 29, 11; daran angelehnt bei Brant:
Eyn narr syn geist eyns mols uff schytt / Der wis schwigt und beit kunfftig zytt.</a>
Unnützes Wort keinen Nutzen bringt,
Und aus Geschwätz nur Schad' entspringt.
Darum ist besser Stillesein
Als Schwatzen, Reden oder Schrein.
Sotades ward um wenig Wort'
Einst eingekerkert wie um Mord.
Es sprach nur dies Theocritus:
Einäugig sei Antigonus,
Da wars mit ihm im eignen Haus
Wie mit Tullius und Demosthenes aus.
<a href="#IDEHRV1FJUNQ4DGESH5RS13RWBZFS0QNGCC3KHKBP3C2QJCFRQZG5F">[*]
Beiden brachte ihre Redegabe den Tod: Demosthenes beging Selbstmord, um sich der drohenden Hinrichtung zu entziehen, Cicero wurde von den Häschern des Antonius ermordet. Die vorangehenden Beispiele von Sotades und Theocritus stammen aus Plutarchs Schrift
De educatione, Kap. 14, 26 u. 29 f.</a>
Schweigen ist löblich, recht und gut,
Wer weise redet, noch besser tut.
<a name="page78" title="FeGr/quantenspringer" id="page78"></a>
<a name="page79" title="FeGr/quantenspringer" id="page79"></a>
Wer etwas findet und trägt das hin
Und wähnt, Gott schenk's ihm, in seinem Sinn,
So hat der Teufel beschissen ihn.
Vom Schätze finden
Der ist ein Narr, wer etwas findet
Und im Verstand ist so erblindet,
Daß er spricht: »Gott hat mir das beschert;
Ich frag nicht, wem es zugehört!«
Was einer nicht hat ausgesät,
Ist ihm versagt auch, daß ers mäht,
Und jeder weiß, bei seiner Ehre,
Daß dies einem andern zugehöre.
Was, wie er weiß, sein Gut nicht ist,
Das hilft ihm nicht, obs ihm gebrist
<a href="#IDOWJOFRHGJSO4LFMBWZAS35XSWP5C3OIBXGJ4ZJGF52SKNJQYDO0E">[*]
Wenn es ihm auch fehlt.</a>
Und er es findet ohn Gefährde;
<a href="#IDAJ3UY4LS4K5QGLTL4LAKAEJSUC04320ETPPSB0EN4UZQDO3YEJJL">[*]
on geverd, d. h. ohne Hinterlist, von ungefähr.</a>
Er schau, daß es
dem wieder werde,
Falls er ihn weiß, der es erworben,
Oder geb es den Erben, wenn jener gestorben,
Und falls man die nicht wissen kann,
Geb man es einem armen Mann
Oder sonst um Gottes Willen aus;
Es soll nicht bleiben in dem Haus,
Denn es ist fortgetragen Gut,
Dadurch verdammt in Höllenglut
Gar mancher um solch Sünden sitzt,
Den man oft reibt, wenn er nicht schwitzt.
Achor
<a href="#IDTQVPKJW3KZEOPT1GCKZUGED0MLZZLESWRMND4AM2CG5WW03V30HJ">[*]
Josua 7: gemeint ist Achan, der im Tal Achor wegen</a> behielt, was nicht war sein,
Und bracht dadurch das Volk in Pein,
Zuletzt ward ihm, was er nicht meinte,
Als ohn Erbarmen man ihn steinte.
Wer auf sich nimmt 'ne kleine Bürde,
seines Diebstahls gesteinigt wurde.
<a name="page80" title="FeGr/quantenspringer" id="page80"></a> Trüg größre auch, wenn sie ihm würde.
Finden und Rauben Gott gleich achtet,
Weil er dein Herz dabei betrachtet.
Nichts finden macht kein Herz betrübt,
Doch Fund, den man nicht wiedergibt.
Denn was man findet und trägt ins Haus,
Das kommt gar ungern wieder heraus.
<a name="page81" title="FeGr/quantenspringer" id="page81"></a>
<a name="page82" title="FeGr/quantenspringer" id="page82"></a>
Wer guten Weg zeigt andern zwar,
Doch bleibt, wo Sumpf und Pfütze war,
Der ist der Sinn' und Weisheit bar.
Vom Tadeln und Selbertun
Der ist ein Narr, der tadeln will,
Was ihm zu tun ist nicht zuviel;
Der ist ein Narr und ungeehrt,
Der jedes Ding zum Schlechten kehrt,
Der einen Lappen an alles hängt
<a href="#IDMY13MFZOPYU3E5OAH2AYWSSWBKJWENLEH3PKQBKO23D0BZGKSBRM">[*]
yedem ding eyn spett anhenckt, sprichwörtlich.</a>
Und nicht der eignen Gebrechen denkt.
Die Hand, die an der Wegscheid steht,
Zeigt einen Weg, den sie nicht geht,
Und wer im Auge den Balken hat,
Tu ihn heraus, eh er gibt Rat:
<a href="#IDGCZXJXHVZ3OEDIQHP1NMPBI4DPJULH1A32TOSBOEUX0WZILVJA4O">[*]
Vgl. Matthäus 7, 4. 5.</a>
»Bruder, hab acht, ich seh an dir
Ein Fäserlein, das mißfällt mir!«
Dem, der da lehrt, stehts übel an,
Wenn er sonst tadelt jedermann
Und selbst dem Laster nach doch geht,
Das andern Leuten übel steht,
Und wenn er leiden muß den Spruch:
»Herr Arzt, für
dich erst Heilung such
<a href="#IDZ0NIO5TYE5B0CRADSZEXNXXYYCJZI4MSEXIBO3KHNTPCIIQ3DRI">[*]
Lukas 4, 23. Vgl. Kap. 111 (
Entschuldigung des Dichters).</a>!«
Mancher den andern Rat zuspricht,
Der sich doch selbst kann raten nicht;
Wie Gentilis und Mesue,
<a href="#ID0WEL10SJ0MKWI3TG4QEVMVYYZE13SRRJT2EJQPCLKENICKQ0RMLM">[*]
Gentile Gentili da Foligno war ein bekannter italienischer Arzt des 14. Jh. ( † 1348), Johannes Mesue, ein christlich-arabischer Arzt ( † 857); beide schrieben über Fieber und Seuchen. Die Zusammenstellung erklärt sich wohl aus dem Kommentar, den Gentile zu Mesues Werk verfaßte.</a>
Deren jeder starb am selben Weh,
Das er von andern gern vertrieben,
Worüber fleißig sie geschrieben.†
<a name="page83" title="FeGr/quantenspringer" id="page83"></a> Ein jedes Laster, das geschieht,
Um soviel deutlicher man sieht,
Als man denselben höher acht't,
Der solches Laster hat vollbracht.
<a href="#IDUUL1MFTUI5I1OTOLGM2EREH41V35IZKDVHXADPX051G2WYNUYLC">[*]
Nach Juvenal VIII, 140.</a>
Tu erst das Werk und darnach lehre,
Willst du verdienen Lob und Ehre.
Einst hatte Israel im Sinn
Zu strafen den Stamm Benjamin,
<a href="#ID3GTDKUO151KBFCZI3S03CAKMNGLJCOKVWFZQXHDGVXIF5CDTWQ2D">[*]
Vgl. Richter 20.</a>
Obschon es lag darnieder doch
Und selbst noch trug der Sünden Joch.
<a name="page84" title="FeGr/quantenspringer" id="page84"></a>
<a name="page85" title="cal/quantenspringer" id="page85"></a>
Wer gern die Weisheit hört und lehrt
Und ganz zu ihr sich allzeit kehrt,
Der wird in Ewigkeit geehrt.
Die Lehre der Weisheit
Die Weisheit ruft mit heller Stimm:
<a href="#IDD5BU3Q3TPDU2FQ5E5HY0X5H0ONRCO0GD3IG1PCFYFXRNW4AKVNGH">[*]
Dieses ganze Kapitel ist, mit Ausnahme der letzten 6 Verse, den Sprüchen Salomonis, Kap. 8, entnommen.</a>
»O menschlich Geschlecht, mein Wort
Erfahrung
<a href="#IDI4W40ZQZKPRPNHKJTLYZL0VXXDDDQXNMMFYM4RDRVXCNPLJOYOVI">[*]
bschydikeit, d. h. Gescheitheit, Lebensklugheit, Erfahrung.</a> achte stets, mein Kind! vernimm!
Aufmerket all, die töricht sind!
Sucht die Belehrung, nicht das Geld!
Weisheit ist besser als die Welt
Und alles, was man wünschen mag!
Nach Weisheit trachtet Nacht und Tag!
Nichts ist, was ihr gleicht auf der Erd,
Weisheit im Rate ist gar wert;
Alle Stärke und Fürsichtigkeit
<a href="#IDGUZSG5PHMO2XLEBEAOTE4FIDBGJ0QOFUHFNSPDGXXGRMIN4V1TOE">[*]
Bedachtsamkeit, Verständigkeit.</a>
Ist einzig mein«, so spricht die Weisheit.
»Durch mich der König die Krone erhält;
Durch mich sind Gesetze mit Recht in der Welt;
Durch mich die Fürsten haben ihr Land,
Durch mich alle Macht ihren Rechtspruch fand.
Wer mich lieb hat, den lieb auch ich;
Wer früh mich sucht, der findet mich.
Bei mir ist Reichtum, Gut und Ehr,
Mich hat besessen Gott der Herr
Von Anbeginn in Ewigkeit.
Durch mich macht Gott all Ding bereit,
Und ohne mich ist nichts gemacht.
Wohl dem, der mich stets hat in Acht.
Drum, meine Söhne, seid nicht träge,
Selig, wer geht auf meinem Wege!
<a name="page86" title="quantenspringer/wedi" id="page86"></a> Wer mich findet, hat Glück und Heil,
Wer mich haßt, dem wird Verderben zuteil!« –
Die Strafe wird über Narren gehn,
Sie werden den Glanz der Weisheit sehn
Und den Lohn, der dafür steht bereit
Und währen wird in Ewigkeit –
Daß sie verbluten
<a href="#IDFZAFKPABUG3LNUZVATQXZAQZ2FQDP4AJLLDQ4ANSZNSU22MF2KFC">[*]
jnbluotend, d. h. nach innen bluten, von innerlichem Schmerz verzehrt werden.</a> und selber sich
In Jammer nagen ewiglich.
<a name="page87" title="quantenspringer/wedi" id="page87"></a>
schlegel in V. 4 ein Schlaginstrument, mit dem sprichwörtlich die von Gott gesandten Schicksalsschläge bezeichnet werden. Der Holzschnitt veranschaulicht dies als Donnerkeil.</a><a name="page88" title="quantenspringer/wedi" id="page88"></a>
Wer meint, vollkommen sei sein Heil
Und stetes Glück allein sein Teil,
Den trifft zuletzt der Donnerkeil. <a href="#IDS2PG1HY04SLYPULSP3FFXS5UGKHQYU4U3LGAJUPKDUWOESCEKJZN">[*] klüpfel, wie
Von Überschätzung des Glücks
Der ist ein Narr, der Rühmens macht,
Daß ihn das Glück stets angelacht
Und er Glück hab in jeder Sache:
Der harrt des Schlegels
<a href="#IDPXMNGJAYQFRDC25RJJAGIHPNLIDOEU2Y34UONZMFMJ1JMDXQ1DO">[*]
Des Blitzstrahls.</a> auf dem Dache.
Denn der Vergänglichkeit Glücksal
Ein Zeichen ist und ein Merkmal,
Daß Gott des Menschen ganz vergißt,
Den er nicht heimsucht zu der Frist.
Im Sprichwort man gemeinhin spricht:
»Ein Freund den andern
oft besicht
<a href="#IDQRVWESZONNEAIKIBQVE2JZAOQPIMULP1CJERDQLC0JHUZBSRXBMM">[*]
Wörtlich: besieht (besucht).</a>!«
Ein Vater straft oft seine Söhne,
Daß er an Rechttun sie gewöhne;
Ein Arzt gibt sauern und bittern Trank,
Daß desto eher genese der Krank';
Ein Bader sondiert und schneidet die Wunde,
Damit der Sieche bald gesunde,
Und weh dem Kranken, wenn verzagt
Der Arzt und nicht mehr mahnt noch sagt:
»Das sollte der Sieche besser nicht tun,
Und das und das ließ' er besser ruhn!«
Vielmehr spricht: »Gebt ihm nur recht hin
Das, was er will und was lüstet ihn!«
Wen also der Teufel bescheißen will,
Dem gibt er Glück und Reichtum viel,
Geduld ist besser in Armut
Denn aller Welt Glück, Reichtum, Gut.
Bei Glück soll niemand Stolz empfinden,
<a name="page89" title="quantenspringer/wedi" id="page89"></a> Denn wenn Gott will, so wird es schwinden.
Ein
Narr schreit jeden Augenblick:
»O Glück, was läßt du mich, o Glück?
Was tat ich dir?
<a href="#ID4GWMQ4RKJBJJCBCWCHXCGNQV0IFKVGB0N34XKC2YWULHYAZKYKC">[*]
Was zychstu mich, d. h. eigentlich: wessen beschuldigst du mich, was hast du gegen mich?</a> Gib mir recht viel,
Weil ich ein Narr noch bleiben will!«
Drum, größre Narren wurden nie
Denn die Glück hatten allzeit hie!
<a name="page90" title="quantenspringer/wedi" id="page90"></a>
Verwahrung Brants, V. 4 ff.</a><a name="page91" title="quantenspringer/wedi" id="page91"></a>
Wer aller Welt Sorg' auf sich ladet,
Nicht denkt, ob es ihm nützt, ob schadet,
Hab auch Geduld, wenn man ihn badet. <a href="#IDEBDVDOM2HDEBDMVLYQNXQSFIJCOEQ2U1K5G10SMX2CSRP5OUPSAO">[*] Wenn man ihn als Narr behandelt. Die Redensart ist schon im Mittelalter gebräuchlich; zu den damit verbundenen Synonymen vgl. die
Von zu viel Sorge
Der ist ein Narr, der
tragen will,
Was ihm zu
heben ist zuviel,
Und der
allein meint zu vollbringen,
Was ihm
selbdritt kaum könnt gelingen.
Wer auf den Rücken nimmt die Welt,
In einem Augenblick oft fällt.
Von Alexander kann man lesen,
Daß ihm die Welt zu eng gewesen;
Er schwitzte drin, als ob er kaum
Für seinen Leib drin hätte Raum,
Und fand zuletzt doch seine Ruh
In einem Grab von sieben Schuh.
<a href="#ID2PJUXTW44WHWOUDK02GIUTIT4CGIFHSVQTQEQWNSVYFTPAKZ5HJF">[*]
Mit sibenschuohigem erterich, als Bezeichnung der herkömmlichen Grablänge so schon im Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht (um 1150). Die folgende Anekdote nach Plutarch.</a>
Der Tod allein erst zeiget an,
Womit man sich begnügen kann.
Diogenes mehr Macht besaß,
Und dessen Wohnung war ein Faß;
Wiewohl er nichts hatt' auf der Erde,
Gab es doch nichts, was er begehrte
Als: Alexander möchte gehn
Und ihm nicht in der Sonne stehn.
Wer hohen Dingen nach will jagen,
Der muß auch hoch die Schanze wagen.
<a href="#IDXEEUNENI5RXJJDPNP2Z2LEOLNFCGXQDVJCWXKOK0PU1TPUBI04OB">[*]
Franz.
la chance, ursprünglich der Wurf oder Fall der Würfel (lat.
cadentia) im Würfelspiel; sein Glück aufs Spiel setzen, in die Schanze schlagen.</a>
Was hilfts dem Menschen zu gewinnen
<a name="page92" title="quantenspringer/wedi" id="page92"></a> Die Welt und zu verderben drinnen?
<a href="#IDNSIR03O2AWD4MWIPE1SJTQBK0LXG5TTH1KKLCCEXL52CY2YPCQRL">[*]
Matthäus 16, 26.</a>
Was hilfts dir, daß der Leib käm' hoch
Und die Seele führ' ins Höllenloch?
Wer Gänse nicht will barfuß lassen
Und Straßen fegen rein und Gassen
Und eben machen Berg und Tal,
Der hat keinen Frieden überall.
<a href="#IDBKYN1EQ02EPOPKIN4U5W3KSD3GGM12OWV50JNOH141WONXQOMOWF">[*]
Diese Verstärkung der Negation findet sich bei Brant häufig; vgl. Kap. 14.</a>
Zu viele Sorg' ist nirgend für,
Sie machet manchen bleich und dürr.
Der ist ein Narr, der sorgt all Tag',
Was er zu ändern nicht vermag.
<a name="page93" title="quantenspringer/wedi" id="page93"></a>
<a name="page94" title="quantenspringer/wedi" id="page94"></a>
Wer will auf Borg aufnehmen viel,
Dem fressen die Wölfe doch nicht das Ziel. <a href="#IDWPZAVFYPCU5YG3GV5W5PNDAURILZA4OZXY3GMPNJMFILRA3W2MAP">[*] Den Termin des Zurückzahlens.</a>
Und der Esel schlägt ihn, wann er will.
Vom Borgen
Der ist mehr Narr als andre Narren,
Wer stets aufnimmt auf Borg und Harren
Und nicht bei sich erwägen will
Das Wort: »Es frißt der Wolf kein Ziel!«
So tun auch die, deren Schlechtigkeit
Gott nachsieht zur Beßrung lange Zeit,
Und die doch täglich mehr und mehr
Sich laden auf, weshalb der Herr
Ihrer wartet, bis kommt ihre Stund
Und sie zahlen bis zum letzten Pfund.
Es starben Frauen, Vieh und Kind,
Als einstmals kam Gomorrhas Sünd
<a href="#IDWOATCPDU3WY4MZGL1502TI2HKKHQQSDDFXFBUGJK4NCWCVKJIEFD">[*]
der von Amorreen sünd: Ezechiel 16 werden die Amorrhäer neben den Sodomiten genannt; doch liegt hier wohl eine Verwechslung mit Gomorrha vor, da Brant offensichtlich an 1. Mose 18, 20 ff. denkt.</a>
Und Sodoms zu dem letzten Ziel.
Jerusalem zu Boden fiel,
Als Gott gewartet manches Jahr;
Die Niniviten
<a href="#IDFKAMJZ5WIJPCDKFBRXM1YWMODIXYU0LGSDWYUVIA5YLPVO5NW35K">[*]
Vgl. Jonas 3; Nahum 2. 3.</a> zahlten zwar
Bald ihre Schuld und wurden quitt,
Doch beharrten sie die Länge nit;
Sie nahmen auf noch größre Schand,
Da ward kein Jonas mehr gesandt.
Alle Dinge haben Zeit und Ziel
Und gehn ihre Straße, wie Gott will.
Wer wohl sich fühlt bei seinem Borgen,
Macht ums Bezahlen sich nicht Sorgen.
Sei nicht bei denen, die rasch die Hand
Hinstrecken für dich zum Bürgepfand,
<a name="page95" title="quantenspringer/wedi" id="page95"></a> Denn so man nichts zum Bezahlen hätte,
Nähmen sie 's Kissen von dem Bette.
<a href="#IDM3QKKSIM3GBXBHFZ4ULKBGZHXPXP1SOHGOQXJUFINZFRG4SC4MVN">[*]
Sprüche Salomonis 22, 26 f. (Das Bett gilt sonst als unpfändbar.)</a>
Als Hunger einst Ägypten fraß,
Nahmen sie so viel Korn auf, daß
Sie leibeigen wurden hinterher,
Und mußtens doch bezahlen schwer.
<a href="#IDOVB1AXOQBTNZJM0TM33INZ5K4L4KJZL1SHROVTONGFOFZI403L0H">[*]
Vgl. 1. Mose 47, 13 ff.</a>
Denn wenn der Esel beginnt den Tanz,
Hält man ihn nicht fest bei dem Schwanz.
<a href="#IDGAZEAACWEFNKJ22EASZCHOTLGMH25OP5FTVDUVOCYZ4MZNKQDWIF">[*]
Anspielung auf das bekannte Sprichwort: Wenn dem Esel zu wohl ist, geht er auf dem Eis tanzen.</a><a name="page96" title="quantenspringer/wedi" id="page96"></a>
<a name="page97" title="quantenspringer/Konmax" id="page97"></a>
Wer sich erwünscht, was ihm nicht not,
Und seine Sach nicht setzt auf Gott,
Der kommt zu Schaden oft und Spott.
Von unnützem Wünschen
Der ist ein Narr, der Wünsche tut,
Die ihm mehr schädlich sind als gut;
Denn wenn ers hätt, und würds ihm wahr –
Er blieb der Narr doch, der er war.
Der König Midas
<a href="#IDH35DUVJJEPBLCVTHICXNVFMADCZUOYTX0CCZ2COPZPCBRPBZDLE">[*]
Vgl. Ovids Metamorphosen XI, 102 ff.</a> wünscht' und wollt,
Was er berührte, würde Gold;
Als das geschah – da litt er Not,
Nun ward zu Gold ihm Wein und Brot.
Daß man nicht sah sein Eselsohr,
Das ihm gewachsen drauf im Rohr,
Verhüllte er mit Recht sein Haar.
Weh dem, des Wünsche werden wahr!
Viele wünschen, daß sie leben lange,
<a href="#IDLQKDSSZ4DODJEMYEI3VSG3NUOKP2N4NAFREOV3O5HHVXK5MZB3DL">[*]
Von hier ab ist das Kapitel fast gänzlich der X. Satire Juvenals (V. 188 ff.) entnommen, was die Anknüpfung Brants an den Narrenbegriff der römischen Satire, den
stultus, zeigt.</a>
Und machen doch der Seele bange
Mit Praß und Schlemmen im Weinhaus,
Daß sie vorzeitig muß fahren aus;
Dazu, wenn sie schon werden alt,
Sind sie doch bleich, siech, ungestalt;
Ihre Haut ist schlaff, ihre Wangen so leer,
Als ob ein Aff ihre Mutter war.
Viel Freude hat nur, wer noch jung,
Das Alter ist ohn Abwechselung,
<a href="#IDPZ54CMSQYEQRIFS3WGWOZSHIEE2EITVQVSSZ40KV3Q1PKDK25CDE">[*]
Das altter jn eym wesen stat, d. h. ist in einem und demselben Zustande.</a>
Ihm zittern Glieder, Stimm' und Hirn,
Die Nase trieft, kahl ist die Stirn,
Es ist den Frauen zuwider fast,
Sich selbst und seinen Kindern zur Last;
<a name="page98" title="quantenspringer/Konmax" id="page98"></a> Ihm schmeckt und gefällt nichts, was man tut,
Es sieht viel, was ihm dünkt nicht gut.
Lang leben andre, um in Pein
Und neuem Unglück stets zu sein,
In Trauer und in stetem Leid,
Sie enden ihre Tag' im schwarzen Kleid:
Es konnte Nestor in alten Tagen
Samt Peleus und Laertes klagen,
Daß sie zu lang ließ leben Gott,
Weil sie die Söhne sahen tot.
<a href="#ID2W0X0DLRGPITEU041EJQT2SCRJGWOJLMXYSYKELSOXKNEMJCLD3P">[*]
Nestor, König von Pylos, verlor im Trojanischen Krieg den Sohn Antilochos; Peleus trauerte um Achilles, Laertes um den totgeglaubten Odysseus.</a>
Wär Priamus
<a href="#IDNPIPZP3OGQRAH4UEOLUZH3HBKEVRMARLS2O3NCGACDIRYBDEEORP">[*]
Der sagenhafte König von Troja.</a> gestorben eh',
Er hätt erlebt nicht so viel Weh,
Das ihm mit Jammer ward bekannt
An Frau und Kindern, Stadt und Land.
Wenn Mithridat und Marius,
Pompejus, Krösus noch zum Schluß
Nicht so alt geworden wären,
Sie wären gestorben hoch in Ehren.
<a href="#IDUSFPLSWVQFG3MAKWVJP5KINGNJHBILOOVT5RMPEMM4RD1CEZ4WK">[*]
Mithridates, König von Pontos, tötete sich, als er sich von seinem eigenen Sohn verraten sah; der römische Feldherr und Konsul Marius wurde nach dem Bürgerkrieg geächtet und entfloh nach Afrika; Pompejus mußte nach seinem Bruch mit Cäsar nach Ägypten fliehen und wurde dort ermordet; Krösus, der wegen seines Reichtums berühmte König von Lydien, starb als Gefangener des persischen Eroberers Cyrus.</a>
Wer Schönheit sich und seinem Kind
Erwünscht, der sucht Ursach zur Sünd.
Wär Helena nicht als schön bekannt,
Ließ Paris sie in Griechenland;
Wär häßlich gewesen Lukrezia,
<a href="#IDIYUETQ2PPZMEGG4H0Q2U5YWYGH4YFUVI5LWZGTB5JKATHKREX2IJ">[*]
Nach der römischen Sage wurde Lucretia, die schöne und tugendhafte Gemahlin des L. T. Collatinus, von dem Königssohn Sextus Tarquinius entehrt und erdolchte sich daraufhin.</a>
<a name="page99" title="Kezi/quantenspringer" id="page99"></a> Dann solche Schmach ihr nicht geschah;
Wär Dina
<a href="#IDQDHZYMQCK3ZBOOGQVHW00245PPFJ3F0UQAG11DJANPFI1HPHDSBC">[*]
Vgl. 1. Mose 34: dieses Beispiel aus dem Alten Testament wird von Brant eingeschoben, während die vorhergehenden aus Juvenals Satire stammen.</a> mit Kropf und Höcker beschwert,
Hätt Sichem sie wohl nicht entehrt.
Gar selten hat man noch gefunden
Schönheit und Keuschheit eng verbunden.
Zumal die hübschen Hansen
<a href="#IDIEK111KC0M3PKPDT1Q3BTVBBZGM3XNKMD4MIHJPZDHLTK0SDKZZ">[*]
Die Stutzer.</a> nun
Begehren Büberei zu tun
Und straucheln doch, daß man sie oft
Am Narrenstrick sieht unverhofft
Mancher wünscht Häuser, Frau und Kind,
Oder daß er viel Gulden find'
Und ähnliche Torheit
<a href="#IDMKPKYNG3OLEWJP2S1RXSQXTLZKPCTIR4AZ5STJCZW1HNHWHFIQGG">[*]
des glich goückels, d. h. dergleichen Gaukelei, Narrheit.</a> – von der Gott wohl
Erkennt, wie sie geraten soll;
Drum säumt er, sie uns zu erteilen,
Und was er gibt, nimmt er zuweilen.
Etliche wünschen sich Gewalt
Und Aufstieg ohne Aufenthalt
Und sehen nicht, daß, wer hoch steigt,
Von solcher Höhe fällt gar leicht,
Und daß, wer auf der Erde liegt,
Vorm Fall sich braucht zu fürchten nicht.
Gott gibt uns alles, was er will;
Er weiß, was recht ist, was zuviel,
Auch was uns nütz sei und bekomme,
Und was uns schade und nicht fromme;
Und wenn er uns nicht lieber hätt
Als wir uns selbst, und wenn er tät
Und macht' uns, was wir wünschten, wahr –
<a name="page100" title="Kezi/quantenspringer" id="page100"></a> Es reut' uns, eh verging ein Jahr.
Denn die Begierde macht uns blind
Zu wünschen Ding', die schädlich sind.
Wer wünschen will, daß er
recht lebe,
Der wünsche, daß der Herr ihm gebe
Gesunden Sinn, Leib und Gemüte
Und ihn vor Furcht des Todes hüte,
Vor Zorn, vor bösem Geiz und Gier.
Wer das für sich erwirbet hier,
Legt seine Tage besser an,
Als Herkules je hat getan
Oder Sardanapalus
<a href="#IDXTQFUPGWY2GTBQLTGLKHYIJMIHPLCWII2MYAY3HA2TRLMLQIQIWL">[*]
Assurbanipal oder Sardanapal, der letzte König von Assyrien ( † 626 v. Chr.), gilt in der klassischen Überlieferung als Typus des orientalischen Wollüstlings; er soll sich nach der medisch-persisdien Sage bei der Eroberung Ninives mit seinen Weibern, Dienern und Schätzen verbrannt haben. Hier wieder nach Juvenal X, 360. Vgl. Kap. 50.</a> es tät
In Wollust, Prassen und Federbett;
Der hat alles, was ihm ist not,
Braucht nicht zu rufen das Glück statt Gott.
Ein Narr wünscht seinen Schaden oft:
Sein Wunsch wird Unglück unverhofft.
<a name="page101" title="quantenspringer/Konmax" id="page101"></a>
<a name="page102" title="quantenspringer/Konmax" id="page102"></a>
Wer nicht die rechte Kunst <a href="#IDRG4EYDNK20ESGDPJAOXC5M00IHDTXA4Y55J0Q1KFT2BWETGRGBH">[*] Wissenschaft.</a> studiert,
Derselbe wohl die Schellen rührt
Und wird am Narrenseil geführt.
Von unnützem Studieren
Der Studenten ich auch nicht schone:
Sie haben die Kappe voraus zum Lohne,
Und wenn sie die nur streifen an,
Folgt schon der Zipfel hintendran,
Denn wenn sie sollten fest studieren,
So gehn sie lieber bubelieren.
<a href="#ID1AXKZHB5IRP4FQTUIH1S0MPRAFPDWCLSXKGNKLOTRNPJI1VIJRIG">[*]
Sich wie Buben benehmen, liederlich aufführen.</a>
Die Jugend schätzt die Kunst gar klein;
Sie lernt jetzt lieber ganz allein,
Was unnütz und nicht fruchtbar ist.
Denn dies den Meistern
<a href="#IDFNRAPWO4DKH5LBV10CVM54TQUK15WFIHRL2EP2C3PRNLDRAKLGRC">[*]
Den Lehrern (lat.
magister).</a> auch gebrist,
Daß sie der rechten Kunst nicht achten,
Unnütz Geschwätz allein betrachten:
Ob es erst Tag war oder Nacht?
Ob wohl ein Mensch einen Esel gemacht?
Ob Sortes
<a href="#IDXRQAYHG1TENZIUUCGINEUYNUFLUMKDR4XYQBWSNGETLEIHGQSX1L">[*]
Scholastische Abkürzung von Sokrates. Brant bedient sich dieser Form wohl mit Absicht, da er hier Beispiele einer törichten sophistischen Lehrmethode aufzählt, die Zarncke in den scholastischen Lehrbüchern der Zeit nachgewiesen hat.</a> oder Plato
gelaufen?
Die Lehr ist jetzt an den Schulen zu kaufen.
Sind das nicht Narren und ganz dumm,
Die Tag und Nacht gehn damit um
Und kreuzigen sich und andre Leut
Und achten beßre Kunst keinen Deut?
Darum Origenes von ihnen
Spricht, daß sie ihm als die Frösche schienen
Und als die Hundsmücken, die das Land
Ägypten plagten, wie bekannt.
<a href="#ID5BUKESZ0UJKAEHXV0UVYH0C4SE21X4RQIX0ESYEZT4ZCTIQTDEID">[*]
Vgl. 2. Mose 8, 1 ff. Origenes, ein berühmter Kirchenschriftsteller ( † um 253 n. Chr.), verglich in seinen Homilien die
cyniphes et ranas bereits mit der Geschwätzigkeit der Dialektiker und ihren sophistischen Argumenten.</a>
<a name="page103" title="mbechtel/quantenspringer" id="page103"></a> Damit geht uns die Jugend hin,
So sind zu Lips
<a href="#IDMYX3KVM3COWWLHHLMQYQGVTX0HGSQWUKCYS1NREBXCOZTGTXLS1N">[*]
Leipzig.</a> wir, Erfurt und Wien,
Zu Heidelberg, Mainz, Basel gestanden
Und kamen zuletzt doch heim mit Schanden.
Ist dann das Geld verzehret so,
Dann sind der Druckerei
<a href="#IDONEZ25TMGGKKDU4QFN43FI4FKFKOP4H0LYVWEXB1NDUONMAYWCPM">[*]
Gescheiterte Studenten wurden auf Grund ihrer Bildung oft Druckergesellen oder Korrektoren.</a> wir froh,
Und daß man lernt auftragen Wein:
Der Hans wird dann zum Hänselein.
So ist das Geld wohl angelegt:
Studentenkapp gern Schellen trägt!
<a name="page104" title="mbechtel/quantenspringer" id="page104"></a>
<a name="page105" title="mbechtel/quantenspringer" id="page105"></a>
Sollt Gott nach unserm Willen machen,
So ging es schlimm in allen Sachen,
Wir würden weinen mehr denn lachen.
Von Wider=Gott=Reden
Der ist ein Narr, der Feuer facht,
Zu mehren des Sonnenscheines Macht,
Oder wer Fackeln setzt in Brand,
Dem Sonnenglanz zum Beistand;
Doch wer
Gott tadelt um sein Werk,
Der heißt wohl Heinz von Narrenberg,
Die Narren all er übertrifft,
Seine Narrheit gibt er in Geschrift.
<a href="#IDRBFTTNKJWZIJIWAKLJGBL50KYPHMGPEADMNPHJOOYBUF2SQJVBVC">[*]
D. h. gibt er schriftlich, bestätigt nachdrücklich.</a>
Denn Gottes Gnad und Fürsichtigkeit
Ist so voll aller Wissenheit,
Daß sie nicht braucht der Menschen Lehre
Oder daß man mit Ruhm sie mehre.
Darum, o Narr, was tadelst du Gott?
Dein Wissen ist vor ihm ein Spott.
Laß Gott tun seinem Willen nach,
Sei's Wohltat, Strafe oder Rach;
Laß wittern
<a href="#IDGJYUOPSCP0NYB3ZK4GHTSX4ZRJYQXMZSUXOXMJM4JTGUS1MXELNI">[*]
Gewitter machen, wettern.</a> ihn, laß machen schön,
Denn ob du auch magst bös aussehn,
Geschieht es doch nicht desto eh',
Dein Wünschen tut allein dir weh;
Dazu versündigst du dich schwer,
So daß dir Schweigen besser wär!
Wir beten, daß sein Wille werde,
So wie im Himmel, auf der Erde,
Und du Narr willst ihn tadeln lehren,
Als ob er sich an dich müßt kehren!
Gott kann es besser ordinieren
<a href="#IDBMFOPWN53FR0FQB41KPVBWZ2YDSFCQO2J4HF4KHHDU3FIHYE3BE">[*]
Ordnen, regieren.</a>
Als durch dein närrisch Phantasieren.
<a name="page106" title="wolfeh/quantenspringer" id="page106"></a> Der Juden Volk belehrt uns wohl,
Ob Gott will, daß man murren soll;
<a href="#IDAMUKQ0TF34OJDZXLLRV1LVTRCPANTQGVOP22DOBLBLRS0GGH5ODD">[*]
Vgl. 4. Mose 14.</a>;
Wer gab ihm Rat zu jener Zeit,
Als er aus Nichts schuf Herrlichkeit?
<a href="#IDNLTDOIIPKKPEJO23URR5UDHCUHQX0WYJUACWKPNJRDLGKF2I4SDE">[*]
Vgl. Römerbrief 11, 34 f.</a>
Wer etwas ihm gegeben eh'r,
Der rühm' sich des und schelt' ihn mehr!
<a name="page107" title="wolfeh/quantenspringer" id="page107"></a>
<a name="page108" title="wolfeh/quantenspringer" id="page108"></a>
Wer sich für fromm hält ganz allein
Und andre richtet als schlecht und klein,
Der stößt sich oft an hartem Stein.
Von selbstgerechten Narren
<a href="#IDB0X0K3RYAHM0EOKTRYDDZVKGFJ4YNQS0ELXHNIB0P1O1HN0WZ3YM">[*] Der ander lut urteilt, über andere Leute zu Gericht sitzt.</a>
Ein Narr sich auf den Trost verläßt
Und meint, er sei der Allerbest,
Und weiß nicht, daß in einer Stunde
<a href="#IDBZWDGML2SMG1LEMCLAPYQEY10DW1U2ZWCRGPX3EMPU03ZCD4NSHK">[*]
einmal, in kurzer Zeit.</a>
Die Seel ihm fährt zum Höllengrunde.
Denn diesen Trost hat jeder Narr,
Er meint, noch fern zu sein der Bahr;
Sieht andre er im Sterbekleid,
Hat einen Grund er bald bereit
Und sagt dann wohl: »
Der lebte so!
Der war zu wild;
der selten froh!
Der hat dies und
der jenes getan,
Drum tat ihm Gott das Sterben an!«
<a href="#IDTIDHD4YOHVZCFO0XJW54GJ0Z2GTMGP1X51MK2PLMP4ENGCXXS0FF">[*]
Dar umb hatt jn gott sterben lan.</a>
Er richtet
den nach seinem Tod,
Der Gnade fand vielleicht bei Gott,
Während er in größern Sünden lebt,
Wider Gott und seinen Nächsten strebt
Und scheut nicht Strafe drum noch Buß
Und weiß doch, daß er sterben muß.
Wo, wann und wie? ist ihm nicht kund,
Bis ihm die Seel fährt aus dem Mund;
Doch glaubt er nicht an eine Hölle,
Bis er kommt über ihre Schwelle,
Dann wird ihm wohl der Sinn aufgehn,
Wird er inmitten der Flammen stehn!
Einen jeden dünkt sein Leben gut,
Das Herz allein Gott kennen tut;
Für schlecht hält man oft manchen Mann,
<a name="page109" title="mbechtel/quantenspringer" id="page109"></a> Den Gott doch kennt und liebgewann.
Auf Erden mancher wird geehrt,
Der nach dem Tod zur Hölle fährt.
Ein Narr ist, wer es wagt und spricht,
Er sei befleckt von Sünden nicht:
Doch jedem Narren das gebrist,
Daß er nicht sein will, was er ist.
<a href="#IDCP3DDWN14GWWKL2B4QEMD5IRQP3ZKYU25WKK5MDIR4LD41243MKD">[*]
Das er nit syn will / das er ist eines der grundlegenden Kennzeichen des Narrentums bei Brant, das in Kap. 76 mit Umkehrung der letzten Zeile aufgenommen wird (
Das er wil sin / das er nit ist).</a><a name="page110" title="wedi/quantenspringer" id="page110"></a>
<a name="page111" title="wedi/quantenspringer" id="page111"></a>
Wem nach viel Pfründen hier ist not,
Des Esel fällt oft in den Kot:
Viel Säcke sind des Esels Tod.
Von vielen Pfründen
Ein Narr ist, wer eine Pfründe gewann,
Der er allein kaum gerecht werden kann,
Und lädt noch soviel Säck' auf den Rücken,
Bis daß der Esel muß ersticken.
Eine mäßige Pfründe
<a href="#ID1YPWJ50AVYDBBVBKGO2PRNYXEOLHTOOHYS4XN2CSLRLOV2IYAPJC">[*]
Eyn zymlich pfruond, d.h., wie sie dem Besitzer angemessen oder wie es nach altem Brauch schicklich ist, wie es sich geziemt.</a> nährt einen wohl;
Wer
noch eine nimmt, derselbe soll
Acht haben, daß er
ein Auge wahre,
Damit ihm das nicht auch ausfahre;
Denn wenn er
noch eine Pfründe gewinnt,
Wird er auf
beiden Augen blind,
Dann hat er Tag und Nacht nicht Ruh,
Wie er noch zahllose nehm dazu;
So reißt dem Sack der Boden aus,
Bis daß er fährt zum Totenhaus.
<a href="#IDU5TXZRZSSIAAOQSPVQF3BKPFGC4UENP1R23XKRMXZ1QXD1GQBBGH">[*]
gernerhuß, mittellat.
carnarium, Karner, das am Kirchhof befindliche Totenbeinhaus.</a>
Aber man tut jetzt dispensieren,
<a href="#IDGYNE3SAPBX1IM5RZOSJUQ01HWNANQJ4UO2I5H1K0K2LUNICSBQDJ">[*]
Von der Verordnung, nur eine Pfründe zu besitzen. Das ganze Kapitel ist gegen diesen Mißbrauch der Zeit und ihren Pfründenschacher gerichtet.</a>
Wodurch sich mancher läßt verführen,
Der meint, daß er sei sicher ganz,
Bis elf
<a href="#ID4A251PYD3RDHHWA0LZT4IH2THDGHLLONLUM3HOL1ZT3W103R0PZF">[*]
Elf im Würfelspiel ist eine Unglückszahl. Vgl. Anm. 3 zu Kap. 24.</a> und Unglück wird sein' Schanz'.
Viel Pfründen mancher besitzen tut,
Der wär nicht zu
einem Pfründlein gut,
Dem er könnt recht Genüge tun,
Der tauscht und kauft nun ohne Ruhn,
Daß er wohl irr wird in der Zahl
Und tut ihm also weh die Wahl,
<a name="page112" title="wedi/quantenspringer" id="page112"></a> Daß er auch sitz auf der rechten Stelle,
Wo er kann leben als guter Geselle.
Das ist eine sorgenvolle Kollekt:
<a href="#IDYVAXHKKLMHLEKWMWT0OJSPBKKEHFVNKKJBKAMCJIF13IAMWCQQKH">[*]
Einsammlung, Einziehung der Einkünfte.
</a> Wahrlich, der Tod im Hafen steckt!
<a href="#ID0XUV25IWUSDNNBJE43OP2RKDEI2XIGVZUNPL1IMVRHFXHGYHNOX">[*]
D.h., von solchem Gewinn droht Verderben. Die Redensart geht auf 2. Könige 4, 40 zurück.</a>
Wo man Pfründen jetzo verleiht,
Sind Simon und Hiesi
<a href="#IDBZA0SHYG3IGEOCNSI2PG5IXLCJP3BPACYD4HQNB5E43NZ1ZJ4QSJ">[*]
Vgl. Apostelgeschichte 8, 18 ff.: der Zauberer Simon bot den Aposteln Geld an, damit sie ihm durch ihr Handauflegen die Gabe des Heiligen Geistes verleihen sollten (daher
Simonie = Schacher mit geistlichen Ämtern); 2. Könige 5, 21 ff.: Gehasi, Diener des Propheten Elisa, ließ sich für die Wundertat seines Herrn unrechtmäßig mit zwei Zentnern Silber beschenken und wurde zur Strafe aussätzig.</a> nicht weit.
Merk: will viel Pfründen ein Geselle,
So harrt er der letzten in der Hölle,
Da wird er finden eine Präsenz,
Die mehr bringt als hier sechsmal Absenz.
<a href="#ID3OOHXPWIBLLCGQX1PZR1KY1YSELHVOD1MK02YEOXBW0WIJD53JQB">[*]
presentz (lat.
praesentia) ist die Summe der Einkünfte aus einer Pfründe, bei der ihr Besitzer anwesend zu sein verpflichtet war. Sie waren durch die damit verbundenen Kosten geringer als bei einer
absentz (lat.
absentia), bei der man dem Ort der Pfründe fernbleiben konnte. In der Hölle ist es umgekehrt, da dort die Anwesenheit ein Übermaß an Höllenqualen einbringt.</a><a name="page113" title="wedi/quantenspringer" id="page113"></a>
<a name="page114" title="wedi/quantenspringer" id="page114"></a>
Wer singt »cras, cras« <a href="#IDZRGHQHGGOGLWJBD5YZGGNV4AB4RATJQOZNN3W5UGCN4XCAVYCN">[*] Morgen (lat. cras); schon bei Ovid, Martial u.a. sprichwörtlich.</a> gleichwie ein Rab,
Der bleibt ein Narr bis hin zum Grab;
Hat morgen eine noch größere Kapp.
Vom Aufschubsuchen
Der ist ein Narr, dem Gott gebeut,
Daß er sich bessern soll noch heut
Und soll von seinen Sünden lassen,
Ein besser Leben anzufassen,
Und der nicht gleich sich bessern mag,
Nein, Frist sich setzt zum andern Tag
Und singt »cras, cras!« des Raben Sang,
Und weiß nicht, ob er lebt so lang.
Viel Narren sind verlorngegangen,
Die allzeit: »Morgen! Morgen!« sangen.
Was Sünd und Narrheit sonst angeht,
Da
eilt man zu so früh wie spät;
Was Gott betrifft und Rechtes tun,
Das schleicht gar langsam näher nun,
Dem suchen Aufschub stets die Leute.
»Morgen ist besser beichten denn heute!
Wir lernen Rechttun morgen schon!«
So spricht gar mancher verlorne Sohn.
Derselbe Morgen kommt nimmer je,
Er flieht und schmilzt gleichwie der Schnee;
Erst wenn die Seel nicht bleiben kann,
Dann bricht der morgige Tag heran,
Dann wird von Schmerz der Leib bedrängt,
Daß er nicht an die Seele denkt.
So sind auch in der Wüste vergangen
Der Juden viel; es sollte gelangen
Kein einziger in jenes Land,
Das Gott verhieß mit milder Hand.
<a href="#IDILSKQV1CDAHIHDWMCHQL1VCU3ON2ZB0OKRZNL1LCWERJFDF3MYY">[*]
Vgl. 4. Mose 14, 22 f.</a>
<a name="page115" title="wedi/quantenspringer" id="page115"></a> Wer heut nicht fähig zur Reue ist,
Hat morgen noch mehr, was ihm gebrist.
<a href="#IDQK2I4TKU2FLFLHJIHWBZ3GK5CZGS4JGMML3BTIPIV01V5FWUFDP">[*]
Vgl. Ovid,
Remedia Amoris V. 94.</a>
Wen heute beruft die Gottesstimm,
Weiß nicht, ob sie ruft morgen ihm,
Drum sind viel Tausend jetzt verloren,
Die
morgen sich zu bessern schworen!
<a name="page116" title="wedi/quantenspringer" id="page116"></a>
<a name="page117" title="quantenspringer/Konmax" id="page117"></a>
Heuschrecken hütet an der Sonnen <a href="#IDH5IHCZYESXGGJ0UX5TD3XA3RKND2TO4AFDVE0EEGW5WODYE5Z3UN">[*] Sprichwörtlich für etwas Unmögliches oder Vergebliches, wie: eine Wanne voll Flöhe hüten.</a>
Und Wasser schüttet in den Bronnen,
Wer hütet die Frau, die er gewonnen.
Vom Frauenhüten
Viel Narrentage und viel Verdruß
Hat, wer der Frauen hüten muß;
Denn welche wohl will, tut selbst recht,
Die übel will, die macht bald schlecht,
<a href="#ID0323DXSUQHV0K24Z4SAN4BSNG0J3TAGVCEVATHVJFKZQ2YKVOAJ">[*]
schlecht = schlicht; d. h., sie ebnet die Wege, weiß sich zu helfen.</a>
Wie sie zu Wege bring' all Tag
Ihre böse Absicht und ihren Anschlag.
Legt man ein Malschloß
<a href="#IDZ5N2XYMJIWX22YAZBWPKGOWPGDL40K5G35WCRPEW2V44ZAUAE5D">[*]
Vorhängeschloß.</a> schon dafür
Und schließt all Riegel, Tor und Tür
Und setzt ins Haus der Hüter viel.
So geht es dennoch, wie es will.
Was half der Turm, drein Danae ging,
Dafür, daß sie ein Kind empfing?
Penelope
<a href="#ID5T15MHBUUKHXLDG1TK1IKPWN2NIV1KRTMLFW55PZ10ENW1NYY24D">[*]
Penelope, Gattin des Odysseus, wehrte ihre Freier mit dem Hinweis ab, sie müsse erst das Leichengewand ihres Schwiegervaters Laertes fertigstellen, trennte aber nachts das Genähte immer wieder auf, so daß sie erst der zurückkehrende Odysseus von dieser Arbeit erlöste.</a> war frei und los
Und hatt' um sich viel Buhler groß,
Ihr Mann blieb zwanzig Jahre aus,
Und sie blieb brav in ihrem Haus.
Der sprech allein, daß er noch sei
Von Weiberlist und Trug ganz frei,
Und halt die Frau auch lieb und hold,
Den seine Frau nie täuschen wollt.
Eine hübsche Frau, als Närrin geboren,
Gleicht einem Roß, dems fehlt an Ohren;
Wer mit derselben ackern will,
Der macht der krummen Furchen viel.
<a name="page118" title="quantenspringer/ai" id="page118"></a> Das sei der braven Frau Betragen:
Die Augen nieder zur Erde schlagen,
Nicht Artigkeiten
<a href="#IDLWODR21SNYU5FS4KCYD1DDJ0GI5CXMEYL5CGZJOAKFIGLE2D5C2B">[*]
hoffwort, eigentlich Hofworte, höfliche Komplimente.</a> mit jedermann
Austauschen und jeden gäffeln
<a href="#IDNLAIACNIFHWIKHVR1YTFVAZZZPWDWNKTHLKPGJPHX22ZPXZ3AJOD">[*]
gäfflen an, von angaffen, wie liebäugeln, anlächeln.</a> an,
Noch hören alles, was man ihr sagt:
Denn Kupplern das Schafskleid wohl behagt.
Hätt Helena nicht, als Paris schrieb,
Antwort gegeben, er sei ihr lieb,
Und Dido
<a href="#IDALGTAIT10O2XMGWM5CNLOCTEPGIEQAIWV1XKVMCUWIXAR3ZXMDDG">[*]
Die fingierten Briefe bei Ovid,
Heroides ep. XVI–XVII u. VII.</a> durch ihre Schwester Ann',
Sie wären beide ohn fremden Mann.
<a name="page119" title="quantenspringer/ai" id="page119"></a>
<a name="page120" title="quantenspringer/ai" id="page120"></a>
Wer durch die Finger sehen kann
Und läßt die Frau einem andern Mann,
Da lacht die Katz die Maus süß an.
Vom Ehebruch
Ehbrechen wägt man so gering,
Als ob man schnellt' einen Kieseling.
Ehbruch hat jetzt des Gebots nicht acht,
Das Kaiser Julius
<a href="#IDBV5ND1OYRQUGPOF0YSR4TE0JPFGIHBONGMOSDOEXIB4EP2UQAR1M">[*]
Gemeint ist die
Lex lulia de adulterio, die von Augustus erlassen wurde.</a> gemacht.
Man scheut jetzt Straf noch Tadel nicht,
Das macht, die in der Ehe Pflicht
Zerbrechen Krüge und Töpfe
gleich<a href="#ID1GDS3W2SU1KVY1JSCDIDTIKRK2DOJNTESI4L1GE3MD12MKEPHZM">[*]
D. h., beide betragen sich gleich leichtfertig.</a>
Und: »Schweig du mir, so ich dir schweig!«
Und: »Kratz du mich, so kratz ich dich!«
Man kann die Finger halten sich
Vors Auge so, daß man doch sieht,
Und wachen bei geschlossenem Lid –
<a href="#ID2X2VXRCN2GFTL1C54E00JD54OL4OXM2ATSHEAOJKU2OAKZODI2QI">[*]
Bei Brant bildkräftiger:
wachend tuon / als ob man ruß, als ob man schnarche.</a>
Man kann jetzt leiden Frauenschmach,
Es folgt nicht Straf noch Rache nach.
Stark ist im Land der Männer Magen,
Viel Schande können sie vertragen
Und tun, was ehmals Cato tat,
Der dem Hortens die Frau abtrat.
<a href="#IDIJDQJOSWFL2YM3LQY4EYV2ZBRF31AJ0ESFSYTAGUINOK0SJSJAKG">[*]
Der jüngere Cato, ein römischer Politiker, überließ dem Hortensius seine Gemahlin Marcia, die nach dessen Tod zu ihm zurückkehrte (nach Plutarch).</a>
Gar wenigen gehn jetzt zu Herzen
Aus Ehbruch Leid und Sorg und Schmerzen,
Wie die Atriden
<a href="#IDSD3S3AWJ2JV5MAE2CKMQPKBY2OEHGPTCJSWFA2Y4E44HM4JLD4I">[*]
Nur Menelaus konnte den Raub der Helena an den Trojanern rächen; Agamemnon wurde nach seiner Rückkehr von Klytämnestra und deren Geliebten Aegisth ermordet.</a> straften mit Recht,
Da ihre Frauen man geschwächt,
Oder wie Collatinus
<a href="#ID5OXXBA0PPZ53OMSK5KVS4K0NMFTSESA4NIVPA4GOT52FGLEYIO4">[*]
Gemahl der Lucretia, vgl. Anm. 7 zu Kap. 26.</a> tat,
<a name="page121" title="quantenspringer/ai" id="page121"></a> Als man Lukrezia Schmach antat.
Drum ist der Ehbruch jetzt so groß,
Auf allen Straßen ist Clodius
<a href="#IDEGRBKFR0BYIWMCZ2ZCGZHFMPOHCF0IXBNZJFLMB2SKYCDUX1WYFL">[*]
Ein berüchtigter Ehebrecher in Rom (vgl. Juvenal VI, 345). Bei Brant derber:
Clodius beschisßt all weg und stroß.</a> los.
Wer jetzt mit Geißeln die wohl strich',
Die wegen Ehbruchs rühmen sich,
Wie man Salustio
<a href="#IDCYGWEYRBY1MLMMUJ14P2G1LRSJBF42WV5NHJCLDID5V4GMBT4VHL">[*]
Dieser wurde, wie Gellius berichtet, beim Ehebruch ergriffen und ausgepeitscht.</a> gab Lohn –
Trüg mancher Striemen viel davon.
War solche Strafe für Ehbruch da,
Wie Abimelech
<a href="#IDUHXHRSSLLJNEBYUKGLGBGCG30GMW0FG4ZYFKCOBZN13J0GMW34JO">[*]
1. Mose 20, 18.</a> einst geschah,
Sowie den Söhnen Benjamin
<a href="#IDNO53O3G0H4FSH5EFCSNZTWBACNWPMFFQYYT0ZCPFSRSHVEYB21B">[*]
Richter</a>
Oder würd ihm solcher Gewinn,
Wie David geschah mit Bersabe
<a href="#IDNUFOJDEGRPDODJQWMUWIRR5IFTMND4TI1C4SIN5CQIFY5T1ZVEM">[*]
Bathseba, vgl. 2. Samuel 11. 12.</a> –
Mancher würd brechen nicht die Eh'.
Wer leiden kann, daß sein Weib sei
Im Ehbruch, und er wohnt ihr bei,
So er das weiß
<a href="#IDJBMMIPZNJERSL4S5KJ5SZJJWHDNLM4OE4XDO20MY0XNT40ODPW2G">[*]
wißlich weisßt, d. h. wissentlich weiß, als Verstärkung.</a> und sieht den Trug,
Den halt ich wahrlich nicht für klug.
Er gibt ihr Ursach mehr zum Fall;
Dazu die Nachbarn munkeln all,
Er hab mit ihr teil und gemein,
Und
ihre Beute sei auch sein.
Sie sprech zu ihm: »Hans, guter Mann,
Dich seh ich doch am liebsten an!« –
Die Katz den Mäusen gern nachgeht,
Wenn sie das Mausen erst versteht:
Die andre Männer hat versucht,
Wird also schandbar und verrucht,
<a name="page122" title="quantenspringer/ai" id="page122"></a> Daß Ehr und Scham sie nicht mehr achtet,
Nach ihrer Lust allein sie trachtet.
Ein jeder schau, daß er so lebe,
Daß er der Frau nicht Ursach gebe;
Er halt sie freundlich, lieb und schön
Und fürcht nicht jeder Glock Getön,
<a href="#IDCYLZLUMPYQRMI2QFD4JNBECMHJDPILVRFL13ZVZ3GXS4SYCWJAG">[*]
D. h., höre nicht auf jedes Gerede.</a>
Noch keif er mit ihr Nacht und Tag,
Und schau doch, was die Glocke schlag.
Dann laß dies treuer Rat dir sein:
Führ nicht viel Gäste bei dir ein!
Vor allen schaue
der genau,
Wer hat 'ne weltlich hübsche Frau,
Denn niemand ist zu trauen wohl,
Die Welt ist falsch und Untreu voll.
Es blieb die Frau dem Menelaus,
Wenn Paris nicht kam in das Haus;
Hätt Agamemnon den Aegisth
Nicht zu Haus gelassen, wie ihr wißt,
Und ihm vertraut Weib, Hof und Gut,
Er hätt verloren nicht sein Blut,
Gleichwie Kandaules, der Tor so groß,
Der zeigte sein Weib einem andern bloß.
<a href="#ID3VQO4TVOVWXBDBZKTX2B3ZKMGCC4MXJLIFOBDIIPMINWAQE5MHJB">[*]
Nach Herodot I, 8–13; bekannt durch Hebbels Tragödie »Gyges und sein Ring«.</a>
Wer Freude nicht will haben allein,
Dem geschieht ganz recht, wird sie gemein;
Drum soll man halten das fürs Beste,
Wenn Ehleut nicht gern haben Gäste,
Zumal denen nicht zu trauen ist:
Die Welt steckt voll Betrug und List!
Wer Argwohn hat, der glaubt gar bald,
Man tue, was ihm nicht gefallt,
<a name="page123" title="quantenspringer/wedi" id="page123"></a> Wie Jakob mit dem Rock geschah,
Den er mit Blut besprenget sah;
<a href="#IDLKBBKLER4NJEFXA10SKFAT2VFMJ4GRMXWWDWWNJPSVQ1ALDSIE4K">[*]
1. Mose 37, 31 ff.</a>
Ahasverus dachte, daß Haman meinte
Esther zu schänden, der doch weinte;
<a href="#IDSBILERQA4ODXGACLZ0TDRXE0JPEN4XE2ISKUATH0A0LFXAS2TXCN">[*]
Esther 7, 7. 8: Haman bat Esther kniend um sein Leben, als der König hinzukam.</a>
Um seine Frau einst Abraham bangte,
Bevor er nach Gerare gelangte.
<a href="#IDKTAF1MT02WIDFAP2BOXS1C1BDLTNBZTJSUHGZXYVTSREVGGRXVK">[*]
1. Mose 20, 2: Abraham gab aus Furcht Sara für seine Schwester aus.</a>
Besser ein Knauser in seinem Haus,
Als fremde Eier brüten aus.
Wer viel ausfliegen will zu Wald,
Der wird zu einer Grasmücke
<a href="#IDKE0DPMMO2H2IHJVF4CS0RUUZ0GCZQYRQKEOWUTINDMF340KXRHFI">[*]
Diese brütet die untergeschobenen Kuckuckseier aus.</a> bald.
Wer brennende Kohlen im Schoße trägt
Und Schlangen an seinem Busen hegt
Und in der Tasche zieht eine Maus –
Solche Gäste nützen wenig dem Haus.
<a name="page124" title="quantenspringer/wedi" id="page124"></a>
<a name="page125" title="quantenspringer/wedi" id="page125"></a>
Mancher hält sich für weise gern
Und bleibt 'ne Gans doch heuer wie fern, <a href="#IDONZ2CXDTK5S3F4V4WUJFVJXJCHRADSTAK04GVWN1FQ3SIC31Y3LJ">[*] hür als vern, d. h. heute wie vergangenes Jahr, nach wie vor. Vgl. Firnewein.</a>
Will nicht Vernunft noch Zucht erlern'n.
Narr heute wie gestern
<a href="#IDCMC2YWD2UCLLKGVDCAFPN03DLGY1SYHUYTH3GFHYUGUOVPEI0BYH">[*] Narr hur als vern: die nd. Übersetzung bringt im Anschluß an das Kapitel die Bedeutung: hier wie in der Ferne, was auf einem sprachlichen Irrtum beruht.</a>
Ein Narr ist, wer viel Gutes hört
Und doch nicht seine Weisheit mehrt,
Wer allzeit wünscht Erfahrung viel
Und sich davon nicht bessern will,
Und was er sieht, will haben auch,
Damit man merk, er sei ein Gauch.
Denn
das plagt alle Narren sehr:
Was neu ist, das ist ihr Begehr;
Doch ist die Lust dran bald verloren
Und etwas andres wird erkoren.
Ein Narr ist, wer durchfährt viel Land
Und lernt nicht Tugend noch Verstand,
Der als eine Gans geflogen aus
Und kommt als Gagack heim nach Haus.
Nicht genug, daß einer war vordem
Zu Pavia, Rom, Jerusalem,
Sondern dort etwas gelernt zu haben,
Vernunft und andere Weisheitsgaben:
<a href="#IDQFHZUSMZT4I1F21QUUVLD4H5PPFWR4P4WLI5XDJUYLHWMK4IVQVC">[*]
Bei Brant:
Das man vernunfft / kunst / wißheit kan.</a>
Das halt ich für ein Wandern gut.
Denn war voll Kreuze auch dein Hut,
<a href="#IDAIBT2LERLEFAEGQ1LR0PQUBQPE2VUDGSIYK1CSHWWHV02QFCTY2G">[*]
Die Pilger pflegten von jedem Wallfahrtsort ein Kreuz, das an den Hut gesteckt wurde, mitzubringen.</a>
Und könntest du scheißen Perlen fein,
So schätzte ich doch nicht allein,
Daß du viel Land besucht und sahst
Und – wie die Kuh ohn Weisheit stahst.
<a name="page126" title="quantenspringer/wedi" id="page126"></a> Denn wandern bringt nicht große Ehre,
Es sei denn, daß man klüger wäre.
Hätt Moses
<a href="#IDX0EHLJ4K2MBSBSXR5TO1NFTAN0GZAA2R4E2RVB05Y35CGZOK1VF">[*]
Vgl. Apostelgeschichte 7, 22.</a> im Ägypterland
Und Daniel nicht erworben Verstand,
Als er war in Chaldäa fern,
Man würde sie nicht also ehrn.
Mancher kommt staubbedeckt zur Beicht,
Der rein zu werden meint und leicht,
Und geht doch wieder fort unrein
<a href="#IDCFWR3JVYMNM3NUOSPHBK2CDYSKGJMUOHJBMBHGNFGTGIMC1DZ0GI">[*]
berämt, d. h. beschmutzt, sündenbefleckt.</a>
Und trägt am Hals den Mühlenstein.
<a href="#IDSTQAGN3OI2JLYQ5H5W4VAMSXL2BG5BQWMNNEEVQEGM35SSJOJP">[*]
Anspielung auf Matthäus 18, 6.</a><a name="page127" title="quantenspringer/wedi" id="page127"></a>
<a name="page128" title="quantenspringer/wedi" id="page128"></a>
Wer stets im Esel hat die Sporen,
Der rutscht ihm oft bis auf die Ohren:
Leicht zürnen paßt zu einem Toren.
Von leichtem Zürnen
Der Narr den Esel allzeit reitet,
Der unnütz wird zum Zorn verleitet
Und um sich knurret wie ein Hund,
Kein gutes Wort geht aus dem Mund,
Keinen Buchstaben kennt er als das R
Und meint, man soll ihn fürchten sehr,
Weil er kann zürnen nach Behagen.
Drum hört man gute Leute sagen:
»Wie tut der Narr sich so zerreißen!
Unglück will uns mit Narrn bescheißen!
Er wähnt, man hab nicht Narren zuvor
Gesehen als Hans Eselsohr!«
Den Weisen hindert Zorneswut,
Der Zornige weiß nicht, was er tut.
Archytas
<a href="#IDHKN0ODN3AUBJWJJ01EQO5JWGJBAWKGBEGXYYUKPWZP43OJV5Y">[*]
Archytas von Tarent, ein griechischer Philosoph und Staatsmann des 4. Jh. v. Chr.; die überlieferte Äußerung bei Valerius Maximus IV, 1.</a> sprach zu seinem Knecht,
Als ihm von dem geschah Unrecht:
»Ich würd dies jetzt nicht schenken dir,
Wenn ich nicht spürte Zorn in mir!«
Mit Plato solches auch geschah;
An Sokrates nie Zorn man sah.
Wen leicht sein Zorn zu Ungeduld
Bringt, der fällt bald in Sünd und Schuld.
Geduld besänftigt Widrigkeit,
Ein mildes Wort
<a href="#IDKT30VCDPOKMMCLRTRJFSSWOQUD2HVM1KEDJG0ODPTVWDDLXIQYBL">[*]
Eyn weiche zung, d. h. eine sanfte Rede.</a> löst Härtigkeit;
All Tugend Ungeduld zerbricht,
Wer zornig ist, der betet nicht.
Vor schnellem Zorn dich allzeit hüte,
<a name="page129" title="quantenspringer/wedi" id="page129"></a> Denn Zorn wohnt in des Narrn Gemüte.
Viel leichter wär eines Bären Zorn,
Hätt seine Jungen er auch verlorn,
Zu dulden, als was ein Narr dir tut,
Den seine Narrheit setzt in Wut.
<a href="#IDAZU4EKEZKFABOQBA1ESXS5CUPFE2SIV3GH1N1KK4MNNSL3DOW0SO">[*]
Sprüche Salomonis 17, 12</a>
Der Weise ist bedächtig allzeit,
Ein Jäher billig den Esel reit'!
<a name="page130" title="quantenspringer/wedi" id="page130"></a>
<a name="page131" title="quantenspringer/wedi" id="page131"></a>
Wer will auf eignen Sinn ausfliegen
Und Vogelnester sucht zu kriegen,
Der wird oft auf der Erde liegen.
Vom Eigensinn
<a href="#IDETKBNQJ5GLLXLK41BMAVF432IEUZIXCOQGMSAJKDNRUD3FHG1OMK">[*] Eygenrichtikeit, d. h. Eigensinn aus Selbstüberschätzung, Rechthaberei.</a>
Der kratzt sich mit den Dornen scharf,
Wen dünkt, daß niemands er bedarf,
Und meint, er sei allein so klug,
In allen Dingen gewitzt genug;
Der irrt gar oft auf ebnem Wege,
Gerät gar leicht auf wilde Stege,
Auf denen Heimkehr nicht wird sein.
Weh dem, der fällt und ist allein!
Zu Ketzern wurden oft verkehrt,
Die rechter Tadel nicht belehrt,
Verlassend sich auf eigne Kunst,
Daß sie erlangten Ruhm und Gunst.
Viel Narren fielen hoch herab,
Die suchten Weg, wo's keinen gab,
Und stiegen Vogelnestern nach;
Ohn Leiter mancher niederbrach.
Verachtung oft den Boden rührt,
<a href="#IDO4ZBX10USI31KKREECVI1X2UWGO3GSG3GUF3ERIWQC3F0OLVTBGJ">[*]
Wer guten Rat verachtet, strandet leicht, läuft auf den Grund (schon auf die folgende Zeile bezogen).</a>
Vermessenheit viel Schiff' verführt,
Und weder Nutzen hat noch Ehre,
Wer nicht mag, daß man ihn belehre.
Die Welt wollt Noah hören nie,
Bis untergingen Leut und Vieh;
<a href="#IDCOXUQRIZ113UK0S45BMU5Q1SRCO0XFXIPJ3VFPNKEWTXXMEW2ENM">[*]
Vgl. 2. Petrus 2, 5.</a>;
Korah wollt tun, was ihn verdarb,
Drum er mit seinem Volke starb.
<a href="#IDJFNC4GURZS0NMSY40SNRADAPAFO0S0X3OCG5OLLXRLJCR152HK5P">[*]
Vgl. 4. Mose 16.</a>
Das sondre Tier,
<a href="#IDWQGJDPC3LIZSEQD3RHY4P4I0BM50CEAWNUUV10HQF1RLLIU3G52B">[*]
Gemeint ist der Eigensinn; vgl. Psalm 80, 14 (im Vulgatatext
singularis ferus, was Brant in seinen Zusätzen zur lat. Ausgabe des Narrenschiffs von 1497 ausdrücklich auf den Eigensinn deutet).</a> das frißt gar viel.
<a name="page132" title="quantenspringer/wedi" id="page132"></a> Wer eignen Kopf gebrauchen will,
Sich zu zertrennen untersteht
Den Rock, der doch nicht ist genäht.
<a href="#ID1R1PX12JHBO5NORZAOWSXWAIBLTTGM2X543HRYJSWA5UTA5I01CM">[*]
Der ungenähte Rock Christi gilt als Symbol der unteilbaren katholischen Kirche.</a>
Wer hofft, vom Narrenschiff zu weichen,
Muß in die Ohren Wachs sich streichen,
Das tat Ulysses auf dem Meer,
Als er sah der Sirenen Heer
Und ihm durch Weisheit nur entkam,
Womit ihr Stolz ein Ende nahm.
<a name="page133" title="quantenspringer/wedi" id="page133"></a>
<a name="page134" title="quantenspringer/wedi" id="page134"></a>
Wer sitzet auf des Glückes Rade,
Der schaue, daß kein Fall ihm schade
Und daß als Narr er komm zum Bade.
Von Glückes Zufall
Der ist ein Narr, der hochauf steigt,
Daß seine Scham der Welt er zeigt,
Und sucht stets einen höhern Grad
Und denkt nicht an des Glückes Rad.
Was hochauf steigt in dieser Welt,
Gar plötzlich oft zu Boden fällt.
<a href="#IDEVAPMLZLMMFSFGLN0XZQ5QSUUFZYWUIOD1Y2TZCWPEAOU2ORWCLL">[*]
Sprichwörtlich:
Eyn yedes ding wann es uffkunt / Zuom höchsten / felt es selbst zuo grunt. Ähnlich schon bei lat. Autoren: Claudian 3, 22; Senecas
Thyestes V. 615.</a>
Kein Mensch so hoch hier kommen mag,
Der sich verheißt den künftgen Tag,
Und daß er Glück dann haben will,
Denn Klotho
<a href="#IDOOVLFDBQOLLGJFL3JR2TFQV3YC5YDUZZXTHZOUMJ4U3IV0KUT25J">[*]
Sprichwörtlich:
Eyn yedes ding wann es uffkunt / Zuom höchsten / felt es selbst zuo grunt. Ähnlich schon bei lat. Autoren: Claudian 3, 22; Senecas
Thyestes V. 615.</a> hält ihr Rad nicht still,
Oder den sein Reichtum und Gewalt
Vorm Tod einen Augenblick erhalt'.
Wer Macht hat, der hat Angst und Not,
Viel sind um Macht geschlagen tot.
Die Herrschaft hat nicht langen Halt,
Die man muß schirmen mit Gewalt.
Wo keine Lieb und Gunst der Gemein',
Da ist viel Sorge – und Freude klein.
Es muß viel fürchten, wer da will,
Daß
ihn auch sollen fürchten viel.
Nun ist die Furcht ein schlechter Knecht,
Sie kann nicht lange hüten recht.
Wer innehat Gewalt, der lerne
Liebhaben Gott und ehr ihn gerne.
Wer Gerechtigkeit hält in der Hand,
Des Macht kann haben gut Bestand;
Des Herrschaft war wohl angelegt,
<a name="page135" title="quantenspringer/wedi" id="page135"></a> Um dessen Tod man Trauer trägt.
Weh
dem Regenten, nach des Tod
Man sprechen muß: »Gelobt sei Gott!«
Wer einen Stein wälzt auf die Höh,
Auf den fällt er und tut ihm weh,
<a href="#IDXEGOVP4T2G3VGZJFTG4TSDPC3O40OMRUQEHSBWGETZGAFQEXCCXO">[*]
Jesus Sirach 27, 28.</a>
Und wer vertrauet auf sein Glück,
Fällt oft in einem Augenblick.
<a name="page136" title="quantenspringer/wedi" id="page136"></a>
Von närrischer Heilkunde) zugeordnet. Doch kann kein Zweifel daran sein, daß eine Verwechslung stattfand, denn das Bild zeigt den unfolgsamen Kranken mit Narrenkappe, während der hier irrtümlich abgedruckte Holzschnitt den Arzt mit Narrenohren abbildet und auf die ersten Zeilen von Kap. 55 Bezug nimmt. Die 2. Ausgabe von 1495 hat die Bilder bereits ausgetauscht.</a><a name="page137" title="quantenspringer/fibo235" id="page137"></a>
Wer krank ist und liegt in der Not
Und folgt nicht eines Arztes Gebot,
Der hab den Schaden, der ihm droht! <a href="#IDLYRDTGSBWSDIJGP2A2YMHOEEQGXXMHYJCHV5HMER5TAFODX243HO">[*] Der Holzschnitt ist in der Originalausgabe von 1494 dem 55. Kap. (
Von unfolgsamen Kranken
Der ist ein Narr, der nicht versteht,
Was ihm ein Arzt in Nöten rät,
Und der nicht recht Diät will leben,
Wie ihm der Arzt hat aufgegeben,
Und der für Wein das Wasser nimmt
Und andres, was ihm sonst nicht ziemt,
Und schaut, daß er sein Lüstchen labe,
Bis man ihn hinträgt zu dem Grabe.
Wer
bald der Krankheit will entgehn,
Der soll dem
Anfang widerstehn,
<a href="#IDAWCL30E45A3EOGWZEWKCGVQXHN2O3L240JXMYLNCAV1JNFKDNUYN">[*]
Nach Ovid,
Remedia Amoris, V. 91. 92, 115. 116.</a>
Denn Arzenei muß wirken lang,
Wenn Krankheit schon nahm Überhang.
<a href="#IDYYBBNYWKE23SH45DWNSP3CSFPEORO5FMIBP42GXOFYNSWLIZ3EN">[*]
uberhanck, d. h. Übergewicht erhalten, überhandnehmen.</a>
Wer gern will werden bald gesund,
Der zeig dem Arzte recht die Wund'
Und dulde, daß man sie aufbreche
Oder mit Sonden darein steche,
Sie hefte, wasche und verbinde,
Ob man ihm auch die Haut abschinde,
Damit ihm nur das Leben bleibe
Und man die Seel nicht von ihm treibe.
Ein guter Arzt darum nicht flieht,
Wenn auch der Kranke halb hinzieht;
<a href="#IDURQXL4PBSDSAG3E3D1POXRY2ZEKD5VD15OF2CPO3FVGAPQAPYIXE">[*]
Schon im Sterben liegt.</a>
Ein Siecher billig dulden soll
<a name="page138" title="quantenspringer/helmhauer" id="page138"></a> Auf Hoffnung, daß ihm bald werd wohl.
Wer einem Arzt in Krankheit lügt
Und in der Beicht den Priester trügt
Und Falsches sagt dem Advokaten,
Der ihm doch soll zum Rechten raten,
Der hat sich ganz allein belogen,
Zu seinem Schaden sich betrogen.
Ein Narr ist, wer den Arzt befragt
Und nicht beachtet, was der sagt,
Doch alter Weiber Rat hält fest
Und in den Tod sich segnen läßt
Mit Amulett und Narrenwurz,
<a href="#ID35OAWKSQ2O3UDOEKGNEVWD5JYEQ0RYZBUBDEXVGIVT2QAIRIQQGH">[*]
Mitt kracter und mitt narren wurtz, d. h. mit Charakteren, magischen Schriftzeichen, und mit Zauberwurzeln, die man beim Mondschein suchte; vgl. Kap. 65.</a>
Drum nimmt zur Hölle er den Sturz.
Des Aberglaubens ist jetzt viel,
Womit man Heilung suchen will –
Wenn ich das alles zusammensuch,
Mach ich wohl draus ein Ketzerbuch.
<a href="#IDIUTYTZSPIW3OPOS2LCAQUH4KADKFNOGLQV0JXXO2RU5CZ1B34JSL">[*]
D. h. ein dickes Buch von allen Teufelskünsten, die in der Heilkunde betrieben werden.</a>
Der Kranke nach Gesundheit trachtet,
Woher ihm Hilf kommt, er nicht achtet:
Den
Teufel riefe mancher an,
Daß er der Krankheit möcht entgahn,
Wenn ihm von dem nur Hilfe würde
Und nicht Besorgnis ärgrer Bürde.
Der wird in Narrheit ganz verrucht,
Wer wider Gott Gesundheit sucht
Und ohne Weisheit doch begehrt,
Daß er will klug sein und gelehrt,
Der ist gesund nicht, sondern blöde,
<a href="#ID1JSKMZR5ANHSMOQTSRNLGFDZRDCOLIJMVKV5XTJ5XVAQFP4XMKRK">[*]
Krank, schwach. Diese ganze Stelle hat Brant dem Corp. iur. can. entnommen.</a>
<a name="page139" title="quantenspringer/helmhauer" id="page139"></a> Nicht klug, vielmehr in Torheit schnöde;
In steter Krankheit er verharrt,
In Wahn und Blindheit ganz ernarrt.
Krankheit aus Sünden oft entspringt,
Denn Sünde großes Siechtum bringt.
Drum wer der Krankheit will entgehn,
Dem soll Gott wohl vor Augen stehn,
Der soll sich erst der Beichte nahn,
Eh er will Arzenei empfahn,
Und soll zuvor die Seele heilen,
Eh er zum Leibesarzt will eilen.
Aber es spricht jetzt mancher Gauch:
»Was sich beleibt, beseelt sich auch!«
<a href="#IDEVVQ10ZFFLE2H3UJBNIOF3E1PIXHAAFPXFDK0FDDSAB1CTVCAAIG">[*]
Was sich gelibt das gesölt sich ouch; der Sinn des Wortspiels ist: wenn nur der Leib erhalten wird, so wird sich für die Seele schon Rat finden (
lib heißt zugleich Leben). Vielleicht im Anklang an das Sprichwort: Was sich liebt, das gesellt sich auch, wie die späteren Nachdrucke des Narrenschiffs seit 1553 fälschlich lesen.</a>
Doch wird es sich zuletzt so leiben,
Daß weder Leib noch Seele bleiben,
Und
ewige Krankheit ficht den an,
Der hier will
zeitlicher entgahn.
Viel sind verfault und längst schon tot,
Die besser vorher suchten Gott
Und seine Gnade, Hilf und Gunst,
Ehe sie suchten Ärztekunst
Und Leben hofften ohne Gnaden:
Sie starben zu der Seele Schaden.
Hätt Makkabäus
<a href="#IDRWWKLALW05VHMV0GNEIVMF0R0OTZHKOHQKTOHYK0E5U20DHW3YWI">[*]
1. Makkabäer 8. 9 (wo der Tod des Judas Makkabäus allerdings nicht auf sein Bündnis mit den Römern zurückgeführt wird).</a> recht vertraut
Auf Gott und nicht auf Rom gebaut,
Wie er zuerst gesonnen war,
<a name="page140" title="quantenspringer/helmhauer" id="page140"></a> Er hätt gelebt noch lange Jahr'.
Hiskias
<a href="#ID3RJ2KBVEOJVQLEAYLUTXVEJZINN4WJ2NQE3X3PJH4PTYOJE2EKUI">[*]
2. Könige 20, 1-7.</a> wär gestorben tot,
Hätt er sich nicht gekehrt zu Gott
Und so erworben, daß Gott wollte,
Daß er noch länger leben sollte.
Hätt sich Manasse
<a href="#IDZIFYJ5TFQIJSPXJ5BJLZ2XBDSJN4P4YSZM1JGQOKHUGDJ2OFIC4N">[*]
2. Chronik 33, 12. 13.</a> nicht bekehrt,
Gott hätt ihn nimmermehr erhört.
Der Herr zu dem Bettsiechen sprach,
Der lange Jahr' gewesen schwach:
»Geh hin, bleib rein und sei kein Narr,
Daß dir nicht Schlimmeres widerfahr!«
<a href="#IDR3OFDZRNNHVCGSAJPQZVNQ3UJFQNA0FLLC3QJGPEMC0IKF53140B">[*]
Anspielung auf Matthäus 9, 2.</a>
Mancher gelobt in Krankheit viel,
Wie er sein Leben bessern will,
Von dem spricht man: »Der Sieche genas
Und wurde schlimmer, als er was!«
Er meinet Gott damit zu äffen:
Bald wird ihn größre Plage treffen!
<a name="page141" title="quantenspringer/helmhauer" id="page141"></a>
<a name="page142" title="quantenspringer/helmhauer" id="page142"></a>
Wer laut den Anschlag kündet an
Und spannt sein Garn vor jedermann,
Vor dem man leicht sich hüten kann.
Von offenkundigen Anschlägen
Ein Narr ist, wer will fangen Sparrn
<a href="#IDRCLZA4THYF2QPJWWJQWWSPIFTDUWYGCHDXBMYQFSS3RRHDJSVKKB">[*]
Spatzen. Vgl. Sprüche Salomonis 1, 17.</a>
Und offenkundig stellt das Garn;
Denn leicht ein Vogel dem entflieht,
Wenn er es offen vor sich sieht.
Wer nichts als drohen tut all Tage,
Da sorgt man nicht, daß er fest schlage;
Wer seinen Plan schlägt offen an,
Vor dem bewahrt sich jedermann.
Hätt nicht verändert sich Nikanor
<a href="#IDPVJFPJEEOOH3CUHIH0BSTDPP2P0JZPZ5H5Y212HN40NNHIDTPOEN">[*]
2. Makkabäer 14, 30 ff.</a>
Und fremder gestellt als wie zuvor,
So hätt ihn Judas nicht erraten
Und sich so rasch bewahrt vor Schaden.
Als weiser Herr erscheint mir der,
Der weiß den Plan, sonst niemand mehr,
Zumal wenn ihm sein Heil liegt an;
Es will jetzt schwatzen jedermann
Und sich in solche Händel stecken,
Die hinten kratzen, vorne lecken.
<a href="#IDSV5KHGBCO40IPM1MLZUGGJFROCOXAMCEMMLEYXIM2U3WHAH4I3RB">[*]
D. h., es will jetzt jeder den anderen aushorchen und ein falsches Spiel treiben.</a>
Den acht ich nicht als weisen Mann,
Wer seinen Plan nicht bergen kann.
Denn Narrenplan und Buhlerwerk,
Eine Stadt, erbaut auf einem Berg,
Und Stroh, das in den Schuhen steckt,
Die viere werden bald entdeckt.
<a href="#IDVQQY0CU21QEUKBR3LU4BDHXXBHMW1CFBQIMGYZCMKH01WAAXB3PK">[*]
Anspielung auf ein lateinisches Sprichwort, das Brant durch Matthäus 5, 14 ergänzt.</a>
Ein Armer wahrt wohl Heimlichkeit,
Eines Reichen Sache trägt man weit;
Sie wird durch treulos Hausgesind
<a name="page143" title="quantenspringer/helmhauer" id="page143"></a> Verraten und verschwatzt geschwind.
Ein jedes Ding kommt leicht heraus
Durch die Genossen in dem Haus.
Es schadet uns kein schlimmrer Feind
Als der, der mit uns wohnt vereint;
Vor denen man nicht auf der Hut,
Die bringen viel um Leib und Gut.
<a name="page144" title="quantenspringer/helmhauer" id="page144"></a>
<a name="page145" title="quantenspringer/helmhauer" id="page145"></a>
Wer einen Narren sieht fallen hart
Und sich darnach doch nicht bewahrt –
Greift einem Narren <a href="#IDKY4B4VPXDLCIJGUCLBNBKT5QYPM3ST0AY2FNCTCLR54MK5KEVXPJ">[*] Nämlich sich selbst.</a> an den Bart.
An Narren Anstoß nehmen
Täglich sieht man der Narren Fall
Und spottet ihrer überall;
Sie sind verachtet bei den Klugen,
Die selbst die Narrenkapp oft trugen;
Es schilt ein Narr den andern Narren
Und fährt auf dessen Weg den Karren
Und stößt sich dort zu jeder Frist,
Wo erst ein Narr gefallen ist.
Hippomenes
<a href="#IDB0UBQ5IMUSWSPP2F5YVBGFDYTEWQ5UB3H41T1YFRZTXCIF1ODMB">[*]
Ovids Metamorphosen X, 560 ff.: Hippomenes besiegte mit Hilfe der Göttin Aphrodite die im Wettlauf unbezwingliche Atalanta, deren Freier nach ihrer Niederlage stets getötet worden waren.</a> sah manchen Gauch
Vor sich enthaupten, wollte auch
Sich und sein Leben wagen ganz,
Und fast war Unglück seine Schanz.
<a href="#IDTAHEUFJH11VVDSBN1KY2WUMW4J1DI2VSXCFCIUJB4AYI4THJRKLH">[*]
Sein Spielgewinn.</a>
Ein Blinder schilt den andern blind,
Wiewohl sie beide gefallen sind;
<a href="#ID3QXWBBPJD2L5L4WETVM5SO3A2D3ZULSC1WRSCSNOLQPTS00ZCKCH">[*]
Vgl. Matth. 15, 14; Lukas 6, 39.</a>
Ein Krebs den andern schalt, weil er
Stets hinter sich gegangen wär,
Ging ihrer keiner vorwärts doch,
Denn einer hinter dem andern kroch.
<a href="#IDHZALKTEH0OJTGUGLXIIUEPFL2LZSR3F1JOFHST5UEFRYJOTFLYP">[*]
Nach einer bekannten Fabel des Äsop.</a>
Dem Stiefvater folgt oft und viel,
Wer nicht dem Vater folgen will.
Hätt Phaethon nicht den Wagen bestiegen,
Wollt Ikarus
<a href="#IDL0YBYBAOTCVTH1W4OHWP0IKLKEQZPHAUOGNEJPBH11TBRF1WEMOP">[*]
Phaethon, Sohn des Gottes Helios, stürzte mit dem Sonnenwagen, den für einen Tag zu lenken er sich erbeten hatte; Ikarus, der mit seinem Vater Dädalus aus der Gefangenschaft im Labyrinth floh, kam der Sonne zu nahe, so daß das Wachs der Flügel schmolz und er im Meer den Tod fand.</a> so hoch nicht fliegen,
<a name="page146" title="quantenspringer/helmhauer" id="page146"></a> Wären gefolgt den Vätern beide –
Sie blieben verschont von Tod und Leide.
Noch nie bei Gott zu Gnaden kam,
Wer nachgefolgt Jerobeam,
<a href="#ID1GISSMUEPSOUEXC2HGG3VGENQDGPA32Y5FPFK0N4L1MF5IXNCSZI">[*]
Vgl. 1. Könige 13, 33 u. 14, 10 f.</a>,
Obschon er sah, daß Plag' und Rach'
Kam stets ohn Unterlaß darnach.
Wer einen Narrn sieht fallen hart,
Seh zu, daß er sich selbst bewahrt,
Denn töricht nenn ich nicht den Mann,
Der sich an Narren stoßen kann.
<a href="#IDP0JXGITIP13VLYEJGTITQ3JEWNT54YU3KHISBBDHGKXE25SKEOIN">[*]
D. h., der Anstoß nehmen und durch das närrische Beispiel einsichtig werden kann.</a>.
Der Fuchs wollt in die Höhl' nicht, da
Er keinen wiederkehren sah.
<a href="#ID2HT1CK04KKEHFAR21ARRC1L2RMELMKE3EQE2HZEPJTIX1I2PTB5L">[*]
Nach einer Fabel des Äsop: Der Löwe heuchelte eine Krankheit, um die mitleidigen Tiere zu sich in die Höhle zu locken und dort zu fressen: nur der Fuchs weigerte sich, da er zwar viele Spuren in die Höhle hineinführen, aber keine wieder herausführen sah.</a><a name="page147" title="quantenspringer/helmhauer" id="page147"></a>
<a name="page148" title="quantenspringer/helmhauer" id="page148"></a>
Glock ohne Klöppel gibt nicht Ton,
Hängt auch darin ein Fuchsschwanz schon:
Geschwätz im Ohr bringt keinen Lohn.
Nicht auf alle Rede achten
Wer mit der Welt auskommen will,
Der muß jetzt leiden Kummers viel
Und viel vor seiner Türe hören
Und sehn, was er würd gern entbehren.
Darum in großem Lobe stehn,
Die nicht mehr mit der Welt umgehn,
<a href="#IDW3GJ5YFEAQJY5LCH1M3FOAC3JWW1ONXLSJ01JKH5R3R4GHZV30K">[*]
Die sich der welt hant ab gethon, d. h. Einsiedler und Mönche.</a>
Sie sind durchgangen Berg und Tal,
Daß sie die Welt nicht brächt zu Fall
Und sie vielleicht vergingen sich.
Doch läßt die Welt sie nicht ohn Stich,
Wiewohl sie nicht verdienen kann,
Daß man solch Leute bei ihr trifft an.
Wem recht zu tun ist Herzenspflicht,
Der achte nicht, was jeder spricht,
Bleib vielmehr auf dem Vorsatz steif
Und kehr sich nicht an der Narren Pfeif'.
Hätten Propheten und Weissagen
<a href="#IDHVQPOVK0Y3AUGSPQITZCY44VFERR5IFSRPNI0BB4ZZAKSOYHC14D">[*]
wissagen, ursprünglich die Verständigen, Weisen; hier synonym zu Propheten.</a>
Sich an Nachred in ihren Tagen
Gekehrt und nicht gesagt Bescheid,
Wärs ihnen jetzt längst worden leid.
Es lebt auf Erden gar kein Mann,
Der jedem Narren recht tun kann;
Wer jedermann könnt dienen recht,
Der müßte sein ein guter Knecht
Und früh vor Tag dazu aufstehn
Und selten wieder schlafen gehen.
<a href="#IDXFMLTQAXFW3UKJJVFKYHEOZ1EFR2FSJKMCBFDUG2R0EGOHJFPXKC">[*]
Sprichwörtlich, wie das Folgende.</a>
Der muß Mehl haben mehr denn viel,
<a name="page149" title="quantenspringer/helmhauer" id="page149"></a> Wer jedem das Maul verstopfen will,
Denn es steht nicht in unsrer Macht,
Was jeder Narr kläfft, schwatzt und sagt.
Die Welt muß treiben, was sie kann,
Sie hats vor manchem mehr getan.
Ein Gauch singt Kuckuck oft und lang
Wie jeder Vogel seinen Sang.
<a name="page150" title="quantenspringer/helmhauer" id="page150"></a>
<a name="page151" title="quantenspringer/helmhauer" id="page151"></a>
Man kann die Narren gut entbehrn,
Die stets mit Steinen werfen gern
Und sind von Zucht und Weisheit fern.
Von Spottvögeln
Ihr Narren, wollt doch von mir lern'n
Anfang der Weisheit, Furcht des Herrn!
<a href="#IDOUKM3JIBVOXEH40O01SPRGCKSFAMOIQETAQ4QKKNXGUD0N5SLNTN">[*]
Sprüche Salomonis 9, 10 ff. Das ganze Kapitel beruht bis V. 16 auf dieser Quelle.</a>
All Kunst
<a href="#IDGA4RFXI4PZKAG4GQHPW3IWZ1KOCIP0245TPCC3HXGYK1VUFJOYRM">[*]
Weisheit, Wissen.</a> der Heiligen liegt bereit
Am Wege der Fürsichtigkeit.
Durch Weisheit wird der Mensch geehrt,
Durch sie die Tage des Lebens gemehrt.
Ein Weiser ist nützlich der Gemeine,
Ein Narr trägt seinen Kolben alleine;
Er dünkt sich weise wie ein Gott
Und treibt mit allen Weisen Spott.
Wer einen Spottvogel lehren will,
Der macht sich selbst Gespött gar viel;
Wer straft
<a href="#IDRPUJVJXPMBJ2KQ4TYLYTQ12PIFE2TULY03VM1QE42JFTBRF5NZYK">[*]
D. h. verbessernd zurechtweist.</a> den bösgesinnten Mann,
Der hängt sich selbst ein Läpplein an.
Einen Weisen tadle,
der hört dich gern
Und eilt, daß er von dir mehr lern'.
Wer den Gerechten tadeln will –
Der nimmt den Tadel an, schweigt still;
Der Ungerechte lästert viel
Und ist doch selbst des Schimpfes Ziel.
Der Häher ein Spottvogel ist,
Und doch gar vieles ihm gebrist.
Wirft man den Spötter vor die Tür,
So kommt mit ihm all Spott herfür,
Und was er Zank und Speiwort
<a href="#IDYBESLJR4NC2FMJYE4O5RFUJGGB3CZXYLVV3L5LFFHR2HSS1423HG">[*]
Schmähreden; vgl. Sprüche Salomonis 22, 10.</a> treibt,
Dasselbe vor der Türe bleibt.
Hätt David ihn nicht selbst geschont,
<a name="page152" title="quantenspringer/helmhauer" id="page152"></a> Wär Nabals
<a href="#IDWFFZCEZ3SMRSBEVPBFX5JSZDFLD03S5MRF1YQ3JSXSROOUEPVBEC">[*]
1. Samuel 25.</a> Spott wohl worden belohnt;
Sannabalach
<a href="#IDSMJ2FDYP431DLOT10AKCDWD2GMJRUBFS4424FOIEXJ1PT4HJEWFE">[*]
Nehemia 4, 1 ff.</a> den Spott bereute,
Als man Jerusalem erneute.
Von Bären wurde den Kindern vergolten,
Die glatzig den Propheten gescholten.
<a href="#IDS1QMTEALYSMIKK12UAOWCQHEGNZMK25CG3VLTMPU0UVY4V3EZ3KF">[*]
Gemeint ist der Prophet Elisa, den die Kinder als Kahlkopf verspotteten; vgl. 2. Könige 2, 23. 24.</a>
Simei
<a href="#IDHRB0KTUDKBTCPI2Y00SBUYGYEBH5JNG05V12Q4BWVIOAYQHBUL4E">[*]
2. Samuel 16, 5 ff.</a> nennt viel Söhne sein,
Die werfen gern mit Kot und Stein.
<a name="page153" title="quantenspringer/Meen" id="page153"></a>
<a name="page154" title="quantenspringer/fibo235" id="page154"></a>
Daß ich nur Zeitliches betrachte
Und auf das Ewige nidht achte,
Das schafft, weil mich ein Affe machte.
Verachtung ewiger Freude
Ein Narr ist, wer sich rühmt mit Spott,
Daß er das Himmelreich ließ Gott,
Und wünscht nur, daß er leben mag
In Narrheit bis zum Jüngsten Tag
Und bleiben möge ein guter Gesell,
Fahr er dann hin auch, wo Gott befehl'.
Ach Narr, gab es selbst Erdenfreud,
Die Tag und Nacht währt ohne Leid,
Daß sie nicht würd verbittert dir,
So möcht ich denken doch in mir,
Daß du dir wünschest eine Sach,
Die närrisch ist, gering und schwach.
Denn der fürwahr als Tor sich brüstet,
Den hier es lang zu leben lüstet,
Wo nichts ist denn das Jammertal:
Kurz Freud,
lang Leid steckt überall.
Gedenken soll man wohl dabei,
Daß hier kein bleibend Wesen
<a href="#IDKOJ0VN5Q031HF3M0GCRSFYJUDJGQQFHKFRABN1E1T1V4D0EI1R3K">[*]
keyn biblich wesen, d. h. kein beständiges Dasein, nichts Bleibendes.</a> sei,
Dieweil wir werden all gesandt
Von hinnen in ein fremdes Land.
Viel sind vorauf, uns ruft der Tod,
Wir müssen doch einst schauen Gott,
Es sei zur Freude oder Straf.
Drum sage an, du töricht Schaf,
Ob größre Narrn je war'n auf Erden,
Als die, so dies mit dir begehrten?
Du wünschst von Gott zu scheiden dich
Und wirst dich scheiden ewiglich.
<a name="page155" title="quantenspringer/TBeaker" id="page155"></a> Ein Tröpflein Honig dir gefällt,
Dort wird dirs tausendfach vergällt;
Einen Augenblick währt hier die Freud,
Dort
ewig Freude – oder Leid.
Drum, wer mit Frevel braucht solch Wort,
Den trügt sein Anschlag hier wie dort.
<a name="page156" title="quantenspringer/TBeaker" id="page156"></a>
<a name="page157" title="quantenspringer/patchworker" id="page157"></a>
Wer Vogel und Hund zur Kirche führt
Und andre Leute im Beten beirrt,
Derselbe den Gauch wohl streicht und schmiert.
Lärm in der Kirche
Man braucht nicht fragen, wer die seien,
Bei denen die Hund' in der Kirche schreien,
Während man Messe hält, predigt und singt,
Oder bei denen der Habicht schwingt
<a href="#IDLX4E3GTD1CXNY4FNKE0RMEHVJQBQT5XNDQ1F2BMZWZ4Z1NCROVH">[*]
Mit den Flügeln schlägt.</a>
Und läßt seine Schellen
<a href="#IDLXMTJZJCJZ1JCBLE30MVTSCF0JHMCHLMHSHYVKCCTVTYPKB0NPVN">[*]
Man pflegte dem Habicht eine Schelle umzuhängen und eine Lederhaube aufzusetzen.</a> so laut erklingen,
Daß man nicht beten kann noch singen.
Da muß behauben man die Hätzen,
<a href="#IDOVGSI33JAXAMNOTUHSCD2PX3GTZ2KYPNM5R2VD05PYTQG02DQCJ">[*]
Häher oder Elstern, hier verächtlich vom Falken gesagt, da jene als schwatzhafte Vögel gelten.</a>
Das ist ein Klappern und ein Schwätzen!
Durchhecheln muß man alle Sachen
Und Schnippschnapp mit den Holzschuhn machen
Und Unfug treiben mancherlei.
Da lugt man, wo Frau Kriemhild sei,
Ob sie nicht wolle um sich gaffen
Und machen aus dem Gauch 'nen Affen?
Ließ jedermann den Hund im Haus,
Daß man nicht stehle etwas draus,
Dieweil zur Kirche man gegangen,
Ließ man den Gauch
<a href="#IDZNUGLNTRAYP0HJTC3VYRKM2NCCLJOTHUN4C2DGCBC2MMVA0R1RXB">[*]
Kuckuck, wieder verächtlich für Falke.</a> stehn auf der Stangen
Und brauchte Holzschuh auf der Gassen,
Wo etwas Dreck
<a href="#IDR2BU3YUZRSMMKFWWDG3D45PHNHCZSHHJPGHBMJW0ZHS3COTTS2J">[*]
ein pfeningwert drecks, nur eine Kleinigkeit, im ironischen Sinne.</a> man möchte fassen,
Und betäubte nicht jedermann die Ohren:
So kennte man wohl nicht die Toren.
Doch die Natur gibts jedem ein:
Narrheit will nicht verborgen sein.
<a href="#ID5YU40PPWBKGAFSGQDPNYY1KHNH4UXHTO3GTHSCL25L1XGHUS4T3N">[*]
Doch die natur gybt yedem jn / Narrheyt will nit verborgen syn, d.h., die Natur versteckt sich nicht, verrät sich überall.</a>
<a name="page158" title="quantenspringer/Konmax" id="page158"></a> Es gab uns Christus das Exempel,
Der trieb die Wechsler aus dem Tempel,
Und die da hatten Tauben feil,
Trieb er in Zorn aus mit dem Seil.
<a href="#IDVGRK4JQPGHRZGRLTIW4EXD5WUC01P4KGIP54NNDSPLGPNOUJE1DE">[*]
Vgl. Matthäus 21, 12 f.</a>
Sollt er
jetzt offen Sünd' austreiben,
Wer würde in der Kirch' wohl bleiben!
Er fing' wohl meist beim Pfarrer an
Und ginge bis zum Mesner dann!
Dem Gotteshaus ziemt Heiligkeit,
Das sich der Herr zur Wohnung weiht.
<a name="page159" title="quantenspringer/Konmax" id="page159"></a>
<a name="page160" title="wedi/quantenspringer" id="page160"></a>
Wen Mutwille ins Feuer bringt,
Und wer von selbst in den Brunnen springt,
Dem geschieht schon recht, wenn er ertrinkt.
Von mutwilligem Mißgeschick
Es betet ständig mancher Narr
Und, wie ihm dünkt, mit Andacht gar
Und ruft zu Gott oft überlaut,
Daß er komm aus der Narrenhaut;
Doch er die Kapp nicht missen kann,
Er zieht sie täglich selber an
Und meint, Gott woll ihn hören nicht:
So weiß er selbst nicht, was er spricht.
Wer in den Brunnen keck erst springt
Und dann, voll Furcht, daß er ertrinkt,
Laut schreit, daß man ein Seil ihm brächt,
Des Nachbar spricht: »Geschieht ihm recht!
Er ist gefallen selbst darein,
Er könnt wohl draußen geblieben sein!«
Empedokles
<a href="#IDE44NXTQS1ZFDMFJNHPZJI3CQOKVJABILCYVYAYI12FUEGUGI3PAM">[*]
Ein griechischer Philosoph aus der Stadt Agrigent auf Sizilien (um 490–430 v.Chr.), der sich in den Krater des Ätna gestürzt haben soll. Wohl nach Horaz,
Ars poetica, V. 458–469.</a> in solch Narrheit kam,
Daß er sprang in des Ätnas Flamm'.
Hätt jemand ihn daraus befreit,
Der tät ihm Unrecht an und Leid:
Denn er war worden Narr so sehr,
Er hätt es doch versucht noch mehr.
So tut, wer meint, Gott solle ihn
Mit Wort und Gewalt recht zu sich ziehn,
Ihm geben Gnad und Gaben viel,
Und doch sich drein nicht schicken will.
So kürzt sich mancher die Lebensspann',
Daß Gott ihn nicht mehr erhören kann,
Weil er ihm nicht die Gnad verleiht,
<a name="page161" title="wedi/quantenspringer" id="page161"></a> Daß er erfleht, was ihm gedeiht.
Wer betet, wie ein Tor gesinnt,
Der schlägt den Schatten, bläst den Wind.
<a href="#IDWT525W5J5B43FEZ51IRS2QDTKHYCDTQL4JD4OUGQM1YOD4WSPAQH">[*]
Vgl. Jesus Sirach 34, 2.</a>
Mancher mit Bitten von Gott begehrt,
Was, ihm verliehn, nur Leid gewährt.
Drum, wer da lebt im Stand voll Sorgen,
Trag seinen Schaden heut wie morgen!
<a name="page162" title="wedi/quantenspringer" id="page162"></a>
Die Narrheit als eine Heerführerin, die ihre Gefolgsleute um sich sammelt und mit ihnen zu Felde zieht, ist eine schon im Mittelalter beliebte Vorstellung. In diesem Sinne ist auch das Aufschlagen des Zeltes zu verstehen, vgl. V. 68 ff.</a><a name="page163" title="wedi/quantenspringer" id="page163"></a>
Die Narrheit hat ein großes Zelt;
Es lagert bei ihr alle Welt,
Zumal wer Macht hat und viel Geld. <a href="#IDMK0RMMRHXP4CJAQA0HJNA5CCBBCBA2IC1P4FETKOTVAPZE0VBGEI">[*]
Von der Narren Macht
Notwendig man viel Narren findet,
Denn viel sind an sich selbst erblindet,
Die mit Gewalt wollen weise sein,
Da jedermann mit klarem Schein
Wohl ihre Narrheit sieht. Doch wagt
Es keiner, daß »du Narr!« er sagt.
Und wenn sie großer Weisheit pflegen,
Ists fast nur solcher Gäuche wegen;
Und wenn sie niemand loben will,
So loben
sie sich oft und viel,
Da doch der weise Mann gibt Kunde,
Daß Lob stinkt aus dem eignen Munde.
Die in sich selbst Vertrauen setzen,
Sind Narren und törichte Götzen,
Wer aber klug im Wandel ist,
Der wird gelobt zu aller Frist.
<a href="#IDTBPTOWGOMGLPBSPMH3HTJWWBODRHPHGAAOZK4MMQMR5PHRUPWTI">[*]
Vgl. Sprüche Salomonis 28, 26. Von hier an bis V. 42 liegen dem Kapitel Stellen aus den Sprüchen und dem Prediger Salomo zugrunde.</a>
Das Land ist selig, dessen Herrn
Die Weisheit leitet wie ein Stern,
Des Rat auch ißt zur rechten Zeit
Und sucht nicht Gier noch Üppigkeit.
<a href="#IDSJUB3CTJTB3AEAD2X12FMZXW3HIHJM2UH2GUZ3K0F1PQS02DNVIF">[*]
Prediger Sal. 10, 17.</a>
Weh, weh dem Erdreich, das gewinnt
Einen Herren, der noch ist ein Kind,
Des Fürsten essen in der Früh
Und achten nicht der Weisheit Müh!
<a href="#ID5OEJZGOFQ1FANLGTYK21RJE25JRB005XYYNXCOO1KR2O0GCFMH0G">[*]
Prediger Sal. 10, 16.</a>
<a name="page164" title="wedi/quantenspringer" id="page164"></a> Ein armes Kind, das weise ist,
Ist besser noch zu jeder Frist
Als ein König, der – ein alter Tor –
Die Zukunft nicht bedenkt zuvor.
<a href="#IDD1RDYX2B4CBZE3WP2HAPGJYRDCIQWMFZVNNK55BB10ARAZLHAUBH">[*]
Prediger Sal. 4, 13.</a>
Weh dem Gerechten über weh,
Wenn Narren steigen in die Höh!
Jedoch wenn Narren untergehn,
Gar wohl Gerechte dann bestehn.
<a href="#ID502QBPGU2BXOB4STWM1PF4SSQCTJYP4UHEIAXNCYY4RU5JFNXUYK">[*]
Vgl. Sprüche Sal. 28, 28.</a>
Das ehrt ein Land so nah wie fern,
Wenn ein Gerechter wird zum Herrn,
Aber sobald ein Narr regiert,
So werden viel mit ihm verführt.
<a href="#IDWCJA5DPH2DWQFJXUOBWC2XUIPHUQGDJABAGV11CCQIX34QCM45IL">[*]
Sprüche Sal. 28, 12 (hier ist der Vulgatatext zu vergleichen).</a>
Der tut nicht recht, wer bei Gericht
Nach Freundschaft und nach Ansehn spricht,
Der selbst auch um den Bissen Brot
Wahrheit und Recht zu lassen droht.
<a href="#IDSS21VFVDXZ0PBPTWARHOJAIFTNHZTU2RVMFVWCONPV0XED2222QO">[*]
Vgl. Sprüche Sal. 28, 21.</a>
Gerechtes Urteil steht Weisen wohl,
Ein Richter niemand kennen soll.
<a href="#IDIJ0DJBW3DRZFPKS2G0HIOKCMGEE0WITHS4VVINP2AZ5BLTGFMPOO">[*]
Sprüche Sal. 24, 23.</a>
Gericht soll sein für Freundschaft blind;
Susannen-Richter
<a href="#IDO1UPYRD0DF4ZH15I5G0KYWL5FTDKOHASQD51JDJKOU25VPHQ0O">[*]
Vgl. Anm. 5 zu Kap. 5.</a> noch viel sind,
Die Mutwill treiben und Gewalt;
Gerechtigkeit, die ist ganz kalt.
Die Schwerter sind verrostet beide
<a href="#IDEYADT0LLWTW3J5GIFDHURZNMOMJR3O2NQU3KXQF54V3ZHQSSR1JM">[*]
Die Zeichen der kaiserlichen und der päpstlichen Gewalt.</a>
Und wollen nicht recht aus der Scheide;
Sie schneiden nicht, wo es ist not:
Gerechtigkeit ist blind und tot!
Dem Geld ist alles untertan;
<a name="page165" title="wedi/quantenspringer" id="page165"></a> Jugurtha,
<a href="#IDMEENRUGNKCRFFWLBFOEQNVIM2JU04HK3HG0BOXJM01DUDM4GJ51K">[*]
Ein König Numidiens († 104 v.Chr.), der den Krieg mit Rom durch Bestechung der römischen Gesandten und Feldherren verzögern konnte; nach Sallust,
Bellum Jugurthinum, cap. 35.</a> als er Abschied nahm
Von Rom, sprach: »O du feile Stadt,
Wie wärst du bald so schach und matt,
Wenn sich ein Käufer stellte ein!«
Man findet Städte groß und klein,
Wo man Handschmierung
<a href="#IDMAW3AY0KSIEGFKNHF315D3P4JDMHOFMXK3AJLMCPWNWYYAAZZDVK">[*]
Bestechung.</a> gerne nimmt
Und alsdann tut, was sich nicht ziemt.
Freundschaft und Lohn Wahrheit verkehrt,
Wie Moses' Schwäher
<a href="#IDBPIGOPZIW3X5KTBOKUOKQNYHWBIHHR5FZOMESHJPR1DWDROFGXN">[*]
Vgl. 2. Mose 18, 21: gemeint ist Moses' Schwiegervater Jethro, der die Einsetzung von weisen und gottesfürchtigen Männern als Richter empfahl.</a> schon ihn lehrt,
Neid, Pfennige, Freundschaft, Macht und Gunst
Zerbrechen jetzt Recht, Siegel und Kunst.
<a href="#ID2TBZHSTZV1WGIUMQH0JCSYW3IDO4WDDQ1U4FHJKUHQMXSXYOWYZK">[*]
brieff und kunst, d.h. alle Urkunden (verbriefte Rechte) und erfahrene Kenntnis.</a>
Die Fürsten einstmals weise waren,
Die Räte alt, gelehrt, erfahren,
Da stand es wohl in jedem Lande,
Da ward gestrafet Sünd und Schande
Und Friede war rings in der Welt.
Jetzt hat die Narrheit ihr Gezelt
Geschlagen auf und liegt zur Wehr;
<a href="#IDR4ULBJQQK4A2JDAJHHFWTTVTZNDARQ0OVD0FSUP1ALRVS5N1BE0D">[*]
lyt zuor wer, d.h. liegt zu Felde, ist kampfbereit.</a>
Sie zwingt die Fürsten und ihr Heer,
Daß Weisheit sie und Kunst aufgeben
Und nur nach eignem Nutzen streben
Und sich wählen kindische Rät'.
Darum es leider übel steht
Und künftig hat noch schlimmre Gestalt:
Groß Narrheit ist bei großer Gewalt.
<a name="page166" title="wedi/quantenspringer" id="page166"></a> Gar mancher Fürst hätt lang regiert
Durch Gottes Gnade, wenn nicht verführt
Und karg er würde und ungerecht
Auf Anreiz falscher Räte und Knecht'.
Die nehmen Gaben, Geschenk und Miete;
<a href="#IDTGI2103AVNYRK2P5Y5FLE3BVYOBQZWDDQ3A5HVLKY3FEZGBJERX">[*]
Lohn, Bezahlung.</a>
Vor solchen ein Fürst sich billig hüte!
Wer Gaben nimmt, der ist nicht frei,
Geschenk bewirkt Verräterei,
Wie von Ehud geschah Eglon
<a href="#IDCAFW5LBTIH3DBBON3NHKWQGVTGLDVYVKA2DLF0O2GMUPIK4A5O1J">[*]
Richter 3, 15 ff.: Ehud verbarg ein Schwert unter dem Kleide und tötete den König der Moabiter, als er ihm Geschenke überbrachte.</a>
Und Dalida verriet Samson.
<a href="#IDGKJW2QLJZ4YEOGAVNDFIAW0T0HZNGNLSEBEM21LOKSBVNOINVWIJ">[*]
Richter 16, 4 ff.</a>.
Andronicus güldne Gefäße nahm,
Drob Onias
<a href="#ID5H3AH4UR3EODE4BWDLQ1NU5TM0K1KDLONSLCTFUXOYDXT2LS3AE">[*]
2. Makkabäer 4, 32 ff.</a> zu Tode kam;
Um Benhadads Bündnis wars geschehn,
Als er die Gaben angesehn;
<a href="#IDX13JMBED0HQVE02SDYKLTKXSZMWTHHLY3GT2YLK2ILJ4YEDHOLYJ">[*]
1. Könige 15, 18 ff.
</a> Tryphon voll Trug bewirken wollte,
Daß Jonathas ihm glauben sollte,
<a href="#IDILA5YII4SCUYG32ORQCF2V2ETNBSDLCUKJNNPPDQGI53KYF0H4XL">[*]
1. Makkabäer 12, 42 ff.</a>
Drum schenkt' er Gaben ihm vorher,
Daß jener würd beschissen sehr.
<a name="page167" title="wedi/quantenspringer" id="page167"></a>
<a name="page168" title="wedi/quantenspringer" id="page168"></a>
In Torheit will man hier beharren
Und ziehen einen schweren Karren,
Dort wird der Wagen nachgefahren.
Vom Weg der Seligkeit
Gott läßt die Narren nicht verstehn
Die Wunder, die von ihm geschehn
Gestern wie heut; darum verdirbt
Gar mancher Narr, der zeitlich stirbt
Hier, und dort ist er ewig tot,
Weil er nicht lernte kennen Gott
Und leben nach dem Willen sein.
Hier hat er Plag, dort trägt er Pein,
Hier muß er Karrenbürde tragen,
Dort wird er ziehen erst im Wagen.
Drum, Narr, nicht frage nach dem Steg,
Der führet auf der Hölle Weg!
Gar leicht dahin man kommen mag,
Der Weg steht offen Nacht und Tag
Und ist gar breit und glatt zu sehn,
Denn viele Narren auf ihm gehn.
Aber der Weg zur Seligkeit
– Der Weisheit nur ist er bereit –,
Der ist gar eng, schmal, steil und hart,
Und wenige wagen drauf die Fahrt
Und haben drauf zu gehn den Mut.
<a href="#ID2U5GAOZQM3P0PQEMAHRUE1XCONCCUJNYWK0B51CN3IHB21O4WGKD">[*]
Vgl. Matthäus 7, 13. 14.</a>
Der Narren Frag', die man oft tut,
Will ich damit beschlossen haben:
Warum man Narren mehr sieht traben
Oder fahren zu der Hölle
Denn Volks, das nach der Weisheit stelle?
Die Welt in Üppigkeit ist blind,
Viel Narren, wenig Weise sind.
Viel sind berufen zum Mahl der Nacht,
<a name="page169" title="wedi/quantenspringer" id="page169"></a> Wenig erwählt – nimm dich in acht!
<a href="#ID0CA4UC04KYHHE1EMLFPHFY1CWH3TJQK4LXK1OZDFGBVWDQSBVOCI">[*]
Vil sint beruefft zuo dem nachtmol / Wenig erwelt / luog für dich wol: vgl. Matthäus 20, 16.
</a> Sechshunderttausend
Mann allein,
Ohne die Frauen und Kinder klein,
Führt' Gott einst durch des Meeres Sand:
Zwei kamen ins Gelobte Land.
<a href="#IDUPZGBIDQRDP3P0BTNAXCOE2CLDVEK4HFXCHCS0GGOW3TBZUZJGCK">[*]
Vgl. 2. Mose 12, 37 und 4. Mose 14, 30 ff.</a><a name="page170" title="wedi/quantenspringer" id="page170"></a><a name="page171" title="wedi/quantenspringer" id="page171"></a>
Ein Gesellenschiff
<a href="#IDIPXMKWISD0EUOGZFX4SIJGE3TN0FAXGMISIUISFP5UXVTP5V4MWF">[*] Da im Originaldruck der Holzschnitt eine ganze Seite einnimmt, fehlt das Motto; auch der Titel ist aus dem Register ergänzt: Eyn gesellen schiff, d.h. eigentlich ein Gesellschafts- und Passagierschiff, im Gegensatz zu Marktschiffen oder Frachtschiffen. Doch läßt sich beim Inhalt des Kapitels auch an Zunftgesellen denken.</a>
Ein Gesellenschiff fährt jetzt daher,
Das ist von Handwerksleuten schwer,
Von allem Gewerbe und Hantieren,
Sein Gerät tut jeder mit sich führen.
Kein Handwerk hat mehr seinen Wert,
Überlastet ist jedes und beschwert;
Ein jeder Knecht will Meister werden,
Drum sind jetzt Handwerk viel auf Erden.
Mancher zum Meister sich erklärt,
Dem nie das Handwerk ward gelehrt.
Einer dem andern werkt zu Leide
Und treibt sich selbst oft über die Heide;
<a href="#IDLUWIH3DYRLWKK1KTJMZ043OSGJKLZZZJRAHLOTN0VPLSWONQX24B">[*]
D.h. muß Schulden halber das Weite suchen.</a>;
Daß wohlfeil er es schaffen kann,
Sieht er die Stadt mit dem Rücken an.
<a href="#IDA5KREGBZOINHKNM1VEFCAJBZWH4MQWJJ5DIOICFVTG3VDDQZWKAH">[*]
Des muoß er offt zuom thor uß gan; eine spätere Bearbeitung setzt drastischer:
die statt mit den hindern kyssen.</a>
Was
dieser nicht will wohlfeil geben,
Da sieht man zwei oder drei daneben,
Die meinen das zu liefern wohl,
Doch die Arbeit ist nicht, wie sie soll:
Man sudelt Ware jetzt in Eil,
Daß man sie billig halte feil.
Dabei kann man nicht lange bleiben:
Teuer kaufen und wohlfeil vertreiben!
<a name="page172" title="wedi/quantenspringer" id="page172"></a> Mancher erleichtert das Kaufen andern
Und muß dann selbst zum Tor auswandern.
Wohlfeilen Kauf liebt jedermann,
Und ist doch keine Bürgschaft
<a href="#IDCADWR43ZLZDG4GUN5HZALLINKXDPBZC1CC5ANOWBXLTYFSRY4BH">[*]
keyn werschafft, d.h. keine Gewähr, Garantie für den Wert.</a> dran;
Denn wenig Kosten legt man an,
Wenn man es schnell nur schaffen kann,
Und wenn es nur ein Ansehn habe.
Das Handwerk trägt man so zu Grabe,
Es kann kaum noch ernähren sich.
»Was
du nicht tust, das tu nun ich
Und seh nicht Zeit noch Kosten an,
Wenn ich nur recht viel liefern kann!«
Ich selbst, daß ich die Wahrheit sage,
Vertrieb mit solchen Narrn viel Tage,
Bevor ich dieses hab gedichtet.
Noch sind sie nicht recht zugerichtet,
Ich hätt gebraucht noch manchen Tag:
Kein gut Werk Eile leiden mag.
Ein Maler, der Apelles
<a href="#IDDTCVB1IENFVUPZ43PKIDBIEWYGP3JJ4NTVQQJP2FLGVBJLYITDG">[*]
Der größte Maler des griechischen Altertums, Zeitgenosse Alexanders des Großen; nach Plutarch,
De educatione IX, 20.</a> brachte
Ein Werk, das er in Eile machte,
Und sprach, er hätt geeilt damit,
Fand die gewünschte Antwort nit.
»Das Werk«, sprach jener, »zeigt wohl an,
Du wandtest wenig Fleiß daran;
Daß du nicht
viel in kurzer Frist
Dergleichen schufst, ein Wunder ist!«
Der Arbeit nützt nicht eilige Hand,
Denn welcher Prüfung hält das stand:
An einem Tag zwanzig Paar Schuh',
<a name="page173" title="wedi/quantenspringer" id="page173"></a> Ein Dutzend Degen ohne Scharten?
Viel schaffen und auf Zahlung warten
Vertreibt gar manchem oft das Lachen.
Schlechte Zimmerleut viel Späne machen,
Die Maurer tun gern große Brüche,
<a href="#IDMOZWFDMY0NOQD5ELSV5Z43LHVMJFS1EUUSAJBTGWOTUXFQ3LNMNO">[*]
D.h. entweder: machen beim Mauern weite Zwischenräume zwischen den Steinen, oder: brechen im Steinbruch große Stücke auf einmal, um schneller voranzukommen.</a>
Die Schneider machen weite Stiche,
Da wird die Naht gar schwach davon.
An
einem Tag den Wochenlohn
Die Drucker in der Schenk' verzehren,
Das ist so ihre Lebensart,
Ist doch die Arbeit schwer und hart
Mit Drucken und mit Bosselieren,
<a href="#IDVUL21ZUORKD0JVJ3BAMHBCE0ZNAHZFUETJNWIMKM2TZOQM4R3YRM">[*]
Vielleicht das Ausarbeiten der Druckstöcke; sonst allgemein: bosseln, kleinere Arbeiten verrichten.</a>
Mit Setzen, Schlichten, Korrigieren,
Auftragen mit der Schwarzen Kunst,
<a href="#IDOA3IPDXXMXJ3HDBQJU5EQVMC0H2TBTBWYIHTT5DUN3E0JTA1VINL">[*]
Mit der Druckerschwärze, die z.T. aus gebranntem Elfenbein oder Knochen hergestellt wurde; zugleich der übliche Ausdruck für die Buchdruckerkunst.</a>
Farb' brennen in des Feuers Brunst,
Dann reiben und die Stäbchen spitzen.
<a href="#IDSMXOQZQ4KSLQJHXYDPJC2EMROPO5FA0KM3QPUFMKLWA03YWNW1LI">[*]
Die Spatien, die zwischen die einzelnen Wörter gesetzt wurden.</a>
Viel sind, die lang bei der Arbeit sitzen
Und schaffen doch kein besser Werk,
Das macht, sie sind von Affenberg
Und haben die Kunst nicht besser begriffen.
Mancher fährt gern in solchen Schiffen,
Denn es sind gute Lehrlinge drin,
Haben viel Arbeit und magern Gewinn
Und verzehren den doch geschwind,
Weil ihre Kehlen gern weinfeucht sind.
<a href="#IDGA1Q0AZD5LU1EXYWXQCIOPEQXMLL5FFIDPPXORIGL21ZJNM02UOP">[*]
Bei Brant:
und verzeren das doch licht / Dann jnn in wol by der wynfücht.</a>
<a name="page174" title="wedi/quantenspringer" id="page174"></a> Um Künftiges haben sie wenig Sorgen,
Will man nur heut noch ihnen borgen.
Einen Restkauf
<a href="#IDDV0PM5ZMD00PLARGBB1ZPUDMIKTI5SPC0C3TPPITHX1U3QXGK3CO">[*]
bletzschkouff, d.h. Kauf von Flecken, Resten, Trödlerwaren.</a> mancher machen kann,
Wo er nicht viel gewinnt daran.
Man kann jetzt nichts verkaufen mehr,
Man hab denn Gott geschworen vorher;
Und schwört man lange ein und aus,
So wird ein Fischerschlag
<a href="#IDOEY1JSKLN3WQFIZOVFGPGBTGLXNMNTYFKT0NDPDTSTB5ID1PTQP">[*]
Zuschlag beim Kaufen; die Fischer standen in dem Ruf, besonders hohe Preise zu fordern und sie dann herunterhandeln zu lassen.</a> dann draus.
Dabei merkt man, daß alle Welt
An kölnischem Gebot
<a href="#IDM54IJDS30DOAMOR00YSMXR4XQDPDNS50B50QOALI2Q0ZQYTUBR1C">[*]
köllschen böttchen, d.h. ein kleines Gebot, wie es zu Köln üblich ist: nämlich den Kaufpreis um die Hälfte herunterzuhandeln. Daher im niederdeutschen Dialekt:
»Dat halff ab!« die Hälfte ab!</a> festhält:
»Dat half ab!« ist jetzt Zeitgeschmack;
<a href="#IDLJGURAKLGCQVKKCN0J410U4VEGJXTH4WHQO5UVN3NCNA42TADP1K">[*]
ist yetz vast der schlagk, d.h., dieser Parole gilt der Zuschlag beim Handeln.</a>
»Berat dich Gott!« bricht keinem den Sack.
So fahren die Zünfte all daher,
Und noch sind viele Schiffe halb leer.
<a name="page175" title="wedi/quantenspringer" id="page175"></a>
<a name="page176" title="wedi/quantenspringer" id="page176"></a>
Den Eltern gleicht der Kinder Gesicht,
Wo man vor ihnen schämt sich nicht
Und Krüg' und Töpfe vor ihnen zerbricht.
Schlechtes Beispiel der Eltern
Wer vor Frauen und Kindern viel
Von Buhlschaft, Leichtsinn reden will,
Dem wird nicht unvergolten bleiben,
Was er vor ihnen wagt zu treiben.
Nicht Zucht noch Ehre ist mehr auf Erden:
Es lernen Frau und Kind Gebärden
Und Wort; die Frau von ihrem Mann,
Das Kind nimmts von den Eltern an,
Und wenn der Abt die Würfel leiht,
So sind die Mönche spielbereit.
<a href="#IDSEBEG2XJ0TTTFLZU4VLJKX1JGIG0ADIZK4YWNPU4LV2PHNEYWOC">[*]
Ein sehr verbreitetes altes Sprichwort.</a>
Die Welt ist jetzt voll schlimmer Lehre,
Man findet keine Zucht noch Ehre:
Die Väter tragen Schuld daran,
Die Frau lernt es von ihrem Mann,
Der Sohn zum Vater sich gesellt,
Die Tochter zu der Mutter hält.
Darum sich niemand wundern soll,
Ist alle Welt der Narren voll.
Der Krebs gleichwie sein Vater tritt,
Es zeugt der Wolf kein Lämmlein nit,
Brutus und Cato sind beide tot,
Drum mehrt sich Catilinas
<a href="#IDMJST5Q3PQNFOMIIBHUQ3TSIBCNEABMO2IAKU10EW4WTVIZP4GNFG">[*]
Vgl. Anm. 4 zu Kap. 6. Brutus und Cato werden als Muster altrömischer Sitte genannt.</a> Rott'.
Sind Väter klug und tugendreich,
Die zeugen Kinder ihnen gleich.
Diogenes
<a href="#IDN2FKWPWSDJ5VFGYC0YXAY4ODLFJ121JVV34LKZHXBSI30I2L3PX">[*]
Nach Plutarch,
De educatione III, 3.</a> einen Jungen sah
Betrunken; zu dem sprach er da:
»Das ist des Vaters Art, mein Sohn,
<a name="page177" title="wedi/quantenspringer" id="page177"></a> Ein Trunkenbold erzeugt' dich schon!«
Drum sehe man bedachtsam zu,
Was man vor Kindern red' und tu';
Gewohnheit – andere Natur
<a href="#IDPUQVW215NTDLPQLOIHJDZARX3LWNVNIUINAPJYJJVUZL42XN1VUI">[*]
Consuetudo altera natura, ein lateinisches Sprichwort.</a> –
Führt Kinder leicht auf schlechte Spur.
Drum lebe jeder recht im Haus,
Daß Ärgernis nicht komm daraus!
<a name="page178" title="wedi/quantenspringer" id="page178"></a>
<a name="page179" title="wedi/quantenspringer" id="page179"></a>
Wollust durch Einfalt manchen fällt,
Manchen sie auch am Flügel hält,
Viel haben ihr Ende darin erwählt.
Von Wollust
<a href="#ID0UFL1MP2A0V2GCM1IMHC4RDCLC4WJWIS2Z3PVCFBL2V34BHAG5FB">[*] Von wollust, noch nicht in der heutigen Bedeutung, sondern verstanden als unbekümmerter, ganz dem Irdischen zugewandter Lebensgenuß; so auch V. 1: Wollust der welt = irdische Lust.</a>
Irdische Lust vergleichet sich
Einem üppigen Weib, das öffentlich
Sitzt auf der Straß und schreit sich aus,
Daß jedermann komm in ihr Haus
Und die Gemeinschaft mit ihr teil,
Weil sie um wenig Geld sei feil,
Begehrend, daß man mit ihr übe
In Leichtsinn sich und falscher Liebe.
<a href="#IDJPWFKTLFJISIF00Y22RSFVC3FN0OTJUFZ3BRGENSGZ2JBA1CPUKG">[*]
Vgl. Sprüche Salomonis 7, 10 ff.</a>
Drum gehn die Narrn in ihren Schoß
Gleichwie zum Schinder geht der Ochs
Oder ein harmlos Schäflein geil,
<a href="#IDYBUF2EELBRLOKH2D0FHPOLG2IOLOGDJDFMGSIMGNJEHW5FU2XJJH">[*]
D.h. munter, ausgelassen, übermütig.</a>
Das nicht versteht, wie es ans Seil
Gekommen ist und an den Strang,
Bis ihm der Pfeil sein Herz durchdrang.
<a href="#IDTMYEDRRNQH1HFJFPBGLRRLXPIK0HS5VN1IKNEWFEXSJAOI2OHI3G">[*]
Sprüche Salomonis 7, 22. 23. An diese Bibelstelle knüpfen auch die Mottoverse und der Holzschnitt an.</a>
Denk, Narr, es gilt die Seele dein!
Du fällst tief in die Höll' hinein,
Wenn es in
ihren Arm dich zieht.
Der wird
dort reich, wer Wollust flieht.
Such nicht der Zeiten Lust und Freude
Wie einst Sardanapal, der Heide,
Der meinte, daß man leben soll
In Wollust, Prassen freudenvoll:
Des Toten keine Freuden harren!
Das war der Rat recht eines Narren,
Der nach so flüchtger Freude jagt;
<a name="page180" title="wedi/quantenspringer" id="page180"></a> Doch hat er selbst sich wahrgesagt!
<a href="#ID5X1REMYFACYBDTKQ5OEATMW1HDMMKBADV5B2U3PDCZTSDZ0CHUSH">[*]
Nämlich mit dem Ausspruch, daß es nach dem Tode keine Freuden mehr gäbe. Vgl. Anm. 11 zu Kap. 26.</a>
Wer sich mit Wollust will beladen,
Kauft kleine Freude mit Schmerz und Schaden.
Keine Erdenlust ist also süße,
Daß nicht zuletzt ihr Gall' entfließe;
Die Freude dieser ganzen Zeit
Endet zuletzt mit Bitterkeit,
Wiewohl der Meister Epikur
<a href="#ID2RSVYQW340UYFOTBTM3Q3ND0JPQRXD2QF4OZQTCVZASGH5HJKCAE">[*]
Der griechische Philosoph Epikur († 271 v.Chr.) gilt dem ganzen 15. und 16. Jh. als Anwalt der Weltkinder und Vertreter einer materialistischen Genußlehre.</a>
Setzt höchstes Gut in Wollust nur.
<a name="page181" title="wedi/quantenspringer" id="page181"></a>
<a name="page182" title="wedi/quantenspringer" id="page182"></a>
Wer kein Geheimnis kann bewahren
Und jeden Plan muß offenbaren,
Dem wird bald Schaden widerfahren.
Geheimnisse wahren
Der ist ein Narr, wer offenbart
Der Frau, was er geheim bewahrt,
Der starke Samson
<a href="#IDY1HXTOPCEOPSK3WNCUD4SWV2HEWG3I5ZITKWMWBOYPFLNI03RUCB">[*]
Vgl. Richter 16, 4 ff.: Simson entdeckte Delila das Geheimnis seiner Kraft; diese schnitt dem Schlafenden die Haarlocken ab und rief die Philister herbei, die ihm die Augen ausstachen und ihn in Ketten legten.</a> büßte ein
Dadurch die Haar und Augen sein.
Es ward auch ebenso verraten
Der Seher Amphiaraus
<a href="#ID0FKMEBKVHOELHMT2DNGT4XLIZCT2STWJSP2YG0NTBP2TAG5HIB">[*]
Amphiaraos wurde von seiner bestochenen Gattin Eriphyle verraten, als er sich vor dem Feldzug gegen Theben versteckt hatte, dessen unglücklichen Ausgang er voraussah und auf dem er später sein Leben verlor.</a> mit Schaden.
Die Schrift schon sagt, daß man den Frauen
Nicht Heimlichkeit soll anvertrauen;
Wer Heimliches nicht kann verschweigen,
Wer pflegt Betrügerei zu zeigen
Und krümmt die Lippen wie ein Tor,
Bei dem seh sich der Weise vor!
<a href="#ID3VN2JP3JZC10CDFTKDQQHWZK1D1JRRUPSBUEI4D3IVZ02XZBJPC">[*]
Vgl. Sprüche Salomonis 20, 19.</a>
Gar mancher rühmt sich großer Sache,
Wo er des Nachts auf Buhlschaft wache,
Will man sein Wort dann recht ergründen,
Wird man ihn auf dem Mist oft finden;
Daraus gar oft ersieht man auch
Und merket, wo er atzt den Gauch.
<a href="#IDFWIJUGG3B4ADDBGXO5O4JT12KB4EUZITO20PE4MUSSTKNKW4QG2B">[*]
D.h., er verrät sich selbst durch seine Prahlerei.
</a> Willst du, daß ich etwas nicht sage,
So schweig, weil solches leicht ich trage;
Kannst du nicht Heimlichkeit bewahren,
Die du mir mußtest offenbaren,
Was forderst Schweigen du von
mir,
Da du's nicht halten kannst bei dir?
<a name="page183" title="wedi/quantenspringer" id="page183"></a> Hätt Ahab nicht der Jezabel
Vertrauet sein Geheimnis schnell,
Hätt er verschwiegen Naboths Wort,
Es wär geschehen nicht ein Mord.
<a href="#IDJ2IZRRGQAQPKBAXK35IKRLVHJK052PWPLOL3HKHOAVCHQQTXE4CJ">[*]
Vgl. 1. Könige 21.</a>
Wer etwas will im Herzen tragen,
Der hüte sich, es auszusagen,
Dann ist er sicher, daß man nicht
Es inne wird und davon spricht.
Der Prophet
<a href="#IDGTDPTX1CI0EBETKL4UWOGWRXAIVRQVYILHXQPQEZWSXIBMTJPNRK">[*]
Jesaja 24, 16:
secretum mihi, secretum meum mihi (nach der Vulgata, bei Luther weggefallen).</a> sprach: »Nicht allgemein,
Nein,
mein soll das Geheimnis sein!«
<a name="page184" title="wedi/quantenspringer" id="page184"></a>
<a name="page185" title="wedi/quantenspringer" id="page185"></a>
Wer nicht aus anderm Grunde je
Als Geldes wegen schritt zur Eh',
Der hat viel Zank, Leid, Hader, Weh.
Freien des Geldes wegen
Wer in den Esel kriecht um Schmer,
<a href="#ID2DVGFY5Q52ZFEGJMQEGJCL3JZC42ZIADZEGWOFFPRTCEJYCFCUMI">[*]
Sprichwörtlich für törichtes Handeln, wie: einer Sau des Fettes wegen in den Hintern greifen, oder: aus einem Esel Met melken wollen. Vgl. V. 23 ff.</a>
Ist an Vernunft und Weisheit leer;
Ein guter Tag nur ist dem bestimmt,
Wer ein alt Weib zur Ehe nimmt,
Er wird auch wenig Freude sehn,
Weil keine Kinder ihm erstehn,
Und hat auch
keinen guten Tag,
Außer er sieht den Pfennigsack,
Und der fliegt oft ihm um die Ohren,
Durch den er worden ist zum Toren.
Daher denn oftmals es geschehn,
Daß wenig Glück dabei zu sehn,
Wenn den Besitz man nur betrachtet,
Auf Ehr und Frömmigkeit nicht achtet.
Hat man sich übel dann beweibt,
Nicht Fried noch Freundschaft fürder bleibt.
Man wär wohl lieber in der Wüste,
Als daß man lange wohnen müßte
Bei einem zornigbösen Weib,
<a href="#IDBH5TSYPDFL5WNMZJPZ5SY2RUWHZ3YLCSOCNSK0ES2NZBKMAXRRCH">[*]
Sprüche Salomonis 21, 19.</a>
Die bald dürr macht des Mannes Leib.
Dem möge trauen, wems beliebt,
Wer um das Geld die Jugend gibt!
Weil ihm der Schmerduft wohlbehagt,
Den Esel er auch zu schinden wagt,
Und wenn viel Zeit vergangen ist,
Find't er doch nichts als Kot und Mist.
<a name="page186" title="wedi/quantenspringer" id="page186"></a> Viel stellen Ahabs Tochter
<a href="#IDIBJ3ZMI0I4PRLTJ5N4Q2HJA0FMCWFVYGTZ1TVAOPVPJZY2X3VQXC">[*]
Vgl. 2. Könige 8, 18: gemeint ist Athalja.</a> nach
Und fallen wie er in Sünd und Schmach.
Der Teufel Asmodeus
<a href="#IDL11S3N1L10HBKKL3RJYW3KDMIHCPO3WGO2M0W5C14Y3KIY5WVVXC">[*]
Nach Tobias 3, 8 tötete Asmodeus, ein böser Dämon, die sieben Ehemänner der Sara; unter diesem Namen versteht man zu Brants Zeiten den Eheteufel überhaupt.</a> fand
Viel Macht jetzt in der Ehe Stand.
Doch selten ist ein Boas
<a href="#IDVVDXYWRNNG1PDUDONR4BAAIXAKRSUQDMWZIJCQFYO4FYJRM12SXE">[*]
Vgl. Ruth 2 ff.: man findet niemanden, der wie Boas ein armes, rechtschaffenes Mädchen unter seinem Stand heiratet.</a> jetzt,
Der eine Ruth begehrt und schätzt,
Drum hört man nichts als Ach und Weh
Und »criminor te!« »kratznor a te!«
<a href="#IDKMZOW44CB1V5P5ATF45K0I04ZKEF5KBYKGNBG2FRWIRDCWXLIHDK">[*]
»Ich beschuldige dich (des Ehebruchs)«, sagt die Frau. »Ich werde von dir gekratzt«, erwidert der Mann. Die scherzhafte Wortformel (
kratznor = deutsch mit lat. Flexion) zur Bezeichnung ehelichen Zankes ist durch Brant im ganzen 16. Jh. populär geworden.</a><a name="page187" title="wedi/quantenspringer" id="page187"></a>
<a name="page188" title="quantenspringer/Konmax" id="page188"></a>
Mißgunst und Haß füllt alle Land',
Man findet Neid in jedem Stand:
Den Neidhart <a href="#ID1IDKTGC3ESWCOALSQV0M0UK0KEOV0HSOR3YLAPQB5LWKG24AE0E">[*] Der nythart, ein personifizierter Neider (wie Dinghart, Freyhart, Nothart), aber wohl mit besonderer Anspielung auf die volkstümlichen Schwankerzählungen vom Neithart Fuchs. Daraus erklärt sich auch der Holzschnitt, der auf eine dieser Erzählungen zurückgreift.</a> deckt noch nicht der Sand.
Von Neid und Haß
Feindschaft und Neid macht Narren viel,
Von denen ich hier reden will.
Der Neid den Ursprung daher nimmt:
Du mißgönnst das, was mir bestimmt,
Und hättest gerne selbst, was mein,
Oder magst sonst nicht hold mir sein.
Der Neid ist solche Todeswund,
Die nimmermehr wird recht gesund;
Er hat die Eigenschaft bekommen,
Wenn er sich etwas vorgenommen,
So hat nicht Ruh er Tag und Nacht,
Bis er den Anschlag hat vollbracht.
So lieb ist ihm nicht Schlaf noch Freud,
Daß er vergaß sein Herzeleid;
Drum hat er einen bleichen Mund,
Ist dürr und mager wie ein Hund,
Die Augen rot, und niemand kann
Mit vollem Blick er sehen an.
<a href="#IDG3KD3KJBPHYYNENXTKDL3IBVRO5S1RV3RKR0MXEEQIA5XGOTBFYO">[*]
Diese und einige folgende Stellen sind angelehnt an die Schilderung der Mißgunst
(Invidia) in Ovids Metamorphosen II, 775 ff. Daher spricht Brant im Originaltext vom Neid als einem weiblichen Wesen (
So lieb ist jr keyn schloff noch freyd / das sie vergeß jrs hertzen leyd ...)</a>
Das ward an Saul mit David klar,
An Josephs Brüdern offenbar.
Neid lacht nur, wenn versinkt das Schiff,
Das er gesteuert selbst ans Riff;
Und nagt und beißt der Neid recht sehr,
<a name="page189" title="quantenspringer/Konmax" id="page189"></a> Frißt er nur sich und sonst nichts mehr,
Wie Ätna sich verzehrt allein:
Drum ward Aglaurus
<a href="#ID52CBVHIFMZ3XESBBJWWHAWAAFD013LX3Z311EVHZPTOABVPGQKXH">[*]
Die Tochter des Cecrops, die wegen ihrer Habgier auf Anweisung von Pallas Athene durch Invidia, die Göttin der Mißgunst, bestraft und schließlich von Merkur in einen dunklen Stein verwandelt wurde; Ovids Met. II, 752 ff.</a> auch zum Stein.
Welch Gift trägt in sich Neid und Haß,
An Brüdern spürt man besser das;
Das zeigen Kain und Esau, nicht minder
Thyest,
<a href="#IDX0WXPMANNMOAKVJLTFKSJOHMBPVPSGLKP3CKOWLVZLN4EDA0J4HP">[*]
Bruder des Atreus; nach der griechischen Sage setzte ihm dieser, um sich für eine ihm angetane Schmach zu rächen, seine eigenen Söhne als Speise vor.</a> Eteokles,
<a href="#IDWUNEEDUYIZSWOWGGUGA24LYHJCI2GFM0JUHIZ5PBBTDYA4SZQ1MO">[*]
Bruder des Polynikes, mit dem er in Streit um die Herrschaft in Theben geriet; beide fielen im Zweikampf.</a> Jakobs Kinder;
Die waren von größerm Neid entbrannt,
Als wenn sie
nicht sich Brüder genannt:
Entzündet sich verwandt Geblüt,
Dann es viel mehr als fremdes glüht.
<a name="page190" title="quantenspringer/Konmax" id="page190"></a>
<a name="page191" title="quantenspringer/Konmax" id="page191"></a>
Wem Sackpfeifen Freud und Kurzweil macht,
Daß Harf und Laut' er drob verlacht,
Der wird auf den Narrenschlitten gebracht.
Tadel nicht dulden wollen
Daß Narrheit sich im Herzen regt,
Zeigt dies: ein Narr es nie erträgt
Noch mit Geduld es leiden kann,
Spricht über weise Dinge man.
Ein Weiser gern von Weisheit hört,
Wodurch ihm Weisheit wird gemehrt.
Die Sackpfeif' ist des Narren Spiel,
Der Harfen achtet er nicht viel.
Kein Gut dem Narren in der Welt
Mehr als sein Kolben und Pfeif' gefällt.
Kaum läßt sich tadeln, wer verkehrt;
Der Narren Zahl ohn End sich mehrt.
O Narr, bedenk zu aller Frist,
Daß du ein Mensch und sterblich bist
Und nichts als Lehm, Asch, Erd und Mist.
Denn unter aller Kreatur,
Die hat Vernunft in der Natur,
Bist die geringste
du, ein Schaum,
Ein Hefensack
<a href="#ID1CJVOCBOO2UBCVUHAF3LSGEXFGUTDMFVID1JM0GC5LLGOYGGCXTN">[*]
truosensack, entsprechend etwa unserm Madensack. Die eindringlichen Verse Brants lauten im Original:
O narr gedenck zuo aller fryst / Das du eyn mensch und tötlich bist / Und nüt dann leym äsch erd und myst / Und under aller creatur / So hat vernunfft jn der natur / Bist du das mynst und eyn byschlack / Eyn abschum und eyn truosensack.</a> und Bastard kaum.
Was rühmst du doch an dir Gewalt
Und Adel, Jugend, Geld, Gestalt,
Da alles unter der Sonne ist
Unnütz, wenn Weisheit ihm gebrist.
Besser, daß dich ein Weiser straf,
Als daß dich anlach' ein närrisch Schaf;
<a name="page192" title="quantenspringer/Konmax" id="page192"></a> Denn wie eine brennende Distel kracht,
So ist ein Narr auch, wenn er lacht.
<a href="#IDFZAJWTD5GEYGLQGWN1DGAJ5Z3IWIYDUEZODNKILEPW3OV2ZS1IOP">[*]
Prediger Sal. 7, 6. 7.</a>
Drum selig der Mensch, der in sich hat
Die Furcht des Herrn an jeder Statt.
Des Weisen Herz auch Trauer betrachtet,
Ein Narr allein auf Pfeifen achtet.
<a href="#IDB4VZ2T44DJAVFN1UFT4Y5XRC2DAPTJN2ORKVY2MW4ME4JGZDWMXH">[*]
Prediger Sal. 7, 5.</a>
Man sing und sag mit Bitten und Flehn,
Er solle von seinen elf Augen abgehn:
<a href="#IDJZAHBCCNGC41KOJL2VNDFM2NGXUJL01QZMUNKG3DNNQRD55KLDK">[*]
D. h. von seiner Hartnäckigkeit ablassen; vgl. Anm. 4 zu Kap. 30.</a>
Er wird nicht Lehre noch Tadel verstehn.
<a name="page193" title="quantenspringer/Konmax" id="page193"></a>
Der Holzschnitt wurde in der Originalausgabe vertauscht; vgl. Anm. 1 zu Kap. 38.</a><a name="page194" title="quantenspringer/Konmax" id="page194"></a>
Wer der Arzneikunst sich nimmt an
Und doch kein Siechtum heilen kann,
Der ist ein guter Gaukelmann. <a href="#IDXOTH2YERFABDIY4AXCD1DIWD5FKVWL2AKUBHQCKNVMVMCKKAWNFH">[*]
Von närrischer Arzneikunst
Der geht wohl heim mit andern Narrn,
Wer dem Todkranken beschaut den Harn
Und spricht: »Wart, bis ich dir verkünde,
Was ich in meinen Büchern finde!«
Dieweil er geht zu den Büchern heim,
Fährt der Sieche hin gen Totenheim.
Viel maßen sich der Arztkunst an,
Von denen keiner etwas kann,
Als was das Kräuterbüchlein lehrt
Und man von alten Weibern hört.
Die treiben Kunst, die ist so gut,
Daß sie all Bresten heilen tut,
Und ist kein Unterschied dabei,
Ob jung, alt, Kind, Mann, Frau es sei,
Ob feucht, ob trocken, heiß und kalt.
<a href="#IDYAKJ2QSTMKO2KP5IQQFTGAH2OUCPSNMXGFOT5KJRVVNKMOI2UMK">[*]
Aufzählung der vier Elemente, die für die Grundlage der vier Temperamente gehalten wurden. Diese spielten in der Arzneikunst bis ins 17. Jh. hinein eine bedeutende Rolle.</a>
Ein Kraut hat solch Kraft und Gewalt,
Gleichwie die Salbe im Alabaster,
Daraus der Scherer macht sein Pflaster
Und
alle Wunden heilt damit,
Es sei Geschwür, Stich, Bruch und Schnitt:
Herr Kukulus
<a href="#IDP0HASLSTQNWCGVXZB1M1A54HZOOPHBDAYOA5PIPVE4B3RJYIHLFE">[*]
Lat.
cuculus = Kuckuck, Gauch, Narr.</a> verläßt sie nit.
Wer zu der Heilung nur
ein Unguent
<a href="#IDXE41GSMJEUVMGDO5YVM5Z2Z5GKUQT2HI1V2DFI4N1W5QQ4PQTXJ">[*]
Salbe (lat.
unguentum).</a>
Für Augen rot, blind, triefig kennt,
Purgieren will ohn Wasserglas,
Der ist ein Narr, wie Zuohsta
<a href="#IDLQX2KT5DGQIMMQPO3LEFPJ0ZYEUEJLITFGQYM1HLRASXDR5BYVRB">[*]
Vermutlich der Name eines Quacksalbers jener Zeit.</a> was.
<a name="page195" title="quantenspringer/Konmax" id="page195"></a> Dem gleichet wohl ein Advokat,
Der in keiner Sache gibt uns Rat;
Ein Beichtvater gleicht dem sicherlich,
Der nicht kann unterrichten sich,
Was denn bei jeder Art von Sünden
Und Übeln Mittel sei'n zu finden,
<a href="#IDHTGRY2L10AJVHAAE0K3WO0RFXJQCU5NQOYVICUP5BE4G3UZ0TNOF">[*]
Die geistlichen Bußbestimmungen in den sog.
libri poenitentiales waren damals ebenso vielfältig und kasuistisch differenziert wie die juristischen Strafgesetze.</a>
Und ohne Vernunft geht um den Brei.
Durch Narren wird gar mancher verführt,
Der eher verdirbt, als er es spürt.
<a name="page196" title="quantenspringer/Konmax" id="page196"></a>
<a name="page197" title="quantenspringer/Konmax" id="page197"></a>
Nie Macht so groß auf Erden kam,
Die nicht beizeiten ein Ende nahm,
Wenn ihr das Ziel und Stündlein kam.
Vom Ende der Gewalt
Man findet Narren mannigfalt,
Die sich verlassen auf Gewalt,
Als ob sie ewig sollte stehn,
Die doch wie Schnee pflegt zu zergehn.
Der Kaiser Julius war genug
Reich, mächtig und an Sinnen klug,
Ehe er mit Gewalt gebracht
An sich der Römer Reich und Macht.
Als er das Zepter an sich nahm,
Ihm Sorg und Angst in Haufen kam;
Da war er nicht an Rat so klug:
Denn bald darob man tot ihn schlug.
Darius hatte ein großmächtig Land
Und konnte bleiben daheim ohn Schand
Und hätte behalten Gut und Ehr,
Doch da er wollte suchen mehr
Und haben das, was sein nicht war,
Verlor er auch das Seine gar.
Xerxes, der bracht nach Griechenland
Des Volks soviel wie Meeressand,
Das Meer mit Schiffen er bedeckte,
Daß er die ganze Welt erschreckte.
Und doch, was wars, das er gewann?
Er griff Athen so grausig an,
Wie sonst der Löwe packt ein Huhn
Und – floh doch, wie die Hasen tun.
Als König Nabuchodonosor
<a href="#IDGGHDCBSOJY1IDS0GWXVTIGM2ZN1FXMP2LVE3TC4TIRVN1L5KUTG">[*]
Nebukadnezar; vgl. Judith 1. 2.</a>
Mehr Glück zufiel denn je zuvor
Und er Arphaxad überwand,
<a name="page198" title="quantenspringer/Konmax" id="page198"></a> Wollt er erst haben alle Land!
Nach Gottes Macht hatt er Begier
Und – ward verwandelt in ein Tier.
Gar leicht ich euch noch viele nennte
Im Alten und Neuen Testamente,
Aber mich dünkt, das tut nicht not.
Gar wenig sind in Ruhe
<a href="#IDRFINKP5YH01WOGQYT0FSV5EDVNQFYNZWU41GNHFHNMMC5BTDIAVD">[*]
jn ruowen, d. h. sind eines ruhigen Todes gestorben; vielleicht aber auch Druckfehler für
ruewen, d. h. in Reue.</a> tot
Und sterben auf dem eignen Bette,
Die man nicht sonst getötet hätte.
Drum merket ihr Gewaltigen all:
Ihr sitzet wahrlich in Glückes Fall!
<a href="#IDGAGZTRW1SW0M2OTHLLFT1ODZLRAYBPU5Z5RICFDV1H5C5T5RKRO">[*]
D. h. dem Zufall preisgegeben, wie das Glück es will.</a>
So seid nun weise und achtet aufs Ende,
Daß Gott das Rad euch nicht umwende!
Fürchtet den Herrn und dienet ihm!
Wenn euch sein Zorn ergreift und Grimm,
Der bald schon wird entflammen sehr,
Wird eure Macht nicht bleiben mehr,
Sie wird vielmehr mit euch zergehn.
Ixions Rad
<a href="#IDPUWCEC1RDSVKM2IGQGIUFMCKGCN5UHSCKS3PFEHXFY2BP1R42WCB">[*]
Ixion, König der Lapithen in Thessalien, entbrannte in Liebe zur Göttin Hera und wurde zur Strafe in der Unterwelt an ein sich ewig drehendes, feuriges Rad geschmiedet. Vgl. Vergils Georgica IV, 484.</a> bleibt nimmer stehn,
Denn es läuft um von Winden klein,
Drum selig, wer hofft auf Gott allein!
Es fällt und bleibt nicht in der Höhe
Der Stein, den wälzt mit Sorg und Wehe
Den Berg auf Sisyphus,
<a href="#ID3KDERKEM1QZOEFMUNDAXLUPP0MPZZGNA10RYB4OXOKBWHHNXTOQB">[*]
Nach der griechischen Sage war Sisyphus König von Korinth und berüchtigt als verschlagener Straßenräuber; als Strafe mußte er in der Unterwelt ein Felsstück auf einen Berg wälzen, von dessen Gipfel es immer wieder herabrollte.</a> der Narr.
Glück und Gewalt währt nicht viel Jahr',
<a name="page199" title="quantenspringer/Konmax" id="page199"></a> Denn nach der Alten Spruch und Sage
Wächst Haar und Unglück alle Tage.
Unrechte Macht nimmt gründlich ab,
Das zeigt mit Jezabel Ahab,
<a href="#ID5G4PAPWGESPLIWORJHACYUGMWOLEEHY45C2UBLRIRQOUI4SFMG">[*]
1. Könige 21. 22.</a>
Und hat ein Herr sonst keinen Feind,
So muß er fürchten sein Gesind
Und die ihm nächste Freunde sind,
Die bringen ihn um seine Macht.
So hat des Herren Reich gebracht
An sich Zambri
<a href="#IDKYH40VE5O2GYNEIACHPAJBBIGBTIU343JW4MXLVOYB2BW2LF1WE">[*]
Simri; vgl. 1. Könige 16, 9 ff.</a> durch Mord und Schlag
Und ward ein Herr auf sieben Tag'.
Alexander die ganze Welt bezwang:
Er starb durch eines Dieners Trank.
Darius entfloh aus aller Not:
Sein Diener Bessus stach ihn tot.
So endet Macht und stolzer Mut:
Cyrus, der trank sein eigen Blut.
Auf Erden Macht so hoch nie kam,
Die nicht ein End mit Trauern nahm.
So mächtge Freunde hat kein Mann,
Daß
einen Tag er vorausgewann
Und sicher war
einen Augenblick,
Daß er sollt haben Macht und Glück.
Denn was die Welt aufs höchste schätzt,
Das wird verbittert doch zuletzt;
Und wer sich stolz erhob und stand,
Der schau und gleit' nicht auf den Sand,
Daß ihm nicht werde Spott und Schand.
So ist es närrisch um Macht bestellt,
<a href="#IDHEKL1RVFWQ0AIQKP1ACSAPFLRLGA4DEWPWX22NCIME3JUNJWMO1F">[*]
Groß narrheyt ist umb grossen gwalt: ein Selbstzitat Brants aus Kap. 46.</a>
Da man sie selten lange behält!
<a name="page200" title="quantenspringer/Konmax" id="page200"></a> Und wenn ich durchforsche die Reiche bisher:
Assyrien, Meder und Persier,
Mazedonien und Griechenland,
Karthago und der Römer Stand,
So haben sie alle gehabt ihr Ziel.
Das
Römsche Reich<a href="#ID203XPPHBUPZRKFOK11NB0DBV3DFQ01JHDY02E1K5EEYRLK2GMZ5C">[*]
D. h. das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, als Erbe der früheren Weltreiche.</a> bleibt, solang Gott will;
Gott hat gesetzt ihm Maß und Zeit,
Der geb, es werde so groß und weit,
Daß ihm sei Untertan die Welt,
Wie sichs nach Fug und Recht verhält.
<a href="#IDRX2DLQ2BZBHLFZ1MQXKWDVEDWJDERPEQE0G3V3B2XNRBVOWCOOM">[*]
Das jm all erd sy underthon / Als es von recht und gsatz solt han.</a><a name="page201" title="quantenspringer/Konmax" id="page201"></a>
<a name="page202" title="quantenspringer/Konmax" id="page202"></a>
Wer unverdienten Lohn will sehn,
Auf einem schwachen Rohr bestehn,
Des Anschlag wird auf Krebsen gehn.
Von Gottes Vorsehung
Man findet manchen Narren auch,
Der aus der Schrift schön färbt den Gauch
<a href="#IDLK1EGXN3SAAEP255B3CRUUCC4NKCGXYIDRQ32EGQKTVE2RRMJKTK">[*]
D. h. seine Narrheit ausstaffiert, ausschmückt.</a>
Und dünkt sich vornehm und gelehrt,
Wenn er die Bücher
umgekehrt
Und hat verzehrt den Psalter schier
Bis an den Vers: Beatus vir,
<a href="#IDRRSHLHFDM0H3OALTMVHPXUENWOXDGJH00GLZLONJ4OL142VUFTE">[*]
»Wohl dem Manne . . .«; damit
beginnt der Psalter.</a>
Und meint, hab Gott ihm Gut beschert,
So werde ihm das nie versehrt.
Soll er dann fahren zu der Hölle,
So will er sein ein guter Geselle
Und leben recht mit andern wohl,
Ihm werde, was ihm werden soll.
Narr, laß von solcher Phantasei,
Du steckst sonst bald im Narrenbrei!
Daß Gott ohn Arbeit Lohn verspricht,
Verlaß dich drauf und backe nicht
<a href="#IDCDZWHBL01OPJKXWXDG4ATCTMZL2LNCYKQL1LHQMOREII2O3AQH5F">[*]
Sprichwörtlich für: die Hände in den Schoß legen. Die Aufforderung ist natürlich ironisch gemeint.</a>
Und wart, bis dir 'ne Taube gebraten
Vom Himmel könnt in den Mund geraten!
Denn sollt
so einfach es zugehn,
So würde jeder Knecht besehn
– Er arbeit' oder sei ein Gauch –
Denselben Lohn: das ist nicht Brauch!
Was sollte Gott mit ewigem Dank
Dir lohnen deinen Müßiggang,
Oder einem Knecht, der schlafen wollt,
Mit seinem Reich und großem Sold?
<a name="page203" title="quantenspringer/Konmax" id="page203"></a> Ich sag, daß niemand auf Erden lebe,
Dem Gott ohn Gnade etwas gebe,
Oder bei dem er stehe in Pflicht,
<a href="#ID2X3422NL04JBM4INOXXPUUQZ5DWF3DUARAKMM2J1XBWN4O3G212I">[*]
dem er sy pflychtig üt, zu etwas verpflichtet sei; mit Anspielung auf ein dienstpflichtiges Verhältnis.</a>
Denn er ist uns verschuldet nicht.
Ein freier Herr schenkt, wem er will,
Und gibt uns wenig oder viel,
Wie ihm beliebt; wen geht es an?
Er weiß, warum er es getan.
Ein Töpfer aus dem Erdkloß macht
Geschirr, wie er sich hat erdacht,
<a href="#ID11FNM22RWJUMKHOLC55AQGJADJ0NY04ZYAJGMENJGAVDQEYOWN0I">[*]
Vgl. Römerbrief 9, 20 ff. Im Original heißt es in stärkerer Anlehnung daran:
Eyn erlich gschyrr / sunst vil veracht.</a>
Formt Kacheln, Häfen, Wasserkrüge,
Damit es jedem Wunsch genüge,
Die Kachel spricht ihm nicht darein:
»Ich sollt ein Krug, ein Hafen sein!«
Gott weiß, dem es allein zukommt,
Wie jedes Ding dem Menschen frommt,
Warum er Jakob hat erwählt
Und Esau ihm nicht gleichgestellt,
Warum er Nebukadnezar,
Der viel gesündigt manches Jahr,
Gestraft und dann zur Reu ließ kommen
Und in sein Reich hat aufgenommen,
Doch Pharao mit Geißeln hart
Bestraft, der doch nur schlechter ward.
<a href="#IDR41GBXHKQFVTLQDGH1LX2X1AOB5FMKNISJ0K1UHJ3EQ0X2PCVXRO">[*]
In dieser Zusammenstellung dem Decretum Gratiani des Corp. iur. can. entnommen (II, 23, 4).</a>
Eine Arznei macht den einen gesund
Und macht den andern noch mehr wund.
Denn der eine, nachdem er empfand
Die Strafe aus Gottes mächtiger Hand,
<a name="page204" title="Crown/quantenspringer" id="page204"></a> Gedachte der Sünden mit Seufzen im stillen;
Der andre folgte dem freien Willen
Und merkte Gottes Gerechtigkeit,
Weil er mißbraucht seine Barmherzigkeit.
Denn Gott hat immer an jeden gedacht,
Er weiß, warum ers also gemacht.
Wenn es als billig ihm gefallen,
Hätte er Rosen gemacht aus allen,
Aber auch Disteln er haben wollte,
Dran man Gerechtigkeit sehen sollte.
Der war ein neidisch-boshafter Knecht,
Der meinte, ihm täte sein Herr nicht recht,
Da er ihm gab den bedungenen Sold
Und einem andern, was er wollt;
Der wenig Arbeit hatte getan,
Den ließ er gleichen Lohn empfahn.
<a href="#IDDR3H5FYA2BA4IZGLG4VHTN3YLPLGCPPILQP0PCPPX5LXWSSRNG4F">[*]
Anspielung auf das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, vgl. Matthäus 20, 1–16.</a>
Man findet viel gerechte Leut,
Die haben auf Erden schlechte Zeit,
Gott läßt es ihnen also gehn,
Als wäre viel Sünd von ihnen geschehn.
Dagegen findet man Narren oft,
Die haben viel Glück und unverhofft
Und sind in ihren Sünden so frei,
Als ob ihr Werk ganz heilig sei.
Drum ist verborgen Gottes Gericht,
Seine letzten Gründe weiß man nicht,
Je mehr man die zu erforschen begehrt,
Je weniger man davon erfährt,
Und wer da wähnt, er hab sie enthüllt,
Ist recht mit Finsternis erfüllt.
<a name="page205" title="quantenspringer/Konmax" id="page205"></a> Denn alles wird uns aufgespart
Für künftige, unsichre Hinfahrt.
Drum lasse Gottes Allwissenheit,
Die Ordnung seiner Fürsichtigkeit
Stehn, wie sie steht! Tu recht und wohl!
Gott ist barmherzig, gnadenvoll!
Laß wissen ihn alles, was er weiß:
Tu recht! Den Lohn ich dir verheiß;
Harr aus! So geb ich dir mein Wort,
Du kommst nicht in die Hölle dort!
<a href="#ID2VECHQC3MCNKGD0I2G0ZKXFUYM1HESMSWQ11RTHDK5R5RNIE2Q2E">[*]
Im Original:
Beharr / so gib ich dir myn sel / Zuo pfand / du kumbst nit jnn die hell.</a><a name="page206" title="quantenspringer/Konmax" id="page206"></a>
<a name="page207" title="quantenspringer/Konmax" id="page207"></a>
Wer löschen will eines andern Feuer
Und brennen läßt die eigne Scheuer,
Der ist gut auf der Narrenleier.
Seiner selbst vergessen
Wer große Müh und Ungemach
Hat, um zu fördern fremde Sach',
Sucht, wie er
andern Nutzen schaffe,
Der ist mehr als ein andrer – Affe,
Wenn er nicht in der eignen Sache
Schaut, daß er fleißig sei und wache.
Der Narren Büchlein billig liest,
Wer klug ist und sein selbst vergißt.
Wer rechte Liebe will gewinnen,
Der soll bei sich zuerst beginnen,
Wie auch Terentius
<a href="#ID3NJPOGSMU5A4CALBFR1ERWYMVDYGP01GIVW1KNLDQDWD015VFWYC">[*]
Andria IV, 1, 12.</a> ermahnt:
»Ich bin mir allernächst verwandt!«
Ein jeder schau auf seine Schanze,
<a href="#IDFWFUKJKONRIJOPOL351F3ANHLB32XF3NRFMXACDLA5XTPE2W2DUG">[*]
Was er im Spiel geworfen hat; hier schon der heutigen Bedeutung von Chance angenähert.</a>
Bevor er sorg', wie ein andrer tanze.
Der will verderben, sobald es geht,
Wer andern schneidet und sich nicht sät
Und wer eines andern Kleid gern putzt
Mit Fleiß und
seins derweil beschmutzt.
Wer löschen will eines andern Haus,
Wenn
ihm die Flamm schlägt oben aus
Und seines brennt mit aller Macht,
Hat seines Nutzens wenig acht.
Wer vorwärts bringt eines andern Karren
Und hindert
sich, der wird zum Narren.
Will einer fremde Sachen laden
Und sich versäumen, der hab' Schaden.
Wer darin Überredung leidet,
Was Schaden ihm und Spott bereitet,
<a name="page208" title="quantenspringer/Konmax" id="page208"></a> Der kann die Länge sich nicht wehren:
Der Narr erwischt ihn bei den Geren,
<a href="#IDBD2NJ1TPTN0OFO05SV5C5VCLJMJF3EIE5IZ4ELOLNJOWE5IUBL0I">[*]
Bei den Rockschößen.</a>
Wird Weisheit ihn mit Schaden lehren.
Den kommt der Tod am härtsten an,
Den sonst erkannte jedermann
Und der, an seines Lebens End,
Stirbt, ohne daß er selbst sich kennt.
<a href="#IDIA3UWBPCNSXFE5VOVFDZIBNU1DOB31O4SPEXZJIDXKFX322BCP1H">[*]
Die kaum übertragbaren Verse Brants lauten im Original: Dem lydt syn dott am hertsten an / Den sunst erkennet yederman I Und er styrbt und syn leben endt / Das er sich selbst nit hatt erkent.</a><a name="page209" title="Crown/quantenspringer" id="page209"></a>
<a name="page210" title="Crown/quantenspringer" id="page210"></a>
Wer Dienst begehret alle Tage,
Ob er auch Dank und Lohn versage,
Ist wert, daß ihn die Pritsche schlage.
Von Undankbarkeit
Der ist ein Narr, wer viel begehrt
Und nicht tut, was der Ehre wert,
Und macht
dem Müh und Arbeit viel,
Dem er doch wenig lohnen will.
Wer von der Sach' will haben Gewinn,
Der setzt auch billig in seinen Sinn,
Daß er die Kosten lege an,
Will anders er mit Ehren stahn.
In gutem Zustand selten bleibt
Ein müdes Pferd, das man noch treibt,
Und störrisch wird ein willig Pferd,
Wenn man das Futter ihm verwehrt.
Wer einem viel zumutet zwar,
Doch lohnt ihm nicht, der ist ein Narr.
Und wer nicht schätzen kann für gut,
Was man um billigen Lohn ihm tut,
Der darf sich dann auch nicht beklagen,
Will man die Arbeit ihm versagen:
Man soll ihn mit der Pritsche schlagen.
Was einer will, daß er genieße,
Der schau, daß er auch wiederschieße.
<a href="#IDIVSJORPE1RGNDPO0MNRTBT3H3DMJVPYFNHLGHWCX4OVEOEWX0URG">[*]
D. h. eine Gegenleistung biete (wie vorschießen, zuschießen).</a>
Undankbarkeit nimmt bösen Lohn,
Sie macht den Brunnen Wassers ohn.
Aus alter Zisterne
<a href="#ID50VORIHHUYZ5KFQMWFFODZ0DXJQUOISJZRMT3TPTVUWDJLHGFIGF">[*]
Eyn altt Cystern, lat.
cisterna, Behältnis für Regenwasser; im Gegensatz zu
brunnen == Quelle.</a> kein Wasser fließt,
Wenn man nicht Wasser drein auch gießt.
Ein Türenangel sehr bald quiert,
<a href="#IDXNGKWSRO0ZUXDFJRAJRHWVVHOOFMQM5R2ITSPMBZW5UZJDZYRNUO">[*]
kyerrtt d. h. knarrt.</a>
Wenn man ihn nicht mit Öl auch schmiert.
<a name="page211" title="quantenspringer/Konmax" id="page211"></a> Wer kleiner Gaben nicht gedenkt,
Verdient nicht, daß man Großes schenkt;
Und
dem versagt man alle Gabe,
Der für die kleine weiß kein Lob;
Denn der ist ohn Verstand und grob.
Abstoßend stets der Weise fand,
Wen er als undankbar erkannt.
<a href="#IDG23NSI1X2B0OCTM0ZMNNAUVP5NWRMIG1YCGM53N0P4QS0S0JKIDI">[*]
im Original:
All wysen ye gehasset hant / Den / der undanckbar wart erkant.</a><a name="page212" title="quantenspringer/Konmax" id="page212"></a>
<a name="page213" title="quantenspringer/Konmax" id="page213"></a>
Des Narrenbreis ich nie vergaß,
Da mir gefiel das Spiegelglas;
Hans Eselsohr mein Bruder was.
Von Selbstgefälligkeit
Der rühret wohl den Narrenbrei,
Wer wähnet, daß er weise sei,
Und wer sich selbst gefällt gar wohl.
In den Spiegel sieht er stets wie toll
<a href="#ID0R4XA1RAMTCBHZQITLAQN0B1QL2V4OQ54KNRLMMWXONKBIHLMZ1">[*]
yemertol, gegen Goedekes Abschwächung (= immerdar) übersetzt schon Locher sinngemäß:
vesania ductat.</a>
Und kann doch nicht bemerken das:
Daß er 'nen Narren sieht im Glas.
Doch sollt er schwören einen Eid,
Fragt man nach Weisen um Bescheid,
So meint er doch,
er wärs allein,
– Wo sollte sonst noch einer sein? –
Und schwur auch, daß ohn Fehl er wär,
Sein Tun und Lassen gefällt ihm sehr.
Der Spiegel ständig ihn begleitet,
Wo er auch sitzt, liegt, geht und reitet,
Gleichwie der Kaiser Otto
<a href="#IDT0VYRIKFNODKIG5ULJ2KCJG4EOYX0TUC2UCJAAFN1SAJGPJTFTCL">[*]
Gemeint ist der römische Kaiser Otho ( † 69 n.Chr.); nach Juvenal II, 99 ff. und Suetons
Otho 12.</a> tat,
Der vor dem Kampf zum Spiegel trat
Und schor die Backen täglich zwilch
<a href="#IDV1KNPGXHSVDMENXIO5ZKQXNMOCVYHEETI0GMPBZ0IKEHEWP5HE">[*]
Zweimal.
</a> Und wusch sie dann mit Eselsmilch.
Solch Ding gefällt den Weibern gut,
<a href="#IDDZJ3ZFGICXYGPGNQZA5F2HTNV0FHWP1SOSATPIYIABZ21Q4RZO">[*]
Das ist eyn wibertäding guot, d. h. eine gute Weiberbeschäftigung, ein Treiben, wie es Weibern ansteht.</a>
Ohn Spiegel keine etwas tut;
Bis daß der Schleier sitzt im Haar
Und überm Putz vergeht ein Jahr.
Wem so gefällt Gestalt und Werk,
Das ist der Aff von Heidelberg.
<a href="#IDMH25V1U2A2JZFQQ2UE14MODRFFXEFIM2LFZI54DIRXKRFLRQDXRI">[*]
Auf der alten Neckarbrücke in Heidelberg stand als Wahrzeichen ein Affe, der mit scherzhaften Versen die Gaffer auf sich selbst verwies.</a>
<a name="page214" title="quantenspringer/Konmax" id="page214"></a> Pygmalion
<a href="#IDQ3IQJJSQAM0FOXY1EFLHFK4JBEIK5DGGOWASBRFPPCPWB4Z1N2EO">[*]
Pygmalion verliebte sich in die von ihm geschaffene Statue; nach Ovids Metamorphosen X, 243 ff.</a> gefiel sein Bild,
Er ward in Narrheit drob ganz wild;
Und blieb Narziß
<a href="#IDUA2GEC4QPGN4BDMDAKRQNMDUXCYWM2UCQTDFIVMTIWHW0X5OCI1O">[*]
Narcissus, ein schöner Hirtenjüngling, verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild, das ihm aus dem Quellwasser entgegentrat, und ging an seiner unerfüllbaren Sehnsucht zugrunde; nach Ovids Met. III, 407 ff.</a> vom Wasser weit,
Er hätt gelebt noch lange Zeit.
Mancher blickt stets zum Spiegel hin,
Der doch nichts Hübsches sieht darin.
Wer so sehr ist ein närrisch Schaf,
Der will auch nicht, daß man ihn straf,
Närrisch lebt er dahin auf Erden,
<a href="#IDOXWM5F52F30PCWI40FTPMH0DAEQ2HCPFDXTC12DVULT3HJEAOCDF">[*]
Jo gatt er jnn sym wesen hyn, d. h. lebt unverändert dahin.</a>
Will mit Gewalt nicht klüger werden.
<a name="page215" title="quantenspringer/Konmax" id="page215"></a>
<a name="page216" title="quantenspringer/fibo235" id="page216"></a>
Das Best' am Tanzen ist, daß man
Nicht immerdar nur geht voran,
Sondern beizeit umkehren kann.
Vom Tanzen
Die hielt ich fast für Narren ganz,
Die Lust und Freude haben am Tanz
Und springen herum grad wie die Tollen,
Im Staub sich müde Füße zu holen.
Aber wenn ich bedenke dabei,
Wie Tanz mit Sünde entsprungen sei,
<a href="#IDFQCTLY1KLNLBHM5COYECDC2MTNIBBJNE4W1YBEMDZVEQ0ZVACMEL">[*]
Daß der Tanz teuflischen Ursprungs sei, weil er mit dem Tanz um das Goldene Kalb seinen Anfang nahm, war schon im Mittelalter eine verbreitete Auffassung; vgl, 2. Mose 32.</a>
So kann ich merken und betrachte,
Daß ihn der Teufel wohl aufbrachte,
Als er das Goldne Kalb erdachte,
Und schuf, daß man Gott ganz verachte.
Noch viel damit zuweg er bringt;
Aus Tanzen Unheil oft entspringt:
Da ist Hoffart und Üppigkeit
Und Vorlauf
<a href="#IDQFRR5F1Y52LZMNH5GE0W3XZJYOIAH5LLVY1WAMOCDQANQWTED0H">[*]
für louff, was zuerst aus dem Faß läuft, hier mit Anspielung aufs Vortanzen.</a> der Unlauterkeit,
Da schleift man Venus bei den Händen,
Da tut all Ehrbarkeit sich enden.
Drum weiß ich auf dem Erdenreich
Keinen Scherz, der so dem Ernst sei gleich,
Als daß man Tanzen hat erdacht,
Auf Kirchweih und Primiz
<a href="#IDBJV2IUPTMHYHH4KG4GOHNKPA4PGBTLXAOD5H0WEVQDS2JOIXVIGJ">[*]
Die erste Messe eines Geistlichen, lat.
prima missa, wird noch heute besonders gefeiert.</a> gebracht:
Da tanzen Pfaffen, Mönch' und Laien,
Die Kutte muß sich hinten reihen;
Da läuft man, wirft umher wohl eine,
Daß man hoch sieht die bloßen Beine;
Ich will der andern Schande schweigen.
<a name="page217" title="quantenspringer/cal" id="page217"></a> Der Tanz schmeckt süßer da als Feigen.
Wenn Kunz mit Greten tanzen kann,
Ficht Hunger ihn nicht lange an,
Bald sind sie einig um den Preis,
<a href="#IDX2R0GH1FVSU0CXPSONAA2SRTJF0BN50BCWKTZKIDMCHVTYMECGIK">[*]
Inn hungert nit eyn gantzen dag / So werden sie des kouffes eyns, d. h., es dauert keinen Tag, dann werden sie schon handelseins.</a>
Wie man den Bock geb um die Geiß.
Soll das nun Kurzweil sein genannt,
So hab ich Narrheit viel erkannt.
Viel warten lange auf den Tanz,
Die doch der Tanz nie sättigt ganz.
<a name="page218" title="quantenspringer/cal" id="page218"></a>
<a name="page219" title="quantenspringer/cal" id="page219"></a>
Wer Lust verspürt, daß er hofiere <a href="#IDACYKJYEYSQBTI1MMWDRXG40ICK3OMWMWXFFMRKF41IM4X3GYXEJE">[*] Den Hof machen, Ständchen bringen.</a>
Nachts auf der Gasse vor der Türe,
Den treibts, daß wachend er erfriere.
Von nächtlichem Hofieren
Jetzt wär schier aus der Narrentanz,
Aber das Spiel doch noch nicht ganz,
Wenn nicht hier wären auch die Löffel,
<a href="#IDBHYI3XQQTU5GIUCL3HTKZW450FKG2GLALMTG24BFO4OLDAO5OE0B">[*]
Liebhaber, Laffen.</a>
Die Gassentreter und die Göffel,
<a href="#IDNNHNF2LSA1XMND00CNM3VMOABH1FGGFLQNWM1DK2LIBW5ZW3H4HD">[*]
Gaffer (die nur Augen für die Weiber haben).</a>
Die in der Nacht nicht ruhen können,
Wenn sie nicht auf die Gasse rennen
Und schlagen Laute vor der Tür,
Ob nicht das Mädchen schau herfür.
Nichts andres von der Straß sie bringt,
Bis man mit Kammerlaug' sie zwingt
Oder bewirft mit einem Stein.
Es ist die Freud in Wahrheit klein:
In Winternächten zu erfrieren,
Wenn sie der Gäuchin so hofieren
Mit Saitenspiel, mit Pfeifen, Singen,
Am Holzmarkt über die Blöcke springen.
Das tun Studenten, Pfaffen, Laien,
Die pfeifen zu dem Narrenreihen,
Und jeder schreit, jauchzt, brüllt und plärrt,
Als würd zur Schlachtbank er gezerrt.
Ein Narr es da dem andern kündet,
Wo man ihn hinbeschieden findet,
Dort muß man ihm ein Hofrecht machen.
<a href="#IDVFGB1XEMJ1Q1J5SBWVB2AR3VFICLO1CUHP2ETIIYQMUUPDKFUEBD">[*]
D. h., dort müssen die Musikanten und Sänger auf seinen Befehl ein Ständchen bringen.</a>
So heimlich hält er seine Sachen,
Daß jedermann davon muß sagen,
Die Fischer es auf Kübeln schlagen.
Gar mancher läßt die Frau im Bette,
<a name="page220" title="quantenspringer/cal" id="page220"></a> Die lieber Kurzweil mit ihm hätte,
Und tanzt dafür am Narrenseil.
Wenn
das gut endet, braucht es Heil!
<a href="#ID3WHFDFC5YSNKIYBC1JCGPVZ3YOCDMF1JMBTMOQEHGMZHZGSZ3TPG">[*]
darff es heyl, d. h. wäre ein besonders glücklicher Zufall nötig.</a>
Ich schweige derer, die es freut,
Daß sie stolziern im Narrenkleid;
Doch wenn man Narren jene hieße,
Gar mancher sich am Namen stieße.
<a name="page221" title="quantenspringer/cal" id="page221"></a>
<a name="page222" title="quantenspringer/cal" id="page222"></a>
Voll Furcht, mir gingen Narren ab,
Hab ich durchsucht den Bettelstab, <a href="#IDETEIPNGO4153EDH5MTD33YLFGE2EVLEPSQ40UVGVWJU0RJDOKOTF">[*] Diejenigen, die den Bettelstab tragen. Brant greift in diesem Kapitel ein besonders verbreitetes Unwesen der Zeit an, das in zahlreichen Schriften des 15. und 16. Jh. angeprangert wird.</a>
Wenig Weisheit ich gefunden hab.
Von Bettlern
Der Bettel hat auch Narren viel,
Man schafft sich Geld durch Bettelspiel
Und will mit Betteln sich ernähren.
Mönchsorden, Pfaffen sich beschweren,
Daß sie, die Reichsten, wären arm.
Ach, Bettel, daß sich Gott erbarm!
Bist für die Armut auserdacht
Und hast viel Geld zusammenbracht.
Doch schreit der Prior: »Mehr ins Haus!«
Dem Sack, dem ist der Boden aus.
Desgleichen tun die Heiltumführer,
<a href="#ID2SY31MV1AFUIIKZ2ZJHURXADHLWDHH5X2JA0ZJFNPROAAFAVGDLI">[*]
Reliquienträger.</a>
Die Stirnenstoßer,
<a href="#IDRLEFF5LEX54KGWD0GHZVYIR54PJZ25ZOLB3YDPC3LBWA2IWQ4F1K">[*]
Wohl Pilger, die sich beim Beten vor die Stirne stoßen, um besonders fromm zu scheinen.</a> Stationierer,
<a href="#IDUSVK2ZENV3H5BIUBSRJA3XJTXGUPUBGRMU4EVVFX1LPDIDWJMNBJ">[*]
Von Ort zu Ort ziehende Verkäufer von Heiligenbildern und Reliquien.</a>
Die keiner Kirmes vorübergehn,
Wo sie nicht öffentlich ausstehn
Und schrein, sie führten in dem Sack
Das Heu, das tief vergraben lag
Unter der Krippe zu Bettelheim,
<a href="#ID4UEODII5VWYDDUJEEG3BZSKJJOBBV5J1QKWMFGF1L5VD23IAJDLN">[*]
Für Bethlehem.</a>
Oder von Bileams Esel ein Bein;
Eine Feder aus Sankt Michels Flügel
Und von Sankt Jörgens Roß den Zügel
Oder die Bundschuh von Sankt Claren.
Mancher treibt Bettel in solchen Jahren,
Wo jung er ist, stark und gesund
Und werken könnte jede Stund,
Nur daß er sich nicht gern mag bücken,
<a name="page223" title="quantenspringer/cal" id="page223"></a> Ihm steckt ein Schelmenbein im Rücken.
Seine Kinder müssens jung verstehn,
Ohn Unterlaß zum Bettel gehn
Und lernen wohl den Bettelschrei,
Sonst brach er ihnen den Arm entzwei
Oder ätzte ihnen Wunden und Beulen,
Damit sie könnten schrein und heulen.
Ihrer sitzen vierundzwanzig noch
Zu Straßburg in dem Dummenloch,
<a href="#ID5PXFQZ1LXUGXPNPWRBEFVBRYKICS2W03YDE21QN2PYEWJX4IW33M">[*]
Eine enge Straße, in der die Pockenkranken lagen.</a>
Und weitere im Waisenkasten.
<a href="#IDGGWJ0SR3TWI0NQXZY1J0BTOZVLSIQMSLL223KEKNAN12I2LGSHVD">[*]
In den Findelhäusern.</a>.
Aber Bettler pflegen selten zu fasten:
Zu Basel auf dem Kohlenberg
<a href="#IDDP53GNKAV3UVLUD4TO2CPEFWXFINQVAYJPNYBCCY3NERCRYBLMRJ">[*]
Ein verrufener Stadtteil, der als Freistätte der Bettler diente.</a>
Da treiben sie ihr Bubenwerk.
Ihr Rotwelsch
<a href="#IDN1X3FGW0BMXTDDU1LXBAEFVJHBPJEEZP4XCAXXETVHFYY10PKZWM">[*]
Gaunersprache, aus der die folgenden Ausdrücke stammen.</a> sie im Terich haben,
Ernährn bequem sich von den Gaben;
Jeder Stabil
<a href="#IDCBI5CPETIVI3DH1RNJZPSWF4LACWFIG3VVGTTNEDPUWD52NX0AK">[*]
Brotsammler.</a> ein Hornlüten
<a href="#ID4BAPL3YGQSU0FZGEIQPHZVL2NBR1IB1TJ5U5TLEAOZVGYRNKR4KI">[*]
Zuhälterin.</a> hat,
Die foppt, färbt, ditzet
<a href="#IDHS2QHMLA3H0JMQFCX3BDVEQWDCR5IURDSZPUBXOFRMPV1VBVWCRF">[*]
Lügen, betrügen, sich krank stellen.</a> durch die Stadt,
Wie sie dem Predger
<a href="#IDNYW1PP42RBKNJ0MPKJYI34235JZ3PRT1Q2OLSREI2XZULQVTBNKL">[*]
Bettler, Pracher.</a> Geld gewinne,
Der lugt, wo sei der Joham grimme,
<a href="#ID2VBAR0CSGT22OVNZXEQHUBKQ0N5S0EL4XB5EDCE12RPSXUCGCKTK">[*]
Wo der Wein gut sei</a>
Und läuft durch alle Schöchelboß,
<a href="#IDDQJG0BCQ3T3NNEOT3A0LGOA1JNB5FET4VDEPBKY4HJLRVK1VF3G">[*]
Wirtshäuser.</a>
Wo Rübling junen
<a href="#ID3HG3ZSHUL2T5E154KX13HTIBLDBI2FVP0KQ0MIHRA3YINYZESRJD">[*]
Würfel spielen.</a> ist recht los;
Hat er besevelt
<a href="#IDMP1ETWQ5MVKRB0PDS4CMPF1SKLDJQTUZTO0YGLJZZNXZRGD1TOMG">[*]
Betrogen, beschissen.</a> hier und dort,
So schwänzt
<a href="#IDPGXMXDY1MRVTKMPXPZC001E0TPAUUBIUZCV3JRJK2PUOT3EKP5BB">[*]
Macht sich davon.</a> er sich dann wieder fort,
Veralchend
<a href="#IDKUSEVWYUYGQMJJU2VIEGXHS05GCMKSL5GQJ5JAGFB2U4TMANJMRB">[*]
Wandernd, sich fortpackend.</a> über den Breithart,
<a href="#IDWWQ0RGZK3IQ2G3NZWVVMZIAGRM2DFVSME0QJJ1JDZP1FKVIJBF4P">[*]
Ins Weite, über die Heide.</a>
Stiehlt er die Breitfüß
<a href="#IDOOHIR2QACV2GMCVB1OFVFECECFKGFXPPHUDOMNBWPROS2IGLAIFL">[*]
Gänse, Enten.</a> und Flughart,
<a href="#IDLTSQTUPKUDYFDYNSOYXNARQVOMZJCQAAR01IPYP2X2BS4TSOZHVD">[*]
Hühner.</a>
<a name="page224" title="cal/quantenspringer" id="page224"></a> Damit er sie flößle
<a href="#IDLASNDMXXHKL3I5D5ZTK0ZSEI4PQ4M5WL2FL12WGSU2GKYGNSBAZC">[*]
Ertränke, töte.</a> und Lüßling
<a href="#IDTLKMGRXZQ5J1KCAZL3QA05AXYHOMRGNVF50FOJKMNL3JDDPF1NJH">[*]
Ohr, Kragen, Hals.</a> abschneide;
Grantner, Klantvetzer
<a href="#IDT10ISDZUI5OEMUAJ44EMDYTM0J2UOF2WJKJZKXEQXKWS1LXLJEAF">[*]
Bettler, die Krankheiten vortäuschen, und Kirchweihstrolche.</a> geben ihm Geleite.
Gar wunderlich gehts jetzt in der Welt:
Wie trachtet man doch so nach Geld!
Herolde, Sprecher, Parzivante,
<a href="#IDP525JJX3PVGIEVOJOPW30D0ZWNQAAMWE4HNN5HOB040YU2IIYQHI">[*]
Persevanten (franz.
poursuivant), d. h. Herolde unteren Grades ohne Wappenrock.</a>
Tadelten einstmals öffentlich Schande
Und hatten dadurch Ehre viel;
Jetzt jeder
Narr laut sprechen will
Und tragen Stäblein rauh und glatt,
<a href="#IDIKSMHJGKKXPBLVG0T3D0KFIDBI052WE4ECQTZQITOF1VXDBY42SK">[*]
Wie sie die Herolde als Zeichen ihres Amtes tragen.</a>
Damit er werde vom Bettel satt.
Einem wärs leid, wenn heil das Gewand –
Bettler bescheißen jetzt alle Land –,
Aber sein Kelch muß silbern sein,
Gehn täglich sieben Maß hinein;
Der geht auf Krücken im Tageslicht,
Wenn er allein ist, braucht er sie nicht;
Dieser kann fallen
<a href="#IDGE3JFVTIVAAKI5TWSOUZADT1AJKLQCTW0EXXNYHMQVY33FJRQZUM">[*]
D. h. versteht es, sich epileptisch zu stellen.</a> vor den Leuten,
Daß jedermann möcht auf ihn deuten;
Der borget andern die Kinder ab,
Daß er einen großen Haufen hab,
Belädt einen Esel mit Körben schwer,
Als wenn er Sankt Jakobs
<a href="#IDJQG1YMJLBGRLNQ55WS1L5XUFOBDIZW5VU0S1UCHU1ZTNJIPMCCL">[*]
St. Jakobus von Compostella in Spanien, als fernster Wallfahrtsort genannt.</a> Pilger wär.
Der geht hinkend,
der muß sich bücken,
Der bindet sich ein Bein auf Krücken
Oder ein Totenbein unters Wams.
Wenn man recht schaute nach den Wunden,
Säh man, wie das wär angebunden.
<a name="page225" title="cal/quantenspringer" id="page225"></a>
Noch bin ich nicht am Bettelziel,
<a href="#IDIUKLWVM3U2K1DIX3PDFSADWNXHZGZMIVZKYJNVLNXUEVBFW5KWNF">[*]
Zuom bättel loß ich mir der wile, d. h., hierbei will ich etwas ausführlicher verweilen, ich lasse mir Zeit.</a>
Denn es sind leider Bettler viel
Und werden stets noch mehr und mehr,
Denn Betteln – das schmerzt niemand sehr,
Nur den, der es aus Not muß treiben;
Sonst ists gar gut ein Bettler bleiben:
Vom Bettelwerk verdirbt man nit,
Viel schaffen Weißbrot sich damit
Und trinken nicht den schlichten Wein:
Es muß Reinfall,
<a href="#IDSUBDQGWDRM4VOLIYRF1L0OA5OCIAKG1E14RV0HHRGCFNV5SA5HSJ">[*]
Schwerer süßer Wein von Rivoglio in Istrien; auch der Elsässer stand in besonders gutem Rufe.</a>, Elsässer sein.
Gar mancher verläßt auf Betteln sich,
Der spielt, hurt, hält sich üppiglich;
Denn hat er verschlemmt sein Gut und Hab,
Schlägt man ihm Betteln doch nicht ab:
Ihm ist erlaubt der Bettelstab.
<a href="#ID3ZDIPPXGUIAGG0N13V50XJLPJBIJHLEC3TL3KLJ3APBPN22EX4HK">[*]
Die Bettler trugen weiße Stäbe.</a>
Mit Betteln nähren viele sich,
Die reicher sind als du und ich!
<a name="page226" title="cal/quantenspringer" id="page226"></a>
<a name="page227" title="cal/quantenspringer" id="page227"></a>
Mancher, der ritte gern spat und früh,
Käm er vor Frauen nur dazu:
Die lassen dem Esel selten Ruh.
Von bösen Weibern
In meiner Vorred hab ich schon
Erklärt, getan Protestation,
<a href="#IDNLZXTTDHHC3MKHUXF2RMR3TGAFH23IMZ2ORCBTO4LR432IC25JYP">[*]
D. h. Verwahrung eingelegt, beteuert; vgl.
Vorrede V. 123 ff.</a>
Ich wollte der
guten Frauen nicht
Mit Arg gedenken in meinem Gedicht;
Aber man würde bald über mich klagen,
Wollte ich nichts von den
bösen sagen.
Eine Frau, die gern von Weisheit hört,
Die wird nicht leicht zur Schande betört;
Eine gute sänftigt des Mannes Zorn.
Ahasverus
<a href="#IDP2H10KTPAAMYIXHJKGY5O1BCGG1DUKCFJJ4AONSVMEJAWFXBFKH">[*]
Vgl. Esther 8, 3 ff.</a> hatt' einen Eid geschworn,
Doch Esther machte ihn weich und lind;
Abigail beschwichtigte David geschwind.
Eine böse Frau gibt bösen Rat,
Wie Ochosias Mutter
<a href="#ID25H0J45RZ0S4MBRP45PI5ITKANBVCGW5XFNYHALV5POOEGXQCGI">[*]
Gemeint ist Athalja; vgl. 2. Könige 11, 1 ff.</a> tat;
Herodias
<a href="#IDEIRHM3YPDGS0LCFXUJEUMSHRNJFPFERVAJGYHNONIA2I50M1IXTK">[*]
Vgl. Matthäus 14, 6 ff.</a> ihre Tochter hieß,
Daß man den Täufer köpfen ließ;
Durch Frauen Rat ward so verkehrt
Salomo, daß er Abgötter ehrt'.
<a href="#IDYOVDVTIABMTWF4YELQUY0SN0CE4W4EWZDVY13GDJI0GW4XRGPW0">[*]
Vgl. 1. Könige 11, 1 ff.</a>
Eine Frau wird bald zu einer Hätze,
<a href="#IDAXJTKFRXWSB5KT3EJXN0VPJJGTTL4VX2UJ34LIAKNJI1GMEYY3F">[*]
Elster.</a>
Wenn ihr sonst wohl ist mit Geschwätze,
Sie schnattert »lip lep« Tag und Nacht.
Pieris
<a href="#IDCD4DFEMOL13VKTJ55NMPR4IDUO1EDBLVF3GLJMK3EO114KBDX4CD">[*]
Die Pieriden ließen sich mit den Musen in einen Wettkampf ein und wurden nach ihrer Niederlage, als sie sich in Schimpfreden ergingen, in Elstern verwandelt; nach Ovids Metamorphosen V, 295 ff.</a> hat viel Junge gebracht,
Deren Zunge ist so wohl vergiftet,
Daß sie wie Kohle Feuer stiftet;
Die klagt,
die klatscht, die dritte lügt
<a name="page228" title="cal/quantenspringer" id="page228"></a> Und hechelt durch, was kriecht und fliegt,
Die vierte zankt auf der Lagerstatt,
Der Ehmann selten Frieden hat,
Muß hören oft noch Predigt an,
Wenn ein Barfüßer
<a href="#IDG13X35OE5EUZHXGLQC04MSJSZEXBQBHYWPPPEWWXIHMPCHBGRQ">[*]
Die Mönche müssen nachts zur Hora in die Kirche.</a> liegen und schlafen kann.
Es zieht die Strebkatz
<a href="#ID0AQPBRGJH5O0H2EPXO0NSK41LCCYHX4QWVRB1DOCCYIFFBRMRG2D">[*]
Ein Kinderspiel, bei dem die Köpfe zweier Kinder mit einem Tuch zusammengebunden werden und eines das andere mit dem Nacken vom Platze wegzuziehen sucht; sprichwörtlich für zanken, raufen.</a> mancher Mann,
Der doch das Mehrteil nie gewann.
Manche Frau ist fromm und verständig genug
Und ist dem Mann allein zu klug,
Weil sie's von ihm nicht leiden mag,
Daß er sie lehr, ihr etwas sag.
Es kommt ein Mann gar manche Stund
Ins Unglück durch der Gattin Mund,
Amphion
<a href="#IDVLHGYH4QFPIPG5V1C1AJI2BDDBGCFDE5UGC3DAENVFITXLRBMHXJ">[*]
Durch Niobe, nach Ovids Met. VI, 146 ff.</a> dies zu Theben geschah,
Als er die Kinder all sterben sah.
Wenn Frauen sollten reden viel,
Dann käm Calpurnia
<a href="#IDGVKVPLFFYH5EI00NFX0QWJHK2N04THZ5J1WX5NP3PE22EHEA2QRP">[*]
Im alten deutschen Recht eine berufene Frau, deren ungebührliches Betragen vor Gericht die Bestimmung veranlaßte, daß Frauen nicht ohne einen Fürsprecher vor Gericht auftreten durften.</a> bald ins Spiel.
Eine böse Frau zur Bosheit neigt,
Die Herrin Josephs
<a href="#IDVEGHSAP5IDBQF3ROFAFBEM03ZGH3S3O3PH1FSEPYPD4LKALTREFB">[*]
Frau des Potiphar, vgl. 1. Mose 39, 7 ff.</a> uns dies zeigt.
Keinen größern Zorn man jemals spürt,
Als wenn ein Weibsbild zornig wird,
Die wütet, wie die Löwin schnaubt,
Der man die Jungen hat geraubt,
Wie eine Bärin, die da säugt:
<a name="page229" title="quantenspringer/cal" id="page229"></a> Medea dies und Prokne
<a href="#IDEDHE1QEK1HUTISHGYODN1QEFYNJRRQ0SRA4HOGDEYL0FUH4LTRJE">[*]
Gattin des Tereus, die ihre vergewaltigte Schwester Philomela rächte, indem sie Tereus den eigenen Sohn zur Speise vorsetzte; Ovids Met. VI, 587 ff.</a> zeigt.
Wenn man die Weisheit ganz ergründet,
Kein bittrer Erdenkraut man findet,
Als Frauen, deren Herz ein Garn
Und Strick, darein viel Toren fahrn.
<a href="#ID30JMVNN1YJZVCJ0SRHN5IOISJIEDGHRYUP0Z1GAB5DNFVSYJH3I">[*]
Prediger Salomo 7, 26. 27.</a>
Durch drei Dinge wird die Erde erregt,
Das vierte sie nicht mehr erträgt:
Ein Knecht, der Herr geworden ist,
Ein Narr, der sich gern überfrißt,
Ein neidisch, bös und giftig Weib,
Wer die vermählet seinem Leib;
Das viert' all Freundschaft ganz verderbt:
Eine Dienstmagd, die ihre Frau beerbt.
<a href="#IDCZ0XHDOOC3HZMUMY0SJGZPQFSCFPFU04GSQNV3OB33IJA5VJECEH">[*]
Sprüche Sal. 30, 21–23.</a>
Drei Dinge man nicht sättigen kann,
Das vierte schreit: »Trag mehr heran!«
Eine Frau, die Hölle, das Erdenreich,
Die schlucken des Wassers Güsse sogleich,
Nie sagt das Feuer: »Nun höre auf!
Ich habe genug; trag nimmer zu Hauf!«
<a href="#ID2E1XISSZMQGFL1TOAS2M3XD5COIV0QZATVDUDRM1J4J5GROWJPPL">[*]
Sprüche Sal. 30, 15. 16.</a>
Drei Dinge ich nicht erkennen kann,
Ins vierte Einsicht ich nie gewann:
Wie in der Luft ein Adler fliegt,
Auf glattem Fels die Schlange kriecht,
Ein Schiff einherfährt auf dem Meere,
Und wie ein Mann folgt kindischer Lehre.
Der Weg einer Frau dem ähnlich ist,
Die sich zum Ehbruch hat gerüst't,
Die schleckt und wischt den Mund sich noch
Und spricht: »Nichts Böses tat ich doch!«
<a href="#IDSBKCGEZSPPKFMEIAXM2JHUWELMFMEKPYEVOLXAKFUSIDIIW2R3WK">[*]
Sprüche Sal. 30, 18–20.</a>
<a name="page230" title="quantenspringer/cal" id="page230"></a> Ein rinnend Dach zu Winters Frist
Gleicht einer Frau, die zänkisch ist;
<a href="#IDFMXVKENALLHPHJIURJSKYXA4VBY402WSH0IQ4ZPEVK3SC1GRJ5LB">[*]
Sprüche Sal. 19, 13 (nach der Vulgata).</a>
Es hat an Höll' und Teufel genug,
Wer mit einer solchen zieht am Pflug.
Vasthi
<a href="#IDSJZNRJTL1MZOK5WWDWOP5WMXYLTDWM5AI4MI4CLG1ZZ54N4A3WBB">[*]
Vgl. Esther 1, 12 ff.</a> der Nachkommen viel gewann,
Die wenig achten ihren Mann.
Von
solchem Weib sei nichts gesagt,
Das anzurichten ein Süpplein wagt,
Wie Agrippina und Pontia,
<a href="#IDV2H2N0M0ZQBGLZ4APGWGYIWCEN3UTJHQZWO0VEMXSSKLPSRP544P">[*]
Berühmte Giftmischerinnen des römischen Altertums, die ihre Männer ermordeten; nach Juvenal VI, 620 u. 638.</a>
Die Beliden
<a href="#IDCSSRNPDWATE1CV2D45NEU35XMEGSJSDJAFFCGZCGAPUX3RUQLBRE">[*]
Die 50 Töchter des Danaos, daher auch Danaiden genannt, töteten bis auf eine ihre Verlobten und mußten dafür in der Unterwelt endlos Wasser in ein durchlöchertes Faß füllen; hier wieder nach Juvenal VI, 655 ff.</a> und Klytämnestra,
Die ihren Mann erstach im Bett,
Wie mit Pheräus
<a href="#IDXE3MZWSN1F4ADSJAIZN2HZ3VSLPRYF02Z00JHZL2BAAYKML5RPIJ">[*]
Alexander Pheraeus; nach Ovids Elegie
Ibis, V. 321 f.</a> die Hausfrau tat.
Gar selten ist eine Lukrezia
Oder des Cato Porzia;
Leichtfertige Frauen findet man viel,
Denn Thais
<a href="#ID4GRO32ED2OKSJPRKAUPAZ45MDDBOYXRQIBXYZJCJE5D5MZFH0WIB">[*]
Name verschiedener Buhlerinnen; hier nach Ovids
Remedia amoris, V. 383 ff.</a> treibt gar oft ihr Spiel.
<a name="page231" title="quantenspringer/cal" id="page231"></a>
<a name="page232" title="quantenspringer/cal" id="page232"></a>
Viel Aberglauben man jetzt braut;
Aus Sternen man die Zukunft schaut;
Ein jeder Narr fest darauf baut.
Von Beobachtung des Gestirns
Der ist ein Narr, der mehr verheißt,
Als er in seinen Kräften weiß
Oder er je vollbringen kann.
Verheißen steht den Ärzten an,
Doch ein Narr verspricht an einem Tag
Mehr, als die Welt je leisten mag.
Das Künftge füllt jetzt jedes Hirn,
Was Firmament sowie Gestirn
Und der Planeten Lauf uns sage
Oder Gott in seinem Rat anschlage.
Man meinet, daß man wissen solle,
Was Gott all mit uns wirken wolle,
Als ob Gestirn Notwendiges bringe
Und
ihm nachgingen alle Dinge
Und Gott nicht Herr und Meister war,
Der eines leicht macht, andres schwer,
Und schafft, daß manch Saturnuskind
<a href="#IDMTRBVATZTUSPP2NQPSIU1NAVYKN31NCXN3DUPMHG23EMWMSSHOIO">[*]
Das Gestirn des Saturnus galt als unheilvoll.</a>
Doch fromm-gerecht sein Heil gewinnt,
Dagegen Sonn' und Jupiter
<a href="#IDQL5YPBBNS1VAFJGY1SUIJJE5W0NJHVSS2OAEEL0VZ4C3S1PTYVE">[*]
Jupiter und die Sonne sollten den in ihren Zeichen geborenen Kindern Glück bringen.</a>
Oft böse Kinder haben mehr.
Einem Christenmenschen nicht zusteht,
Daß er mit Heidenkunst umgeht
Und merkt auf der Planeten Lauf,
Ob dieser Tag sei gut zum Kauf,
Zum Bauen, Kriegen, Eheschließen,
Zur Freundschaft und was ähnlich diesen.
All unser Wort, Werk, Tun und Lassen
Soll sein aus Gott und Gott umfassen.
<a name="page233" title="quantenspringer/cal" id="page233"></a> Darum auch
der Gott nicht vertraut,
Wer so auf die Gestirne baut,
Daß Stunden, Monde, Tag und Jahre
So glücklich seien, daß man wahre
Sich vor und nach und läßt das sein,
Was nicht zu
dieser Zeit kann sein,
Daß es nur nicht geschehen mag
An einem unglücksvollen Tag.
<a href="#IDYFP5P2UL5LF0E1ZKWYBXICRIFIJODUG5EARCD3ETLLV3LBD5WLWM">[*]
verworffen tag, lat.
dies nefastus, der unter einer unheilvollen Konstellation steht.</a>
Denn wer nicht etwas Neues bringt
Und um das Neujahr geht und singt
Und Tannengrün steckt an sein Haus,
Der meint, er leb' das Jahr nicht aus;
Das hielt Ägypten
<a href="#IDIM3JQG4K0AW5KF5EKKFC51TVQGMJKWC5RAIZXZELIND1IOJIB1VE">[*]
Die Ägypter galten als besonders abergläubisch.</a> schon für wahr!
Desgleichen, wem zum neuen Jahr
Von anderen nichts wird geschenkt,
Der meint, daß schlecht das Jahr anfängt.
So gibts Unglauben allerlei
Mit Wahrsagung und Vogelschrei,
Mit Formeln, Segen, Träumenbuche,
Und daß man bei dem Mondschein suche
<a href="#ID0ZHOTEDR2VFUOKYHYXE0LRABMDOSGGHKUWGNH514FEXFH0HWGVG">[*]
Mitt caracter / sägen / treümerbuoch / Und das man by dem mondschyn suoch, vgl. Anm. 5 zu Kap. 38.</a>
Oder der schwarzen Kunst nachjage;
Nichts gibt es, dem man nicht nachfrage.
Ein jeder schwört, es fehl ihm nit,
Doch fehlts um einen Bauernschritt.
<a href="#IDYRHIBRPFGUBZGTWMK0X2EC0CNBL4PAFX1WL55UGNZ4DV5EWKWRAM">[*]
Mitt caracter / sägen / treümerbuoch / Und das man by dem mondschyn suoch, vgl. Anm. 5 zu Kap. 38.</a>
Nicht daß der Sterne Lauf allein
Sie deuten – jedes Ding so klein,
Das Allerkleinste im Fliegenhirn
Will man jetzt lesen aus dem Gestirn,
<a name="page234" title="quantenspringer/wedi" id="page234"></a> Und was man reden, raten werde,
Wie einer Glück hab – die Gebärde
Und Absicht, Unfall, Kränklichkeit
Wird frevelnd aus Gestirn prophezeit.
In Narrheit ist die Welt ertaubt
<a href="#IDEX2HLEZHTMHSGTXQCBL5QQV2YDBV3SR2TZ5PTVMP1TZRCBCDFNAM">[*]
D. h. unsinnig, toll geworden.</a>
Und jedem Narren man jetzt glaubt.
Viel Praktik
<a href="#IDCA1KSOWXEVWDMMFHJ40A1VPPVGV5LSMOZJMPBQJW1IELV315BWKL">[*]
So nannte man die Kalenderregeln und Wetterprophezeiungen.</a> und Weissagekunst
Verbreitet jetzt der Drucker Gunst;
Die drucken alles, was man bringt
Und was man schändlich sagt und singt.
Da schaut nun niemand strafend drein,
Die Welt, die will betrogen sein!
Wenn man
die Kunst jetzt trieb und lehrte
Und nicht so sehr zur Bosheit kehrte
Und was sonst Schaden bringt der Seel,
Die Moses trieb und Daniel,
So wärs nicht eine böse Kunst,
Sie wäre Ruhmes wert und Gunst.
Jetzt weissagt man, das Vieh werd sterben,
Oder wie Korn und Wein verderben,
Wann es geb Regen oder Schnee,
Wann schön es sei, der Wind wohl weh'.
Die Bauern fragen nach solcher Schrift,
Dieweil es ihren Gewinn betrifft,
Daß sie Korn hinter sich und Wein
Behalten, bis die teurer sei'n.
Als Abraham las in
solchem Buche,
In Chaldäa auf der Sternensuche,
<a href="#IDQ3ZN3MAHNLOQB55KL1PXD2TJLGDBURDXWYDBFGOA1AYN2221APEL">[*]
Vgl. 1. Mose 15.</a>
Entbehrte Licht und Trost er sehr,
Die sandt in Kanaan ihm der Herr.
<a name="page235" title="quantenspringer/wedi" id="page235"></a> Mit ernstem Sinn verträgt sichs nicht,
Wenn man von solchen Dingen spricht,
Als wollte man Gott damit zwingen,
Sie
so, nicht anders zu vollbringen.
Erloschen ist Gottes Lieb und Gunst,
Drum sucht man jetzt des Teufels Kunst.
Als König Saul verlassen war
Von Gott, rief er des Teufels Schar.
<a href="#IDW2ZN5T1FC3V2D3JPODPMT1MNLLI5HVS4BZVNCGFQ4LAVOLXRVBRM">[*]
rüfft er den tüfel an, vgl. 1. Samuel 28, 5 ff.</a><a name="page236" title="quantenspringer/wedi" id="page236"></a>
<a name="page237" title="quantenspringer/wedi" id="page237"></a>
Wer ausmißt Himmel, Erd und Meere
Und darin sucht Lust, Freud und Lehre,
Der schau, daß er dem Narren wehre.
Alle Länder erforschen wollen
Ich halt auch den nicht für ganz weis,
Der allen Sinn braucht, allen Fleiß,
Wie er erkunde Stadt und Land,
Und nimmt den Zirkel in die Hand,
Daß er dadurch berichtet werde,
Wie breit, wie lang, wie weit die Erde,
Wie tief und fern sich zieh das Meer,
Was festhalte die letzte Sphär;
<a href="#ID4F30NOCFSX4SKWUUQJ23IFYKAL0U1YCTB3VOWXJXBND3UVQTJJFJ">[*]
den letsten spör, d. h. den äußersten Erdkreis (mhd.
spoere, lat.
sphaera; in Lochers lat. Übersetzung mit
circinus = Zirkel, Kreis wiedergegeben).</a>
Wie sich das Meer am Ende der Welt
Hält, daß es nicht zu Tal abfällt;
Ob um die Welt man fahren kann;
Welch Volk man treffe gradweis
<a href="#IDWJ40JPYBWQMRILCMFWHBZZM2PB3SQG1UJ5E4RONG33K3JQMXYWJB">[*]
under yeder schnuor, d. h. unter den einzelnen Graden.</a> an;
Obs unter unsern Füßen gebe
Auch Leute, ob dort nichts mehr lebe,
Und wie man sich dort aufrecht hält,
Daß man nicht in die Lüfte fällt;
Wie man mit einem Stab schlägt an,
<a href="#IDUXI2HLNSRRBHC5B5WGJ2W5OXJOCLWBLYPLAVL150KFOHJYNAKFO">[*]
Berechnet.</a>
Daß man die Welt durchmessen kann.
Archimenides,
<a href="#IDODRASS4FQKWWD0VUYQ4PAMZI4MQUNKO3SMGCRUCHQWZTG2NJWKJC">[*]
Archimedes, einer der bedeutendsten griechischen Mathematiker und Physiker, der bei der Eroberung von Syrakus 212 v. Chr., in mathematische Probleme vertieft, von einem römischen Soldaten erschlagen wurde.</a> der wußte viel,
Der macht' im Sande Kreis und Ziel,
Daß ihm durch Rechnen würd viel kund,
Und wollte nicht auftun seinen Mund;
Er fürchtete, es könnt sein Hauch
Verwehen seine Kreise auch,
<a name="page238" title="quantenspringer/wedi" id="page238"></a> Und eh er reden wollte ein Wort,
Ertrug er lieber selbst den Mord.
In Meßkunst war er sehr behende,
Konnt doch ausecken nicht sein Ende.
Dikäarchus
<a href="#IDNQPF3G2UJRIEKBGVTQFPHOL5RF2MQZP2JFUJG3LOAIPABCD2S1R">[*]
Griechischer Philosoph und Geograph, Schüler des Aristoteles (um 320 v. Chr.).</a> befliß sich dessen,
Die Höhe der Berge auszumessen,
Und fand, daß Pelion höher was
Denn alle Berge, die er maß;
Doch maß er nicht mit seiner Hand
Die Alpen hoch im Schweizerland
Und maß auch nicht, wie tief das Loch,
Da er hin mußt und sitzet noch.
Ptolemäus
<a href="#IDGEZZK354JV5LB0JV4NWBHPXUQMQCIVUVSJYT0BJC2WBCO0T2UNQJ">[*]
Claudius Ptolemäus (um 85-160 n. Chr.), der berühmteste Geograph, Astronom und Mathematiker des Altertums, dessen geozentrisches Weltsystem bis ins 16. Jh. hinein beherrschend blieb.</a> wußte auf den Grad,
Welch Länge und Breite das Erdreich hat;
Die Länge zieht er vom Orient
Und endet sie im Okzident,
Daß hundertachtzig Grad er macht,
Sechzig und drei gen Mitternacht
Die Breite vom Äquinoktial,
<a href="#IDZ0K0Z5ZXBMOJMKT5VEDHSS32SJH0FESO0ZG1VCTDS4XC1BEXJNC">[*]
Die ältere Bezeichnung des Äquators.</a>
Nach Mittag hin ist sie mehr schmal:
Er findet fünfundzwanzig Grad
Des Lands, so man erkundet hat.
Das rechnet Plinius
<a href="#ID4WCHOPCCEHMLJYR00SXH0K5JGEBYJEPOV2VGJ2ELOVZZRT0IMXNF">[*]
Plinius d. Ä. (23-79 n. Chr.), römischer Gelehrter und Naturforscher, der eine umfangreiche naturwissenschaftliche Enzyklopädie in 37 Büchern schrieb, die
Historia naturalis.</a> schrittweis aus,
Und Strabo
<a href="#IDDRQYNO2WCPHBOHC0YYWLIEQMTPNOELKLYCDFOUMBIN4B53L4QHVK">[*]
Ein weitgereister griechischer Geograph († 20 n. Chr.).</a> machte Meilen draus.
Doch hat man noch gefunden viele
<a name="page239" title="quantenspringer/wedi" id="page239"></a> Der Länder hinter Norwegen und Thyle:
<a href="#IDQ4IIN0OAYICJBZTEYC3TP1TOOLEFMNRGNP0XS4DPCAIZGN2TSYTM">[*]
Thule, im Altertum eine sagenhafte Insel im äußersten Norden.</a>
Wie Island und Pylappenland,
<a href="#ID55M1LXR5GTJONXPSHSIJVPKHNEYXYZ3ZTKQT12FCUOXDMDRZCE1M">[*]
Lappland.</a>
Die vordem man noch nicht gekannt.
Man hat seitdem von Portugal
Und von Hispanien überall
Goldinseln gefunden und nackte Leut,
Von denen gewußt man keinen Deut.
Marinus
<a href="#IDAIOQR3PQAFSKBB5ZDKK01F3VJJ51PTBMKPRP5ZC52A4PU2Z3KFZJ">[*]
Marinos von Tyros (um 100 v. Chr.), ein griechischer Geograph, der von Ptolemäus berichtigt wurde.</a> hat nach dem Meer die Welt
Berechnet und darin arg gefehlt;
Plinius, der weise Meister, spricht,
<a href="#IDPS4JZX35PJNVIAEHWDGKNA4E5NZ0EHD3L335OVIURFAL0RDGKPNB">[*]
Vgl.
Historia naturalis II, 1.</a>
Es zeuge von Verständnis nicht,
Wolle man die Größe der Welt verstehn
Und drüber hinaus vorzeitig gehn
Und rechnen weit bis hinters Meer.
Denn Menschengeist irrt darin sehr,
Daß er solches berechnet alle Zeit
Und weiß mit eignem Maß nicht Bescheid
<a href="#ID02OXQKTWTDOKKSKJEAYJP2AXAIEYVOJXMBXBPBLVDHEXYMZNQVYF">[*]
Im Original:
Und kan sich selb uß rächen nitt.</a>
Und meint,
die Dinge zu verstehn,
Welche die Welt nie in sich gesehn.
Herkules soll haben ins Meer
Gesetzt zwei eherne Säulen schwer,
Die eine, wo Afrika begann,
Die andre fängt Europa an;
Er hatte wohl acht auf das Ende der Erd
Und wußt nicht, was ihm für ein Ende beschert,
Denn der all Wunderwerk veracht't,
Der ward durch Frauenlist umgebracht.
<a href="#ID145VM5IWN0VIDY3ZN22FWM4B1FCDRY5BWY3WNPHYVYKASJJ4V0WC">[*]
Durch das Nessushemd, das ihm Dejanira schickte, um seine Liebe wiederzugewinnen; Ovids Met. IX, 152 ff.</a>
<a name="page240" title="quantenspringer/wedi" id="page240"></a> Bacchus zog um mit großem Heer
Durch die Lande der Welt und durch das Meer;
Es war sein Vorsatz ganz allein,
Daß jeder lernte trinken Wein,
Und wo's nicht Wein gab oder Reben,
Lehrt' er bei Bier und Met zu leben.
Silenus
<a href="#IDQ4Z00GC0HPDQMLNJFWBE24U3IIVVMU4DI5JTAJO44OZUELEEUMTP">[*]
Nach der antiken Sage der Erzieher des Bacchus, ein fast immer vom Wein berauschter und auf einem Esel reitender Satyr.</a> blieb auch nicht zu Haus,
Fuhr mit im Narrenschiffe aus
Und sonst Gesindel und Metzen viel
Mit großer Freude und Saitenspiel.
Er mußte ein Trunkenbold wohl sein,
Daß ihm so wohl war bei dem Wein.
Er brauchte sich nicht abzumühn,
Man lernt' das Trinken auch ohne ihn.
Man treibt mit Prassen noch viel Schande;
Jetzt fährt er erst recht um im Lande
Und macht gar manchen im Praß verrucht,
Des Vater nie den Wein versucht.
Aber was ist dem Bacchus geschehn?
Er mußte zuletzt von den Seinen gehn
Und fahren hin, wo er jetzt trinkt,
Was ihm mehr Durst als Freude bringt;
Wiewohl die Heiden ihn dennoch
Verehrten als Gott und hielten hoch,
Von denen gekommen ist hernach,
Daß man feiert im Land den Bacchustag,
<a href="#IDLPASMTEPR1ALDIDZLIJ50HD1NF1V1XSCQPD1HXHYFELBWF2SSBTH">[*]
Von denen kumen ist sytthar / Das man jm landt umb bächten far: gemeint ist der Tag der Frau Berchta, an dem man umherzog und Geld zu einem Festgelage sammelte; die Kirche gestaltete das Fest später zu dem der Heiligen Drei Könige um. Brant leitet das Wort (bechten = fechten als Ausdruck der Handwerkergesellen) in scherzhafter Etymologie von Bacchus ab.</a>
<a name="page241" title="quantenspringer/wedi" id="page241"></a> Und hat nach dem Tode
dem Ehre erdacht,
Der uns viel Übles nur gebracht.
Die schlechten Gewohnheiten währen lang,
Was Unrecht ist, nimmt Überhang,
Denn stets der Teufel dazu treibt,
Daß man in seinem Dienste bleibt. –
Doch will ich jetzt auch wieder kommen
Auf das, was ich mir vorgenommen;
Welche Not wohnt einem Menschen bei,
Daß er Größres suche, als er sei?
Er weiß nicht, was ihm Guts entspringe,
Wenn er erfährt so hohe Dinge
Und seines Todes Zeit nicht kennt,
Die wie ein Schatten von hinnen rennt,
<a href="#IDXPMKHNECWMGCHH45YWTGX0XTAEUV4ZZM1PHLZ2DI0DBVBDDN1CUL">[*]
Vgl. Psalm 144, 4.</a>
Ist auch die Kunst
<a href="#IDBJ5VNS0YW34RGKXPWFYBUQUBXOPRA4TTWULGLSJ1ZANGQZE4YIJK">[*]
Die Wissenschaft, von der dieses Kapitel handelt.</a> gewiß und wahr,
So ist das doch ein großer Narr,
Der es im Sinn wägt so geringe,
Daß er will wissen fremde Dinge
Und die erkennen eigentlich
<a href="#IDXDZCE2SUFMO4ENGD1ZYICCCSSKKNKQPRVSIW2WGGIYK4MRRZXWPL">[*]
D. h. nach ihren Eigenschaften.</a>
Und kann doch nicht erkennen sich,
Denkt auch nicht, wie er sich belehre.
Er sucht nur Erdenruhm und Ehre
Und denkt nicht an das ewige Reich,
Wie weit das ist und wundergleich,
Drin Wohnungen so viele sind.
Das Irdische macht Narren blind,
Die suchen Freud und Lust darin,
Zum Schaden mehr als zum Gewinn.
Viel haben erkundet fremdes Land,
Von denen keiner sich selbst erkannt.
<a name="page242" title="quantenspringer/wedi" id="page242"></a> Wer klug wird, wie Ulysses ward,
Der lange fuhr auf seiner Fahrt
Und sah viel Land, Leut, Stadt und Meere
Und mehrte in sich gute Lehre;
Oder wie tat Pythagoras,
<a href="#IDIM4KTECBXINUD234XZQ10RMTGPWALXBQVZ04DODFGRQWXOCRQ3">[*]
Griechischer Philosoph und Mathematiker (um 580-496 v. Chr.), der aus Samos stammte; die Angabe des Geburtsortes beruht wohl auf einer Verwechslung mit den von Porphyrius und Jamblichus überlieferten Studien, die Pythagoras für einige Jahre in Memphis betrieben haben soll (
De Vita Pythagorae 7).</a>
Der aus Memphis geboren was,
Oder wie Plato durch Ägypten kam,
Den Lauf dann nach Italien nahm,
Damit er täglich sich belehrte
Und seine Kunst und Weisheit mehrte;
Wie Apollonius
<a href="#IDBKPOISIGU5GPDW5TBZBQERNFKHMJ2ZWQ3GBJLZF2TWQOKGC4ARYI">[*]
Apollonius von Tyana, griechischer Philosoph und Wanderprediger zur Zeit Kaiser Neros; er wurde von der Nachwelt als Prophet und Wundertäter angesehen und in einem umfangreichen Werk Philostrats verherrlicht.</a> durchfuhr die Land',
Wo ihm Gelehrte waren bekannt
Und suchte sie auf und stellt' ihnen nach,
Daß er würd weiser jeden Tag,
Und überall fand, was ihn belehrte,
Von dem er vorher niemals hörte –
Wer jetzt
solch Reisen und Fahrten tät,
Daß er zunehme an Weisheit stet,
Dem wäre das besser zu übersehn,
<a href="#IDBDT5MVEW2RCZINCFM4J2SEWD0GL4N3WYFLMDIEUYLJLJAVG5THC">[*]
Nämlich die fehlende Selbsterkenntnis und Hinwendung auf das Reich Gottes (die Verse beziehen sich noch auf den
kursiv gedruckten Text zurück).</a>
Und doch wär nicht genug geschehn,
Denn wer den Sinn aufs Reisen richt't,
Der kann Gott gänzlich dienen nicht!
<a href="#IDV5M2BSJWSU4MOJXQFPVNBEO4HHFKYJ5IW20GODUUXVEZ5QHCMIC">[*]
Diese für Brant charakteristischen Verse, die man mit Kap. 34 vergleichen möge, lauten im Original:
Dann wem syn synn zuo wandeln stot / Der mag nit gentzlich dienen got.</a><a name="page243" title="quantenspringer/wedi" id="page243"></a>
<a name="page244" title="cal/quantenspringer" id="page244"></a>
Die Haut mitsamt dem Haar verlor
Besiegt Marsyas <a href="#IDVKWY2WAACCPZNM5XRWC1NVU4RE4FO1FBQCQH40O2SQ2JGNVCKOUE">[*] Der Satyr Marsyas forderte einst Apollo zum Wettkampf im Flötenspiel heraus und wurde besiegt an einem Baum aufgehängt und enthäutet; vgl. Ovids Metamorphosen VI, 382 ff.</a> einst, der Tor,
Und blies die Sackpfeif' nach wie vor.
Kein Narr sein wollen
Die Eigenschaft hat jeder Narr,
Daß er es nicht kann nehmen wahr,
Wie man sein spottet; drum verlor
Marsyas Haut und Haar, der Tor.
Denn Narrheit ist oft also blind,
Daß Narren stets der Meinung sind,
Sie seien weise, wenn man lache
Und Possenspiel mit ihnen mache;
Stellt er sich ernstlich zu der Sache,
Man ihn so lang für weise hält,
Bis ihm die Pfeif aus dem Ärmel fällt.
Viel Freunde hat, wer reich an Gut,
Dem hilft man, daß er Sünde tut,
Und jeder lugt, wie er ihn schinde;
Dies währt so lang, bis er wird arm,
Dann spricht er: »Ach, daß Gott erbarm!
Wie hau' ich vordem Nachlauf viel,
Und jetzt – kein Freund mich trösten will!
Hätt ich beizeiten das betrachtet,
Ich wär noch reich und nicht verachtet!«
Die größte Torheit ist fürwahr,
Wenn man verschlemmt in einem Jahr,
Womit man seine Zeit soll leben;
Wenn man durch Üppigkeit im Geben
Bald Feierabend hofft zu sehn,
Um dann – dem Bettel nachzugehn.
Wenn ihm dann stößt in seine Händ'
<a name="page245" title="cal/quantenspringer" id="page245"></a> Verachtung, Armut, Spott, Elend,
Und er zerrissen läuft und bloß,
So kommt ihm wohl der Reue Stoß;
Wohl dem, der Freunde sich erwirbt
Mit Gütern, die er, wenn er stirbt,
Muß lassen; jene stehn ihm bei,
Wie er auch sonst verlassen sei.
Dagegen ist manch Narr auf Erden,
Der annimmt närrische Gebärden,
<a href="#IDIOS3OWXNL4T4JRXL4WKB4EWWQPF2HBNG2PVMASNAIVP3VIAT5HHI">[*]
D. h. Betragen, Gebaren.</a>
Und zöge man ihm ab das Fell,
Blieb' doch der frühere Gesell,
<a href="#IDBYI5EPJCQIBZC2F1ZPCRDWZZDGAOMHTHFDV5IKGFOIVKWQE1HJCH">[*]
Im Original:
Und wann man jnn joch schünd und süt (schindete und siedete) /
So kund er doch gantz nütz dar mitt (so würde er doch gar nichts davon verstehen).</a>
Der etwa nur die Ohren schüttelt,
Will närrisch sein mit allem Fleiß,
Und doch lobt niemand seine Weis!
Wiewohl er gleich dem Narren tut,
Scheint doch sein Scherz niemandem gut.
Drum sprechen etliche Gesellen:
»Der Narr will sich gern närrisch stellen
Und kann nicht Weise noch Gebärd'!
Er ist ein Narr und gar nichts wert!«
Das ist ein seltsam Ding auf Erden:
Mancher will sein ein kluger Mann,
Der sich doch nimmt der Torheit an
Und meint, daß man ihn rühmen soll,
Sagt man: »Der kann die Narrheit wohl!«
Dagegen sind viel Narren auch,
Die ausgebrütet hat ein Gauch;
Die wähnen, daß sie klug gesprochen,
Es sei gehauen oder gestochen;
<a name="page246" title="cal/quantenspringer" id="page246"></a> Sie dünken sich für klug gezählt,
Da man sie doch für Narren hält.
Quetscht man auch einen Narren klein,
Wie Pfeffer in einem Mörserstein,
Und stößt ihn darin lange Jahr' –
Er bleibt ein Narr doch, wie er war.
<a href="#ID54X5SAUY0XTHD5OX2MSAPBGENBN4HCJ2MTAVHLCVQRJAF4OX0ED">[*]
Sprüche Salomonis 27, 22.</a>
Denn jedem Narren das gebrist,
Daß Wahnolf Trugolfs Bruder ist.
<a href="#ID23Z1I50R5J3CJLUPBX1RV1BTRP3CZIZWYRPE5BJNAOQ2NZYRYWIM">[*]
Das wonolff / btriegolfs bruoder ist; sprichwörtlich für: daß Wahn oder Einbildung den Menschen ständig täuschen und betrügen.</a>
Es ließ' sich mancher gern halb schinden,
An allen vieren mit Seilen binden,
Erwüchse ihm nur Geld daraus
Und hätt er Goldes viel im Haus;
Er litt' auch, daß er läg zu Bett,
Wenn er der
Reichen Siechtum
<a href="#IDY401Q42ALQG3OEEXHOXSV010LNEZ35Z41B2AOTLAK2YWA1JKDIF">[*]
Das Podagra.</a> hätt;
Er ließ' sich einen Buben schelten,
Wollt mans mit Zins und Gab entgelten.
Mit wenigem niemand sich begnügt,
Wer viel hat, mehr dazu noch fügt.
Aus Reichtum Übermut entspringt,
Denn Reichtum selten Demut bringt.
(Was soll ein Dreck, wenn er nicht stinkt?)
Viel sind allein und ohne Kind;
Ohn Bruder, ohne Freund sie sind,
Die werden nicht von Arbeit matt,
Ihr Auge macht kein Reichtum satt,
Sie denken nicht: »Wem wirk ich vor;
Wem spare ich, ich Gauch und Tor?«
Gott gibt gar manchem Gut und Ehr,
Und seiner Seele fehlt nichts mehr,
<a name="page247" title="vikbess/quantenspringer" id="page247"></a> Als daß ihm Gott nicht auch verleiht,
Daß er es brauch zur rechten Zeit
Und hab mit Maßen von
dem Genuß,
Was fremden Prassern er lassen muß.
Auch Tantalus
<a href="#IDHDD2PUUBUK55KUFLOSLYKLPR4J3EGKGBBL10J5CLEE4SBH3O1VPN">[*]
Nach der griechischen Sage wurde Tantalus, weil er die Geheimnisse der Götter ausplauderte und, um ihre Allwissenheit zu erproben, ihnen den zerstückelten Leichnam seines Sohnes als Mahl vorsetzte, in der Unterwelt dazu verdammt, im Wasser stehend Durst zu leiden und unter einem Baum mit Äpfeln zu hungern, da Wasser und Zweige vor seinem Zugriff immer wieder zurückweichen. Die Schlußfolgerung Brants (
Das schafft / das er jm selbs nit gan) erklärt sich nur aus dem Vergleich mit dem geizigen Narren, auf den er in der letzten Zeile wieder Bezug nimmt.</a> sitzt in Wassersflut
Und löscht doch nicht des Durstes Glut,
Und sieht er gleich die Äpfel an,
Hat er doch wenig Freude dran –
Dieweil sich selbst nichts gönnt der Mann!
<a name="page248" title="TBeaker/quantenspringer" id="page248"></a>
<a name="page249" title="FeGr/quantenspringer" id="page249"></a>
Wer mit Kindern und Narren sich befaßt,
Dem sei ihr Scherz auch nicht verhaßt,
Weil er sonst zu den Narren paßt.
Keinen Spaß verstehen
Ein Narr allein bemerkt wohl nicht,
Wenn er mit einem Narren spricht;
Ein Narr ist auch, wer widerbillt
Und sich mit einem Trunknen schilt,
Mit Narrn und Kindern scherzen will
Und übelnehmen Narrenspiel.
Wer will mit Jägern gehn, der hetze
Wer kegeln will, derselb' aufsetze;
Der heule, der bei Wölfen ist,
Der Sprech, ich lüg, dem nichts gebrist.
Denn Wort auf Wort ist Narrenweise,
Guts geben für Böses steht hoch im Preise.
Wer Böses gibt für Gutes aus,
Dem kommt das Böse nicht aus dem Haus;
Wer lacht, damit ein andrer weint,
Den trifft das gleiche, eh ers meint.
Ein Weiser gern bei Weisen steht,
Ein Narr mit Narren gern umgeht;
Daß keinen leiden kann ein Narr,
Macht seinen Hochmut offenbar.
Mehr Leid dem Narren dadurch geschieht,
Daß er noch etliche vor sich sieht,
Als Freud er hat, daß ihm die andern
Zu Füßen fallen und nachwandern.
Und daß du merkst, wie ich es meine:
Ein Stolzer wär gern Herr alleine!
Haman
<a href="#IDBIJ24MBX02NWDPN4QJFMMRFHUL2KATGI4OD5FIIBMC0XSW22L2D">[*]
Vgl. Esther 3, 2 ff.</a> fand nicht Gefallen dran,
Daß ihn verehrte jedermann,
Viel mehr der Kummer ihn beschwerte,
<a name="page250" title="Wassermann/quantenspringer" id="page250"></a> Daß Mardochai ihn nicht ehrte.
Man braucht auf Narren nicht zu merken,
Man kennt sie wohl an ihren Werken;
Wer weise sein wollt (wie jeder soll),
Der bleibt von Narren verschonet wohl.
<a name="page251" title="cal/quantenspringer" id="page251"></a>
<a name="page252" title="cal/quantenspringer" id="page252"></a>
Der in die Höhe wirft den Ball
Und glaubt nicht, daß zurück er fall',
Wer will die Leut erzürnen all.
Ungestraft Böses tun wollen
<a href="#IDYPDW3VLID5QPCRM2QJIC1IS0PJO2EJD3O2WH4E4FQPDZY5CDDKB">[*] Bos dun und nit warten, d. h. nicht erwarten, daß es auf den Urheber zurückfalle.</a>
Der ist ein Narr, wer andern tut,
Was
ihm von keinem scheint als gut.
Schau jeder, was er andern tu',
Damit man es auch ihm füg' zu.
Was einer rufet in den Wald,
Dasselbe ihm allzeit widerhallt;
Wer andre stößet in den Sack,
Wart selbst auch auf den Backenschlag.
Wer vielen sagt, was jedem gebrist,
Der hört gar oft auch, wer
er ist.
Was Adonisedech
<a href="#ID03ULSBMVIJYQJQIHDDHCV1O2R0NUC4MGSHWRRLNN4KT2HOQ2OD">[*]
Adonibesek; vgl. Richter 1, 6. 7.</a> war gewohnt
An andern, so ward ihm gelohnt;
Berillus sang selbst in der Kuh,
Die er gerüstet andern zu;
<a href="#IDWYVBFP1X2CWSFUSS4IV3L12CQNFOMIDDRJEQC0PYDZAV4FT3WJLC">[*]
Adonibesek; vgl. Richter 1, 6. 7.</a>
Das gleiche geschah auch Busiris,
<a href="#IDVY1JJAWS3CFTOSB5IBX0EM1VUO5EITO0YPK2HCFAEDM4C2DLD32M">[*]
Ein ägyptischer König, der die Fremden, die in sein Land kamen, opferte; vgl. Ovids
Ars amatoria I, 645 ff.</a>
Dem Diomed
<a href="#IDW4GIEQ10G1HBKVAKT4YW4ROFADKA2SJMBZEEV4LEUFPX3PEUFTTE">[*]
Ein thrakischer König, der seine Pferde mit Menschenfleisch fütterte und von Herkules den eigenen Pferden vorgeworfen wurde; vgl. Ovids Metamorphosen IX, 194 ff.</a> und Phalaris;
<a href="#IDNKDMFDKCHVGWGPOZDXTOWRVO2PJNBQKAHYJIJOITLACZ2MWI5ULE">[*]
Dieser wurde nach einem Aufstand ebenfalls im eisernen Stier verbrannt; nach Cicero und Plinius.</a>
Mancher gräbt andern wohl ein Loch,
Darein er dann fällt selber doch.
Einen Galgen Haman andern baute,
Daran man ihn bald selber schaute,
<a href="#IDNFIXB0VONXWMIFSOQWABZOPQNLNMXADUDLDUDILSNAWYULCX4VO">[*]
Vgl. Esther 7, 10.</a>
Trau jedem wohl, doch sieh dich für!
<a name="page253" title="wedi/quantenspringer" id="page253"></a> Vertraun ist mißlich jetzt, glaub mir!
Schau erst, was hinter jedem steck':
Denn
Trauwohl ritt viel Pferde weg!
<a href="#IDHW0B0ED3QJGZFOSMMMKLQ5FXTHEDVII110XK3KCYUKRBHQC22FFI">[*]
Ein sehr verbreitetes Sprichwort, mit dem Sinn: allzuviel Vertrauen bringt Schaden.</a>
Iß nicht mit einem neidischen Mann;
Geh nicht zu Tisch mit ihm heran,
Denn er von Stund an Pläne macht,
An die du nie bei dir gedacht.
Er spricht: »Freund, iß und trink mit mir!«
Doch ist sein Herz weit weg von dir,
<a href="#IDOWQLRRWUCFIHP3AN3J14CXUIRDZ14BOJ1MOOCOOLKCTPMPROEA4K">[*]
Sprüche Salomonis 23, 6. 7.</a>
Als ob er spräch: »Wohl gönn ichs dir,
Als hätt's ein Dieb gestohlen mir!«
Es lacht dich mancher an im Scherz,
Der insgeheim gern äß dein Herz.
<a name="page254" title="wedi/quantenspringer" id="page254"></a>
D.h. vor Hunger an den Fingern saugen wie die Bären, von denen man erzählte, daß sie sich im Winter in ihren Höhlen das Fett aus den Pfoten saugten.</a><a name="page255" title="wedi/quantenspringer" id="page255"></a>
Du mußt im Sommer die Heugabel drehn,
Willst du im Winter nicht hungrig gehn
Und oft den Bären tanzen sehn. <a href="#IDTWS2HDNVH0I5CNOXMD0F45QSQNTIZ0CVFBNCHHLERACM5FFNER4P">[*]
Nicht beizeiten vorsorgen
Man findet hier gar manchen Toren,
Der ist ins Trödeln so verloren,
<a href="#IDK415ZVMAFBMALMTO1MQZLMKMULXOPVXBJCVA5VGTJHBDLCXJLDJO">[*]
eyn wättertrentsch, d.h. einer, der jedesmal das geeignete Wetter, die rechte Zeit vertrödelt.</a>
Daß er sich nie recht schicken kann
Zu allem, was er je fängt an.
Kein Ding beizeiten er bestellt,
Nichts über Nacht hin er behält,
Als daß er so gleichgültig ist
Und nicht bedenkt, was ihm gebrist,
Und was er haben muß zur Not.
Selbst wenn ihm diese es gebot,
Denkt er nicht weiter alle Stund
Als von der Nase bis zum Mund.
Nur wer im Sommer sammelt mit Fleiß,
Daß er im Winter zu leben weiß,
Den nenn ich einen weisen Mann.
<a href="#IDAISA35WST5ETKTDZU44LAPRFOI1TIKILE1KSLLK1PD0HUOOADKK">[*]
Vgl. Sprüche Salomonis 10, 5.</a>
Doch wer im Sommer ruhen kann
Und schlafen allzeit an der Sonnen,
Muß haben Güter schon gewonnen,
Oder muß durch den Winter sich
Behelfen schlecht und kümmerlich,
Muß saugen an den eignen Pfoten,
Bis er dem Hunger Halt geboten.
Wer nicht im Sommer machet Heu,
Der läuft im Winter mit Geschrei,
Hat wohl zusammengebunden das Seil
Und ruft, daß man ihm Heu geb' feil.
<a name="page256" title="wedi/quantenspringer" id="page256"></a> Der Träge im Winter ungern pflügt,
Im Sommer er am Bettel liegt
<a href="#IDIBMN2F5QFQ13FAWWZS3NU4R21H5F4XI5DFWA3KPA0EFNHKKXA5OB">[*]
Vgl. Sprüche Sal. 20, 4; daher treffen die Verse eigentlich nur für das Klima Palästinas zu und widersprechen den vorhergehenden.</a>
Und muß manch böse Zeit ertragen,
Viel heischen, wenig nur erjagen.
Geh hin zur Ameis, Narr, und lern!
Bei guter Zeit versorg dich gern,
Daß du nicht müssest Mangel leiden,
Wenn andre nachgehn ihren Freuden.
<a href="#ID30XYFDUFT2Y3HNKSBN0SPBAYKLLPCYWADBVBK0O52YC3Q3Y1XX5P">[*]
Vgl. Sprüche Sal. 6, 6–8.</a><a name="page257" title="wedi/quantenspringer" id="page257"></a>
<a name="page258" title="wedi/quantenspringer" id="page258"></a>
Gar oft die Hechel der empfind't,
Wer immer zanket wie ein Kind
Und machen will die Wahrheit blind.
Zanken und vor Gericht gehn
Von solchen Narrn will ich auch sagen,
Die in jeder Sache wollen tagen
<a href="#IDFQZCNBNTX35EN5PUYSKVVTGMWF54K3G0D5TEETCXWX4Q5DOPOYLG">[*]
D.h. einen Gerichtstag anberaumen, prozessieren.</a>
Und nicht mit Güte sich vergleichen,
Um einem Zank gar auszuweichen;
Damit die Sache lang sich ziehe,
Man der Gerechtigkeit entfliehe,
Lassen sie bitten sich, treiben, mahnen,
Ächten, ausläuten und verbannen,
<a href="#IDUPRKEH55NVZWE4QWWQCWL125HJYYCN2SOVJWSXERPO2CAUAL4DGO">[*]
Die Ächtung erfolgte durch das weltliche Gericht, die Verbannung durch das geistliche. Der Kirchenbann wurde durch Glockengeläut bekanntgegeben.</a>
Versteifen sich drauf, daß sie das Recht
Wohl biegen, daß es nicht bleib schlecht,
<a href="#IDKLUMCKON101MGIRRTXGOKAVYVFNAFVNGQ1JSXJJKVK505PZO5EPP">[*]
D.h. schlicht, gerade.</a>
Als ob es wär eine wächserne Nase.
Sie denken nicht, daß
sie der Hase,
Der in der Schreiber Soße schwimmt.
Vogt, Advokat, wer sonst noch stimmt
Und hat Gewalt,
<a href="#IDQG1GYB5XSXHOOIMLM5JH3OTQQGBTLWJ5AYADGYGGD3W0HJT5DSQC">[*]
Der vogt / gwalthaber / und fürmundt / Und advocat: der erstere bezeichnet den Richter, während zwischen dem Bevollmächtigten, dem Fürsprecher und dem Advokaten kein wesentlicher Unterschied besteht.</a> will auf dem Tisch
Auch haben einen Zuber Fisch.
Die können dann die Sache breiten,
Ihr Garn wohl nach dem Wildbret spreiten,
So daß ein Sächlein wird zur Sache,
Ein kleines Rinnsal wird zum Bache.
Man muß jetzt teure Redner dingen
Und sie von fernen Landen bringen,
Daß sie die Sache wohl verklügen
<a href="#IDH0F2EZAAD0MBNXAS0NQF3OAQLN55AKM2VXX4MAHKV5QWE2IF03IB">[*]
D.h. durch spitzfindige Reden drehen und wenden.</a>
Und mit Geschwätz die Richter trügen.
<a name="page259" title="wedi/quantenspringer" id="page259"></a> Dann muß man viele Tag' anstellen,
Damit der Tagsold mög' anschwellen
Und werd verritten und verzehrt,
Mehr, als die Sache selbst ist wert.
In Petterle
<a href="#ID4BJ0AALXCNVKIDBSOXJN242Z2JBKQP2GVCFYGUFOMX1STP425OAB">[*]
In Petersilie; aber mit Anspielung auf die lat. Wendung
in petitorio = in Sachen des Klägers.</a> verzehrt mancher mehr,
Als der Prozeß ihm bringt nachher,
Und meint die Wahrheit doch zu blenden,
Wenn er die Sach nicht bald läßt enden.
Ich wollt, wem wohl mit Zanken wär,
Daß der am Arsch trüg Hecheln schwer!
<a name="page260" title="wedi/quantenspringer" id="page260"></a>
D.h. derbe und unflätige Reden führt.</a><a name="page261" title="wedi/quantenspringer" id="page261"></a>
Wüst, schandbar Wort reizt auf und rüttelt
An guten Sitten unvermittelt,
Wenn man zu fest die Sauglock schüttelt. <a href="#ID4YE1RU44Z5KTE51CCQCXQRXUP3NOGSYXD1T3CDSYJPAOVZWDVMK">[*]
Von groben Narren
Ein neuer Heilger heißt
Grobian,
<a href="#ID033KPHBFMLPHHWTNXDCTJJIFOLFMYU2KOGNWQLN5PVXJDCZUMVRM">[*]
Eigentlich: grober Johann; wohl von Brant zuerst als Schutzpatron aller rohen, sich unflätig benehmenden Menschen erfunden. Der Grobian wurde zu einer Lieblingsfigur der Zeit; von diesem Kapitel des Narrenschiffs ausgehend, bildete sich im 16. Jh. eine eigene satirische Literaturgattung, die den Grobianismus, namentlich in Form negativer Tischzuchten, zur Zielscheibe des Spottes machte. Vgl. Kap. 110 a.</a>
Den will jetzt feiern jedermann
Und ehren ihn an jedem Ort
Mit schändlich wüstem Werk und Wort,
Und will das ziehn zu einem Schimpf.
<a href="#IDTA3T5G0AHN2ZKR54XHFF1QO2MEOQUHT4WM0OSDPVVIUZ3Y1PU03N">[*]
Zu einem Scherz machen.</a>
Wiewohl der Gürtel hat wenig Glimpf.
<a href="#IDGMBFYMUOQWH3MLYPT5BZSFKJHG4X1VH3TFVLZLIUJPOVHRLF22K">[*]
Wenig Anstand. Glimpf bezeichnete auch ein Anhängsel der männlichen Bekleidung, das am Gürtel der Geistlichen, dem Ordensgewand, fehlte; der Sinn der vieldeutigen Anspielung auf den neuen Orden der Grobiane ist also: Roheit verträgt sich nicht mit Scherz.</a>
Herr Glimpfius
<a href="#IDJ1G2XOUHFIRPVSI3RRCI1ZPHCXXPRO52Y5FXNGPPRQMHLJYTRWK">[*]
Ebenfalls eine Wortbildung Brants = Herr Anstand.</a> ist tot für die Welt:
Der Narr die Sau bei den Ohren hält
Und schüttelt sie, daß die Sauglock klingt
Und sie den Moringer
<a href="#IDDHHVO5Z52E425V24PGJIZIFEFXRN2QXYHD1SDOM0FFY2WXVY5CF">[*]
Das Lied vom edlen Moringer war ein bekanntes Volkslied; hier ist zugleich ein
Saulied gemeint (zu mhd.
môre = schwarze Sau).</a> ihm singt.
Die Sau führt jetzt allein den Tanz,
Sie hält das Narrenschiff am Schwanz,
Daß es nicht untergeh vor Schwere,
Was schade doch auf Erden wäre;
Denn wenn die Narren nicht tränken Wein,
Gält er jetzt kaum ein Örtelein.
<a href="#IDDIZKWFHQNKKCNVALQMC103VLQJRH32BWDW2QWNF1G5ZZH2BNARP">[*]
Einen Heller.</a>
Aber die Sau jetzt viel Junge macht,
Die wüste Rotte der Weisheit lacht;
Sie läßt niemand beim Brettspiel sein,
<a name="page262" title="wedi/quantenspringer" id="page262"></a> Die Krone trägt die Sau allein;
Wer gut die Sauglock läuten kann,
Der muß jetzt immer sein vornan.
Wer jetzt kann treiben solches Werk,
Wie einst der Pfaff vom Kalenberg,
<a href="#IDSXLC3XCM4KAOGRM1VQ4ERQYRCKEG5UMIHUMMVWM4P13RTF5FRO5J">[*]
Der Pfaffe vom Kalenberg bei Wien trieb allerlei Schwänke und Possen, die im 15. Jh. gesammelt und aufgeschrieben wurden. Der erste bekannte Druck stammt aus dem Jahre 1550.</a>
Oder Mönch Eilsam
<a href="#IDNSYH1B3MELUHOBAVJ1WKKPGZQNOEZZULLLUBC5ECSNJNSN2EB1KB">[*]
Ilsan aus dem Rosengarten, ein kampflustiger Mönch der deutschen Heldensage, dessen Doppelrolle zu vielen burlesken Späßen Anlaß gab.</a> mit seinem Bart,
Der meint, er tu eine gute Fahrt.
Von manchem ist Wort und Tat geschehn,
Wenn das Orestes gehört und gesehn,
Der doch der Sinne war beraubt,
Er hätt es von keinem Verständgen geglaubt.
Sauberinsdorf<a href="#IDAUDRJM0DBNQDI24ZCSNPJYAAMEHZ2LFDSS4VRLDBK0MU5OWYPTPI">[*]
Sufer jns dorff, sprechender Name eines ordentlichen Bauern, auf ein Sprichwort zurückführend.</a> ist worden blind,
Das macht, die Bauern jetzt trunken sind.
Herr
Ellerkunz<a href="#IDPHMRTXDMQU1JHHKZQMVQ23LXVKXGQDOXL5BHHXMMU0ZNMDIIOPMJ">[*]
Herr Ellerkuontz, d.h. grober Klotz, hanebüchener Kerl. Ähnliche Wortbildungen bei
wüst genuog und
seltten satt.</a> den Vortanz hat
Mit
Wüstgenug und
Seltensatt.
Ein jeder Narr will Sauwerk treiben,
Daß ihm die Büchse möge bleiben,
Die man umträgt mit Eselsschmer.
Die Eselsbüchse wird selten leer,
Wiewohl ein jeder drein will greifen
Und damit schmieren seine Pfeifen.
<a href="#ID21RMW2BIKWW0MKYD1ZVXMV2WPEAQDG2FKLUO20FAX2OODJB50UJK">[*]
Die Sackpfeife, die er als Narr spielt; vgl. Kap. 54.</a>
Die Grobheit breitet jetzt sich aus
Und wohnt beinah in jedem Haus,
Daß man nicht viel Vernunft mehr treibt.
Was man jetzt redet oder schreibt,
<a name="page263" title="quantenspringer/wedi" id="page263"></a> Das ist aus dieser Büchs entnommen.
Zumal wenn Prasser zusammenkommen,
Dann hebt die Sau die
Mette<a href="#IDWQPOBUGPH3EAEHAICH4IPTW3YICLPRJTOLZPVPBCSM5WQELLUBDN">[*]
Dieser und die folgenden Namen bezeichnen die
septem horae canonicae, die sieben verschiedenen Gebetszeiten, die in den Klöstern zur Erinnerung an die Leiden Christi innegehalten werden mußten. Zu jeder gab es eine Anzahl von Liedern und Gebeten.</a> an:
Die
Prim' erschallt im Eselston,
Die
Terz ist von Sankt Grobian,
Hutmacherknechte
<a href="#IDJT3THZ2AGGSIBS4KQZ54UWGFDFN43NEFK31JIRKKUWCWYB4FGTOO">[*]
D. h. grobe Burschen, da sie es mit
groben fyltzen zu tun haben.</a> singen die
Sext,
Von groben Filzen ist der Text;
Die wüste Rott sitzt in der
Non',
Die schlemmt und demmt aus vollem Ton,
Darnach die Sau zur
Vesper klingt,
Unflat und Schamperjan
<a href="#IDT4K2D0AZNHMNPWXYSLWT5JZNQJYAGIZKZGY3S5MSBGOZLST3L5GH">[*]
Unflot und schamperyon, wieder als sprechende Namen von Brant gebildet.</a> dann singt,
Bis die
Complet den Anfang nimmt,
In der man »All sind voll!« anstimmt.
<a href="#IDL5ZJ4ONOY3AKHFW10UJ3ISDDXJB3WK2MICVEJ4CPN415LNIZKIR">[*]
all vol, ein bekanntes Lied des 15. Jh.</a>
Das Eselsschmalz ist ohne Ruh,
Mit Schweinefett vermischt dazu;
Das streichet einer dem andern an,
Den er möcht haben zum Kumpan,
Der wüst will sein und es nicht kann.
Man schont nicht Gott noch Ehrbarkeit,
Vom Wüstesten weiß man Bescheid;
Wer kann der Allerschlimmste sein,
Dem bietet man ein Glas mit Wein.
Das Haus erdröhnt, man lacht und johlt
Und bittet, daß ers wiederholt.
Man ruft: »Das ist ein guter Schwank,
Dabei wird uns die Zeit nicht lang!«
<a name="page264" title="quantenspringer/wedi" id="page264"></a> Ein Narr den andern schreiet an:
»Sei ein guter Gesell! Und lustig, Mann!
Feti gran schier, e belli schier!
<a href="#ID0FPL3MQY4HYBLDSKCQIIO2IG4PKPCYT5HWWIPZEQYIKDQRU20KWP">[*]
Faites grand chère et belle chère, d. h., laßt etwas drauf gehen, seid lustig!</a>
Welch Erdenfreud sonst haben wir
Als bei so guten Gesellen sein?
Drum laßt uns fröhlich prassen und schrein!
Uns bleibt nur wenig Zeit auf Erden,
Die möge uns vergnügt doch werden;
Denn wer einst Todes stirbt, liegt so
Und ist zu keiner Zeit mehr froh!
Wir haben von keinem je vernommen,
Der von der Hölle sei wiederkommen
Und uns nun sagte, wie's da stünde!
Gesellig sein ist keine Sünde!
Die Pfaffen reden, was sie wollen,
Daß dies und jenes wir nicht sollen;
<a href="#IDCVEXXV4Y3FB2T1RCW2QX3E3MGJBXDHXJT5YHOF31SDDDU0RWMIO">[*]
Die pfaffen reden was sie went / Und das sie diß und jhens geschend; der Sinn ist durchaus doppeldeutig: und dies und jenes mögen sie (die Pfaffen, da sie nun einmal reden, was sie wollen) schänden (wir kehren uns nicht daran!), oder: möge sie (die Pfaffen) dies und jenes schänden, verflucht mögen sie sein!
</a> Wär es so sündig, wie sie schreiben,
Sie täten es nicht selber treiben!
Wenn nicht der Pfaff vom Teufel sagte,
Der Hirt vom Wolf sein Leiden klagte,
Wo bliebe denn dann ihr Gewinn?«
Das ist der Narren Wort und Sinn,
Die leben mit der groben Rott,
Der Welt zur Schande und auch Gott –
Doch werden sie zuletzt zum Spott!
<a name="page265" title="quantenspringer/wedi" id="page265"></a>
<a name="page266" title="quantenspringer/wedi" id="page266"></a>
Mancher trachtet nach Geistlichkeit,
Nach Pfaffen- und nach Klosterkleid,
Dann reut es ihn und wird ihm leid.
Vom Geistlichwerden
Noch anderes wird jetzt gelehrt,
Das auch ins Narrenschiff gehört,
Des jedermann bedient sich gern:
Jeder Bauer will einen geistlichen Herrn,
<a href="#ID4WJULLREDBS0FISGYBQ1IUDUNIEZPLIBVD0L1JLZWBEHFKCVWNB">[*]
D. h. in seiner Familie haben.</a>
Der sich mit Müßiggang ernähr',
Ohn Arbeit leb' und sei ein Herr.
Nicht, daß er dies aus Andacht wähle,
Oder aus Achtung fürs Heil der Seele,
Sondern er möchte nur einen Herrn,
Der die Geschwister kann ernährn.
Er läßt ihn wenig sehn ins Buch,
Man spricht: »Er weiß dazu genug!
Braucht nicht auf größre Kunst zu sinnen,
Kann er nur eine Pfründe gewinnen!«
Man schätzt die Priesterschaft gering,
Als ob sie sei ein leichtes Ding.
Drum gibt es jetzt viel junge Pfaffen,
Die so viel können wie die Affen,
Und Seelsorg sieht man treiben die,
Denen man vertraute kaum ein Vieh;
Sie wissen so viel vom Kirchenregieren,
Als Müllers Esel kann quintieren.
<a href="#IDXVPCUA2O3UFKLNBQ3MKKNO2MQCSQOHA5EHLEVANTVKXTRI10PSNL">[*]
Auf der Quinterna (= Gitarre, Laute) spielen.</a>
Die Bischöfe sind schuld daran,
Die sollten nehmen zum Ordensmann
Oder für die Seelsorg auslesen
Nur einen Mann von tüchtgem Wesen,
<a href="#ID1TXYWLG2SYLALMHQYZZPR0MS4GAIYLAZ2TT4LCGEN53WUHHNSSW">[*]
gantz dapferlüt, d. h. wackere Leute</a>
Daß einer sei ein weiser Hirt,
Der seine Schafe nicht verführt.
<a name="page267" title="quantenspringer/helmhauer" id="page267"></a> Aber jetzt wähnen die jungen Laffen,
Wenn sie nur einmal wären Pfaffen,
So hätt ihrer jeder, was er wollt.
Doch ist fürwahr nicht alles Gold,
Was man am Sattel gleißen sieht,
Mancher beschmutzt die Hände damit
Und läßt sich jung zum Priester weihn,
Um später sich selbst zu maledein,
<a href="#IDSLJTGR250ZCRM4WZPPPKPWI1KEIKP5VC2CTDY5CEPIQXJ344RBBG">[*]
Verfluchen.</a>
Daß er nicht länger hat geharrt;
Gar mancher von ihnen Bettler ward.
Wenn er eine rechte Pfründe gewann,
Eh er die Priesterschaft nahm an,
Er war so weit gekommen nit –
<a href="#IDT1WCIPD0XZLGJ1KLHTGMYTR5HPJW1FZRNTETQXBN553Q0Q5NI3AI">[*]
Bezieht sich auf die Unsitte, die Priesterweihe zu nehmen, ehe man Amt und Einkommen hatte.</a>
Viel weiht man um der Herren Bitt'
Oder auf dieses und jenes Tisch,
<a href="#ID3MDVID1JECXEH10HNM1A5Q4CQO0PQ5NFSYCMKOI0PKNJVIELWGIB">[*]
Auf Bitte vornehmer Herren oder auf sogenannte Tischpfründen hin.</a>
Davon er doch ißt wenig Fisch.
Man borget Brief'
<a href="#IDEJTGXIYK2EK2B25SKNSWP1PMPKLFLXMVPUGDDPO3R3JXPXVRRCVF">[*]
Bestallungen.</a> einander ab,
Damit man einen Titel hab,
Und wähnt den Bischof zu betrügen,
Um ins Verderben
sich zu lügen.
Kein ärmer Vieh auf Erden ist
Als Priesterschaft, der Brot gebrist:
Sie hat schon Abzüge überall:
Vikar, Bischof mitsamt Fiskal,
Der Lehnsherr, dann die Freunde sein,
Die Wirtschafterin, die Kinder klein,
Die geben ihm erst rechte Püff,
Daß er komm in das Narrenschiff
Und damit aller Freude vergesse.
<a name="page268" title="quantenspringer/helmhauer" id="page268"></a> Ach Gott, es hält gar mancher Messe,
Dem besser wär, er dächt nicht dran
Und rührte den Altar nimmer an;
Denn Gott gedenkt des Opfers nicht,
Das in Sünden und mit Sünden geschieht.
Einst hörte Moses
<a href="#IDB0NVCW4P534OBSL1QV3BDPWZHJM0QVSTKVKRUMK5MKSJ3YMYKKU">[*]
Vgl. 2. Mose 19, 12, 13.</a> Gott den Herrn:
»Ein jedes Tier, das halt sich fern
Und komm dem heilgen Berg nicht nah,
Daß es nicht Plage treffe da!«
Wo angerühret Usas Hand
Die Arche,
<a href="#IDGJ0RE0AXUBUIB0F2BS0PJPQDNKBTHN2WIGVK1JFZZY1JYOKTV4GM">[*]
Die Bundeslade; vgl. 2. Samuel 6, 7. –</a> dort den Tod er fand;
Mit Dathan starb und Abiran
Korah,
<a href="#IDYJMUNGPO1LTOPBH1DH03FQHEFBA5JO2CADSKZKHQKGGVUR5TJCRN">[*]
Vgl. 4. Mose 16.</a> der's Weihrauchfaß rührt' an.
Geweihtes Fleisch
<a href="#IDOEWQBBDFMTY3P2VD1ABSAYW5TINJ25WZZXA44PF0FCIDHX3PIPNF">[*]
D. h. Klosterkost.</a> scheint oft nicht teuer;
Es wärmt sich gern am Klosterfeuer,
Dem doch zuletzt wird Höllenglut.
Man predigt
klugen Leuten gut!
<a href="#IDFKV2SUQXHXXBO022KCIF1ZL24HQRIMIBFGPNK2E1PNIRKNIABVNJ">[*]
Verstanden lüten ist predigen guot, d. h., Narren wollen doch nicht hören.</a>
Jetzt stößt manch Kind man in den Orden,
Eh es ein Mensch noch ist geworden;
Eh es versteht, ob ihm das sei
Gut oder bös, steckt es im Brei.
Wenn auch Gewohnheit viel vermag,
Reut es doch viele manchen Tag,
Die fluchen
denen aller Orten,
Die Ursach des Gelübdes worden.
Gar wenig jetzt ins Kloster gehn
Zu solcher Zeit, wo sie's verstehn;
Gar wenig kommen um Gottes Willen,
Die meisten um ihren Hunger zu stillen.
<a name="page269" title="quantenspringer/helmhauer" id="page269"></a> Des Standes haben sie nicht acht
Und tuen alles ohn Andacht,
Zumeist in all den Orden ganz,
Wo man nicht hält die Observanz.
<a href="#IDC4R0VHQCYGHOKBNKK3TKXUSCBNG15AYM4PFBTTJOBVZD1YLCGLGM">[*]
Die strenge Ordensregel.</a>
Solch Klosterkatzen sind gar geil,
Das macht, es bindet sie kein Seil.
Doch besser gehört keinem Orden an,
Als daß unrecht tut ein Ordensmann.
<a name="page270" title="quantenspringer/helmhauer" id="page270"></a>
<a name="page271" title="quantenspringer/helmhauer" id="page271"></a>
Mancher wendet viel Kosten aufs Jagen,
Das ihm doch wenig Nutzen wird tragen,
Kann er auch manchen Weidspruch sagen.
Von unnützem Jagen
Auch Jagen nicht ohn Narrheit bleibt,
Die Zeit man nur damit vertreibt;
Wiewohl es sein soll Scherz und Spiel,
So macht es doch der Kosten viel;
Denn Spür- und Windhund', Rüden, Bracken,
Die füllen nicht mit Luft die Backen;
Jagdvögel auch und Federspiel
Bringen wenig Nutzen und kosten viel.
Nicht Has noch Rebhuhn fängt der Hund,
Den Jäger kostets stets ein Pfund.
Dazu braucht man viel Müh und Zeit,
Wie man ihm nachlauf', geh' und reit',
Durchsuche Berg, Tal, Wald und Hecken,
Wo man sich kann bergen, warten, verstecken.
Mancher verscheucht mehr als er jagt,
Das macht, er hat nicht recht gehagt;
<a href="#ID4Z2PGV0EFRQ5ODLZNCEFSV0J3FRE33R2V31RDCPVFR2RIBQ513WH">[*]
Das Wild eingehegt, d. h. mit Netzen oder Treibern umstellt.</a>
Ein andrer nennt einen Hasen sein,
Den kaufte er auf dem Kornmarkt ein.
Mancher, der will gar mutig sein,
Wagt sich an Löwen, Bären und Schwein',
Oder steigt nach den Gemsen gar,
Und sein letzter Lohn ist – große Gefahr.
Die Bauern jetzt im Schnee oft jagen,
Des Adels Vorzug will nichts mehr sagen:
Der kann dem Wildbret lang nachlaufen –
Der Bauer tat es heimlich verkaufen.
Nimrod,
<a href="#IDWJQZ3AMBWFCEJYEOBD5VAA0NAILYR4WEFSMWKBPGDRZAKK1AALZJ">[*]
Vgl. 1. Mose 10, 9.</a> der erste Jäger, war
Von Gott verlassen offenbar;
<a name="page272" title="quantenspringer/helmhauer" id="page272"></a> Esau,
<a href="#IDB113SHFU4I0KGS0SSMQSWXFCVIAJBEORPTRKUYJMNMVUOX4YLBIH">[*]
Vgl. 1. Mose 25, 27.</a> der jagte stolzvermessen,
Weil er in Sünde Gott vergessen.
Denn Jäger wie Eustachius
Und Humbert
<a href="#IDGYWZYJPTCM5KHU0MDZCVLM4RGBEMMWDK4OSAMTISJ0QTABFTKATO">[*]
Nach der Legende soll Hubertus, der Schutzpatron der Jäger, auf einer Hirschjagd bekehrt und später Bischof von Lüttich geworden sein; ähnliches wurde von dem Römer Placidus berichtet, der nach seiner Bekehrung den Namen Eustachius erhielt.</a> lang man suchen muß,
Die meinten nicht zu dienen Gott,
Wenn sie nicht ließen der Jäger Rott.
<a name="page273" title="quantenspringer/helmhauer" id="page273"></a>
<a name="page274" title="quantenspringer/helmhauer" id="page274"></a>
Willst schießen du, so ziel und triff!
Denn tust du nicht den rechten Griff,
So schießt du in das Narrenschiff.
Von schlechten Schützen
Wollt es die Schützen nicht verdrießen,
Ich stellt' auch an ein Narrenschießen,
Macht' einen Schießplatz am Gestade,
Wer den verfehlte, dem wärs schade.
Dazu wärn Preise auch bestellt:
Der nächst dem Ziel kam, sie erhält,
Zumindest könnts ein
Stechen<a href="#IDGYNM1O1MY3BJKRQ5K2QJWE00DBIADUD03LXN5DOEZLO1XIBMQTDH">[*]
verstechen, ein Stichkampf zwischen gleichwertigen Schützen.</a> werden.
Drum hüt er sich, halt nicht zur Erden
Noch in die Höh, vielmehr aufs Ziel,
Wenn er den
Zweck<a href="#IDSWMD0E1MGKOBJBQD35NSSS5EPLORMSFQK433SOKGKYE5QEIZPIZD">[*]
Den Stift im Mittelpunkt der Zielscheibe.</a> berühren will,
Und tu den Anschlag nicht zu eilig!
Viele schießen zu hoch, sich zum Verdruß,
Dem bricht der Bogen, die Sehn oder Nuß,
<a href="#IDL2YGNNAQSTUTP3PUP3QUJ4Q1HBCXN31BXJITSYERC0KRAHWQSJUJ">[*]
Der Drücker an der Armbrust.</a>
Der tut beim Anschlag manchen Schlipf,
<a href="#IDTPCYMCMIGGF2I5EQUE2LNS3EXFQ5VQHV0RNJYUNHLBX5RAZQY2G">[*]
Die Sehne gleitet ihm beim Spannen ab.
</a>Dem wird verrückt Stuhl oder Schipf,
<a href="#IDLEG5ZCM3SPNIHFXQSNOZLRQYHKBEU2HK3QX1TVIRAGGVCTFC0CB">[*]
Das Gestell und der Pflock, auf denen die Armbrust beim Anlegen ruht.</a>
Des Armbrust geht los, wenn er sie nur rührt,
Das macht, die Sehne ist geschmiert;
Dem steckt das Ziel
<a href="#IDCF2TCEGPO1C1PRL2IXR3PTKC5DTNI1Q3TEGW3COADKDQYCTUBJBL">[*]
Das Ziel hat sich scheinbar verlagert.</a> nicht so wie eh'r,
Den Merkpunkt findet er nicht mehr,
Der hat gemacht der Schüsse viel,
Doch sind sie alle weit vom Ziel,
So daß er wohl die Sau
<a href="#IDH2OABQSEPBROOWQQZAZ2ICE3INEROAGV4EZLPHEGGFQOGYS122OC">[*]
Als Trostpreis für den schlechtesten Schützen war häufig eine Sau ausgesetzt.</a> gewinnt,
Wenn man das Stechen dann beginnt.
Kein Schütze auf der weiten Welt,
Der nicht stets wüßte, was ihm fehlt,
<a name="page275" title="quantenspringer/helmhauer" id="page275"></a> Bald dies, bald jenes, damit er hätte
Ein Wehrwort,
<a href="#ID2DG4FFTHLRKVBBAL0QRI0A3YVLFGXME4WBUN5FAV3CUB5NIXB4F">[*]
Eine Ausrede. Nach einem alten Gedicht gab es 142 solcher Schützenausreden.</a> das die Ehre rette,
Und hätte er nicht gefehlt darin,
Dann freilich wäre der Preis
sein Gewinn.
Sodann weiß ich noch Schützen mehr,
Die hören, daß fern ein Schießen wär,
Zu dem von allen Landen Leut
Hinziehen zur bestimmten Zeit,
Die besten, die man finden kann,
Von denen keiner den Preis gewann,
Es sei denn, jeder Schuß ging ins Ziel –
Nun kenn ich doch der Gecken viel,
Die wissen, daß sie nichts gewinnen
Und ziehen dennoch kühn von hinnen,
Dort zu versuchen auch ihr Heil:
Ich nehm sein Zehrgeld, nicht sein Teil,
<a href="#IDEYDYSCMQVGARLRGDDQH2WQ1JKLQTUD5IARSGAPJPUBYXG3S3DTN">[*]
des gelts jnn doppel, das eingezahlte Geld, das jeder Schütze entrichten mußte, um überhaupt zum Wettbewerb zugelassen zu werden.</a>
Vom Einsatz
<a href="#IDRXAUKD4COO05HW3Y1Q0KWYUAXZYKVBENOMUDSGKKNOPZ5NUBIZG">[*]
des gelts jnn doppel, das eingezahlte Geld, das jeder Schütze entrichten mußte, um überhaupt zum Wettbewerb zugelassen zu werden.</a> will ganz still ich sein:
Die Sau wird ihm im Ärmel schrein!
Manche wählen sich Weisheit als Ziel,
Doch getroffen haben es nicht viel,
Das macht, man zielt nicht recht aufs Feld,
Zu niedrig oder zu hoch man hält,
Der läßt sich bringen aus dem Visier
Und
dem zerbricht der Anschlag v schier,
Der tut wie Jonathan einen Schuß
<a href="#IDAMDBY2511JN2IZYU1EF3G54WVLLX31OOOQH2UFLA2PYBGZXNO04J">[*]
D. h. über das Ziel hinaus; vgl. 1. Samuel 20, 36.</a>
Und
dem fährt ganz heraus die Nuß.
Wer Weisheit richtig treffen will,
<a name="page276" title="quantenspringer/helmhauer" id="page276"></a> Bedarf wohl solcher Pfeile viel,
Mit denen Herkules
<a href="#IDSTFKKAXBJJILIUPTA3H0GUW0VKK1VXU0RRKBJCMDD4JMVTNBQGD">[*]
des gelts jnn doppel, das eingezahlte Geld, das jeder Schütze entrichten mußte, um überhaupt zum Wettbewerb zugelassen zu werden.</a> sich bewehrte
Und alles traf, was er begehrte,
Und was er traf, fiel tot zur Erde.
Wer recht auf Weisheit schießen will,
Der schau, daß er halt Maß und Ziel,
Denn fehlt er oder hält nicht drauf,
So muß er zu der Narren Hauf.
Wer schießen will und fehlt den Rain,
<a href="#ID3UYQRRDWPR3YO4MGCXKSQ3VATCZXML3AXYRJGRL3M5EPXQ1MV4XI">[*]
des gelts jnn doppel, das eingezahlte Geld, das jeder Schütze entrichten mußte, um überhaupt zum Wettbewerb zugelassen zu werden.</a>
Der trägt die Sau im Ärmel heim;
Wer jagen, stechen, schießen will,
Hat wenig Nutzen und Kosten viel.
<a name="page277" title="quantenspringer/helmhauer" id="page277"></a>
<a name="page278" title="quantenspringer/helmhauer" id="page278"></a>
Ritter Peter von Altenjahren,
Ich muß Euch greifen an die Ohren!
Mich dünkt, daß beid' wir Narren waren,
Wiewohl Ihr führet Rittersporen.
Von großem Rühmen
Die Gecken-Narren ich auch bringe,
Die sich stets rühmen hoher Dinge
Und wollen sein, was sie nicht sind,
Und wähnen, alle Welt sei blind
Und sie ihr fremd und unbekannt.
Mancher will edel sein genannt,
Des Vater doch machte bumblebum
<a href="#IDMHLZIMOXZYGICELJHYTXMGFYNXHT3GCLWRTE4MFAVJSRFMLJB1O">[*]
Nachahmung der Küferschläge am Faß.</a>
Und mit dem Küferwerk ging um,
Oder hat sich so durchgebracht,
Daß er mit stählernen Stangen focht,
<a href="#IDIQVCKASGMWU2PWDRCEGW0O0EDCADKD2XR11QXIEY0AUF4L533I2K">[*]
»Stangenfechter« waren Händler, die die Sachen Gepfändeter billig aufkauften; der Anspruch der Meistbietenden hieß
stangen-recht, der gerichtliche Zuspruch an den neuen Besitzer
stangen urtail. Die Redewendung Brants glossiert zugleich das Adlig-sein-Wollen, denn im Stangenstechen bestand die Hauptbelustigung beim Ritterturnier.</a>
Oder rannte mit einem Judenspieß,
<a href="#IDYCBLJPLJDTO1OJTEFVUKQE1TKFEVAS42CYWLZFDKA3SXXQECGWEM">[*]
Trieb Wucher.</a>
Daß er gar viele zu Boden stieß,
Und will, daß man ihn Junker nenne,
Als ob man nicht seinen Vater kenne,
Daß man spreche: Meister Hans von Menz,
<a href="#ID1RBAC4KOZZFGDPFJPPBPLWZNCMLXRS2ZB0CJ5JHNC3JGBKXI0UMF">[*]
Mainz (die Mainzer galten als Aufschneider).</a>
Und auch sein Sohn, Junker Vincenz.
Viel rühmen hoher Dinge sich
Und prahlen stets zu Widerstich
<a href="#ID21UCQZSVWWP4LDF0IXKOK1YAHGIZPHGNWAS33KEB0KIFG0JJX2SH">[*]
Um die Wette.</a>
Und sind doch Narren in der Haut,
Wie Ritter Peter von Pruntraut,
<a href="#IDGZXIJZTRW5ATVBGV5JJ4YYJSPMFDH1EWVP2ACZ52LFIVWFYEHG">[*]
Wohl eine fingierte Persönlichkeit. Die Einwohner von Pruntrut (franz. Porrentruy) waren seit dem burgundischen Kriege, in dem sie für Karl den Kühnen gefochten hatten, in Basel schlecht angeschrieben.</a>,
Der will, daß man zu ihm Ritter sage,
Dieweil er im Stechen am Murtener Tage
<a href="#IDJ3CYBLXLFUJPDOS3LDFQXF0WMFW2UOUYQ2HSTEH52GT401IH3LDM">[*]
Wohl eine fingierte Persönlichkeit. Die Einwohner von Pruntrut (franz. Porrentruy) waren seit dem burgundischen Kriege, in dem sie für Karl den Kühnen gefochten hatten, in Basel schlecht angeschrieben.</a>
<a name="page279" title="quantenspringer/helmhauer" id="page279"></a> Gewesen sei, wo ihm so not
Zu fliehen war, daß ihm der Kot
Die Hosen hat so hoch beschlämmt,
Daß man ihm waschen mußt' das Hemd.
Doch Schild und Helm er zeigen kann
Als Zeugnis, er sei ein Edelmann:
Er führt einen Habicht, gefärbt wie ein Reiher,
Und auf dem Helme ein Nest voll Eier,
Wobei ein Hahn in der Mauser sitzt,
Der möchte die Eier brüten itzt.
Derselben Narren findet man mehr,
Die wollen haben große Ehr,
Daß man sie hat
vornan gesehn.
Ja, da es wollt ans Fliehen gehn,
Lugten sie hinter sich lange Zeit,
Ob ihnen folgten auch andre Leut?
Mancher rühmet sein Fechten groß,
Wie er
den erstach und
jenen erschoß,
Der doch von ihm so weit wohl war,
Daß keine Büchse ihm brachte Gefahr.
Noch andre trachten nach edeln Wappen,
Wie sie führen mögen viel Löwentappen,
Einen gekrönten Helm und ein gülden Feld:
Die sind des Adels von Bennefeld.
<a href="#IDSZZPIXZMDRZVFXBFPVOYEQOCPJ44AVDUSWSV1NE3IT251SLJL41G">[*]
Mhd.
benne = Bauernkarren. Bennfeld ist ein kleiner Ort bei Straßburg, der hier die bäuerische Herkunft bezeichnen soll (etwa: aus dem Hause derer von Bauernfeld).</a>
Gar manche sind edel durch ihre Frauen,
Deren Väter saßen in Ruprechtsauen;
<a href="#IDNTJJ5F4APYI4IDK01P1IF0OTMNFHOIKEUYK2FQO0AYQVRRZEVGMP">[*]
Ruprechtsau bei Straßburg, ein Dorf, dessen Besuch nach Murners
Narrenbeschwörung (1512) eine Frau um ihren guten Ruf brachte.</a>
Seiner Mutter Schild gar mancher führt,
Weil er vielleicht im Vater irrt.
<a name="page280" title="quantenspringer/helmhauer" id="page280"></a> Viel haben Brief und Siegel gut,
Als seien sie von edlem Blut;
Sie wollen die ersten sein nach Recht,
Die adlig sind in ihrem Geschlecht,
Und dieses ich weder tadle noch acht':
Aus
Tugend<a href="#ID2IDKFEWC4FKRO5YGOP2UK1AIFJ1F20QF32MERIKD12G41BLCBRQE">[*]
D. h. aus Tüchtigkeit, edler Gesinnung.</a> ist aller Adel gemacht!
Wer Ehr und Sitte wahren kann,
Den halt ich für einen Edelmann,
Aber wer hat keine Tugend nit,
Nicht Zucht, Scham, Ehr, noch gute Sitt,
Den halt ich alles Adels leer,
Und wenn ein Fürst sein Vater wär.
Adel allein bei Tugend steht,
Aus Tugend aller Adel geht. –
Desgleichen will mancher Doktor sein,
Der nie Clementin noch Sext sah ein,
Nie Institut, Dekret, Digest
<a href="#IDZIUQPHEFKBJFPYFFW23V3WLAECCMTMI3BILV2WDQBE2GZ2FUZTOF">[*]
Die Hauptquellen des römischen Rechts.</a> geschaut,
Nur daß er hat 'ne pergamentne Haut,
<a href="#IDAY1RUNKTVYR4KNTE0WLLXALH0J5ICJGXSPRCNMF1ILJRWQNEN1QE">[*]
eyn pyrment hut, d. h. einen Doktorbrief, dessen Pergament aus Eselshaut gemacht wurde.</a>
Drauf steht sein Recht geschrieben an:
Der Brief zeigt alles, was er kann,
Und daß er gut sei auf der Pfeif.
Drum stehet hier Herr Doktor Greif,
<a href="#IDNDOK1MOWDUNAGLG05YYILOO1Y1KGI255DOLYNOPT0OJXO5HZ2YH">[*]
doctor Gryff, eine fingierte Gestalt, die auch auf den Holzschnitten des Titelblatts und zu Kap. 108 abgebildet wird. Ob zugleich auf eine historische Persönlichkeit angespielt wird, bleibt unklar; jedenfalls wird auch diese Figur durch das Narrenschiff populär und in der satirischen Literatur des 16. Jh. wiederholt zitiert. Brant erklärt den Namen hier selbst:
Er grifft eym yeden die oren an, d. h. ist einer, der zugreifen, vielleicht auch sonst allerlei Kunstgriffe kann. Sollte daneben eine Anspielung auf den Büchernarren von Kap. 1 vorliegen, dessen Platz vornan im NarrenschifF mit einem
sundren gryff begründet wurde?</a>
<a name="page281" title="quantenspringer/helmhauer" id="page281"></a> Ein sehr gelehrter und kluger Mann,
Der greift einen jeden beim Ohre an,
Weiß mehr als mancher Doktor kann.
Der ist in vielen Schulen gestanden
In nahen und in fernen Landen,
Wo nie ein Gauch ging aus noch ein,
Der doch mit Gewalt will Doktor sein;
Man muß zu ihnen »Herr Doktor« sagen,
Dieweil sie rote Röcke tragen
Und weil ein Aff ihre Mutter ist.
Ich weiß noch einen, heißt Hans Mist,
<a href="#IDPVWF3KIVEUZPELQ4D4YQ5V0C4OLYAIAXHCYVBIM42EL0ZBIPZYFO">[*]
Ein bekannter Name aus den Fastnachtsspielen; die nd. Übersetzung von 1497 setzt bereits
Hans Worst ein.</a>
Der alle Welt will überreden,
Er sei zu Norwegen und Schweden,
Zu Algier gewesen und zu Granat,
<a href="#IDNCVY2U4KR4SVM4QNS4KRZVBKPO1N3FXMFLPQNCJPS1BPJTPFERKD">[*]
Granada.</a>
Und wo der Pfeffer wächst und staht;
Der doch nie kam so weit hinaus:
Hätt seine Mutter daheim zu Haus
Pfannkuchen oder Wurst gebacken,
Er hätt's gerochen und hören knacken.
Des Rühmens ist so viel auf Erden,
Daß es kann aufgezählt nicht werden;
Denn jedem Narren das gebrist,
Daß er sein will, was er nicht ist.
<a href="#IDFCERU505S4BOX2E4PQRY4ROUFBAIGYZ5RM1VTCSR4RDUWGQEY0N">[*]
Das er wil sin / das er nit ist; vgl. die Schlußverse von Kap. 29.</a><a name="page282" title="quantenspringer/helmhauer" id="page282"></a>
<a name="page283" title="quantenspringer/helmhauer" id="page283"></a>
Viel sind aufs Spielen so versessen,
Daß andre Kurzweil sie vergessen,
Künftgen Verlust auch kaum ermessen.
Von Spielern
Noch find ich närrischer Narren viel,
Die haben Freude nur am Spiel
Und wähnen, sie könnten leben nit,
Sollten sie nicht umgehn damit
Und spielen Tag und Nacht im Saus
Mit Karten und Würfeln in vollem Braus;
Die ganze Nacht hindurch sie säßen,
Daß sie nicht schliefen und nicht äßen,
Aber ein Trunk muß sein zur Hand,
Denn Spielen setzt die Leber in Brand,
So daß man ausdörrt, Durstes voll.
Des Morgens drauf spürt man das wohl:
Einer welken Birn gleicht des einen Gesicht,
Der andre hinter der Türe sich bricht,
Ein Dritter hat solche Farb angenommen,
Als sei er aus dem Grab just gekommen,
Oder erglänzt im Antlitz recht
Wie morgens früh ein Schmiedeknecht.
<a href="#IDEBP2PKOZGBX2O5SXQEN5WCOGBJA1X0WKAXWHY3BL1FIBAJEADKUD">[*]
vor tag, d. h. bevor er sich gewaschen hat.</a>
So eingenommen ist ihm sein Kopf –
Den ganzen Tag muß gähnen der Tropf,
Als ob er Fliegen fangen wollt;
Wenn einer verdienen könnt viel Gold,
Indem er bei einer Predigt säße
Eine Stunde und des Schlafs vergäße –
Er hüllte den Kopf tief in die Geren,
<a href="#IDPIX3YRBDBQ5WNMUG5HKR5KM1SD254Q5BY5ZOSBO5DY3IANKSZSYH">[*]
In die Rockschöße.</a>
Als sollte der Prediger aufhören.
Aber sitzt man lange beim Spiel,
Dann achtet man des Schlafs nicht viel!
<a name="page284" title="quantenspringer/Konmax" id="page284"></a> Viel Frauen, die sind auch so blind,
Daß sie vergessen, wer sie sind,
Und, was verbietet jedes Recht,
<a href="#IDBMGPDUYQPFDXJOOUNUXFQYZ1ILTXQMP0NGUZOWFV1IVYCJVASWZL">[*]
das verbietten alle recht, hier im Sinne von Sitte, Herkommen.</a>
Sie mischen sich mit anderm Geschlecht;
Sie sitzen bei den Männern frei,
Zuchtlos und ohne natürliche Scheu,
Und spielen, würfeln früh und spät,
Was doch den Frauen übel steht.
Sie sollten an der Kunkel
<a href="#IDXRG3ZYM0SBZQM1Y0Z44YZYFYXGVPVV5A1DF4KGDEN4WQYABQKEBB">[*]
Am Spinnrocken, wobei man wohl den Faden netzte.</a> lecken
Und nicht im Spiel bei Männern stecken.
Wenn jeder spielt mit seinesgleichen,
So braucht ihn Scham nicht zu beschleichen.
Als Alexanders Vater wollte,
Daß der um Preise laufen sollte,
Dieweil der Knabe schnell im Lauf,
Sprach er zu seinem Vater drauf;
<a href="#IDLDQKHXOOQRZVB1CDL0T205ELVCIIYLGGHP1M1AJDQH3CHKTVGZAO">[*]
Nach Plutarch, Leben Alexanders cap. 4.</a>
»Zwar billig wäre, daß ich täte,
Was mich mein Vater hieß und bäte,
Und gewißlich gern ich laufen wollte,
Wenn ich mit
Königen es sollte;
Man brauchte mich darum nicht bitten,
Wenn unter Gleichen würd gestritten!«
Doch ist es dahin gekommen jetzt,
Daß Pfaffe, Adel, Bürger sich setzt
An
einen Tisch zu Köppelknaben,
<a href="#IDKLTND15MAFTQO2FXZ5DUDQBF1GMTEIOSYHMUN0OLXWCLJPASADSO">[*]
Baderknechte, d. h. Leute Die schwerlich gleiches Ansehn haben. niedrigsten Standes, die sich außerdem in den öffentlichen Bädern als Kuppler betätigten, wie aus zeitgenössischen Holzschnitten hervorgeht. Locher übersetzt:
cum nebulonibus et lenonibus, d. h. mit Windbeuteln und Kupplern.</a>
<a name="page285" title="quantenspringer/Konmax" id="page285"></a> Zumal die Pfaffen sollten nicht viel
Mit Laien treiben gemeinsames Spiel,
Wenn sie nur würden bedenken, daß
Zwischen ihnen stets war Groll und Haß,
Der Neidhart, der in ihrer Brust,
Regt bei Gewinn sich und Verlust,
Zumal da ihnen verboten ist
Würfeln und Spielen zu jeder Frist.
Wer mit
sich selber spielen kann,
Den geht man nicht um Spielschuld an,
Der bleibt ohne Sorg, daß er verliere
Und daß ihn treffen Fluch und Schwüre.
Wenn ich nun aber sagen soll,
Was ziemt einem rechten Spieler wohl,
So will Virgilium
<a href="#IDHKO43AQENSZBNH05ZQAIRDGKBI4MMLLDPXNYE00RQVV0UEKL2YE">[*]
Nämlich das ihm fälschlich zugeschriebene Gedicht
De ludo, aus dem die folgenden Verse stammen.</a> ich beibringen,
Der also redet von solchen Dingen:
»Veracht' das Spiel zu aller Zeit,
Daß dich nicht trübe Gier und Neid,
Denn Spiel entstammt unsinnger Begier,
Die alle Vernunft zerstört in dir.
Ihr Braven, hütet eure Ehre,
Daß euch das Spiel
die nicht versehre!
Ein Spieler muß haben Geld und Mut,
Und wenn er verliert, es halten für gut,
Darf nicht ausbrechen in Zorn, Fluch, Schwur.
Wer Geld hat, harr der Schanze
<a href="#IDDAV3YTNWJBCGOWRMG31BLKOHQCI2DMU20MANIKHVREUGF4HOI52F">[*]
Chance.</a> nur,
Denn mancher kommt zum Spiele schwer,
Der doch zur Tür hinausgeht leer.
Wer spielt allein um großen Gewinn,
Dem geht es selten nach dem Sinn.
<a name="page286" title="quantenspringer/Konmax" id="page286"></a> Wer gar nicht spielt, hat seinen Frieden,
Wer spielt, dem ist Verlust beschieden.
<a href="#IDIYGWMKKR4EGGFLKBVRGZXYBCMPWCPDBWXMM5LJHVX5OKKTONE1IP">[*]
der müß uff setzen mitt, d. h., der muß beim Geldeinsatz mithalten.</a>
Wer in allen Schenken setzen will
Und suchen Glück bei jedem Spiel,
Der muß viel einzusetzen haben
Und oft ohn Geld nach Hause traben.
Hat einer drei Seuchen und trachtet nach
mir,
Der hat bald böser Schwestern vier!«
Spiel kann wohl niemals sein ohn Sünd,
Ein Spieler ist nicht Gottes Kind:
Denn Spieler all des Teufels sind!
<a name="page287" title="quantenspringer/Konmax" id="page287"></a>
<a name="page288" title="quantenspringer/Konmax" id="page288"></a>
Viel Narren sind wohl reif zum Drücken,
Die Toren sind in manchen Stücken,
Denen sitzt der Esel auf dem Rücken.
Von niedergedrückten Narren
So viele sind im Narrenorden,
Ich wäre fast vergessen worden
<a href="#IDRHO50Q30CUCBJSBE3HJORKLGAHPT1GM1WU02PTLSQEFZFFXB5WP">[*]
versessen worden, d. h. sitzen geblieben und dadurch übersehen worden.</a>
Und um des Schiffes Abfahrt kommen,
Hätt ich des Esels Ruf nicht vernommen.
Ich bin, den alle Dinge drücken,
Will mich in einen Winkel bücken,
Ob wohl der Esel vorbei will gehn,
Nicht stets auf meinem Rücken stehn,
Und wenn ich nur Geduld recht hab,
Hoff ich, vom Esel zu kommen ab.
Doch hab ich sonst Gesellen gut,
Die drückt das, was mich drücken tut:
Der etwa folgt nicht gutem Rat,
Der zürnt, wenn er nicht Ursach hat;
Der kaufet Unglück, trauert ohn Grund,
Der lieber Streit hat als ruhige Stund';
Der seiner Kinder Mutwillen gern sieht,
Der hält mit dem Nachbarn keinen Fried';
Der leidet, daß der Schuh ihn drückt,
Die Frau ins Wirtshaus nach ihm schickt –
Die gehören all ins Narrenbuch.
Wer mehr verzehrt, als er gewinnt,
Und borget viel, was ihm zerrinnt,
Wer seine Frau führt andern vor,
Der ist ein Narr, Gauch, Esel, Tor;
Wer bedenkt die Menge der Sünden sein,
Und was er drum muß leiden Pein,
Und kann doch fröhlich sein damit,
<a name="page289" title="quantenspringer/Konmax" id="page289"></a> Der taugt nicht selbst zum Eselritt –
Es muß der Esel auf
seinen Rücken,
Um ihn zu Boden ganz zu drücken.
Der ist ein Narr, der das Gute sieht
Und doch nicht vor dem Bösen flieht.
Hiermit sind viele Narren berührt,
<a href="#IDWCBKM12TIHIKKLIPIMTVKGH2ZNGVGM4DW5PKNFKEL2OI3G2YS15C">[*]
gerürt, d. h. getroffen.</a>
Die dieser Esel mit sich führt.
<a name="page290" title="quantenspringer/Konmax" id="page290"></a>
Der müß die leber gessen han, d. h., dann sagt man, der müsse die Leber gegessen haben, also der Schuldige sein (sprichwörtlich).</a><a name="page291" title="quantenspringer/Konmax" id="page291"></a>
Wenn Reuter und Schreiber <a href="#IDPIIVVY5KFPFXNNNG2CWKB2JFJCLEEHHPZLBOGMFHXZ1DHM1Y3TNP">[*] Wegelagerer und Advokaten.</a> greifen an
Einen fetten, schlichten, bäurischen Mann,
Ist der es, so den Streit fing an. <a href="#ID3KRMJZZEKAQDJBNIKHWBH4DWCJQIGIB3201HVTMOLORDCXGRAP5E">[*]
Reuter und Schreiber
Schreiber und Reuter trifft
auch der Spott,
Sie seien in der Narrenrott;
Daß ihre Nahrung gleich, ist klar:
Der schindet heimlich,
der offenbar!
Der wagt sein Leben, sei's trocken, sei's naß,
Und
der setzt die Seele ins Tintenfaß.
Der Reuter steckt viele Scheuern an,
Der Schreiber braucht einen Bauersmann,
Der fett sei und kann triefen wohl,
Damit er riechen mach' seinen Kohl.
Ja, täte jeder, was er soll,
So wären sie beide Geldes wert,
Der mit der Feder, der mit dem Schwert –
Man möchte sie beide entbehren nit,
Wäre nicht
über der Hand ihr Schnitt,
<a href="#IDYFAUMGL2ND3AHY20F2D1B1V2BJBMEVGMXP5WC4OB1TE23C41MJJ">[*]
Suchten sie nicht unredlichen Gewinn (
schnytt == Ernte, Gewinn); vgl. heute: unter der Hand einen gehörigen Schnitt machen.</a>
Und würde durch sie nicht das Recht versehrt:
Man aus dem Stegreif
<a href="#IDCNG330MPWFZMHQAOPSHBRSZ52G0TFC5CI3MYQWPYUHCCJO1XRUEO">[*]
uß dem stägenreiff, d. h. aus dem Steigbügel, durch Wegelagerei und Straßenraub.</a> sich ernährt.
Da nun aber auf eignen Gewinn
Jeder von ihnen stellt Trachten und Sinn,
So wollen sie verzeihen mir,
Daß ich im Narrenschiff sie führ'.
Ich habe sie drum gebeten nicht,
Den Fuhrlohn jeder selbst verspricht
Und will sich weiter auch verdingen,
Bekannte genug ins Schiff zu bringen.
<a name="page292" title="quantenspringer/Konmax" id="page292"></a> Schreiber und Gleißner sind noch viel,
Die treiben jetzt wild Reuterspiel
Und nähren sich kurz vor der Hand,
<a href="#ID1SJDCGNELWU0BMHOH4R2M3TE1NBH5L5PIVIU2RIC1NV4SR0INGT">[*]
Von dem, was ihnen vor die Hand kommt (lat.
brevi manu = kurzerhand, ohne Umschweife).</a>
Gleichwie die Kriegsknecht' auf dem Land.
Wahrlich, es ist eine große Schand,
Daß man nicht eilend die Straßen macht frei,
Daß Pilger und Kaufmann sicher sei,
Aber ich weiß wohl, was das tut:
Man sagt, das Geleitgeld schmecke zu gut!
<a href="#IDO4ZZMR3YQNPRFCPDPCPTRUF5YOTZLCMYTEBZMLHXCR35L2TR5NNB">[*]
Man spricht es mach das geleyt vast guot: die ungewöhnlich scharfe Kritik Brants bezieht sich auf das Geleitgeld, das man für die Sicherung der Durchreise durch ein Gebiet zu zahlen hatte. Wenn die Obrigkeiten die Landstraßen sicher machen würden, entfiele diese Einnahme.</a><a name="page293" title="quantenspringer/Konmax" id="page293"></a>
<a name="page294" title="quantenspringer/Konmax" id="page294"></a>
Ich bin gelaufen fern und weit,
Das Fläschlein war nie leer die Zeit;
Dies Brieflein, Narren, ist euch geweiht.
Närrische Botschaft
Wenn
ich der Boten auch vergäße
Und ihnen Torheit nicht zumäße,
Sie mahnten mich wohl selber dran.
Den Narrn gebührt ein Botenmann,
Der trag im Mund, und sei nicht laß,
Ein Brieflein, daß es nicht werd naß,
Geh säuberlich wie auf dem Dache,
Damit das Ziegelwerk nicht krache,
Und schau auch, daß ihm nicht zur Last
Mehr wird, als du befohlen hast;
Er wisse, was ihm aufgetragen,
Vor Wein bald nicht mehr aufzusagen,
Und halt sich unterwegs lang auf,
Daß mancher kreuze seinen Lauf;
Er acht auf Zehrung in der Nähe,
Die Briefe dreimal er umdrehe,
Ob er erspähe, was er trage,
Und was er weiß, bald weitersage,
Und nachts die Tasche leg auf die Bank;
Hat er vom Wein dann einen Schwank,
<a href="#IDR3MV2RVORAFSBR3VFHOPRMAEQE2HV4L5GXCJSOAZENTLNNKVYAO">[*]
Einen kleinen Rausch.</a>
So kommt er ohne Antwort wieder:
Das sind, so mein ich, Narrenbrüder.
Sie laufen dem Narrenschiffe nach
Und findens zwischen hier und Aach;
<a href="#IDZROPRJ3MO3MCKGNHQDEKNEVA2JG3UR53EG1EVJB0X42IYVLV0MTB">[*]
Zwischen Basel und Aachen, d. h. nirgends.</a>
Doch sollen sie sich des vermessen
Und ihres Fläschleins nicht vergessen,
Denn ihre Leber, ihr Geschirr
Wird ihnen vom Laufen und Liegen
<a href="#IDXTXACFSBHRWFPU04IZFBOHNSANOFYGAVDIRTYYDT1DFJJTP3PSVK">[*]
So drucken die späteren Ausgaben; im Original steht
liegen = lügen, was kaum gemeint sein kann.</a> dürr.
<a name="page295" title="quantenspringer/Konmax" id="page295"></a> Doch wie der Schnee uns Kühlung leiht,
Wenn man ihn trifft zur Sommerszeit,
Also ein
treuer Bote erquickt
Den, welcher ihn hat ausgeschickt.
<a href="#IDYYMI2NTCAXLZBIF501M50AOGRSMKYO4ZLEQPDHYGEEAWXVJ1NFM">[*]
Sprüche Salomonis 25, 13.</a>
Der Bote ist Lob und Ehre wert,
Der
bald bestellt, was man begehrt.
<a name="page296" title="quantenspringer/Konmax" id="page296"></a>
<a name="page297" title="quantenspringer/Antenne" id="page297"></a>
Hier kommen Kellner, <a href="#IDJYYLLPZ40YNMD4FNRZTRLDLNJGPUS0VZAV2ZNGKC2LBTAIG2BS2B">[*] Kellermeister.</a> Köch', Ehalten, <a href="#ID13MHT2W0BXZHDYGUK4G3VXA55GJDM4FHXTOX1WCJYP1O4RJBS21E">[*] Dienstboten (mhd. ê = Gebot); eigentlich diejenigen, die ein Gebot zu halten verpflichtet sind.</a>
All, die des Hauses Sorg verwalten
Und redlich in dem Schiffe schalten.
Von Köchen und Kellermeistern
Ein Bötlein uns eben vorüberlief,
<a href="#IDEHVYJHOEULM0O4NCNXEOEDPWOGBV4OQWL40KQXOFZF42Y0XVAHHO">[*]
Gemeint ist einer der Boten aus dem vorigen Kapitel, V. 23.</a>
Das fragte nach dem Narrenschiff,
Dem gaben wir versalzne Suppen,
Daß er das Fläschlein wohl möcht luppen;
<a href="#IDRRFIIZ4L4Q33MSRYNFXVXESL2KKSCJP5LQDQHQGRUAFF0HOQ2GYB">[*]
Lüpfen, ihm zusprechen.</a>;
Wie schnell ist er davongeflogen,
Das Fläschlein hat er oft gezogen,
Wir wollten ihm ein Brieflein geben,
Doch er tät eilig weiterstreben.
Wir kommen wohl auch so zurecht,
<a href="#IDAI4M34OZA1Z3HHYGQS10KQGNRMZO1TPX43C1CZLV5HGPCW4DV4L">[*]
Des kumen wir die straß hie schlecht, d. h., deshalb kommen wir die Straße hier so einfach, unangemeldet daher.</a>
Kellner und Köche, Magd und Knecht,
Die in der Küche zu schaffen haben.
Wir tragen auf nach Kundschaft und Gaben,
Draus kein Bedenken uns entsteht,
Aus
unserm Säckel es nicht geht;
Zumal, wenn unsre Herrschaft aus
Und sonsten niemand ist im Haus,
Dann schlemmen wir und tabernieren,
<a href="#IDP3Q1RQ4UYYFFHGSNT1PK5ABFYKYFSQLWUYSURBDLCF1XDYUB54MN">[*]
Zechen wie in der Taberne (= Kneipe, Wirtshaus).</a>,
Auch fremde Prasser heim wir führen
Und geben da gar manchen Stoß
Den Kannen, Krügen, Flaschen groß.
Wenn nachts die Herrschaft geht zur Ruh,
Und Tor und Riegel sind fest zu,
Dann trinken wir nicht vom schlechtesten Naß
Und zapfen aus dem größten Faß,
So kann man es so leicht nicht spüren.
<a name="page298" title="quantenspringer/Antenne" id="page298"></a> Ins Bett wir dann einander führen,
Doch ziehen wir zwei Socken an,
Daß uns der Herr nicht hören kann,
Und hört man dann doch etwas krachen,
Wähnt man, daß es die Katzen machen.
Alsdann nach einer kleinen Frist,
Vermeint der Herr, daß ihm noch ist
Im Fäßlein mancher gute Trunk,
So macht der Zapfen: glunk, glunk, glunk!
Das ist ein schlimmes Zeichen, daß
Nur wenig mehr ist in dem Faß.
Sodann wir fleißig darauf achten,
Daß wir zurichten viele Trachten
<a href="#IDIFN0SYY3RGKPFZUR152KBRE1ZC0BINYS5AJIG2IHLOQLSIF23XOP">[*]
Gerichte.</a>
Und damit Lust und Magen reizen,
Mit Kochen, Sieden, Braten, Beizen,
Mit Rösten, Backen, Pfefferbrei;
Mit Zucker, Gewürz und Spezerei
Bereiten Trank wir und Gericht,
<a href="#ID3NWXXLJIXICJIYC2NUSYAPY2KOHYDJADL23AIBPH2JK5H5R5YEDG">[*]
Geben wir eym eyn oxymell, d. h. einen scharfen Trank aus Essig und Honig, der als Kühlungsmittel beliebt war.</a>
Daß an der Stiege sich mancher erbricht,
Oder er muß es von sich purgieren
Mit Sirupen und mit Klistieren.
Drob machen wir nicht viel Geschrei,
Werden wir doch selbst voll dabei,
Da wir uns selber nicht vergessen:
Das Beste aus dem Topf
wir essen;
Denn würden wir auch vor Hunger sterben,
Es hieß doch, das Schlemmen tät uns verderben.
Der Kellner spricht: »Brat mir 'ne Wurst,
Herr Koch, so lösch ich dir den Durst!«
Der Kellner ist des Weins Verräter,
<a name="page299" title="quantenspringer/TBeaker" id="page299"></a> So ist der Koch des Teufels Bräter,
Hier wird er gewohnt das Küchenfeuer,
Drum scheints ihm
dort<a href="#ID5CIVDFUJEVUPH4FSOREJMF1FJNKNTHWHV0SBH5DRYAFGRYUE515D">[*]
In der Hölle.</a> nicht ungeheuer,
Kellner und Köche sind selten leer,
Sie tragen auf und mühn sich sehr:
Zum Narrenschiff steht ihr Begehr.
Als Joseph nach Ägypten kam,
Der Köche Fürst ihn zu sich nahm,
Und Zion gewann Nabursadam.
<a href="#IDB0YNBJMOOOHIE4JBU3RT2SINBLMPQAZCGPX3RCKXFBRRAKPOA4EH">[*]
Vgl. 1. Mose 40; 2. Könige 25, 8 ff. Worauf Brant mit diesen Exempeln anspielt, ist unklar; vermutlich ist das Schicksal des betrügerischen Kochs (lat.
princeps pistorum) gemeint, der durch den Pharao gehenkt wurde, sowie die Tatsache, daß bei der Zerstörung Jerusalems durah Nebusaradan alle Kämmerer des Königs getötet wurden.</a><a name="page300" title="quantenspringer/TBeaker" id="page300"></a>
<a name="page301" title="quantenspringer/cal" id="page301"></a>
Ich hätt vergessen fast bei mir,
Daß ich nicht noch ein Schiff einführ':
Der Bauern Narrheit treff ich hier!
Von bäurischem Aufwand
Die Bauern ziemlich einfach waren
Noch kürzlich in vergangnen Jahren;
Gerechtigkeit war bei den Bauern;
Als die entfloh der Städte Mauern,
Wollt sie in strohernen Hütten sein,
Bevor die Bauern tranken Wein,
Den sie jetzt gerne bei sich dulden.
Sie stecken sich in große Schulden;
Wiewohl jetzt Korn und Wein gilt viel,
Nehmen sie doch auf Borg und Ziel
<a href="#IDGDZAY21TNQO5DEUMWURMLPZULJQ1NFFMHDPD0GCEGCXLDPSQMQWI">[*]
Termin des Zurückzahlens.</a>
Und wollen bezahlen nicht beizeiten,
Man muß sie bannen und verläuten.
<a href="#IDMEVL4G2WBZDQIO3DRCZAXDMTEHITBDNB4XU5OGAJTKAR0E3RGDD">[*]
Auch unterbliebener Zahlung wegen konnte man geächtet werden; vgl. Anm. 2 zu Kap. 71.</a>
Der Zwillch
<a href="#IDQ2EGGOVXMXKJL2Q5S5R3JVD0KN4TV1IGTK0YB0BSNKCUXNOFYCXC">[*]
Doppelt gewebtes Tuch, Sackleinen</a> schmeckt ihnen nicht mehr sehr,
Sie wollen keine Joppen mehr;
Es muß sein leydensch und mechelsch
<a href="#ID4LENLH4YFF4EHFZOOMSP3TM4MJBDYO0CLRXF5JEJUUK1BICPKJGI">[*]
Tuch aus Leiden oder aus Mecheln; die niederländischen Stoffe galten in jener Zeit als die besten.</a> Kleid
Und ganz zerhacket und gespreit
<a href="#ID3DYKQK31MARCGA4R5F0WC1NL3IH44RZDWKFHMJIEKKGIZ0RWRYKD">[*]
Geschlitzt und mit andersfarbigem Tuch unterlegt.</a>
Mit aller Farb, Wild über Wild,
<a href="#ID4S23OTJNKUDHPTCH43KPUXEJXAYTMN2X2GRFDPMJNJ1U0BD44SE">[*]
Doppeldeutig: mit allerlei Pelzwerk besetzt, oder: seltsam, fremdartig; vgl. Anm. 7 zu Kap. 4.</a>,
Und auf dem Ärmel ein Kuckucksbild,
<a href="#IDFMSXN2IFBTC4KCLQR3O5P4VUPNPLF2QVCHC5RBOPFAOC5BROH11G">[*]
eyn gouchs byld == Narrenbild; solche Bilder wurden wirklich auf dem Ärmel getragen.</a>
Das Stadtvolk lernt von Bauern jetzt,
Wie man das Laster besser schätzt;
Aller Beschiß geht von Bauern aus,
Alle Tag wolln sie neue Moden im Haus,
Keine Schlichtheit ist mehr in der Welt;
Die Bauern stecken ganz voll Geld,
<a name="page302" title="h.w.legner/quantenspringer" id="page302"></a> Sie speichern Wein und Weizen auf
Und andres und erschweren den Kauf
Und machen es so lange teuer,
<a href="#IDBPILLVKCBL1NNN11GKZEB3WEFKUVAE3E3MJ5YKLI3ECT2NDEC2O">[*]
und machen selber jnn eyn dür, d. h. sorgen selbst für eine Teuerung.</a>
Bis Blitz und Donner kommt mit Feuer
Und ihnen abbrennt Korn und Scheuer.
Desgleichen zu unsern Zeiten auch
Ist auferstanden mancher Gauch,
Der sonst ein Bürger und Kaufmann war,
Will adlig sein und Ritter gar.
Der Edelmann möcht sein Freiherr,
Der Graf wünscht, daß ein Fürst er war,
Der Fürst die Krone des Königs begehrt;
Viel werden Ritter, die kein Schwert
Gezogen je für Gerechtigkeit.
Die Bauern tragen seiden Kleid
Und goldne Ketten an dem Leib;
Es geht daher ein Bürgersweib
Viel stolzer, als eine Gräfin tut.
Wo Geld jetzt ist, da ist Hochmut;
Was eine Gans an der andern nimmt wahr,
Drauf ist sie gerichtet ganz und gar,
Das muß sie haben; es schmerzt sonst sehr.
Der Adel hat keinen Vorzug mehr.
Man sieht eines Handwerksmannes Weib,
Die größern Wert trägt auf dem
Leib
An Rock, Ring, Mantel, Borten schmal,
Als sie im
Haus hat allzumal.
Daran verdirbt manch Biedermann,
Der mit dem Weib muß betteln dann,
Im Winter trinken aus irdenem Krug,
<a name="page303" title="h.w.legner/quantenspringer" id="page303"></a> Daß seinem Weibe er tue genug;
Und hat sie heut alles, wonach es sie drängt –
Gar bald es bei dem Trödler hängt.
Wer Frauengelüsten will folgen doch,
Den friert gar oft, spricht er auch: »Schoch!«
<a href="#IDZK3LHUCFAXUCL2RMTTGG2EEVVGWH5CYEYW3ZQMPPJTIEKPW0LRSN">[*]
Ein Ausruf bei Hitze, etwa: »Uff, wie heiß!«</a>
In allen Landen herrscht große Schande,
Keiner begnügt sich mit seinem Stande,
Niemand bedenkt, was die Vorfahren waren,
Drum ist die Welt jetzt voll von Narren.
So daß ich wohl die Wahrheit sag:
Der Dreispitz, der muß in den Sack!
<a href="#IDGSAVH3M1X12FGWXHI52INJMCGO3FZOCFI1ZNRAB0S3PZA53HMUCM">[*]
D. h., man will seinen Kopf durchsetzen, das Unmögliche doch versuchen. Der Sinn dieses Bildes (mit
dry spitz könnte eine Fußangel gemeint sein) läßt sich trotz des Holzschnittes nicht völlig erklären; in Murners
Narrenbescbwörung (1512) heißt es erläuternd:
»Der stoßt den dryspitz in den sack / Der me wil thuon, dann er vermag« (Kap. 51).</a><a name="page304" title="xex/quantenspringer" id="page304"></a>
<a name="page305" title="Konmax/quantenspringer" id="page305"></a>
Viel Narren freut nichts in der Welt,
Es sei denn, daß es schmeck nach Geld;
Die gehören auch ins Narrenfeld.
Von Verachtung der Armut
Geldnarren sind auch überall
So viel, daß man nicht kennt die Zahl,
Die lieber haben Geld als Ehr.
Nach Armut fragt jetzt niemand mehr;
Man kommt auf Erden dort kaum aus,
Wo nichts als Tugend ist im Haus.
Weisheit tut man nicht Ehr mehr an,
Und Ehrbarkeit muß hinten stahn;
Sie kommt kaum noch auf grünen Zweig,
Man will jetzt, daß man ihrer schweig';
Und wer nach Reichtum nur begehrt,
Der schaut auch, daß er reich bald werd,
Und scheut nicht Sünde, Wucher, Schand,
Nicht Mord, Verrat am eignen Land;
Das ist jetzt üblich in der Welt.
All Schlechtigkeit find't man um Geld:
Gerechtigkeit um Geld ist feil,
Ums Geld kam mancher an ein Seil,
<a href="#IDJ5LE0B5S0DJUMRWPA0NXOCTP5HMFM2PPRCIQLPPQBYWW1KUIMMJD">[*]
An den Galgen.</a>
Käm er mit Geld nicht aus der Haft;
Um Geld bleibt Sünd oft ungestraft.
Ich sag dir deutsch, wie ich das meine;
Man henkt die kleinen Dieb' alleine;
Eine Bremse nicht im Spinnweb klebt,
Die kleine Mücke nur drin schwebt.
<a href="#ID1HYRKDREILFSJZJWVNCUKDSRSJJ2CKRIWOX0JWCENHGVCJCN0OFM">[*]
Nach einem alten lat. Sprichwort
(Irretit muscas, transmittit aranea vespas).</a>
Ahab war ehmals nicht zufrieden,
Daß ihm ein Königreich beschieden,
Bis er den Weinberg Naboths
<a href="#ID3AHYVUOJHAG1O5XU2JFOBMTVMLUSTMA4XSX1IPLKQV1D2TQFIRO">[*]
Vgl. 1. Könige 21, 1–16.</a> nahm,
Der arm ohn Recht zu Tode kam.
<a name="page306" title="quantenspringer/cal" id="page306"></a>
Der Arme muß stets in den Sack;
Was Geld bringt, ist gut von Geschmack.
Armut, die jetzo ganz unwert,
War einstmals lieb und hochgeehrt
Und angenehm
der goldnen Welt.
<a href="#IDXWKNHG42OHIZL3TELVWSLMQMSIBJR0BE21GGUUEL3NWNGNEE1DSO">[*]
Dem Goldenen Zeitaher. Die folgende Schilderung geht auf Ovids Metamorphosen I, 89 ff. und auf Vergils Georgica I, 125 ff. zurück.</a>
Da hat niemand geachtet Geld
Oder etwas besessen allein:
Alle Dinge waren da gemein,
Und man an
dem Genügen fand,
Was ohne Arbeit jedes Land
Und die Natur ohn Sorgen trug.
Doch als gebraucht erst ward der Pflug,
Fing man auch gierig an zu sein,
Da kam auch auf: »War mein, was dein!«
All Tugend war noch auf der Erde,
Wenn man nur Ziemliches begehrte.
Armut ist eine Gabe von Gott,
Wiewohl sie jetzt der Welt ein Spott;
Das macht allein, weil niemand ist,
Der bedenkt, daß Armut nichts gebrist,
Und daß
der nichts verlieren kann,
Der nichts gehabt von Anfang an,
Und daß
der leicht kann schwimmen weit,
Der nackend ist und ohne Kleid.
Ein Armer singt frei durch die Welt,
Dem Armen selten etwas fehlt.
<a href="#IDH3PTHUPQJD3HID4YPRHHYLHLVHAFHE5NB4PJ4OOM1CLVGYIJGYOI">[*]
seltten üt entpfalt, d. h. etwas entfällt, abhanden kommt.</a>
Die Freiheit hat ein armer Mann,
Daß er doch betteln gehen kann,
Obschon man ihn sieht übel an;
<a name="page307" title="quantenspringer/fibo235" id="page307"></a> Und wenn man ihm auch gar nichts reicht,
So bleibt sein Gut wie vorher
leicht.
Bei Armut fand man bessern Rat,
Als Reichtum je gegeben hat,
Das zeigt uns Quintus Curius
Und der berühmte Fabricius,
<a href="#IDN4ETP4U3XAQRKVJJR2IDNXZGAODB4BI0YEGJNQLG3YX1PJ3PJEEE">[*]
M. Curius Dentatus, ein römischer Feldherr, der die Samniter und Ausonier besiegte, wurde wegen seiner freiwilligen Armut gerühmt; C. Fabricius Luscinus, ein römischer Konsul, wies nicht nur Geschenke des Pyrrhus zurück, sondern lehnte auch das Angebot eines Verräters, den Pyrrhus zu vergiften, ab und warnte selbst den Bedrohten.</a>
Der wollte nicht haben Gut noch Geld,
Sondern hat Ehr und Tugend erwählt.
Armut gab ehmals Fundament
Und Anfang allem Regiment;
Armut gebaut hat jede Stadt;
All Kunst
<a href="#IDVWNBSMZNY2CXHFL4I0I3MKWGNLIUA1RVW533DQONB0BDGCHHHOVP">[*]
D. h. Wissenschaft und Kunst.</a> Armut erfunden hat;
Armut ist ohne Schlechtigkeit,
Aus Armut wächst Ehr allezeit;
<a href="#IDZW303PZJE5MHJOSFZLSHLIDIVO1LQFMLJOBHMOJ2QMX5DERMPXMP">[*]
Im Original:
Alls Übels Armuot ist wol on / All ere uß Armuot mag erston.</a>
Bei allen Völkern auf der Erde
Stand Armut lang in hohem Werte;
Es hat durch sie der Griechen Hand
Viel Stadt bezwungen, Leut und Land.
Aristides war arm und gerecht,
Epaminondas streng und schlecht,
<a href="#IDDDDL4RV0C2FFN2EFLA1UTEFUV0Q43C0GREDOBC2NNNZQZY3IMQO">[*]
Schlicht. Aristides, athenischer Staatsmann und Feldherr ( † um 467 v. Chr.), führte den Beinamen »der Gerechte«; Epaminondas, thebanischer Feldherr, der im Kampf gegen Sparta fiel ( † 362 v. Chr.), galt als Muster strenger Zucht und Bedürfnislosigkeit.</a>
Homer war arm und doch gelehrt,
In Weisheit Sokrates geehrt,
Und Phocion
<a href="#IDZIMW50RTANBJKM1GLDBQZIEFNLQD1C4EAHD5EWBPUWPBYBSY2LXE">[*]
Athenischer Feldherr ( † 318 v. Chr.), der wegen seiner Freigebigkeit gerühmt wurde.</a> keiner an Mild übertrifft.
<a name="page308" title="quantenspringer/fibo235" id="page308"></a>Das Lob hat Armut in der Schrift:
Nichts ward auf Erden je so groß,
Das nicht zuerst aus Armut floß.
Das Römische Reich, sein hoher Nam'
Anfänglich her aus Armut kam.
Denn welcher merkt und bedenkt dabei,
Daß Rom von Hirten erbauet sei
Und von armen Bauern lang regiert,
Danach von Reichtum ganz verführt,
Der kann wohl merken, daß Armut
Rom besser war als großes Gut.
Wär Krösus arm, doch klug gewesen,
Er hätt behalten, was er besessen;
Man fragte Solon
<a href="#IDISX35A14CO1MJGBVD2A0OYHLBGEKUQFTFML001JRLLT1W2YYPGS">[*]
Gesetzgeber von Athen (um 594 v. Chr.), einer der »Sieben Weisen«; der überlieferte Ausspruch nach Plutarch.</a> um Bescheid,
Ob jener hätte Seligkeit
<a href="#IDSLHDJK5XHIL1ISCJGSKAJXWUQKKQNXP4RVJMVSHF5PJPXJ5Y50RC">[*]
In der älteren Bedeutung: Glückseligkeit, Wohlsein.</a> –
Denn er war mächtig, reich, geehrt –,
Da sagte Solon: »Auf der Erd
Nenn keinen selig vor dem Tod,
Man weiß nicht, was ihm all noch droht!«
Wer meint noch festzustehen heut,
Der kennt doch nicht die künftge Zeit!
Der Herr sprach: »Euch sei Weh und Leid!
Ihr Reichen, habt hier eure Freud,
Genießet euer Gut auf Erden,
Doch selig wird der Arme werden!«
<a href="#IDQZLRSE1JQNIWFNZ10BQE2DK34DUKOM4C0GZKFHOWNHH4O1Q1CQI">[*]
Sellig der arm mit fryem muot; vgl. Markus 10, 24 u. Matthäus 5, 3.</a>
Wer sich mit Lügen errafft Besitz,
Der ist durchtrieben und ganz unnütz
Und mästet selbst sein Mißgeschick,
<a name="page309" title="mbechtel/quantenspringer" id="page309"></a> Daß er erwürg' am Todesstrick.
<a href="#IDH2NB1DLUR0LJDFJXRDVFALDNGEVFK3SLSRZB4IJWBKH31DYUVPRB">[*]
Sprüche Salomonis 21, 6.</a>
Wer einem Armen Unrecht tut
Und damit häufen will sein Gut,
Trifft einen Reichern, der erpreßt
Sein Gut und
ihn in Armut läßt.
<a href="#IDU2VOHPIMUMYXJJQG3V1MH5NRH33OMEU31MJ0UOOTUKUOFIPTZTI">[*]
Sprüche Sal. 22, 16.</a>
Richt' nicht die Augen auf das Gut,
Das allzeit von dir fliehen tut;
Gleichwie der Adler, so gewinnt
Es Federn und fliegt durch den Wind.
<a href="#IDYFSC3MDS0WEWKNQJ2JWKKPNYQCFHKCBN4TH3KOHUNEF0Z1Q0YPNO">[*]
Sprüche Sal. 23, 5.</a>
Wärs gut, auf Erden reich zu leben,
Hätt Christus sich nicht der Armut ergeben.
<a href="#IDZQMHECUZ3LYCD2WIDEPHPGBTFJKMGMJNK3OO3FR5L2LAUWBOA0C">[*]
Im Original:
Wer guot uff erden rich hye syn / Christus wer nit der ärmst gsyn (der Ärmste gewesen).
</a> Wer spricht, daß er ohn Mängel war,
Nur sei die Tasch ihm pfennigleer,
Derselbe ist in der Narrheit Bann,
Ihm fehlt mehr, als er sagen kann,
Vor allem, daß er nicht erkennt,
Daß er sei ärmer, als er wähnt.
<a name="page310" title="mbechtel/quantenspringer" id="page310"></a>
Das duot / der gouch der blibt jm nest, d. h., er bleibt doch der alte Narr.</a><a name="page311" title="mbechtel/quantenspringer" id="page311"></a>
Es greift gar mancher hurtig zum Pflug
Und endet zuletzt doch übel genug,
Weil er den Gauch aus dem Nest nicht trug. <a href="#IDGECQ3KO5ZSXDPXV3P0ZBMPJNQGDSOYRRFKU1QNJJEN0PW45GGF5M">[*]
Vom Beharren im Guten
Die Hand legt mancher an den Pflug
<a href="#IDYOJYQA41RWF1FE3M5QU142GKKFXXPB3T0AHQISPN41IE5L23VP2L">[*]
Vgl. Lukas 9, 62.</a>
Und hat zuerst Verlangen genug
Nach Weisheit und nach gutem Werk
Und steigt doch nicht empor zum Berg,
Der ihn führt zu des Himmels Auen,
Er muß vielmehr zurück oft schauen,
Denn ihm gefällt Ägyptenland,
Wo mancher volle Fleischtopf stand,
<a href="#IDZNJJIEL0KY03BP4V3LAOI43LUK11GHL1R4HVO2FTIW52EJLKK0TL">[*]
Vgl. 2. Mose 16, 3.</a>
Und läuft den Sünden weiter nach
Wie mancher Hund dem, was er brach
Und oftmals neu verschlungen hat –
<a href="#ID0Q0OA4S0A42ENP01PF1NTZJN0P5HDMI2LYAGN5H3EN5KPUMT2IKK">[*]
Sprüche Salomonis 26, 11.</a>
Für solchen gibts nur wenig Rat.
Die Wunde selten sich wieder schließt,
Die oft schon aufgebrochen ist;
Wenn sich der Sieche nicht recht hält
Und zurück in seine Krankheit fällt,
So ist zu fürchten, daß er dann
In Zukunft kaum genesen kann.
Viel besser ists, ans Werk nicht gehn,
Als nach dem Anfang abzustehn.
Gott spricht: »Ich wollt, du hättst Gestalt,
Daß warm du wärest oder kalt;
Aber dieweil du lau willst sein,
Bist du zuwider der Seele mein!«
<a href="#IDYKIT5LFQMTX3FX2LOBVP34PJFO5SRD4J2Z4Q4HDCZ15LILFQKZKD">[*]
Offenbarung Joh. 3, 15. 16.</a>
Wenn einer tat viel Gutes schon,
Wird ihm doch nicht der rechte Lohn,
Wenn er nicht ausharrt bis ans Ende.
<a name="page312" title="mbechtel/quantenspringer" id="page312"></a> Aus großem Übel kam behende
Und ward erlöst die Hausfrau Lot,
Doch da sie nicht hielt das Gebot
Und wieder umsah hinter sich,
Blieb sie da stehn ganz wunderlich.
<a href="#IDY0Y4EIRCKLLIDGX1GC5X000XSE5UT2ITV0H0WMM4QIRH50GD3SP">[*]
Vgl. 1. Mose 19, 15–26.</a>
Ein Narr läuft wieder zu seiner Schelle,
Gleichwie der Hund zu seinem Gewölle.
<a href="#IDEQTQLI4SGABJKE4DC52LCQCJVCD2HQJEWMLABKK4R20KIDCPFHUK">[*]
Dem Ausgewürgten.</a><a name="page313" title="mbechtel/quantenspringer" id="page313"></a>
<a name="page314" title="wedi/quantenspringer" id="page314"></a>
Kann Adel, Gut, Kraft, Jugendzier
In Fried und Ruh sein, Tod, vor dir?
All das, was Leben je gewann
Und sterblich ist – das muß daran.
Sich des Todes nicht versehen
All die wir leben hier auf Erden,
Ihr lieben Freund', betrogen werden,
Weil wir nicht vorzusehn gewohnt
Den Tod, der unser doch nicht schont.
Wir wissen, und es ist uns kund,
Daß uns gesetzet ist die Stund,
Und wissen nicht wo, wann und wie?
Doch ließ der Tod noch keinen hie,
Wir sterben all und fließen hinnen
Wie Wasser, die zur Erde rinnen.
Darum sind wir gar große Narren,
Daß wir nicht denken in viel Jahren,
Die uns Gott deshalb leben läßt,
Daß wir uns rüsten auf das best'
Zum Tod und lernen, daß wir hinnen
Einst müssen, ohne zu entrinnen.
<a href="#IDFIOR0IMZD1QNB5H5YPECCDWQNOVKBNYE0ZCBUMFELRWEQFPWCSLO">[*]
Im Original dringlicher:
Und leren / das wir müssen künnen / Und mögen jnn keyn entrynnen.</a>
Der Wein ist schon getrunken drauf,
Wir können nicht abstehn vom Kauf;
<a href="#IDXPA25DS3S1OQODKQWPKY4BBTGHDNK2JWFQJEHBMC0JECQLZD3NHD">[*]
Der Weintrunk galt als feierliche Bestätigung eines abgeschlossenen Kaufes oder Vertrages.</a>
Die erste Stund die letzte brachte,
Und wer den ersten ehmals machte,
Der wüßt auch, wie der letzt' würd sterben.
Aber die Narrheit tut uns färben,
<a href="#IDIBN1YDIUXT4YFWKV3LXY14CASLG3VK1XYFR3OVO4XZAZOYELZ3UG">[*]
Betrügen.</a>
Daß wir gedenken nicht daran,
Wie uns der Tod nicht lassen kann
Und unsers hübschen Haars nicht schonen,
Noch unsrer grünen Kränz und Kronen.
Mit Recht »Hans Acht-sein-nit« er heißt,
<a name="page315" title="wedi/quantenspringer" id="page315"></a> Denn wenn er greift und an sich reißt,
Sei er auch stark und schön und jung,
Den lehrt er gar seltsamen Sprung,
Den billig ich den Todsprung heiß',
So daß ihm ausbricht kalter Schweiß
Und streckt und krümmt sich wie ein Wurm,
Denn da tut man den rechten Sturm.
<a href="#ID1Q5H1DMTJ2THGEJMI4ECPGEXLNSNDRXQ4REXSJCMIU431AOK3XXD">[*]
D.h. Kampf. Die Totentänze waren seit dem Spätmittelalter ein beliebtes Thema der Dichtung und bildenden Kunst.</a>
O Tod, was hast du für Gewalt,
Dieweil du hinnimmst jung und alt!
O Tod, wie ist so hart dein Nam'
Für Adel, Macht und hohen Stamm;
Für den zumal, der Freud und Mut
Allein gesetzt auf zeitlich Gut!
Der Tod mit gleichem Fuß zertritt
Des Königs Saal, des Hirten Hütt:
<a href="#IDBW4QXH3P0HTODCRWF5CSX2CWDFV0EYP55EMRLCPA4QE55AOQEGPH">[*]
Nach Horaz, Oden I, 4, 13.</a>
Er achtet Pomp nicht, Macht noch Gut,
Dem Papst er wie dem Bauern tut.
Drum ist ein Tor, wer will entfliehn
Dem, dem er sich nicht kann entziehn,
Und meint, wenn er die Schellen schüttelt,
Daß ihn der Tod alsdann nicht rüttelt;
Mit
der Bedingung kommt fürwahr
Ein jeder, daß er wieder fahr'
Von hinnen und dem Tod zustehe,
Wenn von dem Leib die Seele gehe.
Nach
gleichem Recht der Tod hinführt
Das, was das Leben je berührt:
Du stirbst,
der bleibt noch länger hie,
Doch keiner bleibt auf Dauer nie:
<a name="page316" title="wedi/quantenspringer" id="page316"></a> Die tausend Jahr erlebten schon –
Die mußten schließlich doch davon.
Der Rock war kaum getragen ab,
Da folgt der Sohn dem Vater ins Grab;
Ein andrer den Tod
vorm Vater schaut,
Man findet auch manche Kälberhaut.
<a href="#IDP10FKDIUZ3TFE43WJ5MKLFNNCGDM1RAFRFP2Y4MPQMTD4GUAITTB">[*]
Unter den Häuten gibt es auch Kalbsfelle, d.h., es sterben auch junge Geschöpfe (sprichwörtlich).</a>.
Je einer fährt dem andern nach,
Und wer nicht
wohl stirbt, findet Rach.
<a href="#IDSVM1XBWDPS00ISSKE0HXUUGCBK5LV30GQYVZDDVTS3G3UBLAWWO">[*]
Vergeltung.</a>
Auch lassen
die ihre Narrheit scheinen,
Welche um Tote trauern und weinen,
Ihnen mißgönnen ihre Ruh,
Der wir doch alle streben zu.
Denn keiner geht zu früh dort ein,
Wo er in Ewigkeit muß sein;
Es geschieht gar manchem wohl daran,
Daß Gott ihn zeitig ruft hindann.
Der Tod bracht manchem Nutzen ein,
Trübsal ward ihm erspart und Pein.
Viel haben den Tod auch selbst begehrt,
Und andern erschien er Dankes wert,
Zu denen er ungerufen gegangen:
Er machte frei viel, die gefangen,
Und hat viel aus dem Kerker gebracht,
Denen der ewig war zugedacht.
Das Glück teilt ungleich arm und reich,
Aber der Tod macht alles gleich;
Er ist ein Richter, der fürwahr
Nichts abläßt, wenn man ihn bittet gar.
Er ists allein, der alles lohnt,
Der keinen jemals hat geschont
<a name="page317" title="wedi/quantenspringer" id="page317"></a> Und keinem je gehorsam ward –
Sie mußten all auf seine Fahrt
Und ihm nachtanzen seinen Reihen:
Päpst', Kaiser, König', Bischöf, Laien,
Deren mancher noch niemals gedacht,
Daß man den Vortanz ihm gebracht,
Und er muß tanzen in dem Gezotter
<a href="#ID1OMNAIAODOWPEZNC5HFH433OHKB33SQVFLCXOMBKR0RVN2MC0AJN">[*]
gzotter ist die Reihe der beim Tanzen Hintereinandertretenden (heute zotteln = nachschleppen, nachhängen). Die folgenden Namen bezeichnen zwei beliebte Tänze jener Zeit.</a>
Den Westerwälder und den Trotter;
Wenn er hätt eher daran gedacht,
Es wär nicht gekommen so über Nacht.
Jetzt ist dahin manch großer Narr,
Der um sein Grab voll Sorge war
Und wandte dran so viel an Gut,
Daß es noch manchen wundern tut:
Das Mausoleum, wo den Gatten
Artemisia
<a href="#ID5HX15JLC5NUNGJG1OFSDXCRXKIVR1L1CMIEFUUD3SYLDJJIIKLEG">[*]
Artemisia II. war die Gemahlin des Königs Mausolos († 352 v.Chr.), von dessen Namen die Bezeichnung für monumentale Grabstätten abgeleitet wurde.</a> ließ bestatten
Und so viel Kosten daran wandt'
Mit großer Zier und offner Hand,
Daß man es eins jener Wunder nennt,
Von denen sieben der Erdkreis kennt;
Auch Gräber in Ägyptenland,
Die Pyramiden man genannt –
So baute Chemnis
<a href="#IDCTMXSRL5SDWTDRP2KED0Y1DLLMNXV3LJOLHSUJECTUQPQI52BZUP">[*]
Cheops.</a> sich ein Grab
Und hing daran sein Gut und Hab,
Da dreimalhunderttausend Mann
Und sechzigtausend werkten dran,
Denen gab an Kraut er alsoviel,
<a name="page318" title="wedi/quantenspringer" id="page318"></a> (Der andern Kost ich schweigen will),
Daß wohl kein Fürst wär jetzt so reich,
Der das bezahlte jenem gleich;
<a href="#ID51XXVDG3KMYONLYLOKEUZJA1TENGBDNDBA1RGQPJ1D1NH3XUIAXK">[*]
Wie Herodot berichtet, sollen beim Bau der Pyramide des Cheops bei Gizeh 1600 Silbertalente für Zwiebeln und Knoblauch ausgegeben worden sein.</a>
Ein gleiches Amasis vollbrachte,
Wie Rhodope auch eins sich machte.
Welch große Torheit doch der Welt,
Daß man wandte so vieles Geld
An Gräber, da man wirft hinein
Den Aschensack, die Totenbein,
<a href="#IDPPNXZCOL2GZ1OTPTI25HX4MCWC0PUYOZZCNFAKKPG2NOG52T3UWE">[*]
Den äsch sack und die schelmen beyn; vgl. Anm. 1 zu Kap. 54.</a>
Und gab so große Summen aus,
Daß man den Würmern macht ein Haus,
Und für die Seele will nichts geben,
Die doch in Ewigkeit muß leben!
Der Seel hilft nicht ein kostbar Grab,
Daß einen Marmorstein man hab'
Und aufhäng' Schild, Helm, Banner groß;
»Hier liegt ein Herr und Wappengenoß!«
Haut man ihm dann in einen Stein.
Der rechte Schild ist ein Totenbein,
Dran Würmer, Schlangen, Kröten nagen,
Das Wappen Kaiser und Bauer tragen,
Und wer hier zieht einen feisten Bauch,
Speist seine Wäppner am längsten auch.
Da ist ein Fechten, Reißen, Brechen,
Die Freunde sich um das
Gut erstechen,
Denn jeder möcht es ganz behalten –
Die Teufel mit der
Seele schalten
Und tun mit der wüst triumphieren,
<a name="page319" title="wedi/quantenspringer" id="page319"></a> Von einem Bad sie ins andre führen,
Von Eiseskälte in glühende Hitz.
Wir Menschen leben ganz ohn Witz,
<a href="#IDE2KLTNO3J0UVGLDP1D4LQIGDMDGXM0UQBQYHSCF02RUAHTZHNDHP">[*]
Ohne Verstand.</a>
Daß wir der Seel nicht nehmen wahr,
Des Leibes sorgen immerdar.
Die ganze Erde ist Gott geweiht,
Wohl ruht, wer stirbt ohn Angst und Leid.
<a href="#IDQ2WT0AVQJ333KNY5KEPNTKNRJE1BGINT3UW5K2X4FYWVMHGZTZO">[*]
Die Verse Brants sind einfacher, aber nicht übertragbar:
All erd die ist gesägnet gott / Wol lyt (liegt) der / der do wol ist dott.</a>
Der Himmel manchen Toten deckt,
Der unter keinem Stein sich streckt.
Wie könnte der haben ein schöner Grab,
Dem das Gestirn glänzt von oben herab?
Gott find't die Gebeine zu seiner Zeit.
Das Grab der Seel keine Freude leiht:
<a href="#IDVAK32PXNZ3CSFZTW2YLFNN0LGCIXNAXZ1NNCB1LQOKRX1SUVPGJE">[*]
Diese Zeile fehlt im Original; erst die Straßburger Ausgabe von 1512 ergänzt das Reimpaar.</a>
Wer
wohl stirbt, hat das beste Grab,
Wer sündig stirbt, fährt schlimm hinab.
<a href="#IDCENDP21B3GXTPU5RMUZBIN1L4PVJLBU51DPM0NG0L5INSWOWOWAL">[*]
Im Original:
Wer wol styrbt / des grab ist das höhst / Der sünder dot / der ist der bösst.</a>
<a name="page320" title="wedi/quantenspringer" id="page320"></a>
<a name="page321" title="wedi/quantenspringer" id="page321"></a>
Wer meint, daß Gott nicht strafend dräut,
Weil er oft zögert lange Zeit,
Den trifft der Donner wohl noch heut.
Von Verachtung Gottes
Der ist ein Narr, der Gott nicht achtet,
Zu widersprechen ihm stets trachtet,
Und meint, er sei den Menschen gleich,
Daß er sich foppen laß und schweig.
Denn mancher fest und sicher glaubt,
Wenn ihn der Blitzstrahl nicht beraubt
Des Hauses gleich und schlägt ihn tot,
Wenn er sein Frevelstück darbot,
Und wenn er nicht stirbt jähelich –
Er brauch nicht mehr zu fürchten sich,
Denn Gott hab sein vergessen doch
Und warte lange Jahre noch
Und werd ihm dazu lohnen auch.
Damit versündigt sich manch Gauch,
Der in der Sünde recht verharrt;
Darum, daß Gott sein etwa spart,
Denkt er zu raufen ihm den Bart,
Als ob er mit ihm scherzen wolle
Und solches Gott vertragen solle.
Hör zu, o Tor; werd weise, Narr!
Versäum dich nicht, nicht länger harr!
<a href="#IDBVYCKZUCXNGGJ20WU110BLSRVDBSGSOXTAYYUICP5UCMMU1WTWZE">[*]
Verloß dich nit uff solche harr, eine Anspielung auf das Hinausschieben des Zahlungstermins durch den Gläubiger; vgl. Kap. 25.</a>
Es trägt fürwahr ein grausam Band
Der, welcher Gott fällt in die Hand,
Denn ob er auch dich lange schont,
So wird dir schließlich doch gelohnt.
Manchen läßt sündigen Gott der Herr,
Daß er ihn strafe desto mehr
Und ihm heimzahle auf einmal;
<a name="page322" title="wedi/quantenspringer" id="page322"></a> Man spricht, das mach' den Säckel kahl.
<a href="#IDRONBKF3G4TJFNMIWUFFKRAJ4CNWBQWTW4GIQ5LX5C2GHPXLIOXJ">[*]
Das mache reine Rechnung.</a>
Mancher, der stirbt in Sünden klein,
Dem tut Gott solche Gnade an,
Daß er ihn zeitig nimmt hindann,
Damit er nicht viel Sünd auflade
Und größer werd der Seelen Schade.
Gott will den Reuigen erweisen
Barmherzigkeit, wie er verheißen;
Doch keinem Sünder er verhieß,
Daß er ihn so lang leben ließ,
Bis ihn die Besserung überkäme
Und er zum Guten sich bequeme.
Gott gäb wohl manchem Gnade heut,
Dem morgen er mit Zorne dräut.
Ezechias
<a href="#IDZNDMHOVZPHTJE0NOXVLIJRMPPHYEEUSYNI215DP0VW0JYAKIZQB">[*]
Hiskia; vgl. 2. Könige 20, 1–6.</a> von Gott erwarb,
Daß er am Lebensziel nicht starb,
Sondern noch fünfzehn Jahre weilte,
Dagegen Belsazar der Tod ereilte.
<a href="#IDD34DXQVDRXDW1G2ZJFIBZXVEPNSPHY4FRPCT4HEVHIJFQ1AY5KI">[*]
Balthesar durch sünd sym ziel kam vor, d.h. starb auf Grund seiner Sünden vor der Zeit; vgl. Daniel 5.</a>
Die Hand von aller Freud ihn trieb,
Die Mene Tekel Upharsin
<a href="#IDPI4KQKPGXNIZGL5HLM0XGVZPVOKH03PZ2KQIV4BOZATGAPTTVIJK">[*]
Mane / Phares / Thetel (nach der lat. Vulgata), d.h. gezählt, gewogen, zerteilt.</a> schrieb;
Er war zu leicht nach dem Gewicht,
Drum ward entzogen ihm sein Licht;
Er merkte nicht, wie sein Vater
<a href="#IDMR2EF0XFBFFXID2OW0XDZMMW5EWJHOF50DPGJDOQAJVDBMME2Y1J">[*]
Nebukadnezar; vgl. Dan. 5, 18 ff.</a> war
Durch Gott gestraft vor manchem Jahr
Und sich zur Buß und Besserung kehrte,
Darum der Herr ihn auch erhörte,
Daß er in Viehes Gestalt nicht starb,
Durch Reue sich Gnadenfrist erwarb.
<a name="page323" title="wedi/quantenspringer" id="page323"></a> Der Sünden wie der Jahre Zahl
Ist jedem festgesetzt zumal,
Und wer in Eile sündigt viel,
Eilt nur damit zum letzten Ziel.
Viel sind schon dieses Jahr gestorben,
Die, hätten Besserung sie erworben,
Ihr Stundenglas gedreht bei Zeit,
So daß der Sand nicht abgelaufen,
Wohl ohne Zweifel noch lebten heut.
<a name="page325" title="wedi/quantenspringer" id="page325"></a>
Wer lästert Gott mit Fluchen, Schwören,
Der lebt mit Schand und stirbt ohn Ehren;
Weh solchen auch, die dem nicht wehren!
Von Gotteslästerung
Die größten Narren auch ich kenne,
Doch weiß ich nicht, wie man sie nenne,
Die unzufrieden
<a href="#ID1I2MH4DRBZKTLGZX3U3PKMVROM0T10Y33CKBYOCZSHIR5OJTRYGB">[*]
nit benügt, d.h. kein Genüge finden.</a> mit aller Sünd
Sich zeigen als des Teufels Kind;
Die öffentlich bezeugen, daß
Sie seien gegen Gott voll Haß
Und leben mit ihm in Widerstreit.
Der hält wohl Gott Ohnmächtigkeit,
Der andre ihm seine Marter vor,
Seine Milz, sein Hirn, Gekrös und Ohr.
<a href="#IDKU4ZHG15OZP5EWCC5QCOQQHHABSJ1MMPSD010XJDGHJESU24QADH">[*]
Nämlich in den Schwurformeln und Flüchen, in denen man Gottes und Christi Namen außerdem verdrehte; statt Gottes
(gotz) wurde »botz, potz« gesagt (z.B.
botz marter, botz leichnam, botz schweiß), oder »Sapristi!« (aus lat.
sacrum corpus Christi).</a>
Wer oft und ungewöhnlich schwor,
Wogegen doch Natur und Recht,
Der gilt jetzt als ein wackrer Knecht,
Der muß den Spieß, die Armbrust tragen
Und darf es wohl mit Vieren wagen
Und bei der Flasche tapfer sein.
Mordschwüre schallen laut beim Wein
Und bei dem Spiel um wenig Geld;
Kein Wunder wärs, wenn Gott die Welt
Um solche Schwür' ließ untergehn;
Der Himmel könnt in Stücke gehn,
So lästert und so schmäht man Gott.
All Ehrbarkeit ist leider tot,
Das Recht legt keine Strafen drauf,
Drum trifft uns auch der Plagen Hauf,
Weil es so öffentlich geschieht,
<a name="page326" title="wedi/quantenspringer" id="page326"></a> Daß alle Welt es hört und sieht;
Kein Wunder, droht nun mit Gericht
Gott selbst, denn länger trägt ers nicht.
Er selbst befahl, wenn man ihn höhne,
Zu steinigen dann Jakobs Söhne.
<a href="#IDSJYUTB3KOTDWC2XRFYNQ5IYSKKCUMY24JIBW51K25CDTBXDL4XAE">[*]
Vgl. 3. Mose 24, 16.</a>
Einst fluchte Sanherib
<a href="#ID0ABKGLOKWQQOKYES0QLYCDGXQOOBXRJUGWNB4MB500YP5FKAEUD">[*]
2. Könige 19.</a> auf Gott
Und ward geplagt mit Schand und Spott;
Lykaon und Mezentius
<a href="#IDEP1J5XAOKOUQJ2C4M1N5H12AEOUHIULJHRZEF1KJO30HXLLSBX1B">[*]
Ovids Metamorphosen I, 198 ff.; Vergils Aeneis VII, 648.</a>
Empfand das und Antiochus.
<a href="#IDKN4H5HPIVNX0K5C2RRZZTZDO5PR35Q5G11T1LRMYGWJBV4K4ZKYB">[*]
2. Makkabäer 9.</a><a name="page327" title="wedi/quantenspringer" id="page327"></a>
Des plag ist nit eyn viertel myl, d. h. ist nicht eine Viertelmeile entfernt = sehr nahe.</a><a name="page328" title="quantenspringer/fibo235" id="page328"></a>
Wer meint, daß Gott uns straf zuviel,
Weil er uns oftmals plagen will,
Des Plage steht kurz vor dem Ziel. <a href="#IDMGGATU34GUBJKBXIFIACPPFO3DEJYU0PIE5GQMTKWMHGD4ETM3I">[*]
Von Plage und Strafe Gottes
Ein Narr ist, wer für Wunder hält,
Daß Gott der Herr jetzt straft die Welt
Und Plag auf Plage schicket noch,
Dieweil wir seien Christen doch,
Und unter diesen viel geistliche Leut
Mit Fasten und Gebet allzeit
Ihm dieneten ohn Unterlaß.
Doch hör, kein Wunder dünkt mich das,
Weil du nicht findest
einen Stand,
Mit dem es übel nicht bewandt,
Der nicht abnehme und verfalle.
Drum gilt des Weisen Spruch
<a href="#IDHPKQKHXZ4XUFD2OC3JWPPFC4GDDCTX14B5RQXVPXN5BMGK0Z1GQJ">[*]
Jesus Sirach 34, 28.</a> für alle:
»Weil du zerbrichst, was ich bereite,
So bleibt nur Reue für uns beide,
Und unsre Mühe ist verlorn!«
So spricht auch sonst der Herr mit Zorn:
<a href="#ID53EXWT3UK0PAHPBFANZSUL2C5NSGIE5T3NUU2UNT3OFMMTUMYEEI">[*]
Vgl. Jeremia 14 u. 15, 1 ff.; Ezechiel 14, 12 ff. (es handelt sich um eine freie Kombination verschiedener Stellen aus den Propheten).</a>
»Wenn ihr nicht haltet mein Gebot,
Will ich euch geben Plag und Tod,
Krieg, Hunger, Pestilenz und Hitz,
Samt Teurung, Reif, Kalt, Hagel, Blitz,
Und mehren dies von Tag zu Tag;
Will nicht erhörn Gebet noch Klag;
Ob Moses auch und Samuel
Mich bäten, bin ich doch der Seel
So feind, die treibt mit Sünde Spott,
Daß Plag sie trifft – dieweil ich Gott!«
<a name="page329" title="quantenspringer/fibo235" id="page329"></a>
Schon an der Juden Land ward klar,
Daß es durch Sünd verloren war;
Wie oft sie Gott vertrieben hat
Um Sünde aus der heiligen Stadt.
Den Christen ging sie auch verlorn,
Weil sie verdienten Gottes Zorn.
Noch mehr Verlust muß ich besorgen,
Und daß es wird noch schlimmer morgen.
<a href="#IDQ00OOMYN5FVBFVYEKAXJVICXJBYBRIFHOQVCVNMD3KJLTFZIRBOK">[*]
Myn sorg ist wir verlyeren me (als das heilige Land) /
Und das es uns noch übler gee (gehe).</a><a name="page330" title="quantenspringer/fibo235" id="page330"></a>
<a name="page331" title="quantenspringer/fibo235" id="page331"></a>
Wer um 'ne Pfeif des Maultiers wird quitt,
Genießt selbst seines Tausches nit
Und muß oft gehn, wenn er gern ritt'.
Von törichtem Tausche
Viel größre Mühe hat ein Narr,
Daß seine Seel zur Hölle fahr',
Als je ein Eremit noch hat
Gehabt an heimlich-wüster Statt,
Wo er Gott dient mit Beten, Fasten.
Man sieht, was Hoffart trägt für Lasten,
Wie man sich putzt, schminkt, nestelt, schnürt
So fest, daß kaum ein Glied sich rührt.
Die Gier treibt manchen über See
Durch Ungewitter, Regen, Schnee
Nach Norwegen und Lappenland.
Kein Buhler Ruh noch Rast je fand;
Die Spieler haben schlechte Zeit
Und auch der Schnapphahn, der zum Streit
Selbst untern Galgen
<a href="#IDOO1WFPEYVRJOPQCBUDGWLIZSKFW0R3AD0BFFGXG54AHX25PXUGRJ">[*]
Uff den halßacker, d. h. auf ein Tätigkeitsfeld, wo es um den Hals geht, wo das Halsgericht droht (gemeint ist der Wegelagerer).</a> waget sich.
Des Prassers will geschweigen ich,
Der allzeit voll ist bis ans Herz,
Welch Druck der hat und stillen Schmerz;
Die Eifersucht hats nicht aufs Beste
Aus Furcht vorm andern Gauch im Neste;
Die eignen Glieder kocht der Neid.
Um Gottes Ehr trägt niemand Leid
Und fasset in Geduld die Seel
Wie Noah, Hiob und Daniel.
Gar vielen Böses nur gefällt,
Von wenigen Gutes wird erwählt.
Ein
Weiser Gutes wählen soll,
Das Böse kommt von selber wohl.
<a name="page332" title="quantenspringer/fibo235" id="page332"></a> Wer gibt das Himmelreich um Mist,
Der bleibt ein Narr, wer er auch ist;
Des Tausches wird nie froh im Mut,
Wer Ewiges gibt um zeitlich Gut;
Denn daß ichs kurz im Wort begreife:
Er gibt den Esel um 'ne Pfeife.
<a name="page333" title="quantenspringer/fibo235" id="page333"></a>
<a name="page334" title="quantenspringer/fibo235" id="page334"></a>
Den Vater und die Mutter ehre,
Auf daß dir Gott die Tage mehre,
Und nicht dein Lob in Schand sich kehre!
Ehre Vater und Mutter
Der ist ein Narr, ganz offenbar,
Wer Kindern gibt, was
ihm not war
Zum eignen Leben; in dem Wahn,
Daß sich das Kind nahm seiner an
Und ihm auch helfe in der Not.
Dem wünscht man jeden Tag den Tod,
Der wird gar bald unwert als Gast,
Den Kindern sein zur Überlast.
Doch ihm geschieht wohl halbwegs recht,
Weil er sich hat bedacht so schlecht,
Daß er mit Worten sich ließ krauen:
Drum soll man ihn mit Kolben hauen!
<a href="#IDLH0XKNZPLB2OM1R0GNVOXAWCDN0P2VU5VKFVLEEHGSVIMCOI2ZI">[*]
Des sol man jm mit kolben lusen; ein schon in den Fastnachtsspielen auf Narren gemünztes Sprichwort: Narren soll man mit Kolben lausen! Ähnliche Sprichworter waren in jener Zeit namentlich in Beziehung auf törichte Eltern verbreitet:
Wer seinen kinden gibt brot Und selbst leidet not Den schlage man mit knitteln tot.</a>
Doch lebt nicht lange auf der Erd,
Wem Vater und Mutter nicht sind wert;
In Finsternis verlöscht das Licht
Des, der die Eltern ehret nicht.
<a href="#IDQXHY5FW5NRSYL4GMHZNVIOQPFIWON5XNXY54GROKQTGE4DRJOSN">[*]
Sprüche Salomonis 20, 20.</a>
Um des Vaters willen traf Absalon
<a href="#IDKQK4IIJHUGL1F1QKYTIRQ4U0FDGLBBJNU4V0WGIRU02RBSSTYDLI">[*]
2. Samuel 15-18.</a>
In jungen Jahren böser Lohn,
Desgleichen ward verfluchet Ham,
<a href="#ID2HHETOVQR3LHPVZC1JIIFP0MTBEUOHHHKF3542DG3ZJP2F2P0LIN">[*]
1. Mose 9, 20 ff.</a>
Weil er entblößt des Vaters Scham,
Belsazar hatte wenig Glück,
Weil er den Vater hieb in Stück';
<a href="#ID5WJ4NEW435VKHTUL1D0Z20IJZHVIVPVWD2YDFVNNPKVEGM4NRXLL">[*]
Wohl ein Mißverständnis Brants; vgl. Daniel 5, 18–23.</a>
Auch Sanherib
<a href="#IDCK04KT3XK2YWLY22JGLYOUK04FQRX3WWRT5MKXH2ZAYRGYWLUTLD">[*]
2. Chronik 32, 21.</a> durch die Söhne starb,
Deren keiner doch das Reich erwarb;
<a name="page335" title="quantenspringer/fibo235" id="page335"></a> Tobias
<a href="#ID3JZOZRSVINBJPI3GNHWGLR2ZAIF1VL2LESH0UUK5KPMO5KS2JF4O">[*]
Tobias 4, 3.</a> gab dem Sohn die Lehre,
Daß er die Mutter hielt' in Ehre;
Darum stand König Salomon
<a href="#ID2O3XMMMST4Y2J1IFU2FNS1JJJFFRJ3VW1D0U5MN2SR3JRQ0BYSYF">[*]
1. Könige 2, 19.</a>
Vor seiner Mutter auf vom Thron,
Und Corilaus,
<a href="#IDFNJAXDXYJV1DBQMECRDTO0NFVJOMLKDDV5AMQVMMCUYBX4SA1PSB">[*]
Coriolanus ließ sich durch das Flehen seiner Mutter und seiner Gattin bewegen, die Belagerung Roms aufzuheben; nach Plutarch.</a> der gute Sohn;
Die Söhne Rechabs lobt selbst Gott:
<a href="#IDZYDT5RSLZW5LBCX2PS1TQVTMZLSZS3QOR3PKOBMYE3PI0ILY0XKD">[*]
D. h. durch den Propheten Jeremia, 35, 2 ff.</a>
Sie hielten väterlich Gebot.
Wer leben will, spricht Gott der Herr,
Der biete Vater und Mutter Ehr,
So wird er alt und reich gar sehr!
<a name="page336" title="quantenspringer/fibo235" id="page336"></a>
<a name="page337" title="quantenspringer/fibo235" id="page337"></a>
Im Chor <a href="#IDSAGYD53VSEXVGSIZJHVP1G3SLLQHNOH1SJKUBPJVH53XACSVEQK">[*] Im Chor der Kirche waren die Sitze der Geistlichen.</a> gar mancher Narr auch steht,
Der unnütz schwätzt und hilft und rät,
Des Wagen und Schiff vom Land bald geht.
Vom Schwätzen im Chor
Viel Schwätzer beraten das ganze Jahr
In Kirche und in Chor fürwahr,
Wie sie zurichten Schiff und Karren,
Um drin gen Narragon zu fahren;
Dort spricht man von dem welschen Kriege,
Hier lugt man, daß man tüchtig lüge
Und etwas Neues bring auf die Bahn.
So wird die Mette gefangen an,
So gehts oft, bis die Vesper schlägt.
Viel kommen nur von Geiz bewegt
Und weil man Geld gibt
<a href="#IDNHB1N4152AN5KZVA5HPDCWBXRN5O4HEEFNEEB0LIQ2OOQWFAEQDJ">[*]
Gemeint ist wohl die Auszahlung von Pfründen (Präsenzgeldern).</a> in dem Chor,
Sonst blieben fern sie nach wie vor.
Für manchen wärs wohl besser gar,
Er blieb daheim das ganze Jahr
Und nutzt sein Plapperbänklein so
Und seinen Gänsmarkt
<a href="#IDEXPJIZRR1FXHCSWQFFDZG1MOOORPYMIORCCAF4GT1IG1YQPIEWNM">[*]
klapper benckly und
genßmerckt sind volkstümliche Wendungen, die das Schwatzen und Schnattern kennzeichnen.</a> anderswo,
Als daß er in der Kirche will
Sich stören und noch andre viel.
Was er sonst nicht verrichten kann,
Das schlägt er in der Kirche an,
Wie er ausrüste Schiff und Geschirr,
Und bringt viel neue Mär herfür,
Hat großen Fleiß und ernste Gebärde,
Damit das Schiff nicht wendig
<a href="#IDEHSLDTBQ1ZRUFZZ0WIM2ISD5RL2UEDWYI0H1RYK3KEG2Y5SSMWOO">[*]
D. h. nicht aufgehalten werde und umkehre.</a> werde;
Er ging gern aus dem Chor spazieren,
Daß er den Wagen recht möcht schmieren.
<a name="page338" title="quantenspringer/fibo235" id="page338"></a> Von denen darf ich gar nicht drucken,
Die in den Chor nur grade gucken
Und zeigen sich zum Präsentieren
Und suchen wieder bald die Türen.
Das scheint Gebet andächtig und gut,
Wenn man
solche Dinge verrichten tut
Und Pfründen zu verdienen wähnt,
Wenn man dem Roraffen
<a href="#ID5BQ1FFFZZZLZMYDBEBEVSP2DCJPLSRFLBTLDOID2YKXL1MZKTJPG">[*]
Eine bewegliche, komische Figur, die sich unter der Orgel im Straßburger Münster befand und als Wahrzeichen der Stadt galt. Der Name hängt zusammen mit nd.
rôren == brüllen, plärren.</a> zugähnt.
<a name="page339" title="quantenspringer/fibo235" id="page339"></a>
Ein gespaltener Stock zum Vogelfang, auf den man den Lockvogel setzte.</a><a name="page340" title="quantenspringer/fibo235" id="page340"></a>
Wer Hoffart liebt und tut sich loben
Und sitzen will allein hoch oben,
Den setzt der Teufel auf den Kloben. <a href="#IDGNCUW1R3ZOALJRFY1ZARZ5BVVENP5V2JROPU0VMZDDEDKDTFBHXI">[*]
Überhebung der Hoffart
Der macht ein Feuer auf strohernem Dach,
Wer auf der Welt Ruhm setzt sein Sach
Und alles tut um zeitliche Ehr;
Dem wird zuletzt nichts andres mehr,
Als daß sein Wahn ihn hat betrogen,
Wie einer baut auf Regenbogen.
Wer wölbt auf eine Tannensäule,
Des Anschlag zeigt vorzeitig Fäule;
Wer Ehr und Weltruhm hier begehrt,
Erwart' nicht, daß ihm dort mehr werd.
Manch Narr von Hochmut ist entbrannt,
Weil er gekommen aus welschem Land
Und man auf Schulen ihn unterwies
Zu Bononi,
<a href="#IDSHGXLJKFRLUPLZ3MCV0LLJEFBN20RFIYL4UC3MKZRR1AQBL5EFQL">[*]
Bologna.</a> Pavia und Paris
Und zu Hoch-Sien
<a href="#IDCDANO2WYXAMC3BAJV3RHUMQMFTXXZUUEFEDXZFR4AE4FRSCYPHG">[*]
Siena.</a> in der Sapienz
<a href="#IDTSNJV1IQQWWTCMFN2KVSMSSWMN20ZUPTA0YOHRO5HR5EZPDYUKGB">[*]
In der Weisheit.</a>
Und in der Schule zu Orliens,
Daß er den Roraffen gesehen hätt
Und Meister Peter von Conniget.
<a href="#IDTDTSJXGWMEXLIWMFDRYSRIH2ZCMOZMWASD4TKCHRM2I4320GRQKI">[*]
Meter pyrr de Conniget, d. h. Maître Pierre de Conniget, zweideutiger Name eines fiktiven Gelehrten; nach Goedekes Vermutung eine Übersetzung des
Peter von Brunndrut, vgl. Anm. 6 zu Kap. 76.</a>
Als ob nicht auch in deutscher Art
Vernunft und Sinn noch sei bewahrt,
Daß man Weisheit und Kunst könnt lehren,
Ohn fern auf Schulen sie zu hören.
<a href="#IDZDQAYGONCIZWLHFVDRPH3ONWSD2HJ3AW44W3BWNDB1NWXFD0T2DN">[*]
Im Original:
Als ob nit auch jnn tütscher art / Noch wer vernunfft / synn / houbter zart / Do mit man wißheyt kunst möcht leren / Nit not I so verr zuo schuolen keren.</a>
Wer lernen will in seinem Land,
Der findet jetzt Bücher allerhand,
<a name="page341" title="quantenspringer/fibo235" id="page341"></a> Daß niemand kann entschuldigen sich,
Er wolle denn lügen lästerlich.
Man meinte einstmals, es gab keine Lehre
Als zu Athenas überm Meere,
Darnach man sie in Welschland fand:
Jetzt blüht sie auch im deutschen Land,
Und nichts gebräch uns – wär nicht der Wein,
Und daß wir Deutsche
voll wollen sein
<a href="#IDJWCNS3HOVZDOHE5D0I3DGZ4AOPNQO0K0Z2DZ1OOUDZLWDPUWBZLO">[*]
Das in jener Zeit von italienischen und französischen Schriftstellern oft satirisch dargestellte Nationallaster der Deutschen:
Des hat man uns im welschen lant / Die vollen tütschen süw genant (Murner).</a>
Und hätten gern ohn Arbeit Lohn.
Wohl dem, der hat einen weisen Sohn!
Nicht acht ichs, daß man Wissenschaft
Hoffärtig treibt, nach Vorteil gafft
Und will dadurch sein stolz und klug:
Wer weise ist, der kann genug.
Wer lernt um Hoffart nur und Geld,
Der spiegelt sich allein der Welt,
Wie eine Närrin, die sich putzt
Und spiegelt und die Welt verdutzt,
<a href="#IDS5E4UGQNCN1YMEK5LK5GEMJ5BC4MCMLPCO55ITELKKENPSRZWETM">[*]
der welt zuo tutz, d. h. zum Anstoß, um Verwunderung oder Verwirrung zu stiften (heute: ver-dutzen); die späteren Ausgaben drucken
zu trutz.</a>
Wenn sie spannt auf des Teufels Garn
Und läßt viel Seelen zur Hölle fahrn.
Das ist das Käuzlein
<a href="#IDTDXJV3CVMFG5LTFDOTL5A1LERE1QJGMXI400C4KWN3BREGAII4YI">[*]
Eine Eule wurde häufig als Lockvogel benutzt.</a> und der Klobe,
Wodurch der Teufel sucht nach Lobe,
Und hat geführet manchen hin,
Der klug sich hielt in seinem Sinn.
Einst Bileam Balach Rat ersann,
Daß Israel Gottes Zorn gewann
Und nicht sollt in dem Kampf bestehn,
<a name="page342" title="quantenspringer/Meen" id="page342"></a> Zu dem um
Frauen es mußt gehen.
<a href="#IDQZXZEKXQJJ1QKH05FWVEJTZ2GBZZSMGV4OJI4VBS3QGB35ZGGTJH">[*]
Vgl. 4. Mose 31, 16 (gemeint ist die Verführung der Kinder Israels durch die medianitischen Weiber).</a>
Hätt Judith
<a href="#IDOAEP1TH5B2VXINXSQBUGHHOM0ND5PRRZHZEWJUBMMCEPC0ANOH1G">[*]
Judith 10 (übrigens eine bemerkenswerte Ausdeutung des Exemplums, da Judith sich schmückte, um ihr Volk zu befreien).</a> sich nicht schön geziert,
War Holofernes nicht verführt;
Jesabel
<a href="#IDEKVTAV5DVQZBMYVOCQYBUK1G0E0445OQ3QZJMRNDXQYAWEY5VV2K">[*]
2. Könige 9, 30 ff.</a> strich sich Farben voll,
Als sie wollt Jehu gefallen wohl.
Der Weise
<a href="#IDETOI3Q3L4UWHJYFE1KKF4AO0EJWRGT3NLB3TTDNFYL2LF1ANOFD">[*]
Jesus Sirach 9, 8.</a> spricht: »Kehr dich geschwind!
Der Frauen Blick reizt dich zur Sünd!«
Denn Närrinnen sind oft so geil,
Daß sie ihr Antlitz bieten feil
Und meinen, es soll schaden nicht,
Schaun sie dem Narrn ins Angesicht,
Doch bringt ein Blick schon auf schlechte Gedank',
Setzt manchen rasch auf die Narrenbank,
Der nicht eher wieder heimgegangen,
Als bis er den Häher hat eingefangen.
Hätt Bersabe
<a href="#ID4WKJ3ZHHJNBQGIJRL1LRPQLE1BFQDHW41L5WPXIWUSDEXTX3CS4H">[*]
2. Samuel 11.</a> ihren Leib bedeckt,
Sie wäre durch Ehbruch nicht befleckt;
Nach fremdem Mann hat Dina
<a href="#ID2GBIU3MULPLFMM25GQ1RDIN1WBW3S3RFPDWKMBDRP1GHEQHSQ1KN">[*]
1. Mose 34, 1. 2 (auch hier formt Brant die Erzählung um, da Dina nur die Töchter des Landes sehen wollte).</a> gegafft,
Bis sie verlor die Jungfernschaft.
Eine demütige Frau ist ehrenwert
Und würdig, daß sie werde geehrt,
Die aber Hoffart nimmt zu Händen,
Deren Hoffart wird auch nimmer enden,
Die will auch allzeit vornan dran,
Daß niemand mit ihr leben kann.
Die größte Weisheit ist auf der Welt:
Zu tun verstehen, was jedem gefällt;
<a name="page343" title="quantenspringer/fibo235" id="page343"></a> Und wenn man das für gut nicht nimmt:
Zu tun verstehen, was jedem
ziemt.
Wer aber Frauen tun will recht,
Sei stärker als ein Kriegesknecht,
Denn sie erreichen durch Blödigkeit
<a href="#IDWAJKAM4ENN1TEPI0WHDR04GVAPSVD55ICLZFY3LN2LZAIDLD5XVC">[*]
In der älteren Bedeutung: durch Schwachheit.</a>
Oft mehr als wie durch Listigkeit.
Die Hoffart, die Gott haßt so sehr,
Steigt stetig auf, je mehr und mehr,
Und fällt zuletzt zu Boden doch
Zu Luzifer ins Höllenloch.
Hör, Hoffart, es kommt dir die Stunde,
Wo du vernimmst aus eignem Munde:
<a href="#ID0IX3S14DQNIJRYDZGXJE5GRFKHNKAIRMCGIVOJAYBVT1RYMS2YL">[*]
Vgl. Weisheit Salomonis 5, 8. 9.
</a> »Was bringt mein Hochmut mir für Freude,
Wenn ich hier sitz in trübem Leide?
Was hilft mir Geld, Gut, Eigentum,
Was hilft der Welt Ehr, Lob und Ruhm?
Es war nichts als ein Schattenspiel
Und findet bald ein jähes Ziel!«
Wohl dem, der alles dies verachtet
Und Ewiges allein betrachtet.
Für einen Narrn ist nichts zu hoch,
Es fällt mit ihm zum letzten doch,
Zumal die schändliche Hoffart,
Die hat an sich Natur und Art,
Daß sie den höchsten Engel stieß
Vom Himmel fort und auch nicht ließ
Im Paradies den ersten Mann;
Auf Erden sie bestehn nicht kann,
Sie muß stets suchen ihren Stuhl;
Bei Luzifer im Höllenpfuhl
<a name="page344" title="quantenspringer/wedi" id="page344"></a> Sucht sie sich den, der sie erdacht:
<a href="#IDMGLBY4ARU5TJL3NQ1GQLDFO5BORMLTC4YE0WDFOBFMWIGUEFVMWB">[*]
Luzifer soll aus Hochmut gefallen sein.</a>
Hoffart ist bald zur Hölle gebracht.
Durch Hoffart ward Hagar
<a href="#IDHWO0XFQJUF0MCWTM13VAICMYYFR1EHXFIBDXAOOZOZ05BOI3LCGG">[*]
Vgl. 1. Mose 16, 4-6.</a> von Haus
Mit ihrem Kind getrieben aus;
Durch Hoffart Pharao
<a href="#IDZTSEN00COETGKBFNB4YQX53MHCHYBQCK44O2FMB4GOILOQ2EJWKG">[*]
2. Mose 5, 2.</a> verdarb,
Korah mit seiner Rotte starb;
Der Herr ward zürnend aufgebracht,
Als man in Hoffart den Turm
<a href="#ID4EXNAUJ1WO0MPW5BGFECEIPC4OZGDSYLA3Z0NMN4XJZH0ZCSUVWN">[*]
Den babylonischen Turm; vgl. 1. Mose 11, 1-9.</a> erdacht;
Als David ließ aus Hoffart zählen
Das Volk, mußt eine Plag' er wählen;
<a href="#IDZFJAKHEAH50DGYCR2LU1EVISRDJMFAFNHIOZJNNA1NKWGRF4OXJL">[*]
2. Samuel 24, 12 ff.</a>
Herodes
<a href="#ID2H03QS0FV3U0JH1KF4R3FFPZ4FNJJ4PLN15Q1XOUBK3YHUML2AVG">[*]
Apostelgeschichte 12, 21 ff.</a> prunkte voll Hoffart,
Als ob sein Wesen göttlicher Art;
Er wollt auch haben göttliche Ehr
Und ward vom Engel geschlagen sehr.
Hoffart erniedrigt Gottes Rat,
Demut er stets erhöhet hat.
<a href="#IDTWQNCIX3TW2KG3ZSSNF3J2AEHIQFGAKDSK0LIQVUXBCZC2T1QUH">[*]
Im Original:
Wer hochfart tribt / den nydert got / Demuot er allzyt gehöheret hat; vgl. Jakobus 4, 6 (= 1. Petrus 5, 5).</a><a name="page345" title="quantenspringer/wedi" id="page345"></a>
<a name="page346" title="quantenspringer/wedi" id="page346"></a>
Die Wuchrer treiben wild <a href="#IDYT3W1YIAEY0DBW0XXKRDNXGIRBNIDOCP2FYOHDMQWMR2VBCW030C">[*] Widerrechtlich.</a> Gewerbe,
Den Armen sind sie rauh und herbe,
Ohn Mitleid, ob die Welt verderbe.
Wucher und Aufkauf
Dem soll man greifen an die Hauben
Und ihm die Zecken
<a href="#IDE3AWXBUC4Z4KMGOMDFEHC5TVILX0BHT4X0KVKJFG541CUYNLV0">[*]
Ungeziefer (Milben).</a> wohl abklauben
Und rupfen die Schwungfedern aus,
Wer kauft auf Vorrat in sein Haus
So Wein wie Korn im ganzen Land
Und fürchtet weder Sünd noch Schand,
Damit ein armer Mann nichts finde
Und Hungers sterb' mit Weib und Kinde.
Drum ist es jetzo auch so teuer,
Viel schlimmer als früher ist es heuer;
Für Wein man kaum
zehn Pfund jüngst nahm,
In einem Monat es dahin kam,
Daß man jetzt
dreißig zahlet gern
Gleichwie für Weizen, Roggen, Kern.
<a href="#ID1YNHNPVETLO2N3PBRKGXXLPYHICBEATMYVVKLXNEUG55UPTQZZEB">[*]
Kernfrucht; Dinkel oder Spelt.</a>
Vom Wucherzins will ich nichts schreiben,
Den sie mit Geld und Gült
<a href="#ID4DRUB4BBSPM2MNYZ1ZIV2YHPKOYG32WWW15GMT0EWXQSTVETEQE">[*]
Einkünfte tragendes Gut, Naturalleistungen.</a> eintreiben,
Mit Leihen, Ramschkauf und mit Borgen.
Manchem gewinnt an einem
Morgen
Ein Pfund mehr, als im
Jahr es sollt.
Man leiht jetzt Münze
<a href="#ID5ZSHV1IYDY4VFMOKPGMKY5XBEIO4TG4NXLOY5BEF5E2ZC4JZX3JG">[*]
Scheidemünze aus Kupfer oder Silber.</a> aus für Gold;
Für Zehn schreibt man dann Elf ins Buch.
Der Juden Zins war leidlich genug,
Aber sie können nicht mehr bleiben,
<a href="#IDHAOID4KLPP1WO4DSQDH5BFZ4HFSV10CJXF4WSUMIOIWNVHGX4VAB">[*]
Ende des 15. und Anfang des 16. Jh. kam es in vielen Städten zur Austreibung der Juden, so auch in Straßburg.</a>
Die Christenjuden sie vertreiben,
Die mit dem Judenspieß
<a href="#ID2IIPIEH3WWZVIHYRKTZMLHCJSC1NY11X5IITA0LCZBGBG1MSWH4B">[*]
Die selbst Wucher treiben; vgl. Anm. 3 zu Kap. 76.</a> selbst rennen.
<a name="page347" title="quantenspringer/wedi" id="page347"></a> Ich kenne viel und könnt sie nennen,
Die treiben Handel wild und schlecht,
<a href="#IDHMUBZU5NU0ONFOGLNNLLIW04TFUH4WPHPJCAKEBGAGXHLORGDUQM">[*]
wild kouffmanschatz, d. h. widerrechtlichen Handel.</a>
Und dazu schweigt Gesetz und Recht.
Gar viele sich dem Hagel neigen,
<a href="#IDR1OCEDYHWRNVHGGMWKJXHGYBHLUVRWGZIK54NYCGDR1I0FKKP4YK">[*]
D. h., sie begrüßen den Hagel mit Freuden, weil dadurch die Getreidepreise steigen; ebenso den Frostreif, weil der Wein teuer wird.</a>
Die lachend auf den Reif hinzeigen.
Doch oft dann das Geschick es lenkt,
Daß mancher sich am Strick erhängt;
Wer, andern schadend, reich will sein,
Der ist ein Narr – doch nicht allein.
<a name="page348" title="quantenspringer/wedi" id="page348"></a>
Sinn: die ihn lange überleben und aus seinem Tode Nutzen ziehen.</a><a name="page349" title="quantenspringer/cal" id="page349"></a>
Mancher freut sich auf fremde Hab,
Daß viel er beerbe und trage zu Grab,
Die mit seinem Gebein dann Nüss' werfen ab. <a href="#IDFDTPTQ3NU0TVE3WICCLIIQ2SOGSAZIREY4LLZ3E0RUT5G4RAFZ2G">[*]
Von Hoffnung auf Erbschaft
Ein Narr nur wird sich darauf spitzen,
Eines andern Erbe zu besitzen
Oder für ihn im Rat zu schalten,
Sein Gut, Pfründ, Amt einst zu verwalten;
Auf des
andern Tod gar mancher baut,
Des End er nimmermehr doch schaut,
Hofft einen zu tragen hin zu Grab,
Der mit
seinem Gebein wirft Birnen ab.
Wer eines andern Tod begehrt,
Nicht weiß, wann ihm die Seel ausfährt,
Der tut den Esel selbst beschlagen,
Der ihn gen Narrenberg wird tragen.
Es sterben junge, starke Leute,
So find't man auch viel Kälberhäute,
Es geht nicht über die Kühe allein.
Einem jeden genüge die Armut sein,
Er begehre nicht, daß sie größer werde.
Seltsamer Umschwung herrscht auf der Erde:
Bulgarus
<a href="#IDPG5UW5NW3LT4JU2WJGRTPKPV2OT4EDKVNJGLQBC020ZWYAPEMHMM">[*]
Ein italienischer Rechtsgelehrter des 12. Jh.</a> mußte den Sohn beerben,
Den sah er wider Erwarten sterben;
Auch Priamus
<a href="#IDEIDPZNJODGLJIYOQPB5DZUDSXC3FECX2E0TJMMIDOJKSTOI1NUKN">[*]
Vgl. Kap. 26.</a> sah seine Erben
(Wie er doch hoffte) alle sterben;
Des Vaters Tod suchte Absalon
Und fand an der Eiche
<a href="#IDDM3G4KGMHI1WC1N2NSBZK0BWSDHPAX1YMUC0TOGL1N14DFBYZSWI">[*]
Er blieb auf der Flucht an einer Eiche hängen und wurde dort getötet (2. Samuel 18, 9).</a> Erbe und Thron.
Manchem ein Erbe wird über Nacht,
An das er nie zuvor gedacht,
Manchem wird auch ein Erbfolger kund,
<a name="page350" title="quantenspringer/cal" id="page350"></a> Dem lieber war, ihn beerbte ein Hund.
Nicht jeder wird seiner Hoffnung so
Wie Abraham und Simeon froh.
<a href="#IDOGZDWW4CSW5MOPYMERYAPBQNOO4AJXRYHD434FANXTZPSLMPSFL">[*]
Dem hundertjährigen Abraham wurde von Gott ein Sohn verheißen (1. Mose 17, 16 ff.); Simeon wurde versprochen, daß er nicht sterben werde, bevor er Christus gesehen habe (Lukas 2, 25 ff.).</a>
Laß die Vöglein sorgen! Wann Gott will,
Dann kommet Glück, Zeit, End und Ziel.
Das beste Erbe ist
jenes Land,
Drauf
aller Hoffnung hingewandt;
Doch wirds nur wenigen zuerkannt.
<a name="page351" title="quantenspringer/cal" id="page351"></a>
<a name="page352" title="quantenspringer/cal" id="page352"></a>
Es sollte mancher zur Kirche gehn
Und am Feiertage müßig stehn,
Den wir doch vielgeschäftig sehn.
Von Verführung am Feiertage
Das sind wohl Bürger zu Affenberg,
Die ihre Sachen und ihr Werk
Verrichten an geweihten Tagen;
Die müssen auf den Affenwagen!
Dem einen muß man Rosse beschlagen,
Dem andern Knöpfe setzen an,
Das wäre besser längst getan,
Als man gesessen bei Spiel und Wein.
Dem füllet man die Spitzen
<a href="#IDM1ULJEDJLHJSGRUPHX5PTQRBGW53MNNJKTKLUL31WISRPV4CB2O">[*]
Die Spitzen der unförmig langen Schnabelschuhe, die mit Lumpen ausgestopft wurden, um sie steif zu halten.</a> sein,
Viel Lappen muß man darein stoßen;
Der muß probieren Röck' und Hosen,
Die könnt er sonst nicht legen an,
Hätt ers am Festtag nicht getan.
Die Köche rüsten Feuer und Glut;
Eh man die Kirche früh auftut,
Ist schon bei ihnen Schlemmen und Prassen.
Eh jemand recht kommt auf die Gassen,
Sind alle Schenken schon fast voll.
So treibt mans ständig jetzt wie toll;
Zumal an den gebannten Tagen,
<a href="#IDSOZXW3GNIJBYL3YY2ZSPMSYHTLFHRFIOY31Q2HARLIH3MRHXHXK">[*]
uff den gebannen tagen, d. h. an Feiertagen, die der gewöhnlichen Beschäftigung entzogen, für heilig und unverletzlich erklärt worden waren.</a>
Wo man sich anders nicht kann plagen,
Da fährt man eifrig mit dem Karren;
Der Feiertag macht manchen zum Narren,
Der meint, daß solchen man erdachte,
Weil
kleiner Arbeit Gott nicht achte,
Wenn man das Holz im Spielbrett
<a href="#IDBDCLEOHVJJFZISOVFFMI3ENVCM3I2INT15MZHNLFHZGOPUCPMCBG">[*]
Statt im Walde!</a> Schlage
<a name="page353" title="quantenspringer/cal" id="page353"></a> Und Karten spiel' am ganzen Tage.
Viele lassen schaffen ihr Gesind,
Ohne zu achten, daß Diener und Kind
Zur Kirche, Predigt und Gottesdienst gehn
Oder zur Messe früh aufstehn.
Den Met wolln sie erst recht auskochen,
Den sie gesotten in der Wochen.
Ein jedes Handwerk paßt dazu,
Daß es am Feiertag nicht ruh';
Man ist auf den Pfennig so erpicht,
Als tagte der Erde kein neues Licht.
Ein Teil steht schwätzend auf den Gassen,
Die andern sitzen beim Spielen und Prassen,
Und manchem im Wein da mehr zerrinnt,
Als er in der Woche mit Arbeit gewinnt.
Der muß ein Geizhals und Stümper
<a href="#IDK2VSRPXK1ZNSLTFO224QZG05DFQ5CNA42P1W5ILWBBIQJCWEACBC">[*]
ein schmürtzler / hümpeler, d. h. ein Knauser, Filz (
schmirzeln = geizig sein) und Pfuscher (
hümpeln = langsam, liederlich arbeiten).</a> sein,
Wer nicht will sitzen bei dem Wein
So Tag wie Nacht, bis die Katze
kräht
Oder die Morgenluft kühl weht.
Die Juden spotten unser sehr,
Daß wir dem Feiertag
solche Ehr
Antun, den sie so heilig schätzen,
Daß ich ins Narrenschiff sie setzen
Nicht wollte, falls sie nicht all Stund
Sonst irrten wie ein toller Hund.
Ein Armer Holz am Feiertag las
<a href="#IDPU2IQOU0EVGXBKHNYXAETEXNCFFJ3AEV0SYTACYUL4YWWRU0ZFN">[*]
Vgl. 4. Mose 15, 32 ff.</a>
Und ward gesteinigt allein um das.
Die Makkabäer wollten mit Waffen
Am Feiertag nichts haben zu schaffen,
<a name="page354" title="quantenspringer/cal" id="page354"></a> Ob man auch viele schlug zu Tod.
<a href="#IDV1DCL0DGEVJ5OD2CV1PL5ZEVOJTX043QOOWDWPI1KN15VXMTTPOK">[*]
Vgl. 1. Makkabäer 2, 32 ff.</a>
Man sammelte nicht das Himmelsbrot
<a href="#IDXXPFBOA1QQ3OELPPTUAIHHHYSIGLPIIS501EUXEX3ZWDU53GHVQF">[*]
Das Manna; vgl. 2. Mose 16, 23 ff.</a>
Am Feiertag, weil Gott so gebot.
Aber wir arbeiten ohne Not
Und verschieben viel auf den Feiertag,
Was man nicht wochentags schaffen mag.
O Narr, den Feiertag halt und ehr!
Es gibt noch Werktag viel und mehr,
Wenn du schon faulest in dem Grund.
Habsucht macht alle Laster kund!
<a href="#IDQCGMJ5BQGYAWFWN1SFK3DBRLCNZBWOCOHJGTQUD0QTG4TA0LDATJ">[*]
Uß gyttikeit als laster kunt (kommt).</a><a name="page355" title="quantenspringer/wedi" id="page355"></a>
<a name="page356" title="quantenspringer/wedi" id="page356"></a>
Der ist ein Narr, der klaget an
Das, was er nicht mehr ändern kann;
Ihn reut auch, daß von ihm geschehn
Dem Gutes, ders nicht kann verstehn.
Schenken und Bereuen
Der ist ein Narr, der schenket Gut
Und es nicht gibt mit frohem Mut
Und dazu sauer und böse sieht,
Daß keinem Liebes damit geschieht;
Denn der verliert wohl Dank wie Gabe,
Wer so bedauert verschenkte Habe.
So ist auch der, der etwas schenkt,
Dabei an Gottes Willen denkt,
Und doch hat Reu und Leid davon,
Wenn Gott ihm nicht gleich gibt den Lohn.
Wer will mit Ehren Geschenke machen,
Der tu's als guter Geselle mit Lachen
Und sprech nicht: »Zwar, ich tu's nicht gern!«
Will er nicht Dank und Lohn entbehrn.
Denn Gott sieht dessen Gab nicht an,
Der nicht mit Freuden schenken kann;
Das Seine mag jeder behalten wohl,
Zum Schenken man niemand zwingen soll;
Allein aus freiem Herzen kommt
Geschenk, das einem jeden frommt.
Der Dank gar selten verlorengeht;
Wenn er zuweilen auch kommt spät,
So pflegt sich alles doch zu schlichten
Und nach der Ordnung einzurichten.
<a href="#IDX44DSTJXPMNHJAQVOETAHWKWJJOEOYKXKI3BL1L4AZTOVQCCPLLF">[*]
So würt es doch gewonlich schlächt (schlicht) / Dann zwen umb eyn / ist faden recht (ist nach der Schnur, wie es sich gehört). Der Ursprung dieser Redensart ist ungeklärt.</a>
Mag einer keinen Dank auch sagen,
So find't man gegen solch Betragen
Bald einen dankbar weisen Mann,
<a name="page357" title="quantenspringer/wedi" id="page357"></a> Der alles wohl vergelten kann.
Doch wer
vorhält<a href="#ID0JJ45MGZ3OXDYO2WN40A0RK1GLOAEUMQMETWJG3GBVGAHAYBXXF">[*]
wer schenck verwissen duot: es ist nicht an ein Ablehnen und Zurückweisen des Geschenkes (durch den Beschenkten) gedacht, sondern an ein taktloses Erinnern und Unter-die-Nase-Reiben durch den Schenkenden, dem der dankende Händedruck nicht gut genug war (mhd. verwîzen = vorwerfen, vorhalten).</a> geschenkte Gaben,
Der will den Händedruck nicht haben
Und will nicht
warten aufs Vergelten;
Geschenk vorrücken muß man schelten.
Den sieht man über die Achseln an,
Wer seine Wohltat vorhalten kann:
Er selbst gewinnt nicht mehr daran.
<a name="page358" title="quantenspringer/wedi" id="page358"></a>
<a name="page359" title="quantenspringer/wedi" id="page359"></a>
Man findet Trägheit überall,
Bei Knechten und Mägden allzumal;
Die kann man nicht genugsam lohnen,
Obwohl sie sich doch selbst gut schonen.
Von Trägheit und Faulheit
Kein größrer Narr in jeder Sach
Ist, als der stets kann tun gemach
Und ist so träg, daß ihm verbrennt
Sein Schienbein, eh er um sich wend't.
Wie Rauch den Augen ist nicht gut,
Wie Essig weh den Zähnen tut,
So zeigt der Faule und der Träge
Sich denen, die ihn sandten Wege.
<a href="#IDVSMAJON11ROAIO0MZUJVRXNFKFU1Y2GWTLMPC2HLJZ1QO4LYPJ0K">[*]
Sprüche Salomonis 10, 26.</a>
Ein träger Mensch ist keinem nutz,
Als daß er ist ein Winterbutz,
Und daß er schlafen darf genug;
Beim Ofen sitzen ist sein Fug.
<a href="#IDFZWZ5TYSKRTXZJ1CEQRNDRL1JPSSBHBBEKMZBJEDRUZ1QB4DETE">[*]
Sein Recht, was ihm zukommt.</a>
Selig, wer mit der Hacke schafft,
Doch Müßiggang ist narrenhaft.
Die Müßiggänger straft der Herr,
Der Arbeit gibt er Lohn und Ehr.
Der bös Feind nimmt der Trägheit wahr
Und streut bald seinen Samen dar.
<a href="#IDYFMA1OZUKGFHD5QRA0IQ3LKMFCIVZND4LS0EANEBZBKJTR4VMPRK">[*]
D. h. darauf; die Trägheit ist der Acker des Teufels.</a>
Trägheit – die Ursach allen Fehls –
Ließ murren die Kinder Israels;
<a href="#IDZ14MJJCJE1MZLDAG1ULJAIH4CEMKWS3FCTBYMDL0EW4QKI0PA1VM">[*]
Vgl. 4. Mose 14.</a>
David übt' Ehebruch und Totschlag,
Dieweil er träg und müßig lag;
Weil man Karthago ganz verheert,
Geschahs, daß Rom auch ward zerstört,
Viel größern Schaden Rom empfing,
Indem Karthago unterging,
Als es davor im Kampf erfahren
<a name="page360" title="quantenspringer/wedi" id="page360"></a> Mit ihm vor hundertsechzehn Jahren.
<a href="#IDTEFVTASCKKM3GT5R2E4PJOOZSOSMYZ14KSTXOKMNUSNDMH1VWZUJ">[*]
Erst im dritten Punischen Krieg (149-146 v. Chr.) wurde Karthago völlig zerstört; auf diesem Höhepunkt der Macht begann zugleich der innere Verfall Roms, der ein Jahrhundert politischer Unruhen eröffnete und der von Brant als Folge des Wohllebens und Müßiggangs betrachtet wird.</a>.
Der Träge geht nicht gern herfür,
Er spricht: »Der Löwe steht vor der Tür!«
<a href="#IDRX0QTAVVIVJNGT3HYCIQ5QZ4YNS0BXWI1PNKH1H0RQJXMP3Z0RXP">[*]
Sprüche Sal. 26, 13.</a>
Zu Haus hält ihn ein toller Hund;
Faulheit ersinnt bald einen Grund.
Faulheit sich hin und wider dreht,
So wie die Tür in der Angel geht.
<a href="#IDFLE434UYTQO0E5S41VSDWO1GBLHD21TSCSKVMHK3UHEDWIWTJTIF">[*]
Sprüche Sal. 26, 14.</a><a name="page361" title="quantenspringer/wedi" id="page361"></a>
<a name="page362" title="quantenspringer/wedi" id="page362"></a>
Hier hab ich gestellt noch viel zusammen,
Die Narren sind auch nach dem Namen,
Deren andre Narren sich doch schamen.
Von ausländischen Narren
Noch sonst gibts viel unnütze Leute,
Die tragen häßliche Narrenhäute
Und sind darin verwachsen ganz,
Gebunden auf des Teufels Schwanz,
Und wollen nicht davon abstehn.
Vorbei will ich mit Schweigen gehn,
Will lassen sie in Narrheit bleiben,
Von ihrer Torheit wenig schreiben:
Die Sarazenen, Türken, Heiden,
All die, so sich vom Glauben scheiden;
Dazu kommt noch die Ketzerschul'
In Prag auf ihrem Narrenstuhl,
<a href="#IDNDG0HEQFRZX0GJ0KSVUVOHC0JEOCGILV1ZHMYJL4K30ETM4JE13D">[*]
Die Hussiten an der Prager Universität, deren Lehren sich seit 1453 auch nach Mähren ausgebreitet hatten.</a>
Die so verbreitet ihren Stand,
Daß sie jetzt hat auch Mährenland.
Schlimm in die Narrenkappe treten
Sie wie all die, so anders beten
Als zu dem dreigeeinten Gott,
<a href="#IDHN5C22GKTO4AKNUSJXMWONG0AI01DZWN1JM1P2ENCY5WGBGJWNLG">[*]
die anders an betten / Dann dry person / eyn woren gott.</a>
Denen unser Glaube ist ein Spott.
Die halt ich nicht für schlichte Narren:
Sie müssen
auf der Kapp verharren;
<a href="#ID53EU5RC2CC22ERJWOXOSKDL1CLUHWAAHS4HNHVDMSIPML2XDNPI">[*]
D. h., die Kappe ist für ihren Kopf zu groß.</a>
So offenbar ihre Narrheit ist,
Daß jedem Tuch zur Kappe gebrist.
Hierher gehörn, die Zweifel drückt
<a href="#IDYDFRSUJEYVAIGIJEYTW312ZVTB2S5LT3V3DZCUKM21BOX3XL2RIM">[*]
die verzwiffelt hant, d. h. vom Glauben abgefallen sind.</a>
Und die des Teufels Band umstrickt:
Wie törichte Fraun und böse Weiber,
Alle Kupplerinnen und Pfauentreiber
<a href="#IDWUYA0C4YMLMNEUKICEYPR3YDOFCDDE5N5MZAFTHNALHIYSII0PBH">[*]
Kuppler, Zuhälter.</a>
<a name="page363" title="quantenspringer/wedi" id="page363"></a> Und andere, die in Sünden sind,
In ihrer Narrheit taub und blind.
Auch will ich derer hier gedenken,
Die selbst sich töten oder henken,
Kinder abtreiben und ertränken.
Die sind Gesetz und Gebot nicht wert,
Durch Scherz und Ernst niemals belehrt,
Doch gehören sie in der Narren Zahl,
Die Narrheit gibt ihnen Kappen all.
<a name="page364" title="quantenspringer/wedi" id="page364"></a>
<a name="page365" title="mbechtel/quantenspringer" id="page365"></a>
Ich bitt euch Herren, groß und kleine,
Bedenkt den Nutzen der Gemeine!
Laßt mir die Narrenkapp alleine!
Vom Verfall des Glaubens
<a href="#IDQ2V2TQWFEYWULWPK3CPIDN5KFBH3AMIQVKI4NSMHZHU3F3YFJ35D">[*] Dieses Kapitel behandelt, mit dem abgang des glouben zusammenhängend, auch den Verfall des Reiches und ist für die politische Lage des ausgehenden 15. Jh. ebenso aufschlußreich wie für die leidenschaftliche Stellungnahme Sebastian Brants, die dieser neben dem Narrenschiff noch in zahlreichen lateinischen Gedichten und deutsch-lateinischen Flugschriften verbreitet hat.</a>
Wenn ich der Säumnis denk und Schande,
Die man jetzt spürt im ganzen Lande,
Durch Fürsten, Herren, Lande, Städte,
Kein Wunder wärs, wenn ich drob hätte
Die Augen ganz von Tränen voll,
Daß man so schmählich sehen soll
Den Christenglauben nehmen ab.
Verzeih man mir, daß ich schon hab
Die Fürsten auch hierher gesetzt!
Wir erfahren leider deutlich jetzt
Des Christenglaubens Not und Klage,
Der mindert sich von Tag zu Tage.
Zum ersten hat der Ketzer Heer
Zerrissen und zerstört ihn sehr;
Darnach hat Mohameds böser Sinn
Noch mehr und mehr verwüstet ihn;
Mit Irrlehr
den in Schand gebracht,
Der sonst im Orient stark an Macht,
Als gläubig war ganz Asia,
Der Mohren Land und Afrika.
Jetzt haben dort wir gar nichts mehr;
Das schmerzt selbst einen Stein gar sehr,
Daß wir verlorn zu unsrer Schand
In Kleinasien und Griechenland,
Was man die Großtürkei jetzt nennt,
<a name="page366" title="mbechtel/quantenspringer" id="page366"></a> Das ist dem Glauben abgetrennt;
Da sind die sieben Kirchen gewesen,
Davon wir bei Johannes lesen,
<a href="#IDIDJMMIFJ1KBUPXLWYAH33RMUUJ03NDFGATO4UOHKVVMMFNIGWZNP">[*]
Vgl. Offenbarung Joh. 2. 3: Johannes wendet sich dort an die sieben christlichen Gemeinden Ephesus, Smyrna, Pergamus, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea in Vorderasien.</a>
Da ist ein so gut Land verloren,
Daß es die Welt wohl hätt verschworen.
<a href="#IDW5IIFZZIM5SMLZPSXGMGV2TIKENE32JCDJ3ITBNRSPJH5HNJSAP">[*]
Nämlich: daß dies möglich wäre.</a>.
Zudem hat man in Europa seither
Verloren in kurzer Zeit noch mehr:
Zwei Kaisertümer, nebst Königreichen,
Viel mächtig Land und Stadt desgleichen,
Konstantinopel, Trapezunt,
Die Lande sind aller Welt wohl kund,
<a href="#IDFAXLQLDIH33XGVJIRNBYKUNCHJ0RWXOGHLOZGUMGFNDN30QHEXBE">[*]
Beide Kaiserreiche wurden 1453 und 1461 durch die Türken erobert.</a>
Achaia und Aetolia,
Böotia, Thessalia,
Samt Thrazia, Mazedonia,
Beid' Mysia und Attika,
Auch Tribulos
<a href="#ID42GOFPI5HXGGPASWOSYBL0HQRHJDV1YLX5LYMUF31EB1GKVFFU0C">[*]
Die Triballer entsprechen etwa den heutigen Bulgaren.</a> und Scordiscos,
<a href="#IDVIERSRW3SN33BG5QK3YTKFZLQJYW2CTDMXSZQNP5H4GQRQXUAWVK">[*]
Pannonier und Illyrier.</a>
Bastarnas auch und Tauricos,
<a href="#IDM3JOCONVEABDOHYL4GQNCK1QXG3NA2VEGAYAKWMCRFHQF1QG2KXG">[*]
Wahrscheinlich kleinasiatische Völker; die Taurier sind Einwohner der Halbinsel Krim.</a>
Euböa
<a href="#IDQGBSJFDXTG11E0D3FBD2DNZQTMVTU3LYTY0IKTOQUZSJUGDXUENB">[*]
Insel östlich von Attika, mit italienischem Namen Negreponte, die 1471 erobert wurde.</a> oder Nigrapont,
Auch Pera,
<a href="#IDTEJAAWVMVYK3C45YMP12XXTQAF3YAWXZCHUJC3JLS5VVM1SGSBIK">[*]
Vorstadt Konstantinopels.</a> Kaffa
<a href="#ID4CGWMV3EQUSLNKBV1HFQGL2LMLZEYQPTCMDM5IK2IOAOE3TEXRF">[*]
Am Schwarzen Meer.</a> und Idront,
<a href="#IDM2NDNJLSMMM3OQF2EKIQY3I0XEHO0SQETO1RB1GTJJIUMO3WRQDJ">[*]
Küstenstadt Apuliens, 1481 gefallen.</a>
Ohn anderen Verlust und Schaden,
Den wir uns sonst noch aufgeladen
In Steier, Kärnten und Kroatia,
In Morea und Dalmatia,
In Ungarn und in Windischmark.
<a name="page367" title="mbechtel/quantenspringer" id="page367"></a> Jetzt sind die Türken also stark:
<a href="#ID305NQ4IRZ0NFG32IQAKIWBYCIHTASHZLZFHEONOQGUFKKPFNWHHE">[*]
1453 nahmen die Türken den Islam an, eroberten Konstantinopel und verbreiteten den Islam bei ihrem Siegeszug auch in Europa.</a>
Sie haben nicht das Meer allein,
Die Donau auch gehört ihrer Gemein.
Sie brechen ein in alle Lande,
Bistümer, Kirchen stehn in Schande:
Jetzt greift er an Apulia,
Darnach gar bald Sizilia,
Italia, die grenzt daran,
Wie leicht gelangt nach Rom er dann,
Nach Lombardei und welschem Land!
So ist der Feind uns an der Hand:
Doch möchten
schlafend sterben all!
Der Wolf ist wahrlich in dem Stall
Und raubt der heilgen Kirche Schafe,
Dieweil der Hirte liegt im Schlafe.
Die Römische Kirche vier Schwestern hat
Samt Patriarchen in der Stadt
Konstantinopel, Alexandria,
Jerusalem, Antiochia,
<a href="#IDJXKFK154O2Z4OFJAQACURRKTWWNODAKUHU0ATNQTM3SI2VHAIHO">[*]
Die vier Patriarchenstädte der griechisch-orthodoxen Kirche.</a>
Die sind ihr gänzlich jetzt geraubt,
Es geht nun bald auch an das Haupt.
All das ist unsrer Sünden Schuld,
Keins mit dem andern hat Geduld
Oder leidet mit dessen Schwere,
<a href="#IDFTCOWA0DGKSCO4MM2VGSC12K5HENUJIZNRBRF3OP4RB4VG1IFRJC">[*]
Not, Bedrängnis.</a>
Jeder wollt, daß sie größer wäre.
Es geschieht uns, wie den Ochsen geschah,
Als ruhig einer zum andern sah,
<a name="page368" title="mbechtel/quantenspringer" id="page368"></a> Bis daß der Wolf sie alle zerrissen.
Da hat auch der letzte schwitzen müssen.
Es greift jetzt jeder mit der Hand,
Ob kalt noch sei die Mauer und Wand,
<a href="#IDE34JVB0VF0GLBFJJBMB4X31CJJHYFR05PXCFHXPF42OY14HE02OF">[*]
Sprichwörtlich; nach Horaz,
Epistulae I, 18, 84.</a>
Und denkt nicht, daß er lösche aus
Das Feuer, ehe es komm in sein Haus;
Dann kommt zu spät ihm Reu und Leid.
Zwietracht und Ungehorsamkeit
Zerstört der Christen Glauben und Gut;
Unnütz vergießt man Christenblut.
Niemand bedenkt, wie nah es ihm sei,
Wähnt noch zu bleiben allweg frei,
Bis das Unglück kommt vor seine Tür:
Dann steckt er erst den Kopf herfür.
Europas Pforten offen sind:
Es bringt uns Feinde jeder Wind,
Denen scheint nicht Schlaf noch Ruhe gut:
Es dürstet sie nach Christenblut. –
O Rom! Als einst die Könige waren,
Da warst du leibeigen in langen Jahren;
Zur Freiheit wardst du hingeführt,
Als dich gemeiner
<a href="#IDGDHMMTNMTOHECER0IGYV5SLXQDA4QZO2ORK3KMHRF12JGOXZEKK">[*]
Gemeinsamer.</a> Rat regiert.
Doch als auf Hoffart man bedacht,
Auf Reichtum und auf große Macht,
Und Bürger wider Bürger stritt,
Dacht' man gemeinen Nutzens nit,
Da fing die Macht zu zerfallen an,
Wardst einem Kaiser untertan,
Mußtest unter solchem Schutz und Schein
<a name="page369" title="mbechtel/quantenspringer" id="page369"></a> An fünfzehnhundert Jahre sein
<a href="#IDN5JV25KH1N5PPBD11EJ3S0FRLIIITDXU20E3SNFGKKGLFBRQNVUE">[*]
Die Abfolge der Kaiser und Könige wurde noch im 16. Jh. zusammenhängend von Julius Cäsar bis zur Gegenwart durchgezählt; mit dem 5. Jh. geht das Kaisertum auf Byzanz über, unter Karl dem Großen kehrt es ins Abendland zurück.</a>
Und bist doch stets herabgekommen,
Hast wie das Mondlicht abgenommen,
Wenns schwindet und ihm Schein gebrist,
So daß jetzt wenig an dir ist.
Wollt Gott, es wüchs' das Römsche Reich,
Damit es war dem Mond ganz gleich!
Doch den dünkt nicht, daß er was hab,
Ders nicht dem Römischen Reich bricht ab.
Es hält der Sarazenen Hand
Das heilige, gelobte Land;
Der Türke hat darnach so viel,
Daß man beim Zählen fand kein Ziel.
Viel Städte brachten sich in Wehr
<a href="#ID5HVO441U13UPMEEIESCAJL2EJE2SC3CREWXNMBMEOVHTTRTNKYM">[*]
sich brocht hant jnn gewer, d. h. in Sicherheit, Unabhängigkeit (Goedeke), oder: sie haben zu den Waffen gegriffen und sich den Befehlen des Kaisers entzogen (Zarncke).</a>
Und achten jetzt keines Kaisers mehr;
Ein jeder Fürst der Gans
<a href="#ID0AYEW44ZEEM4MVSTH1JK5FTMSI2EUSU1UIUUXGC3EBRRYF2C0Y2H">[*]
Anspielung auf den Reichsadler.</a> bricht ab,
Daß er 'ne Feder davon hab;
Darum ist es nicht Wunder groß,
Daß auch das Reich so nackt und bloß.
Man schärft zunächst es jedem
<a href="#ID5E4FDGEJJOZ4GSMQOBQVWHV23DSVNFMQDHOK14H1PE5QHHAZHJ1D">[*]
Jedem neugewählten König wurden bei der sog. Wahlkapitulation durch die Kurfürsten neue Rechte abgedrungen; zugleich mußte der Fortbestand der bisherigen Rechte beschworen werden.</a> ein,
Daß er nicht fordern soll was sein
Und jeden lassen in seiner Statt,
Wie ers bisher gebrauchet hat.
<a name="page370" title="mbechtel/quantenspringer" id="page370"></a> Um Gott, ihr Fürsten, sehet an,
Welch Schaden daraus entstehen kann,
Wenn so herunter kommt das Reich!
Ein gleiches Schicksal trifft bald euch!
<a href="#IDJZ3LRFGK0TPNI2JJM33TQ3IR3JEXZHNHAR1HQJJULSH2WDA5GBMK">[*]
Bei Brant direkter:
Wann joch hyn under kem das rich / Ir blyben ouch nit ewigklich; d. h., das Schicksal des Reiches und der Fürsten ist unlöslich miteinander verknüpft.
</a> Ein jedes Ding mehr Stärke hat,
Wenn beieinander fest es staht,
Als wenn es soll zerteilet sein.
Einhelligkeit in der Gemein'
Das Wachstum aller Dinge macht,
Doch wenn Mißhelligkeit erwacht,
Werden auch große Dinge zerstört.
Der Deutschen Name war hochgeehrt
Und hat erworben durch solchen Ruhm,
Daß man ihnen gab das Kaisertum.
Aber die Deutschen verwandten Fleiß,
Zu vernichten des eignen Reiches Preis.
Damit das Gestüte Zerstörung hab,
Bissen die Pferde die Schwänze sich ab.
<a href="#IDEWFJ2VQQ2I4HJORG0FB1EAMCAGJTXXQ4WEEGNIMHGNKJ3M23TLPB">[*]
Sprichwörtlich.</a>
Jetzt auf den Füßen wahrlich ist
Der Cerastes und Basilist.
<a href="#IDVTQK2DB1GXXEK2JH2VI2U2AW0KMTVV1V4AHCVVHIK5HTNR4LBJJD">[*]
Die gehörnte Schlange und der Basilisk spielten in den eschatologischen Prophetien des Mittelalters eine große Rolle.</a>
Gar mancher wird vergiften
sich,
Wer Gift dem
Reich gibt schmeichlerisch.
<a href="#IDXI3GP0FJXB4RDOKOY2YG520ZRKRE42G41TUVDGHTXBD2ODYLO3F">[*]
dar schmeycht, d. h. schmeichelnd darreicht.</a>
Aber ihr Herren, Könige, Lande,
Wollt nicht gestatten solche Schande!
Wollet dem Römischen Reich beistehn,
So kann das Schiff noch aufrecht gehn!
<a name="page371" title="mbechtel/quantenspringer" id="page371"></a> Ihr habt fürwahr einen König mild,
Der euch wohl führt mit Ritterschild,
Der zwingen kann all Land gemein,
Wenn ihr ihm helfen wollt allein:
Der edle Fürst
Maximilian<a href="#IDS50SP4TFSG5BGN2ITYHWVUCOMMKYSCQ3RRZDFZRK3BC0XMLMWFB">[*]
Maximilian I., der »letzte Ritter«, war 1486 durch Wahl der Fürsten deutscher König geworden; erst 1493 wurde er durch den Papst zum Kaiser gesalbt.</a>
Die Römische Krone würdig gewann,
Dem kommt ohn Zweifel in die Hand
Die heilge Erd, das gelobte Land,
Er würde jeden Tag beginnen,
Könnt er nur trauen eurem Sinnen.
Werft von euch darum Schmach und Spott:
Denn kleinen Heeres waltet Gott.
Wiewohl verlor viel unsre Hand,
Sind doch noch so viel Christenland'
Und König, Fürsten, Adel, Gemein,
Sie können gewinnen wohl allein
Und zwingen bald die ganze Welt,
Wenn man nur fest zusammenhält,
Treu, Fried und Liebe gebrauchen tut,
Ich hoffe zu Gott, dann wird es gut!
Ihr seid Regierer doch der Lande,
So wacht und tut von euch die Schande,
Daß man euch nicht dem Schiffsmann gleicht,
Den auf dem Meer der Schlaf beschleicht,
Wenn Ungewitter ist in Sicht;
Oder dem Hunde, der bellet nicht;
Oder dem Wächter, der nicht wacht,
Auf das Vertraute hat nicht acht.
<a name="page372" title="mbechtel/quantenspringer" id="page372"></a> Steht auf, erwacht aus euerm Traum!
Die Axt liegt wahrlich an dem Baum!
<a href="#ID0WSGB5ZY3KW2HKXSAM5TY2CTKOG1GFYDZQVFFPCWLDWNTXT3UU3N">[*]
Vgl. Matthäus 3, 10.</a>
Ach Gott, gib unsern Häuptern ein,
Daß sie begehrn die Ehre dein
Und nicht, was ihnen nütz' allein!
Dann will ich ohne Sorgen sein,
Du gebst uns Sieg in kurzen Tagen,
Darob wir ewig Lob dir sagen!
Ich mahn die Stände der ganzen Welt,
Wie ihre Würde auch bestellt,
<a href="#IDG4FKUQA2W05SDZJZIAEMGD4OFKNPRRC1XTRT3JI031BHFB44IBE">[*]
Im Original:
Was würde und tyttel die sint gezölt, d. h. welcher Würden und Titel sie wert geachtet sein mögen.</a>
Daß sie nicht tun wie Schiffersleut,
Die uneins sind und haben Streit,
Wenn sie sind mitten auf dem Meer
In Sturm und Ungewitter schwer,
Und eh sie werden eins der Fahrt,
Stößt schon ihr Schiff zu Grunde hart.
Wer Ohren hat, der merk und höre!
Das Schifflein schwanket auf dem Meere!
Wenn Christus jetzt nicht selber wacht,
Wird bald es werden um uns Nacht.
Drum ihr, die einst nach euerm Stand
Hat auserwählet Gottes Hand,
Daß ihr sollt stehen an der Spitze,
Gebt acht, daß Schmach nicht auf euch sitze!
<a href="#IDOZV3OHKXDFIZEIEXSHSU5VTSCWCSEBSCPYUNLG0ESFW2XDPZXOD">[*]
Nit lont / das es an uch ersitz, d. h., laßt nicht zu, daß es an euch liege, wenn es nicht vorwärtsgeht.</a>
Tut, was euch ziemt nach euerm Grade,
Damit nicht größer werd der Schade
Und Sonn und Mond
<a href="#IDX0EFDP2TQ0H3C0Q0H1K1I2IDAMETXKXKNYZB1GMCVOKQ3LOFF4GK">[*]
Anspielung auf Papst und Kaiser.</a> verlier den Glanz
<a name="page373" title="mbechtel/quantenspringer" id="page373"></a> Und Haupt und Glieder schwinden ganz:
Es läßt sich recht besorglich an! –
Leb ich – ich mahn noch manchen dran,
Und wer nicht an mein Wort mag denken,
Dem will die Narrenkapp ich schenken!
<a name="page374" title="mbechtel/quantenspringer" id="page374"></a>
<a name="page375" title="mbechtel/quantenspringer" id="page375"></a>
Wer jetzt vermag den Hengst zu streichen,
Sich bei Betrug behend zu zeigen,
Der meint, zuletzt vom Hof zu weichen.
Den falben Hengst streicheln
<a href="#IDHXM3QATTRIV1VRH0XSYUM51UOCEPRUIJPN0SUIMWY02FZHYAEW">[*] Falb, fahlgelb, galt als eine verdächtige Farbe; wer ein falbes Herrenpferd dennoch streichelte, schmeichelte also.</a>
Ein Schiff mit Deck
<a href="#IDX42FNWJQKXTUE2CNCC0IVAE0JNLC2SLLVN01OWEQYQIDASTT3XOI">[*]
In dem man die Narren oben und unten unterbringen könnte.</a> kam mir jetzt recht,
Darein setzt ich der Herren Knecht'
Und andre, die zu Hof gehn schlecken
Und heimlich bei den Herren stecken,
Damit sie säßen ganz alleine
Und ungedrängt von der Gemeine,
Denn die scheint ihnen da zum Leide.
Der klaubet Federn,
<a href="#IDH51ICM5PXXRBGJBPHF3UWCREMSSKIBEMLUPZHNGUDRY0JPVD1FD">[*]
Federn vom Gewand ablesen, sprichwörtlich für: Liebedienerei treiben.</a>der streicht Kreide,
<a href="#IDBPJLLC0E3HP4GINPAOLBYDIFUJ01ZI0LYCTNCMGTJH4JRSHECJ5">[*]
In der gleichen Bedeutung des Schmeichelns, vermutlich vom Blankputzen der Waffen und des Schmuckes abgeleitet.</a>
Der liebkost,
der raunt in das Ohr,
Daß er recht bald nur komm empor
Und sich mit Tellerschlecken nähre.
Durch Lügen mancher Herr gern wäre,
Den Kauz zu streicheln
<a href="#IDOSQNMKPWB5FUOIDB3RCZDPXGDJKATHAQMWNN4RDJWWUTJ4B3LSC">[*]
Kauz verächtlich für Jagdvogel; ähnlich wie: den falben Hengst streicheln.</a> er versteht,
Mit falbem Hengst er wohl umgeht;
Zu blasen Mehl
<a href="#ID1OVPTZFBMXOFJRQ2HDPEA3DXEF2G0WTNTHVBWAJ035F2LHJ4IS1K">[*]
Sprichwörtlich: man kann nicht blasen, wenn man Mehl im Munde hat; d.h., man redet nicht offen und ehrlich, sondern anders, als man denkt.</a> ist er geschwind,
Den Mantel hängt er nach dem Wind;
Zutragen hilft jetzt manchem vor,
Der sonst blieb lange vor dem Tor.
Wer Wolle mischen kann und Haar,
<a href="#IDKY35OCG13DYCF44FCTLEPZKK1IAU0AWOL4IPM1DHTD5UI01LHUMN">[*]
D. h. wer Wahres und Falsches mischen kann.</a>
Der bleibt bei Hofe gern fürwahr;
Dort ist er wahrlich lieb und wert,
Wo Ehrbarkeit man nicht begehrt.
<a name="page376" title="sinea/quantenspringer" id="page376"></a> Mit Torheit alle sich befassen,
Wollen mir die Narrenkapp nicht lassen.
Doch streichelt mancher zu derbe auch,
Daß ihn der Hengst schlägt vor den Bauch
Oder ihm gibt einen Tritt in die Rippen,
Daß ihm der Teller fällt in die Krippen.
Man könnte solcher wohl ledig gehen,
<a href="#IDW3WWJDFVBHVXNVXP1OG2I0PNXEEQ1QU12LPR1HMJDMBUN0WTH1IO">[*]
Der selben wer guot müssig gon, d. h., man könnte sich ihrer entschlagen, daran vorübergehen.</a>
Wenn man sonst Weisheit wollt verstehn;
Wenn jeder wäre, wie er sich stellt,
Den man für fromm und redlich hält,
Oder sich stellte, wie er wär:
– Viel Narrenkappen stünden leer.
<a name="page377" title="mbechtel/quantenspringer" id="page377"></a>
<a name="page378" title="mbechtel/quantenspringer" id="page378"></a>
Als leichtfertig nenn ich euch jetzt
Den, welcher glaubt, was jeder schwätzt:
Ein Klatschmaul <a href="#IDIE4LKIYBXKEEJAKEWFGK1DG4BJBZNJNAZYXHQSNDAXZ1PBRUH33K">[*] Eyn klapperer, vgl. Anm. 3 zu Kap. 91 ( klapper benckly).</a> viele Leut verhetzt.
Vom Ohrenblasen
Der ist ein Narr, der leichtlich glaubt
Alles Geschwätz und stopft's in sein Haupt;
Das sind die Zeichen eines Toren,
Hat einer dünn und weit die Ohren.
Man hält für redlich nicht den Mann,
Der einen hinterrücks greift an
Und gibt ihm wortlos einen Schlag,
Daß der sich nicht zu wehrn vermag;
Aber
verleumden hinter dem Rücken
Gehört jetzt zu den Meisterstücken,
Die man nicht leicht abwehren kann.
Das tut jetzt treiben jedermann
Mit Afterreden, Abschneiden der Ehr,
Verraten und dergleichen mehr;
Das kann man schminken und verklügen,
<a href="#IDIYIA4AOPJPB1DIGOMZ4UD113MKLKEVR2VHQILCKWL24FWKLZ5VN">[*]
Bemänteln, schönfärben.</a>
Daß man könn' desto mehr betrügen
Und schaffen, daß mans glaubet eh'r;
Den
andern Teil hört man nicht mehr.
Ein Urteil über manchen geht,
Der nie vor einem Richter steht,
Der seine Unschuld nicht erwies,
Weil man im Sack ihn ersticken ließ,
Wie Haman Mardochäus tat,
<a href="#ID4SEOHNMZ2VXKKWCWRDNLELQP1COEUJAKLTYMTDIWQX4C4J3HUUJP">[*]
Vgl. Esther 3 ff.</a>
Siba der Knecht – Mephibosath.
<a href="#IDTDPYUK4SYTUBLZFL255AQKSUGBYFE2RW1KRGBGZGCUS4TLOH35B">[*]
2. Samuel 16, 1–4; 19, 24 ff.</a>
Groß Lob man Alexander zollte,
Weil er nicht leichtlich glauben wollte,
<a name="page379" title="mbechtel/quantenspringer" id="page379"></a> Als man verklagte Jonatham.
<a href="#IDMFRBKMZ3BJSSCXL5NAOOBYLQSOY0ICLDZ244MUMFQIXZOSTDZR5L">[*]
Gemeint ist nicht Alexander der Große, sondern Alexander Nobilis, der sich gegen den syrischen König Demetrius erhob; vgl. 1. Makkabäer 10, 15 ff.</a>
Rasch glauben nie gut Ende nahm:
Der Gnad war Adam nicht beraubt,
Hätt er nicht rasch der Frau geglaubt
Und sie der Schlange klugem Wort.
Wer rasch glaubt, stiftet oftmals Mord.
Nicht
jedem Geist man glauben soll,
<a href="#IDSGUFGPOVYN2PBTGZXG3LKUTN1C3ME52A43QPY5ECJE0UPKNYSBBB">[*]
Vgl. 1. Johannes 4, 1.</a>
Die Welt ist falsch und Lügens voll:
Der Rabe bleibt doch schwarz wie Kohl'.
<a href="#IDXWTHX50455Q1LWSXILPNALPOXOY5FHSYTUZZFKICBAJQH0JZ2IJ">[*]
Der rapp dreit dar durch (durch die Welt)
schwartze wol, d. h., die Welt ändert sich nicht, sowenig wie man schwarze Raben weiß machen kann.</a><a name="page380" title="mbechtel/quantenspringer" id="page380"></a>
<a name="page381" title="mbechtel/quantenspringer" id="page381"></a>
Man spürt wohl in der Alchemei
Und in des Weines Arzenei,
Welch Lug und Trug auf Erden sei.
Von Fälscherei und Beschiß
<a href="#IDRRSMXB0GHW3IMFM0RHF3PNJTHIW2LLJ3CKRHRIL0A33J5CGUZKBK">[*] beschiss und betrug treten bei Brant häufig nebeneinander auf; wenn das erste Wort auch in der damaligen Zeit gebräuchlicher als heute war und seine derbe Anschaulichkeit verloren hatte, ist es doch nicht völlig gleichbedeutend mit dem zweiten, wie der abgestufte Gebrauch beider Wörter im Narrenschiff zeigt.</a>
Betrüger sind und Fälscher viel,
Die passen recht zum Narrenspiel;
Falsch Lieb, falsch Rat, falsch Freund, falsch Geld:
Voll Untreu ist jetzt ganz die Welt!
Die Bruderlieb ist tot und blind,
Auf Trug und Blendwerk jeder sinnt;
Man will nur ohn Verlust erwerben,
Wenn hundert auch dabei verderben.
Keine Ehrbarkeit sieht man mehr an,
Man läßt es über die Seele gahn,
<a href="#IDAHHUUKG2OGIKD4JZQPGMPAYPVE1GJFJ0SKZVJQLX0CZBJPJH4KPJ">[*]
D.h. läßt es sich sein Seelenheil kosten.</a>
Wenn eines Dings man nur wird ledig;
Wer drüber stirbt – dem sei Gott gnädig!
<a href="#IDUXZKSS2OMRMGJIN4C35NJAFSHP0REHF5AEA0JKIKCHG4AKRAR1UM">[*]
Im Original:
Got geb ob tusent sturben drab, d. h. gleichviel, ob auch Tausende darüber stürben.</a>
Man läßt den Wein nicht rein mehr bleiben:
Viel Fälschung tut man mit ihm treiben,
Salpeter, Schwefel, Totenbein,
Pottasche, Senf, Milch, Kraut unrein
Stößt man durchs Spundloch in das Faß.
Die schwangern Frauen trinken das,
So daß vorzeitig sie gebären.
Elenden Anblick uns gewähren.
Es kommt viel Krankheit auch daraus,
Daß mancher fährt ins Totenhaus.
Man tut ein lahm Roß jetzt beschlagen,
Dem doch gebührt der Schinderwagen;
<a name="page382" title="wedi/quantenspringer" id="page382"></a> Das muß noch lernen auf Filzen stehn,
<a href="#IDBTLDKQRVR4RXHIN4TZTKPB32MHQV2GSHYOGRVKBSPVOXFHMAASHM">[*]
Man umwickelt seine Hufe mit Filz, wie dies bei edlen Rossen geschieht.</a>
Als sollt es nachts zur Mette gehn,
Wenn es vor Schwäche auch hinkt und fällt,
Schlägt man daraus doch jetzt viel Geld,
Damit beschissen werde die Welt.
Man hat klein Maß und klein Gewicht,
Die Ellen sind kurz zugericht't,
Der Laden muß ganz finster sein,
Daß man nicht seh des Tuches Schein,
Und während einer sieht sich an
Die Narrn, die auf dem Laden stahn,
<a href="#IDRNPITJ5QOVQUANGIUD4J43HWGLDFSQD5JVD1QORX31UJ3Q04WSB">[*]
Die komischen Figuren, die man auf den Ladentisch stellte.</a>
Gibt man der Waage einen Druck,
Daß sie sich zu der Erden buck',
Und fragt, wieviel der Käufer heische?
Den Daumen wiegt man zu dem Fleische.
Man pflügt den Weg zur Furche jetzt,
Die alte Münz' ist abgewetzt
<a href="#IDOTEIQDARKNRUJ5KDI13VT0KUMWTMR4PAGFVBKNW5YPZWHTAOKAE">[*]
gantz hardurch, d.h. dünn, abgegriffen.</a>
Und könnt nicht lange Zeit bestehn,
Wär nicht ein Zusatz
<a href="#ID0H5ODCULZBQNFF4DIUCWHPTGZEOFKJ3RDDG2IBHBLTFNBXWZUGBK">[*]
Vermischte man nicht das wenige Silber mit viel Kupfer.</a> ihr geschehn.
Die Münze schwächt sich nicht allein,
Falsch Geld ist worden jetzt gemein
Und falscher Rat; falsch Geistlichkeit
Macht sich mit Mönch, Beghin, Blotzbruder
<a href="#IDM1DSPQJYEGRIQGMIGLG3ILAJDZFWHWOWK3AM3MVZUJW1FBWGGTJ">[*]
Die Beghinen, die sich als halbklösterliche Frauenvereinigung ohne Gelübde und Ordensregeln besonders in den Niederlanden und Flandern der Krankenpflege annahmen, galten vielfach als ränkesüchtig und kupplerisch; Blotzbrüder sind Laienbrüder, die namentlich als Bedienstete der Ordensbrüder in den Klöstern tätig waren.</a> breit:
Viel Wölfe gehn in Schafeskleid.
<a name="page383" title="cal/quantenspringer" id="page383"></a>
Damit ich nicht vergeß hiebei
Den großen Beschiß der Alchemei,
Die Gold und Silber hat gemacht,
Das man zuvor ins Stöcklein
<a href="#IDTTUMAM4P014GGXH4BQSEAOT4GPGLQF00ELNDV4MKVA0FQZCPIQRC">[*]
In das metallene Stäbchen, mit dem die Masse im Tiegel umgerührt wurde.</a> gebracht.
Sie gaukeln und betrügen' grob;
Sie zeigen vorher eine Prob',
So wird bald eine Unke
<a href="#ID3VENCFRWSDUZCU51O5PZDZAPSMNDQC05ID4EQALDOYI0VEJ5NXCH">[*]
Man nannte die Alchimisten Unkenbrenner, da sie angeblich mit der Asche des Basilisken arbeiteten.</a> draus.
Der Guckaus
<a href="#IDWDDEL2VBBCBEL0NDVFAT35OM2I2QGCAX2PRMZ4ITHHQZVCZXEDWO">[*]
D. h. derjenige, der eifrig in die Tiegel der Alchimisten guckt.</a> manchen treibt vom Haus;
Wer vordem sanft und trocken saß,
Der stößt sein Gut ins Affenglas,
<a href="#IDJHRYZILXYZUELNOPWME2VOYM4OWPRQ4NIF4IECOZWXBAZXDEIQEF">[*]
In die gläsernen Retorten.</a>
Bis ers zu Pulver so verbrennt,
Daß er sich selber nicht mehr kennt.
Viel haben sich also verdorben,
Gar wen'ge haben Gut erworben,
Denn Aristoteles schon spricht:
»Die Gestalt der Dinge wandelt sich nicht!«
<a href="#ID2VQ5QVDM2QABNNZUMAZQGGBMCP2HJUYMYQLYHJEKQYFZ1X3YIEZJ">[*]
Der Gedanke kehrt bei Aristoteles oft wieder, ein bestimmtes Zitat wird daher kaum anzunehmen sein.</a>
Viel fallen schwer in diese Sucht
Und haben doch draus wenig Frucht.
Man richtet Kupfer zu für Gold,
Mausdreck man untern Pfeffer rollt;
Man kann jetzt alles Pelzwerk färben
Und tut es auf das schlechtste gerben,
Daß es behält gar wenig Haar,
Wenn mans kaum trägt ein Vierteljahr.
Zeismäuse geben Bisam viel,
Der stinkt dann ohne Maß und Ziel;
Die faulen Heringe man mischt
<a name="page384" title="cal/quantenspringer" id="page384"></a> Und sie als frische dann auftischt.
All Gassen sind Verkäufer voll,
Denn Trödel treiben schmeckt gar wohl,
Da alt und neu man mengen kann.
Mit Täuschung geht um jedermann:
Kein Kaufmannsgut steht fest im Wert,
Ein jeder Trug zu treiben begehrt,
Daß seinen Kram er nur setz ab,
Ob der auch Gall und Spatbein
<a href="#IDWNYMO5MCL3YJGRLOPSSWXASD3G12FP14VQC2WTKUGEPUUE2OQCEO">[*]
Eigentlich Pferdekrankheiten; sprichwörtlich für schlechte, unbrauchbare Ware überhaupt.</a> hab.
Selig ohn Zweifel ist jetzt der Mann,
Der sich vor Falschheit hüten kann!
Die Eltern betrügt das eigne Kind,
Der Vater ist für die Sippschaft blind,
Wirt trügt den Gast und Gast den Wirt.
Untreu, Beschiß man überall spürt.
Das bereitet dem Antichristen den Lauf:
Der treibt in Falschheit all seinen Kauf,
Denn was er denkt, heißt, tut und lehrt,
Ist nichts als falsch, untreu, verkehrt.
<a name="page385" title="raura/quantenspringer" id="page385"></a><a name="page386" title="cal/quantenspringer" id="page386"></a>
Vom Antichrist
<a href="#IDBTDJXOVR1XB4IWT1GQNCSPX5FLTGJAHW2CVYPQKEF43S32AMQGLD">[*] Der Holzschnitt nimmt hier, ähnlich wie bei Kap. 48, die ganze Seite ein, so daß Mottoverse und Titel fehlen; der letztere wurde aus dem Register ergänzt. Vom endkrist entspricht zwar etymologisch völlig dem lat. Antichristus, doch ist in dieser umgelauteten Sprachform zugleich die Vorstellung vom Ende der Welt enthalten, dem Jüngsten Gericht, vor dessen Eintritt der Antichrist nach altkirchlicher Überlieferung seine Herrschaft ausüben sollte (= Endechrist).</a>
Nachdem ich die voran gelassen,
Die da mit Falschheit sich befassen,
<a href="#IDCJ0MUWGZSUKXOUQAZT2HZ2HKZEBMXJ12LSYM2AOVVT3Y2LDYKRGP">[*]
Vgl. Kap. 102; der Sinn ist: die rechten Fälscher behandele ich nun erst.</a>
Find ich nun erst die rechten Knaben,
Die um das Narrenschiff her traben
Und sich und andre viel betrügen,
Die Heilge Schrift verkrümmen und biegen;
Die geben erst dem Glauben Püff'
Und netzen das papierne Schiff;
<a href="#IDLMZ2AYRJQCTUFSKGEEF30ERMXGZOTZO5K5CBTAGV2VP0KS1JB2ZB">[*]
Das papierne Schiff des Glaubens, d. h. die heiligen Bücher.</a>
Ein jeder reißet etwas ab,
Daß desto weniger Bord
<a href="#ID5MBAY2H2DPZ0BAV4PIWOJ2HVOBBWPTMPI2TUMMF3ZVI3XHRFWP5">[*]
Rand, Höhe über dem Wasserspiegel.</a> es hab,
Nimmt Ruder und Riemen weg davon,
Daß ihm der Untergang mög' drohn.
Viele sind in ihrem Sinn so klug,
Die dünken weise sich genug,
Aus eigener Vernunft Einfall
Die Heilge Schrift zu deuten all,
Darin sie fehlen doch gar sehr,
Und wird gestraft ihre falsche Lehr.
Denn sie könnten aus andern Schriften wohl
– Deren allenthalben die Welt ist voll –
Genugsam unterrichten sich,
<a name="page387" title="raura/quantenspringer" id="page387"></a> Wenn sie nicht wollten sonderlich
Gesehen sein vor andern Leuten;
Dabei fährt irr das Schiff zuzeiten.
Man kann dieselben trunken nennen,
Da sie die Wahrheit wohl erkennen
Und doch das Schiff umkehren ganz,
Zu zeigen
ihren Schein und Glanz.
Das ist der falschen Propheten Lehr,
Vor denen sich hüten heißt der Herr,
Welche anders die Schrift umkehren,
Als sie der heilge Geist tut lehren;
Deren Hände führen falsche Waagen,
Drauf legen sie nach ihrem Behagen,
Machen eines leicht und andres schwer,
Darunter der Glaube leidet sehr.
<a href="#IDNPYXCS1KK4LVCXJ200W3QPFLVHUJ5BNQZ1HX2CH0L0X13S44224M">[*]
Do mit der gloub yetz vast hyn zücht, d. h. stirbt, vergeht.</a>
Inmitten der Verkehrten wir stehn;
Man kann den Skorpion
<a href="#IDYCTD0L1CKRH5CJRU3055R0XQBMHDEAFFVM1UH4DYN4POV1UT5OV">[*]
Vgl. Ezechiel 2, 6 (von Brant hier wohl mit der astrologischen Bedeutung des Skorpions in Verbindung gebracht).</a> schon sehn
Sich regen, gereizt von solcher Macht,
Die Ezechiel vorausgesagt.
<a href="#ID0GDP3I5DHJNKNZQMIAL4X0KRJBRU22WQ35CP2YCKJRILQZ1WDLCK">[*]
Ezechiel 13 (Weissagung gegen die falschen Propheten) und 14 (Gericht über Jerusalem).</a>.
Die das Gesetz hier übertreten
Und zu dem Antichristen beten,
Die schaffen ihm gar viel
voraus;
Wenn seine Jahre sind dann aus,
So hat er viel, die bei ihm stehn
Und mit ihm in der Falschheit gehn.
Deren hat er viele in der Welt!
Wenn er austeilen wird sein Geld
Und an das Licht die Schätze bringen,
<a name="page388" title="cal/quantenspringer" id="page388"></a> Braucht er nicht viel mit Streichen zwingen:
Die Mehrzahl wird selbst zu ihm laufen,
Durch Geld wird er sich viele kaufen,
Die helfen ihm, damit er dann
Die Guten zu Falle bringen kann –
Doch werden lange sie's nicht machen,
Ihnen wird bald fehlen Schiff und Nachen,
Wiewohl sie fahren um und um –
Er wird die Wahrheit machen krumm,
Die wird zuletzt doch Wahrheit bleiben
Und wird die Falschheit ganz vertreiben,
Die jetzo herrscht in jedem Stand.
Ich fürcht, das Schiff kommt nicht zum Land.
Sankt Peters Schifflein
<a href="#IDNL5AYK3MG4IOIHY042JRL1CBMKLG31H2PCMEYSD2BEOBNRF2WIUG">[*]
Sant Peters schyfflin gilt, anknüpfend an den Fischerberuf des ersten Apostels, als Sinnbild der katholischen Kirche.</a> schwanket sehr,
Ich sorg den Untergang im Meer,
Die Wellen schlagen allseits dran,
Ihm wird viel Sturm und Plage nahn.
Gar wenig Wahrheit man jetzt hört,
Die Heilige Schrift wird ganz verkehrt
Und jetzt viel anders ausgelegt,
Als sie der Mund der Wahrheit hegt.
Verzeih mir recht, wen dies betrifft!
Der Antichrist kommt angeschifft,
<a href="#IDVWSKYOZLNVLZL4GHCH135RAOZDYPUCZQQKWV2DVX23BBRLU2KJI">[*]
Der endkrist sytzt jm grossen schiff: wie diese und andere Stellen zeigen, geht Brant im Gegensatz zu früheren Kapiteln hier von dem großen Glaubensschiff aus, in dem alle Christen fahren; dieses wird vom Antichrist besetzt und wird scheitern, ebenso wie die kleineren Narrenschiffe, während sich die wahrhaft Gläubigen in St. Peters Schifflein retten werden. Vgl. die Erläuterung des Holzschnitts S. 459.</a>
Hat seine Botschaft ausgesandt,
Falschheit verkündigt durch das Land,
Denn falscher Glaub und falsche Lehr,
<a name="page389" title="cal/quantenspringer" id="page389"></a> Die wachsen von Tag zu Tage mehr,
Wozu die Drucker tüchtig steuern.
Man könnte manches Buch verfeuern
Mit Unrecht viel und Falsch darin.
Viele denken einzig auf Gewinn;
Nach Büchern überall sie trachten,
Doch Korrektur sie wenig achten;
Auf großen Beschiß sie jetzt studieren,
Viel drucken, wenig korrigieren,
Die schauen übel auf die Sachen,
Wenn Männlein
<a href="#ID1DHDYHMJRSZPMN0OR2FHC2MYGGYIOCU01JDB5MIFDYDD3UWGD0JH">[*]
Nachdrucke, die dem ersten Druck Seite für Seite, also auch in den Druckfehlern, entsprechen.</a> sie um Männlein machen!
Sie tun sich selber Schaden und Schande,
Gar mancher
druckt sich aus dem Lande,
Die kann das Schiff dann nicht mehr tragen,
Sie müssen an den Narrenwagen,
Wo einer kann den andern jagen.
Die Zeit, sie kommt! Es kommt die Zeit!
Ich fürcht, der Endchrist ist nicht weit!
Man merke dies und nehme wahr:
Auf drei Dingen steht der Glaube gar,
Auf Ablaß,
<a href="#IDHJKHW05Y5A4DDU43CWEHIPAHZBQ2FYITC0XCM2FXNY4YPXUZUQSD">[*]
D. h. Absolution, Vergebung der Sünden.</a> Büchern
<a href="#IDOEI5JJHIO3QNMY5BP2KSRDZTUHSBD3PC0BFBNUBM5FUVYMFHYELI">[*]
Heiligen Schriften.</a> und auf Lehr,
Deren man jetzt schätzt keines mehr.
Vielheit der Schrift spürt man dabei:
Wer merkt die Menge Druckerei!
Ein jedes Buch wird vorgebracht,
Was unsre Eltern je gemacht;
Deren sind jetzt so viel an Zahl,
Daß sie nichts gelten überall,
Daß man sie schier nicht achtet mehr,
<a name="page390" title="raura/quantenspringer" id="page390"></a> Und ähnlich ist es mit der Lehr;
So viele Schulen man nie fand,
Als man jetzt hat in jedem Land;
Fast ist auf Erden keine Stadt,
Die nicht 'ne hohe Schule hat,
Da gibts auch viel gelehrte Leut,
Die man jetzt achtet keinen Deut.
Die Wissenschaft verachtet man
Und sieht sie über die Achseln an;
Die Gelehrten müssen sich schier schamen,
Zu tragen ihr Kleid
<a href="#IDKB4HNVY1QG4XOYJJGXFRSNE5WH21TM0VWWZXX1HJV1L1JOIBRZLP">[*]
Die Gelehrten trugen eine besondere Tracht.</a> und ihren Namen,
Die Bauern zieht man jetzt herfür,
Die Gelehrten müssen hinter die Tür.
Man spricht: »Schau an den Schluderaffen!
<a href="#IDAZSVBURNARNQCZOINNOV4MBVBFID1PV3ZDYCE4KWH43TQMIYZFXB">[*]
Faulpelz, Träumer (von
schludern = schlendern, nachlässig arbeiten); vgl. Kap. 108.</a>
Der Teufel bescheißt uns wohl mit Pfaffen!«
Das ist ein Zeichen, daß die Kunst
<a href="#ID5YERLT5AYDQCD4KAMXORL45IMDFJHBKTEIX3IQHULYYLSHLJO5TF">[*]
Wissenschaft.</a>
Nicht Ehre mehr hat noch Lieb und Gunst.
Drum wird auch schwinden bald die Lehre,
Denn
Kunst gespeiset wird durch Ehre<a href="#ID5HSPWNPADBF2PPXZIVWLW0U5GN1SKDPGWAXODZCUU0FIBCORBNDD">[*]
Vgl. Cicero,
Tusculanae Disputationes I, 2 (
Honos alit artes).</a>
Und will man sie nicht hoch mehr achten,
So werden wenig nach ihr trachten.
Der Ablaß ist so ganz unwert,
Daß niemand seiner mehr begehrt;
Niemand will mehr den Ablaß suchen,
Ja, mancher möcht ihn sich nicht fluchen,
Und mancher gäb keinen Pfennig aus,
Wenn ihm der Ablaß käm ins Haus,
Und wird
ihm doch einst jagen nach,
<a name="page391" title="raura/quantenspringer" id="page391"></a> Erreicht ihn ferner als zu Aach .
<a href="#IDCFIG5U24TM2VKF5HM1PTXL02VOZNIWL4OJLURPMVWCEWCDJJWWSK">[*]
Als an diesem weit entfernten Wallfahrtsort.</a>
Darum dasselbe uns einst droht
Wie denen mit dem Himmelsbrot,
<a href="#IDWNJ5Y4P1WXQ5OY4YDAFF1W3SNKWPI4S1RVIRTPIOQKSYPR3RWWF">[*]
4. Mose 11, 4 ff.
</a> Die waren dessen übersatt,
Sie sprachen: ihre Seel sei matt;
Und was gegeben ihnen Gott,
War ihnen unnütz und ein Spott;
So tut man mit dem Ablaß auch,
Den schätzt gering gar mancher Gauch.
Daraus entnehm ich
den Bericht:
Es ist der Glaube wie ein Licht,
Eh das will ganz erloschen sein,
Gibt es noch einmal Glanz und Schein.
Daher ich frei es sagen mag:
Es naht sich uns der Jüngste Tag!
<a href="#IDXNGB2M2JCJGVKKJ025IQGFGPMHXNO0FPDDPPOPXUEBMIYMEB5KE">[*]
Im Original:
Das ich es frylich sagen mag / Es nah sich vast (ganz ernstlich)
dem jungsten tag.
</a> Weil man das Licht der Gnad veracht't,
Wird es bald gänzlich werden Nacht,
Und was man nie zuvor gehört:
Das Schiff den Kiel nach oben kehrt.
<a name="page392" title="raura/quantenspringer" id="page392"></a>
<a name="page393" title="quantenspringer/wedi" id="page393"></a>
Wer Schmeichelns halb und um Drohworte
Die Wahrheit bringt zum dunkeln Orte,
Der klopft dem Endchrist an die Pforte.
Wahrheit verschweigen
Der ist ein Narr, der sich verkehrt
In seinem Geist, so man anfährt
Und mit Gewalt ihn zwingen will,
Daß er von Wahrheit schweige still
Und Weisheit unterwegen lasse
Und wandeln soll der Torheit Gasse,
Auf welcher ohne Zweifel fährt,
Wer sich an solche Drohung kehrt.
Denn Gott ist doch auf seiner Seiten
Und schirmet
den zu allen Zeiten,
Der von der Wahrheit sich nicht scheidet,
So daß zu keiner Frist ausgleitet
Sein Fuß. Wer in der Wahrheit bleibt,
Bald alle Feinde von sich treibt.
Ein Weiser stimmt der Wahrheit zu,
Selbst wenn er sähe Phalaris' Kuh.
<a href="#IDWBRLFYRLD3KLNFMYYVN2JISNWHWBTZPANG1QGBPK1QNV35KXRP5I">[*]
Vgl. Anm. 3 zu Kap. 69.</a>
Wer nicht kann bei der Wahrheit stehn,
Der muß den Weg der Torheit gehn.
Tät Jonas
<a href="#IDGAKSYNJ5GGQHMGBCPVJOPIQMFBIH2RKRT3GKPQNAODEDLOHTKZEM">[*]
Jonas 1, 3 ff.: der Prophet wollte sich durch seine Flucht über See dem Auftrag Gottes entziehen, den Niniviten zu predigen.</a> zeitig Wahrheit kund,
Verschluckt' ihn nicht des Fisches Schlund;
Die Wahrheit hoch Elias pries
Und fuhr darum ins Paradies;
<a href="#IDDETF5PMKSHKJIKGVI14U4LVIPOPMS0DSF1XEFSL1QYTXIPDC0P4P">[*]
Vgl. 2. Könige 2</a>
Johannes floh der Narren Haufen,
Drum ließ sich Christus von ihm taufen.
Wer einen tadelt mit sanftem Sinn
Und dieser nimmts nicht gleich gut hin,
So wird doch wohl die Stunde kommen,
<a name="page394" title="quantenspringer/wedi" id="page394"></a> Wo dieser merkt, es sollt ihm frommen,
Und größern Dank für Scheltwort sagt
Als für Geschwätz, das ihm behagt.
Daniel Geschenk nicht nehmen wollte,
Als er Belsazar sagen sollte
Und ihm die Wahrheit legen aus;
Er sprach: »Dein Geld bleib deinem Haus!«
<a href="#IDHLMIG0SLBD0KITXGCNBCCRZAZLGWMOH0GXEOCPO210X4SAAYZ3SO">[*]
Daniel 5, 17.</a>
Der Engel hinderte Bileam
Darum, weil er die Gaben nahm
Und wollte nicht die Wahrheit ehren;
Drum mußte sich sein Wort verkehren,
<a href="#IDKMGRARCPQAQPECZXHIKRG2ESOIEDBR0DOGL1WFMHMFQSYOKRRUVC">[*]
Fluch in Segen; vgl. 4. Mose 22, 7 u. 21 ff.</a>
Der Esel strafen den, der ritt.
Zwei Dinge kann man bergen nit,
Und ewig schauet man das Dritt':
Eine Stadt gebauet auf der Höhe,
Einen Narren, er stehe, sitze, gehe,
Kennt man nach Wesen und Bescheid;
<a href="#IDUFZOUMSXECJNNGCIFUZRXBVTVH2D4SQFK3XI2YOKJ5ZGLPONPDY">[*]
Beschaffenheit, Bestimmung.</a>
Wahrheit sieht man in Ewigkeit,
Die wird fürwahr nie wertlos sein,
<a href="#IDFMJRXGQO12E2HJNQKA3D5TG5KER2K4QDVRTMEVKLYCBEK25YIYVE">[*]
würt sich nyemer me verlygen, d. h. durch Liegen (Untätigkeit oder Nichtgebrauch) wertlos werden; ursprünglich ein Begriff der mittelalterlichen Ritterethik.</a>
Und wenn sich Narren den Hals abschrein.
Wahrheit ehrt man durch alle Lande;
Der Narren Freud ist Spott und Schande.
Man rannte mich gar oftmals an,
Als ich dies Schiff zu baun begann,
Ich sollt es doch ein wenig färben
<a href="#IDRNRWVZVYBDLCOUIJK3APDLTVUON1SRV3BP3OAHO1WART0VSIWKUG">[*]
Ausschmücken, beschönigen.</a>
Und nicht mit Eichenrinde gerben,
Sondern mit
Lindensaft auch schmieren,
Etliche Dinge drin glossieren;
<a href="#ID0DEL14CZJNP4FZSIP0KEMFWLWPK5SRRXC2RSHYNUGK13ISTSXPBE">[*]
Durch Zusätze mildern.</a>
<a name="page395" title="wedi/quantenspringer" id="page395"></a> Aber ich ließ' sie alle erfrieren,
Eh ich anderes schrieb' als Wahrheit.
Wahrheit, die bleibt in Ewigkeit
Und wird stets jedem sichtbar bleiben,
Tät ich auch nicht dies Büchlein schreiben.
Wahrheit ist stärker als alle, die
Mich wollen verleumden oder sie.
Wenn ich mich hätte daran gekehrt,
So hätt
ich die Zahl der Narren vermehrt,
Mit denen mein Schiff jetzt stattlich fährt.
<a href="#IDRSUWRJJRW0IUOBXGYNC4LMFEUEMPWOWBRQBB4IE5NPP5AH5FVTSP">[*]
Im Original:
Ich muost byn grössten narren stan / Die ich jnn allen schiffen han.</a><a name="page396" title="quantenspringer/wedi" id="page396"></a>
Die jnn abkeren understan, d.h. abwendig zu machen versuchen.</a><a name="page397" title="wedi/quantenspringer" id="page397"></a>
Wer will der Wahrheit Beistand leisten,
Der hat Verfolger wohl am meisten,
Die ihm zu wehren sich erdreisten. <a href="#ID2DTKXCCV1JUOD34LGAUFCHUSSK13EFH2GCP4FHDDQF5YACNSZ2TN">[*]
Verhinderung des Guten
Der ist ein Narr durch all sein Blut,
Wer hindert, daß ein andrer tut
Das Gute, und sich untersteht
Zu wehren, was ihn nicht angeht,
Und gern sieht, daß ein andrer sei
Ihm gleich und auch im Narrenbrei.
Denn Narren alle Zeit
die hassen,
Die sich mit
guten Dingen befassen.
Ein Tor den andern nicht gern sieht;
Jedoch dem rechten Toren geschieht,
Daß er sich freut, wenn er nimmt wahr,
Daß er nicht sei allein ein Narr;
Darum er allzeit sich befleißt,
Daß jedermann ein Narr auch heißt;
Er sinnt, um nicht der Narr allein
Mit Kolben und mit Kapp zu sein.
Sieht er nun einen, der da will
Recht tun und sein in Weisheit still,
So spricht er: »Schau den Duckelmäuser!
Er will allein sein ein Kartäuser
<a href="#IDJLIYNTBIRBZJKQNJL1ACZEH13MSTTNQ3NRBS3ZC5RHAI10C4EZBD">[*]
Ein Mönchsorden mit besonders strengen Regeln; u.a. war Schweigen außerhalb des Gottesdienstes geboten.</a>
Und treibt solch heuchlerischen Rat,
<a href="#IDKL2JSJMQVDOPNYZAK0GYSMUX3FTXFGP3BKBQPLIG0O4MHAS2DNQO">[*]
apostützer stodt, d.h. Stand, Wesen eines Heuchlers (ital.
aposticcio).</a>
Weil er an Gott verzweifelt hat!
Wir wollen ja doch auch erwerben,
Daß Gott uns läßt in Gnaden sterben,
Wie er, obgleich er Tag und Nacht
Liegt auf den Knien, betet und wacht;
Er will nur fasten und Zellen bauen,
<a name="page398" title="wedi/quantenspringer" id="page398"></a> Wagt weder Gott noch der Welt zu trauen!
Gott hat uns darum nicht geschaffen,
Daß wir Mönche werden oder Pfaffen,
Und zumal, daß wir uns sollten entschlagen
Der Welt! Wir wollen nicht Kutte tragen
Noch Kappe!
<a href="#IDP5IJ2EA5POCGBDYN03240255FJSSMJWS305FATL1TLWLCQWFQAXM">[*]
Hier: Kapuze.</a> – sie habe denn Schellen auch!
Schaut an den Narren und den Gauch!
Er hätte noch in der Welt getan
Viel Gutes und größern Lohn empfahn
Als jetzo, hätt er sich belehrt
Und zu dem Wege des Heils bekehrt,
Als daß er da liegt wie ein Schwein
Und mästet sich in der Zelle sein,
Versagt sich auch noch sonst gar viel
Und hat nicht Freude an Scherz und Spiel.
Sollte, wie
er tut, jedermann
Ziehn in der Kartause die Kutte an,
Wer wollte die Welt denn weiter mehren?
Die Leute weisen und belehren?
Es ist Gottes Wille und Meinung nicht,
Daß man der Welt so tue Verzicht
Und auf sich selbst allein hab acht!«
So reden die Narren Tag und Nacht,
Denen die Welt ist all ihr Teil,
Drum suchen sie nicht der Seele Heil.
Hör zu! Wärst du auch weis und klug,
Es wären dennoch Narren genug;
Wenn du auch hättest Mönchsgewand,
Es gäbe der Narren mehr im Land.
Doch wäre dir ein jeder gleich,
<a name="page399" title="wedi/quantenspringer" id="page399"></a> So wäre kein Mensch im Himmelreich;
Wenn du auch wärst ein kluger Geselle,
So führen dennoch genug zur Hölle.
Wenn ich
zwei Seelen hätt in mir,
Setzt' eine ich wohl den Narren für,
Aber so hab ich eine allein
Und muß in Sorgen um diese sein:
Gott hat mit Belial
<a href="#ID2IMF3XW4PSA0GW5MCXJ4LXPIMJWRIK4AVB51K2B0JHPCOYJTUMHH">[*]
Vgl. 2. Korinther 6, 15.</a> nichts gemein!
<a name="page400" title="wedi/quantenspringer" id="page400"></a>
<a name="page401" title="wedi/quantenspringer" id="page401"></a>
Wem es an Öl hier nicht gebricht,
Wer leuchten läßt der Ampel Licht, <a href="#ID5ZM3T3QNEJ35JAR2OYKKRPAN0DZYCDRSJM3BS3DNQLZXURXYC2LB">[*] Vgl. Matthäus 25, 1–13 (Gleichnis von den törichten und klugen Jungfrauen).</a>
Dem fehlt die ewige Freude nicht.
Versäumnis guter Werke
Der ist ein Narr, der zu der Zeit,
Wenn Gottes Urteil ist bereit,
Urteilen muß mit eignem Mund,
Daß er verborgen hab sein Pfund,
Das ihm empfohlen Gott der Herr,
Damit er sollt gewinnen mehr.
Dem wird dasselbe genommen sein,
Und
er geworfen in die Pein.
<a href="#IDSCKE4WQQBKGKITVOHAQTFSGEPPWGRVZ0B4VKL2BYWZRP0GXZW4VE">[*]
Vgl. Matthäus 25, 14–30.</a>
Desgleichen deren Ampel ist
Entleert, daß ihr das Öl gebrist,
Und die erst suchen ander Öl,
Wenn schon ausfahren will die Seel!
Vier kleine Dinge sind auf Erden,
<a href="#IDTRR0V2G5XU0GBULJ30MGWTK13D1TGVZ2UATDLJN3QLWHBTX0RPPO">[*]
Sprüche Salomonis 30, 24–28.</a>
Sind weiser doch als Menschen werden:
Die Ameis, die ihre Kraft nicht schont,
Das Häschen, das im Felsen wohnt;
Die Heuschreck, die keinen König wählt
Und zieht in Einheit doch ins Feld;
Die Eidechs geht auf Händen aus
Und wohnt doch in der Könige Haus.
Wer Honig find't und volle Waben,
Eß nur so viel, als ihn tut laben,
Und hüte sich zu fülln mit Süße,
Daß ers nicht wieder speien müsse.
<a href="#IDP4GEGRKJZTR4HBH1FX1E1IRJYM1XSJCO4RMQOELI4GEEZUGAK1XB">[*]
Sprüche Sal. 25, 16.</a>
Wenn auch ein Weiser jählings stirbt,
Die Seel ihm nimmermehr verdirbt,
<a href="#IDSOHJE4GZH250FITCWSEHI4ZALSBCVYMLY3MQYHGN50JTWGIT5EH">[*]
Weisheit Sal. 4, 7.</a>
Aber wer töricht und unklug denkt,
<a name="page402" title="wedi/quantenspringer" id="page402"></a> Verdirbt und wird dann eingesenkt
Und wohnt für ewig in dem Grabe.
Dem Fremden läßt er Seel und Habe.
<a href="#ID5SZU5IQBPS3TOEG1QX1GJVQ3NCZOWW3O5UX2LEBOUCKMMILFDABC">[*]
Vgl. Psalm 49, 11. 12.</a>
Ein größrer Tor ward nie gemacht,
Als wer der Zukunft nicht hat acht
Und ewig schätzt zeitliches Gut.
Es brennt manch Baum in Höllenglut,
Der nicht wollt tragen Früchte gut.
<a href="#IDE2U4AEJXK5PCOLGZWGE0GQUPSJRMMRCMZCKXMRPSD1OTVQEDTERG">[*]
Vgl. Matthäus 7, 19.</a><a name="page403" title="grnt/quantenspringer" id="page403"></a>
<a name="page404" title="ami/quantenspringer" id="page404"></a>
Zur rechten Hand sieht man die Krone,
Zur linken Hand die Kappe stehn;
Den letztern Weg die Narren gehn
Und kommen so zu schlimmem Lohne.
Vom Lohn der Weisheit
Nach Wissenschaft strebt mancher Tor,
Wie er bald Meister
<a href="#ID1BJ4Q1WIXELPGSA5SDZP4XDTMUZOKMF4JFNQWDSZCY10UVI13TM">[*]
Magister der sieben freien Künste (lat.
septem artes liberales); daher
kunst immer = Wissenschaft.</a> werd, Doktor,
Und ihn die Welt halt' für ein Licht,
Und kann doch das betrachten nicht,
Wie er die rechte Kunst erfährt,
Mit der er hin zum Himmel kehrt,
Und daß die Weisheit dieser Welt
Wie Torheit wird vor Gott gezählt.
<a href="#IDN52YVUX423Y0KSQACHAV4ZAMPGRV0NVY1TCHKGI4SGG4TK3BRPDK">[*]
Und das all wißheyt diser welt / Ist gegen got eyn dorheyt gzelt; vgl. 1. Korinther 3, 19.</a>
Viel scheinen auf dem rechten Wege
Und irren sich doch an dem Stege,
Der zu dem wahren Leben führt.
Wohl dem, der auf dem Weg nicht irrt,
Wenn er ihn schon gefunden hat,
Denn oft geht ab ein Nebenpfad,
Daß einer bald kommt von der Straße,
Es sei denn, daß ihn Gott nicht lasse.
Der Jüngling Herkules bedachte,
Welchen Weg er für den rechten achte,
Ob er der
Freude nach wollt gehn
Oder allein nach
Tugend stehn?
In solchem Sinnen kamen zu ihm
Zwei Frauen, die er ohne Stimm
<a href="#IDSUKXFSY3SWEXF5WCWJ4RDCB0WG051F5NRZQUMWP0ZULDKB3DUIFE">[*]
Ohne daß sie ein Wort gesagt hätten.</a>
Erkannte an ihrem Wesen wohl:
Die eine war aller Freuden voll
Und schön geziert; mit Reden süß
Nur Freud und Lust sie ihm verhieß,
Deren End jedoch der Tod mit Weh,
<a name="page405" title="quantenspringer/wedi" id="page405"></a> Darnach nicht Lust noch Freude je.
Die andre bleich und ernst und strenge
War ohne Freude und Gepränge.
Sie sprach: »Nicht Wollust ich verheiße,
Nicht Ruh; nur Müh in deinem Schweiße!
Von Tugend schreit' zur Tugend fort,
Dann wird der ewige Lohn dir dort!«
Und dieser folgte Herkules froh;
Ruh, Wollust, Freud er allzeit floh.
<a href="#ID4HDU2DE2T00GLSH4R1HZVFKN5C3NKPVA4Z2YAZJSWCYJ2GIJH2TP">[*]
Vgl. Xenophon, Memorabilien II, 1, 21 ff. Brants Erzählung geht allerdings auf eine spätere Bearbeitung durch den Kirchenvater Basilius zurück, die in einer lat. Übersetzung des 15. Jh. von L. Aretino verbreitet war (
De legendis libris gentilium, cap. 4). Die Parabel von Herkules am Scheidewege war dem mittelalterlichen Bewußtsein völlig entfremdet, sie tauchte erst im Humanismus als beliebtes Thema auch dramatischer Bearbeitungen wieder auf. Brant selbst ließ 1512 in Straßburg ein solches Herkules-Drama aufführen.</a>
Wollt Gott, da wir begehren alle
Zu leben, wie es uns gefalle,
Daß wir begehrten auch zugleich
Zu haben ein Leben tugendreich.
Wahrlich, wir flöhen manchen Steg,
Der uns führt auf den Narren weg!
Dieweil wir aber alle nicht wollen
Bedenken, wohin wir wenden uns sollen,
Und leben blinzelnd in der Nacht,
Haben wir des rechten Weges nicht acht,
Daß wir gar oft selbst wissen nit,
Wo uns hinführen unsre Tritt'.
Daraus entspringt dann jeden Tag,
Daß unser Plan uns reuen mag.
Erreicht man ihn, nicht ohn Beschwer,
Wünscht andres man nur um so mehr.
Das kommt allein daher, daß wir
<a name="page406" title="quantenspringer/wedi" id="page406"></a> Voll sind der angebornen Gier,
Wie uns das höchste Gut auf Erden
Unfehlbar möcht und endlich werden.
Dieweil das aber nicht kann sein
Und wir hier irren im finstern Schein,
Hat Gott gegeben uns das Licht
Der Weisheit, unserm Angesicht
Zu leuchten, Finsternis zu enden,
Wenn wir uns recht zu ihr hinwenden;
Sie zeigt uns bald, wie ganz verschieden
Von Weisheit Torenweg hienieden.
Der Weisheit stellte Plato nach,
Pythagoras, der Hohes sprach,
Und Sokrates – all die durch Lehre
Erworben ewig Ruhm und Ehre,
Und konnten sie doch nie ergründen:
Sie wollten sie
auf Erden finden
<a href="#IDYVGQE55DP2L5CKKGRJ4SW2NCNMLFUTAMJJ2B4AGD35SIZWJKTDSE">[*]
Im Original:
Und kunden doch ergründen nie / Die rechte wißheyt funden hie.</a>
Drum spricht von ihnen Gott der Herr:
<a href="#IDTDGI5BSAZ5NTNBHI0P5DFAKQ3CZRLS5GIBZJ0THA5F4TQQ03N33M">[*]
Vgl. 1. Korinther 1, 19 und Matthäus 11, 25 (wohl eine freie Kombination der beiden Bibelstellen).</a>
»Ich will verwerfen Kunst und Lehr
Und Weisheit derer, die weis wollen sein,
Will lehren sie kleinen Kindelein!«
Das sind all die, die der Weisheit Gaben
Im Vaterland droben erworben haben;
Die solche Weisheit wurden gelehrt,
Die werden in Ewigkeit geehrt
Und scheinen wie das Firmament;
Wer da Gerechtigkeit erkennt
Und unterweist darinnen
sich
Und
andre mehr, den gleiche ich
<a name="page407" title="wedi/quantenspringer" id="page407"></a> Dem Luzifer
<a href="#IDBSV3OQJEGZYFEAGFDXZHYYDGMEZJ0IOZ4PKBY2LTOZRM4PTGOP0E">[*]
Dem Morgenstern.</a> vom Orient,
Dem Hesperus
<a href="#IDHYONJ2FVRM2OIC2DUGXMMA4DKBZSUE00I5KRUEFOS2K4FJQ2BVYC">[*]
Dem Abendstern.</a> gen Okzident.
Bion
<a href="#IDI4E52UKKKFZ5BKKFIZ2U2XDJRHRWHS3IEFF5SVMKTG0XMZTFRPBJ">[*]
Einer der sieben Weisen Griechenlands; nach Plutarch,
De educatione 10, 3.</a> der Meister uns erzählt,
Wie zu den
Mägden sich gesellt,
Die um Penelope lang Zeit
Doch mit vergebner Müh gefreit;
So tun auch, die nicht können ganz
Begreifen
rechter Weisheit Glanz,
Die kommen durch der
Tugend Zier,
Die jener Magd ist, nah zu ihr.
Die Weltlust nimmt ein traurig Ende;
Ein jeder schau, wo er anlände.
<a name="page408" title="fibo235/quantenspringer" id="page408"></a>
<a name="page409" title="wedi/quantenspringer" id="page409"></a>
Gesellen, folgt uns unverwandt!
Wir fahren ins Schlaraffenland <a href="#ID4UJXQPIYCJL5WWLEITSHUBMOK434UHY5MH4HMMDHB3HSC0HRZUD">[*] schluraffen landt, vgl. Anm. 14 zu Kap. 103. Die Sage vom Schlaraffenland läßt sich bis in die Spätantike zurückverfolgen (Lukian); ihre weitere Ausbildung erhält sie in Frankreich im 14. Jh. Das Wort schluderaffe, schluraffe ist im 15. Jh. schon in den Fastnachtsspielen üblich, damit verbindet sich dann die Vorstellung des märchenhaften Wunschlandes für alle Faulpelze und Schlemmer, das Brant hier mit Narragonien gleichsetzt.</a>
Und stecken doch in Schlamm und Sand.
Das Schlaraffenschiff
Glaub nicht,
wir seien Narrn allein:
Wir haben Brüder groß und klein;
In allen Landen, überall,
Ist endlos unsre Narrenzahl;
Wir fahren um durch jedes Land
Von Narrbon ins Schlaraffenland;
Wir wollen ziehn gen Montflascun
<a href="#IDKGOV2OUHPJFEDXLKNVCAM4ZMQKZLXGIKNFEU2WGMMM23SYAMRRLB">[*]
Montefiascone, ital. Stadt zwischen Siena und Rom, bekannt für seinen guten Wein; hier mit Anklang an »Flasche«, wie Narbonne an »Narr«.</a>
Und in das Land gen Narragun.
Wir suchen nach Häfen und Gestaden
Und fahren um mit großem Schaden
Und können doch nicht treffen an
Das Ufer, wo man landen kann;
All unser Fahren ist ohn Ende,
Denn keiner weiß, wo er anlände;
So fehlt uns Ruhe Tag und Nacht,
Doch keiner hat auf Weisheit acht.
Wir haben auch noch viel Kumpanen,
Trabanten und auch Kurtisanen,
<a href="#IDVIYCFILYAJDYGK213MHF0J3TGH23LYT141KPYRBOEMK0LIRBVP5">[*]
Höflinge.</a>
Die unserm Hof stets nachgeschwommen
Und auch zuletzt ins Schiff noch kommen
Und mit uns fahren auf Gewinn.
Ohn Sorg, Vernunft, Weisheit und Sinn
Ist doch voll Sorge unsre Fahrt,
<a name="page410" title="quantenspringer/wedi" id="page410"></a> Denn wer hätt Sorgfalt wohl verwandt
Auf Tabelmarin
<a href="#IDGFEWOO0NKM3WCIDFUNWLGT2MFH1T4C0KYZDK3NNW23JXVCXRQ0CD">[*]
Seekarten.</a> und Kompaßstand
Oder das Stundenglas umgewandt?
Wer möchte nach den Sternen sehen,
Wohin Bootes, Ursa gehen,
Arkturus oder die Hyaden?
<a href="#IDJUZMKXGRRM4VBMX0S2C5BNTPOIAIKNM3KA1PYLDNRDEGSA1ILX1E">[*]
Namen von Sternbildern.</a>
Drum treffen wir die Symplejaden,
<a href="#IDAWG2IWAHYNC0BRX3DYZ0JM1TWCBI5SDYO11NFLLBSJ1TCU0EXDZD">[*]
Nach der antiken Sage zwei bewegliche Felsen, welche die hindurchfahrenden Schiffe zerdrückten; vgl. Odyssee XII, 61 ff. und Ovids Met. XV, 337 f.</a>
Wo Felsen geben unserm Schiff
Von beiden Seiten Stöß' und Püff'
Und es so ganz zusammendrücken,
Daß wenigen kann Rettung glücken.
Durch Malfortunam
<a href="#IDQE1CT2Z0RHTQI1LRHQQ1HOZBYKWIC4FIUULFQPOU52H5SDQVFND">[*]
Bildlich für allerlei Unglück.</a> wir uns wagen
Und werden kaum zu Land getragen,
Da uns Charybdis, Scylla, Syrte
<a href="#IDEQEGBRPZYKKNNS4OAYCO0XU5FN2CRZTS2QTKR4PMZNMIFY4XGNWJ">[*]
Nach der antiken Sage gefährliche Meeresengen und Strudel; vgl. Odyssee XII, 201 ff. und Vergils Aeneis IV, 41.</a>
Ganz aus der rechten Straße führte.
Drum nimmt es wunder nicht, wenn wir
Im Meere sehn manch Wundertier,
Wie die Delphine und Sirenen,
<a href="#IDGPEVSLLNRBO2FUOPWSK0JUBK3JDUKT2WTF5M04OW5VXTHQWLEOYN">[*]
Wenn Brant hier die Schlaraffenfahrt mit den Irrfahrten des Odysseus in Verbindung bringt, so stammt seine Kenntnis nur z. T. aus Homer, z. T. scheint sie aus verschiedenen Büchern zusammengetragen zu sein und geht vielleicht auf eine Quelle zurück, die diese Zusammenstellung und Ausschmückung schon enthielt.</a>
Die singen süße Kantilenen,
Die uns so fest in Schlaf versenken,
Daß an die Landung wir nicht denken.
Wir sehen – ob es auch nicht tauge –
Den Zyklops mit dem runden Auge,
<a name="page411" title="wedi/quantenspringer" id="page411"></a> Das ihm Ulyß einst ausgebrannt,
<a href="#ID3DMGCHJBTMCHL1OIULLQ3CIAAKKYXCTPIJKUADFSQKHFM4TPJTPK">[*]
Vgl. Odyssee IX, 193 ff.</a>
Der Schlaue, daß der ihn nicht fand
Und andern Schaden nicht erwies,
Als daß er ein Gebrüll ausstieß
Gleichwie ein Ochs, den man erschlagen.
Der Weise ließ still fort sich tragen
Und ließ ihn schreien, greinen, weinen,
Auch als er warf mit großen Steinen.
Dies Auge wächst ihm wieder sehr;
Sobald er sieht der Narren Heer,
Sperrt er es auf so hoch und breit:
Es wird wie sein Gesicht so weit;
Sein Maul spaziert zu beiden Ohren,
Damit verschluckt er manchen Toren.
Die andern, die ihm noch entweichen,
Wird bald Antiphates
<a href="#IDYWYBEN40TN2VM2T4ONVAYSABPPBKWRSSYIT3FYM03LFL54IU5EUB">[*]
König der menschenfressenden Lästrygonen; vgl. Odyssee X, 80 ff.</a> erreichen
Mit seinem Volk der Lästrygonen,
Die sicher keinen Narren schonen,
Denn ihre liebste Speise ist
Der Narren Fleisch zu jeder Frist,
Sie trinken Narrenblut für Wein.
Dort wird der Narren Herberg sein!
Homerus hat all dies erdacht,
Damit man gab auf Weisheit acht
Und sich nicht wagte leicht aufs Meer.
Hiermit lobt er Ulysses sehr,
Der manchen klugen Ratschlag gab,
Als man im Krieg vor Troja lag,
Und darauf zehen Jahre lang
Mit Glück durch alle Meere drang.
<a name="page412" title="wedi/quantenspringer" id="page412"></a> Als Circe mit des Tranks Gewalt
Den Genossen gab die Tiergestalt,
Da war Ulysses also weise,
Daß er nicht annahm Trank noch Speise,
Bis er die Falsche überböste
Und die Gesellen all erlöste
Mit einem Kraut, Moly genannt.
<a href="#IDGAFUKXDHYLQKD0SFR3GT0TWJ3ECA5MT1EXQNUDENCWYIDXBG0SZD">[*]
Vgl. Odyssee X, 305.</a>
So half der Weise sich gewandt
Aus mancher Not in manchem Land,
Doch weil er wollte immer fahren,
Konnt er sich dauernd nicht bewahren:
Ihm kam zuletzt ein Widerwind,
Der ihm sein Schiff zerbrach geschwind,
Daß die Gefährten all ertranken.
Schiff, Ruder, Segel ganz versanken.
Doch Weisheit ihm zu Hilfe kam,
So daß er nackt ans Ufer schwamm
Und viel von Unglück konnte sagen.
Doch ward er von dem Sohn erschlagen,
<a href="#ID3ZISHC1H0OM5HZYI0JI4EXASLM0TP4TOQALGAIBQ40JBJAPTMXHG">[*]
Brant vermischt hier die spätere Sage, nach welcher Odysseus von seinem mit Circe erzeugten Sohn Telegonus getötet wurde; mit dem Bericht Homers.</a>
Als er geklopft ans eigne Tor,
Da half ihm Weisheit nicht davor.
Er ward als Herr niemandem kund
Im ganzen Hof, als nur dem Hund,
Und starb darum, weil man nicht wollte
Ihn kennen, wie man billig sollte.
Doch komm ich auf
unsre Fahrt zurück:
Wir suchen in tiefem Schlamm das Glück,
Drum wird uns Strandung bald zuteil,
Es bricht uns Mastbaum, Segel, Seil;
<a name="page413" title="wedi/quantenspringer" id="page413"></a> Wir können nicht im Meere schwimmen,
Die Wellen sind schlecht zu erklimmen,
Wenn einer wähnt, er sitze hoch,
So stoßen sie ihn zu Boden doch.
Der Wind, der treibt sie auf und nieder:
Das Narrenschiff kommt nimmer wieder,
Wenn es erst ganz versunken ist.
Wir haben weder Sinn noch List,
Um fortzuschwimmen zu Gestaden,
Wie einst Ulyß nach seinem Schaden,
Der brachte nackt mehr mit hinaus
Als er verlor und fand zu Haus.
Wir fahren auf Sandbank und Riff,
<a href="#ID2D50MMDDDVV3L4UVZPPGBDRDEM3Q52NLWJY5VOBCFHJ3OXLZTECD">[*]
uff unfalles schlyff, d.h. auf der schlüpfrigen Oberfläche des Unglücks, auf die Gefahr hin, auszugleiten und ins Verderben zu geraten.</a>
Die Wellen schlagen übers Schiff
Und nehmen uns Galeoten
<a href="#IDTSAMBFLF52WRNL5AGMHC3XDFIGBPTSSAK1SWAQDSCWNNDDKASDSP">[*]
Die Boote des Schiffs, franz.
la galiote.</a> viel,
Bald sind die Schiffsleut auch ihr Ziel,
Um die Patrone
<a href="#IDWAPIQWTTP5LYP1OVV0MFWAYQUH2GP2AW1TVG55O5IKXDQ2ZU0JYO">[*]
Die Schiffsherren.</a> ists geschehn.
Man kann das Schiff arg schwanken sehn;
Ein Wirbel wird es leicht bezwingen
Und Schiff und Mannschaft jäh verschlingen.
Wir sind all guten Rates bar,
Uns droht des Untergangs Gefahr,
Der Wind uns mit Gewalt hintreibt.
Ein weiser Mann zu Hause bleibt
Und nimmt an uns sich gute Lehr,
Wagt leichtsinnig sich nicht aufs Meer,
Er könne denn mit Winden streiten,
Wie Ulysses tat zu seinen Zeiten,
<a name="page414" title="wedi/quantenspringer" id="page414"></a> Und, will das Schiff auch untergehn,
Ans Land zu schwimmen doch verstehn.
Dieweil ertrinken Narren viel,
Sei der Weisheit Ufer unser Ziel,
<a href="#IDH4EP5JJFINHLDFN44UQQNYZIRJY5D2QDQMPFIMDT4T5YKWDAD0HL">[*]
Im Original:
Zuom stad der wißheyt yeder yl (eile).</a>
Jeder nehm das Ruder in die Hände,
Damit er wisse, wo er lände;
Wer klug ist, kommt ans Land mit Fug:
Es gibt doch ohndies Narrn genug!
Der Klügste ist, wer selber wohl
Weiß, was man tun und lassen soll,
Den man nicht braucht zu unterweisen,
Der Weisheit tut von selber preisen;
Der ist auch klug, wer andre hört,
Wenn man ihn Zucht und Weisheit lehrt;
Wer aber davon allzumal
Nichts weiß, gehört zur Narrenzahl.
Ward er nicht in dies Schiff genommen,
So wird gar bald ein andres kommen,
Wo er Gesellschaft viel trifft an
Und
Gaudeamus singen kann
Oder das
Lied im Narrenton.
<a href="#IDWRKTGWVWUJGTCOT2XHZPVZFGHPFKPLTAQKSGWJMGN05YX0VH5GZF">[*]
Nach der Narren Melodie; vgl. Kap. 72, V. 48 ff.</a>
Viel Brüder müssen noch draußen stehn,
Auch
das Schiff wird zu Grunde gehn.
<a name="page415" title="wedi/quantenspringer" id="page415"></a>
<a name="page416" title="mbechtel/quantenspringer" id="page416"></a>
Der ist ein Narr, der nicht versteht,
Wenn Unheil ihm zu Handen geht,
Daß er sich weislich schicke drein:
Unglück will nicht mißachtet sein.
Mißachtung des Unheils
Manchem ist nicht bei Unglück wohl,
Der doch stets darnach sucht wie toll,
Drum soll er es nicht haben Wunder,
Wenn ihm das Schiff zuletzt geht unter:
Denn ist das Unglück noch so klein,
So kommt es selten doch allein,
Weil nach der Alten Spruch und Sage
Unglück und Haar wächst alle Tage.
Darum den Anfang man abwende,
Man weiß nicht, wohin neigt das Ende.
Wer auf das Meer sich wagen tut,
Der braucht wohl Glück und Wetter gut;
Denn hinter sich fährt der geschwind,
Wer schiffen will mit Widerwind;
Ein Weiser mit Fahrwind segeln lehrt,
Ein Narr gar bald sein Schiff umkehrt.
Der Weise hält in seiner Hand
Das Ruder und fährt leicht zu Land;
Ein Narr versteht sich nicht aufs Lenken,
Drum wird er leicht das Schiff versenken.
<a href="#IDLW4WBXNF0DABF4WWNOTOEAANGKR43XRLJIME5WJLTGDSLVLXSXYO">[*]
Im Original:
Eyn narr verstat sich nit uff fuor / Dar umb er offt nymbt eyn grunt ruor.</a>
Ein Weiser sich und andre führt,
Ein Narr verdirbt, eh er es spürt.
Hätt nicht gefügt in weise Lehre
Sich Alexander auf hohem Meere,
Das ihm sein Schiff warf auf die Seit',
Und sich gerichtet nach der Zeit:
Er würd im Meer ertrunken sein
Und nicht gestorben an Gift im Wein.
<a name="page417" title="wedi/quantenspringer" id="page417"></a> Pompejus hatte Ruhm und Ehre,
Als er gereiniget die Meere
Und die Seeräuber all vertrieben,
Und ist doch in Ägypten blieben.
Wer Weisheit sowie Tugend fand,
Der schwimmet nackend wohl
<a href="#ID4ZML0IGOB5TRPY0L1EE3K4VHNIPTZIOC4ZTENXKFUBWOVFC1AF4I">[*]
D.h. reich und wohlbehalten.</a> zum Land:
So spricht Sebastianus Brant.
<a href="#IDYVMRPCMZJAV3N3D3HGL2TVOCYNOM2LRVZFKPDFHCSG2HWSEINOOC">[*]
Die Nennung des Namens deutet darauf hin, daß in der Originalausgabe von 1494 mit diesem Abschnitt ursprünglich die Schilderung der Narren abgeschlossen werden sollte. Das folgende Kap. sowie Kap. 111 und 112 handeln vom Dichter und vom Weisen, bilden also eine Art Epilog.</a><a name="page418" title="wedi/quantenspringer" id="page418"></a>
<a name="page419" title="wedi/quantenspringer" id="page419"></a>
Ein Narr beklatscht wohl jedermann
Und hängt der Katz die Schelle an,
Und nimmt sich dessen doch nicht an.
Verleumdung des Guten
Gar manchem war es Herzenslabe,
Daß ich viel Narrn gesammelt habe;
Er nimmt daraus sich gute Lehre,
Wie er sich von der Narrheit kehre.
Dagegen ist es manchem Leid,
Der meint, ich sagte
ihm Bescheid,
Und wagt doch laut zu reden nicht,
Drum schilt er nur auf das Gedicht
Und hängt der Katze an die Schellen,
Die
ihm an beiden Ohren gellen.
Ein räudig Roß hält nicht lang still,
Wenn man es sauber striegeln will;
Wirft unter Hunde man ein Bein,
Schreit der Getroffene allein.
Ich bin mir dessen wohl bewußt,
Daß Narren schelten mich mit Lust
Und meinen, es ständ mir nicht zu,
Daß ich die Narrn nicht laß in Ruh
Und manchem zeige, was ihn plagt.
Ein jeder spricht, was ihm behagt,
Und klaget, wo ihn drückt der Schuh.
Sagt dir dies Narrenbuch nicht zu,
So laß es doch nur ruhig laufen,
Ich bitte keinen, es zu kaufen,
Er wolle denn klug werden draus
Und ziehen selbst die Kappe aus,
An der ich lang gezogen hab
Und zog sie ihm doch nicht ganz ab.
Wer tadelt, was er nicht versteht,
Der kauf dies Buch, eh es zu spät,
<a name="page420" title="wedi/quantenspringer" id="page420"></a> Da doch zu dem, was er verstand,
Noch jeder Lieb und Neigung fand.
Der ist ein Narr, wer sein will klug
Und tut der Wahrheit Widerspruch.
<a href="#IDNHNOCW1YXRBB4BLMUMNTTRADKHN1EESBX5R3ECWZRAR32TXJSFO">[*]
Im Original:
Wer worheit wider sprechen gtar / Und wis will syn / der ist eyn narr.</a><a name="page421" title="wedi/quantenspringer" id="page421"></a>
Die Stücke 110 a und b sind Zusätze der zweiten Auflage (Basel 1495).</a><a name="page422" title="wedi/quantenspringer" id="page422"></a>
Bei Tisch begeht man Grobheit viel,
Die zähl man auch zum Narrenspiel,
Von der zuletzt ich sprechen will. <a href="#ID1RNCTLGPRJQOJGE4F5JGWZPQOBPYDFAXE1EWPHPRFZZ1UCYQZLSD">[*]
Von schlechten Sitten bei Tische
Wenn ich die Narrheit ganz durchsuche,
Setz billig ich zuletzt im Buche
Etliche, die für Narrn man acht't,
An die zuvor ich nicht gedacht.
Denn ob sie schon viel Mißbrauch treiben
Und feiner Hofzucht treu nicht bleiben,
Auch grob und ungezogen sind,
So sind sie doch nicht also blind,
Daß sie die Ehrbarkeit verletzten,
Wie die, die wir zuvor hinsetzten;
Sie haben auch nicht Gott vergessen,
Sondern beim Trinken und beim Essen
Sind sie so grob und unerfahrn,
Daß man sie heißt bäurische Narrn.
<a href="#IDD50XANHTTT22FKEJXVFLXG3XZIG0GSBUSIP2KLNCDSCRFNEFUMMD">[*]
unhoflich narren, d.h. unhöfisch (impliziert den Gegensatz bäurisch).</a>
Sie waschen ihre Hände nicht,
Wenn man die Mahlzeit zugericht't,
Oder wenn sie sich zu Tische setzen,
Sie andre in dem Platz verletzen,
<a href="#IDLNBXUTW2VDGPL3CN0RJ5GP5NXGZXKTNRDL0UHQHHJBX24JHDMVLJ">[*]
an dem sytzen letzen, d.h. um ihren Platz bringen.</a>
Die
vor ihnen sollten sein gesessen;
Vernunft und Hofzucht sie vergessen,
Daß man muß rufen: »Heda, munter,
Mein guter Freund, rück weiter runter!
Laß
den dort sitzen an deiner Statt!«
<a href="#IDMFP2O3X0CL2WN0FA1IDPIBQ4WL2FWQ0RMPHOCDC3TOO3N2R1MSNI">[*]
Vgl. Lukas 14, 8 ff.</a>
Ein andrer nicht gesprochen hat
Den Segen über Brot und Wein,
Eh er bei Tische Gast will sein;
Ein andrer greift
zuerst in die Schüssel
<a name="page423" title="mbechtel/quantenspringer" id="page423"></a> Und stößt das Essen in den Rüssel
Vor ehrbarn Leuten, Frauen, Herrn,
Die er vernünftig sollte ehrn,
Daß sie zum ersten griffen an
Und er nicht war zuvorderst dran.
Der auch so eilig essen muß,
Daß er so bläst in Brei und Mus,
Strengt an die Backen ungeheuer,
Als setzte er in Brand 'ne Scheuer.
Mancher beträuft Tischtuch und Kleid,
Legt auf die Schüssel wieder breit,
Was ihm ist ungeschickt entfallen,
Unlust bringt es den Gästen allen.
Andre hinwieder sind so faul,
Wenn sie den Löffel führen zum Maul,
Dann hängen sie den offnen Rüssel
So über Platte, Mus und Schüssel,
Daß, fällt ihnen etwas dann darnieder,
Dasselbe kommt in die Schüssel wieder.
Etliche sind so naseweise:
Sie riechen vorher an der Speise
Und machen sie den andern Leuten
Zuwider, die sie sonst nicht scheuten.
Etliche kauen etwas im Munde
Und werfen das von sich zur Stunde
Auf Tischtuch, Schüssel oder Erde,
Daß manchem davon übel werde.
Wer einen Mundvoll gegessen hat
Und legt es wieder auf die Platt',
Oder lehnt sich über den Tisch
Und lugt, wo sei gut Fleisch und Fisch,
Wenn das auch andern näher lag,
<a name="page424" title="mbechtel/quantenspringer" id="page424"></a> Er packts und nimmt es in Beschlag
Und läßt es vor sich stehn allein,
Daß es nicht andern sei gemein;
Einen solchen man
Schlingrabe nennt,
Der über Tisch sich selbst nur kennt
Und darauf legt Mühe und Fleiß,
Daß er allein ess' alle Speis
Und er allein sich füllen könne
Und andern nicht das gleiche gönne.
Einen solchen heiß ich:
Räumdenhagen,
<a href="#IDOGJVDYYNTRPNJXYCXM1RB0YXGD5NEC0LHG5EOTF1K4TW5RG1B5UP">[*]
D. h., mach reine Bahn!</a>
Leersnäpfli, Schmierwanst, Fülldenmagen.
Ein schlechter Tischgenoß ist das
Und wird geheißen wohl ein Fraß,
Der solcher Unart fern nicht bleibt,
Daß er auch andern läßt ihr Teil,
Gewährt gut Essen ihm das Heil.
Ein andrer füllt die Backen so,
Als ob sie steckten ihm voll Stroh;
Er pflegt beim Essen rings zu gaffen
In alle Winkel wie die Affen
Und schaut auf jeden mit Begehr,
Ob der vielleicht mehr ißt als er,
Und eh der
einen Mund voll zuckt,
Hat er vier oder fünf verschluckt,
Und daß ihm sonst auch nichts gebreste,
Trägt er noch Teller voll zum Neste,
Und daß er sich ja nicht versäume,
Lugt er, wie er die Platten räume.
Eh er die Speis herunterschluckt,
Er einen Stich
<a href="#IDDBFHO0YLQV2GNNL1XLOU1ANEGNO1YWLOZR0SJHEYEDW3FPG4N04G">[*]
D. h. einen Schluck, franz.
un coup.</a> in den Becher guckt,
<a name="page425" title="wedi/quantenspringer" id="page425"></a> Macht sich 'ne Suppe mit dem Wein
<a href="#IDPIOAUOB2ICB5OAEKTT403IXUNDFBOZEGC0ESO3BJM2EGJG3PO1YP">[*]
Er trinkt, ehe er die Speise verschluckt hat.</a>
Und schwenkt damit die Backen rein,
Und hat damit oft solche Eil,
Daß aus der Nas ihm rinnt ein Teil,
Oder spritzt gar einem andern wohl
Das Trinkgeschirr und Antlitz voll.
Neun Taubenzüge,
ein Bapphart,
<a href="#IDAJKUL3WAHPL4LRZ3PLXNELK0YDCATVHDQKPFMKMOTMYSTJ23H1MK">[*]
Taubenzug bedeutet wohl ein bestimmtes Maß beim Trinken; Bapphart ist ein Mund voll Brei (nach Goedeke).</a>
Das ist beim Trinken jetzt die Art.
Den schmutzgen Mund wischt keiner mehr:
Im Becher schwimmt das Fett umher;
Schmatzen beim Trinken ist nicht fein,
Kann andern Leuten nur widrig sein.
Durch die Zähne sürfeln
<a href="#ID5ODVWGAVRWYLJHQXK31WEVB00NRGB4TOUHWVF4KYO233F0EBIFWM">[*]
Schlürfen.</a> klingt nicht schön,
Solch Trinken gibt ein schlecht Getön.
Manch einer trinkt mit solchem Geschrei,
Als käme eine Kuh vom Heu.
Nachtrinken Ehre sonst gebot,
Jetzt ist dem
Weinschlauch nur noch Not,
Daß er schnell möge trinken
vor:
Das Trinkgeschirr hebt er empor
Und bringt dir einen »frohen Trunk«,
Damit sein Becher macht glunk, glunk;
Er meint, daß er den andern ehrt,
Wenn
er den Humpen leer umkehrt.
<a href="#IDIM2EDNWNYF1DBTXNAQLH4P4FRMWA4PRSOB0BV2KZ1UOZYH0JWQRK">[*]
D.h. die Nagelprobe macht.</a>
Ich misse gern die feine Sitte,
Daß man vor mir das Glas umschütte
Oder daß man mich zu trinken bitte;
Ich trink für mich, doch keinem zu:
Wer sich gern füllt, ist eine Kuh.
<a name="page426" title="wedi/quantenspringer" id="page426"></a> Ein andrer schwätzt bei Tisch allein,
Läßt nicht das Wort sein allgemein,
Es muß vielmehr ihm jedermann
Zuhörn, wie
er gut schwätzen kann.
Keinem andern er das Wort vergönnt,
Doch sein Wort gegen jeden rennt
Und verleumdet gern zu jeder Frist
Manchen, der nicht zugegen ist.
Ein andrer kratzt sich derb am Grinde
Und lugt, ob er kein Wildbret finde
Mit sechs Füßen und dem Ulmer Schild,
<a href="#IDBEMB42K2V0ZLIMCLCNW0GJFXRPC5FFQRUEULYXDGGK14BRBHYFRD">[*]
Das Ulmer Schild zeigt ein Kreuz, wie die Läuse.</a>
Das er erst auf dem Teller knillt,
<a href="#IDRPP0Y4C4HZXKEWHVC1533Q0QWE03RVCPNYUOZDHDFV0MEPEI3LNN">[*]
Zerdrückt, knickt.</a>
Dann in die Schüssel die Finger taucht,
Weil er just Nägleinbrühe
<a href="#IDPZRHNOJRKJ3KGVVS0MP2BPMXAE3PLTJ4XD5SE3F1I1MRLVZN0TPM">[*]
Wortspiel, da
näglyß brüg auch eine Nelkensoße bezeichnet.</a>braucht;
Der eilt, daß er die Nase wische
Und putzt die Finger ab – am Tische!
Andre sind so höflich erzogen,
Daß sie auf Arm und Ellenbogen
Sich lehnen und den Tisch bewegen,
Sich drauf mit allen vieren legen,
Wie jene Braut von Geispitzhain,
<a href="#IDDHSKHK5EGO50OMVJBYLN2LMKOJU2O241J4DE42H45AOBQUEUGNYM">[*]
Ein Dorf in der Nähe von Straßburg, aus dem wohl die folgende Anekdote stammt, die später in den
Schildbürgern erzählt wird: die Mutter hatte der bäurischen Braut gesagt, sie müsse die Beine (= Knochen) neben den Teller legen; sie streckte deshalb
ihre Beine auf den Tisch.</a>
Die auf den Teller legte die Bein',
Und da sie sich bückte nach dem Sturz,
<a href="#IDGSAMLTVUJ4TVBRAJJCPQWSLGTLDIJCDNWOSGZSMZXF35B0QYVLJH">[*]
Nach dem entfallenen Kopftuch.</a>
Entfuhr ihr über dem Tisch ein Furz;
Sie ließ ein Rülpsen sich entwischen,
<a name="page427" title="wedi/quantenspringer" id="page427"></a> Wenn man nicht kommen wär dazwischen
Mit Kübeln und sie nicht aufgetan
Das Maul – ihr bliebe nicht ein Zahn.
Etliche lieben so zu hofieren,
<a href="#IDMY35AAH220AJBECXT5H5AOUVJO4O4JJX3IENS3LGQO3U54I2XOXL">[*]
Feine Sitte zu zeigen.</a>
Daß sie das Brot recht tüchtig beschmieren
Mit schmutzigen Händen im Pfefferbrei,
<a href="#ID3D33O0RPHNAPNDBSHWEQXWWNQOD4ZKHUVGM4PHOQYKWNUDT2XPZE">[*]
Soße.
</a> Damit es wohl gesalbet sei.
Es bringt auch Vorteil, vorzulegen:
Das beste Stück so zu bewegen,
Daß, was nicht will gefallen mir,
Ich lege einem andern für,
Dadurch wird dann ein Weg gemacht,
Auf dem ich nach dem Besten tracht;
Einem
andern wird, was ich nicht will,
Das Beste
mir – und ich schweig still.
So hat mir mancher oft hofiert!
Ich wünscht, daß er nicht angerührt
Die Schüssel, denn dann blieb mir das,
Was vor
mir lag und schmeckte baß.
<a href="#IDMLSA0VSEU1WJLCLXYGKAUH5AFO1QDZGSEIE5UWBTFENCGN43YAIB">[*]
Besser.</a>
Mancher auf Schlendrian
<a href="#IDPXZT2QNZLKCLCAEFTWYKFIRULGQ1UMMODXLG5BBZIBGPEX5DZRLE">[*]
schlenttrianum, von schlendern, umhertreiben.</a> ausgeht
Und die Schüssel auf dem Tische dreht,
Bis das Beste ist vor ihn gekommen.
Ich habe das oft wahrgenommen,
Daß mancher trieb solch Abenteuer
Und listig sich verschaffte Steuer,
<a href="#ID2LJGYIUESTSBCBPN21NLMAJP5MQMOO11PQZMEOGVRLSKEQGP2WGK">[*]
Hilfe, Unterstützung.</a>
Daß ihm gefüllet ward sein Bauch.
So gibts bei Tisch seltsamen Brauch,
Wenn
alles ich erzählen sollte,
Ein ganzes Buch
<a href="#IDT0IVLRMDJ0ASBBSZJVDSEAZEEDQFRWU5EU5OTTL3PE0NJKDUXRN">[*]
Eyn gantz legend, wie weiter unten:
ich wolt sunst wol eyn bibel machen.</a> ich schreiben wollte,
<a name="page428" title="wedi/quantenspringer" id="page428"></a> Wie man sieht in den Becher pfeifen,
Mit Fingern in das Salzfaß greifen,
Was mancher achtet für sehr grob;
Doch hat dasselbe mehr mein Lob,
Als daß man Salz nimmt mit dem Messer:
Gewaschene Hand ist wahrlich besser
Und sauberer als jene Klingen,
Die wir in der Scheide mit uns bringen
Und wissen nicht, ob wir vor Stunden
Vielleicht 'ne Katze damit geschunden.
Für Unvernunft kann man auch halten
Die Eier zu schlagen und zu spalten
Und ander dergleichen Gaukelspiel,
Wovon ich jetzt nicht schreiben will;
Denn das soll feine Sitte sein,
Ich schreib von Grobheit hier allein,
Nicht von subtilen, feinen Sachen.
Ich müßt sonst eine Bibel machen,
Sollt ich den Mißbrauch all beschreiben,
Den man beim Essen pflegt zu treiben.
Desgleichen acht ichs auch nicht viel,
Wenn etwas in den Becher fiel,
Ob man durch Blasen das wegbringe
Oder mit einer Messerklinge
Oder vom Brot mit einer Schnitte –
Wiewohl das letztre feinre Sitte,
So halte ichs doch also nun,
Daß man ein jedes könne tun.
Wo man es aber hält für gut,
Daß aus dem Glas man
alles tut
Und lieber ein ganz frisches nimmt,
Wie sich bei Reichen das wohl ziemt,
<a name="page429" title="wedi/quantenspringer" id="page429"></a> Kann man es schelten nicht mit Glimpf;
<a href="#ID34QVFOMGBLGRXQTMNE1RPTUWG5LBZSH5R3VCXDZUGHBNBTOSMVN">[*]
Mit Recht.</a>
Für Arme ist nicht solcher Schimpf:
<a href="#ID4DMZQ0EYI1L2MVNRPGA2PZYUFHGV1DF2XZSB0PLDO3W4AOXVYXMC">[*]
Scherz, harmlose Sitte.</a>
Ein armer Mann läßt sich begnügen;
Was Gott ihm gibt, muß ihm genügen,
Er braucht nicht jede Hofzucht pflegen.
Zum letzten spreche man den Segen;
Und wenn man satt sich trank und aß,
Sag man auch Deo gratias!
<a href="#ID3PMYVZOY2WIPNDKUBAWZFXZ2WNQOSFUSQNAAEWKNQADHMJNBSYV">[*]
Gott sei Dank.</a>
Denn wer gering hält diese Pflicht,
Den achte ich für weise nicht;
Vielmehr ich billig von ihm sage,
Daß er die Narrenkappe trage.
<a name="page430" title="wedi/quantenspringer" id="page430"></a>
110b.
Von Faßnachtnarren
Ich weiß noch etliche Faßnachtnarren,
<a href="#ID3WAP2CU3I3RPIFCBMERNODJSOPFZDNLNU4IZ5NHJJZCSSCSAUO0O">[*]
Faßnacht heißt das Wort noch bei Schiller; bei Brant gelegentlich auch
fastnacht (V. 108). Es bezeichnet den Vorabend vor dem Beginn der Fastenzeit, d.h. (seit das Konzil von Benevent 1091 den Beginn der österlichen Fasten auf Mittwoch vor Invokavit gelegt hat) Dienstag vor Aschermittwoch. Brant greift in diesem Kapitel die Auswüchse des volkstümlichen Fastnachtstreibens an.</a>
Die in der Torenkappe beharren.
Wenn man die heilige Zeit
<a href="#IDVRVHOQGR3VAUH1IFANPJVPV22H5DEBLXWRQBLXDZD5RGYW4ITQJJ">[*]
Die Fastenzeit.</a> fängt an,
So stören sie noch jedermann:
Ein Teil macht schwarz sich das Gesicht,
Vermummt am ganzen Leib sich dicht
Und läuft einher nach Butzen-Weise.
<a href="#IDBJU4VLJV3EQLOXOJW0EBKV4DYLBUWNGMXRNISQSR4SYK1T4WMTK">[*]
Vgl. Anm. 8 zu Kap. 6.</a>
Ihr Anschlag steht auf glattem Eise.
Mancher will nicht, daß man ihn kennt,
Der sich zuletzt doch selber nennt;
Er hat den Kopf sich dicht vermacht
Und will doch, daß man auf ihn acht'
Und spreche: »Schau, mein Herr von Runkel!
Der kommt und führt am Arm 'ne Kunkel;
<a href="#IDWIBRXKDZZKW4LX54U32HEN5VQFUAXD1DZIX05IH3YQVTBFZXI35J">[*]
Ein Frauenzimmer.</a>
Das hat gar Großes zu bedeuten,
Daß er kommt zu uns armen Leuten,
So gnädig ist, uns zu besuchen.«
Doch will er Schändung nur versuchen
Und Faßnacht legen schon ein Ei,
Singt auch der Kuckuck erst im Mai.
Man spendet Küchlein
<a href="#ID4RU4SDVAMKGPF0Y1PIHG4OVB0EULXV0IITQTTLM4QTXMBN1SVFXC">[*]
Den Besuchern wurden Fastnachtskrapfen angeboten.</a> in manchem Haus,
Wo besser wär, man bliebe draus;
<a name="page431" title="quantenspringer/Meen" id="page431"></a> Der Gründe gäb's dafür so viel,
Daß lieber ich ganz schweigen will.
Allein die Narrheit hat erdacht,
Daß man zur Faßnacht Freud sich macht;
Wann man der Seelen Heil sollt pflegen,
Da geben
Narren erst den Segen
Und suchen dann ihr Fest herfür:
Fast Nacht ist es vor ihrer Tür.
Der Narren Kirchweih ist bekannt,
Jawohl, Fast-
Nacht wird sie genannt!
<a href="#ID0H5HKB3KJ3NZFAASEJIPE03QHNWHQXSZFB1MT3C3SFN4ITP2SEBC">[*]
Das Wortspiel ist nur so übersetzbar, während es bei Brant
vast nacht, d. h. ganz Nacht, ganz finster bedeutet.
</a> Man läuft mit Lärmen auf den Gassen
Im Schmutz, als sollt man Immen fassen,
<a href="#IDQ3T41NOIA5LLGINHNJWBC5HBDLIH4VPV04TMNBIJMBO2P3G1L3DD">[*]
Bienen fangen.</a>
Und wer dann ist unsinnig ganz,
Der meint,
ihm schulde man den Kranz.
Von einem Haus zum andern laufen,
Viel Völlerei ohn Geld sich kaufen,
Das Ding währt oft bis Mitternacht:
Der Teufel hat solch Spiel erdacht!
Anstatt zu suchen Seelenheil,
Tanzt man erst recht am Narrenseil.
Mancher vergißt sich so im Fressen,
Als sollt er ein ganzes Jahr nichts essen,
Und sein Verlangen ist nicht gestillt,
Wenn bis zur Meßzeit
<a href="#ID2KHVXGD3ENOFFGKOTSISND5WBRMRKRXNT4OLOHJ1PD51U3C41VD">[*]
Bis zur ersten Messe des Aschermittwochs.</a> er sich füllt,
Verbotne Speis
<a href="#IDLPLEWCWXZ1UFESXMHPG3SFZMDIDW115S4S4SJWHGDGIMBXNK2FKI">[*]
Fleischspeisen.</a> schafft ihm Behagen,
Man ißt sie, bis man sieht es tagen.
Ich kann in Wahrheit das wohl sagen,
Daß weder Juden, Heiden, Tataren
<a href="#IDP4QM1VZGLO0NOKBT2KCTTVE3ODBNZGQJ5WZDGWERVS52Q1TS5RIB">[*]
Datten, d. h. Zigeuner.</a>
<a name="page432" title="quantenspringer/fibo235" id="page432"></a> Im Glauben schändlich so verfahren
Wie wir, die wir uns Christen nennen
Und wenig mit Werken dazu bekennen,
<a href="#IDLAQSJER1IJVEB2IRLVFTCRJ01DJEZJKBXREGUQJSMBDJXHXG45IH">[*]
Im Original:
Als wir die kristen wellen syn / Und duont mit wercken kleynen schyn (zeigen, beweisen wenig mit unseren Werken).</a>
Denn eh die Andacht man beginnt,
Drei-, vierfach man auf Faßnacht sinnt
Und kommt erst ganz von Sinnen gar,
Das währt dann durch das ganze Jahr.
Man bricht der Fasten ab das Haupt,
<a href="#IDJG5ZXDLI5HVBMWDTSHJ1TFTUPDULR42JBUJHM2G55GSJI5P3W14P">[*]
Der Aschermittwoch führte den lat. Beinamen
caput Quinquagesimae.</a>
Damit man sie der Kraft beraubt.
Nur wen'ge sich der Asche nahen,
<a href="#IDQCO1X4TVE5NXDOCHAJYIRGKFVJCJTLWOVDOLIJO5Z20UK1UHNT1D">[*]
Der Asche, die am Aschermitrwoch in der Kirche ausgeteilt wurde.</a>
Um sie mit Andacht zu empfahen;
Sie fürchten, Asche werde schmerzen;
Sie wollen lieber ihr Antlitz schwärzen
Und sich berußen wie eine Kohl':
Des
Teufels Zeichen paßt ihnen wohl,
Das Zeichen Gottes
<a href="#IDTTXXZMQTEYOZJ1U0G3POJEES5KHEIYZMWV2S4QOULUQQ0H2AVLIJ">[*]
Das Aschenkreuz auf der Stirn.</a> sie verschmähn,
Mit Christo wollen sie nicht erstehn.
Die Frauen gehn gern auf die Straßen,
Wollen sich auch beschmutzen lassen;
Die Kirchen selbst sind nicht zu hehr,
Man läuft darin die Kreuz und Quer,
Um dort die Frauen zu beschmieren,
Man hält das für ein groß Hofieren.
<a href="#ID3YYZEQLRQ0TYJULFMI35F00CGNAZGYTEMI5OFOOTLVCBUJXSNNO">[*]
Für feine Sitte.</a>
Den Esel
<a href="#IDOV0ALQHRRLI2FDSAINLVD5MLIPZOYR4D42LDK1JRSZJ5D3PUR0D">[*]
Den sog. Palmesel, der am Palmsonntag auch in die Kirche geführt wurde.</a> wüste Rotten tragen,
Mit ihm die ganze Stadt durchjagen.
Drauf lädt man ein zu Tanz und Stechen,
Da muß man dann die Speere brechen
<a name="page433" title="quantenspringer/fibo235" id="page433"></a> Und Narren recht zusammenbringen.
Es drängen sich zu solchen Dingen
Handwerker, Bauern auch heran,
Wenn mancher auch nicht reiten kann;
Es wird gestochen unverhofft,
Daß Hals und Rücken brechen oft:
Und das soll
höfisch Scherzen sein!
Darnach füllt man sich an mit Wein;
Von Fasten weiß man nicht zu sagen.
Solch Wesen währt bei vierzehn Tagen,
Die Fasten
ganz an manchen Enden,
Die Karwoch' kann es kaum abwenden.
So ist zur Beicht man vorbereitet,
Wenn man die hölzernen Tafeln
<a href="#IDKBUJVNIMK5CYHZYY014PRXN2LFUQAKRKYOPBJCE2B3KBCFKSZAKK">[*]
Von Gründonnerstag bis Ostersonnabend ersetzte man die Glocken durch allerlei hölzerne Instrumente, da jene nach altem katholischem Glauben für drei Tage sterben und erst am Vorabend des Osterfestes wieder lebendig werden.</a> läutet,
Und fängt dann seine Reue an.
Man möchte morgen wieder dran,
Dem Narrenseil noch mehr nachhängen;
Nach
Emmaus<a href="#IDCB2BC1TDAMT2FB4EUFTPW1BKZIHHQ0CJNAFRG1CBGUEMGOB2PPZI">[*]
Das Evangelium des Ostermontags handelt von dem Gang der Jünger nach Emmaus; hier sprichwörtlich für die Osterbelustigungen, die am Montag stattfanden.</a> wir alle drängen.
Die geweihten Fladen
<a href="#IDIS4RNRNFY55KE3PPYQ4PETEKJNTM1W4HZKZTWRG3XOW45FKBPYSJ">[*]
Die Osterfladen, die ohne Sauerteig gebacken und besonders eingesegnet wurden.</a> uns nicht schmecken,
Man mag das Haupt nicht länger decken,
<a href="#IDIC21CDDAFDTQC1U4HJR40DNKDUVBWELNVMJUMHDW4N0AD44TU5G">[*]
Als Zeichen ernster Gesinnung verhüllen.</a>
Es könnte leicht ein Wind entstehn,
Den Frauen ab die Tücher wehn,
Die hingen an den nächsten Hecken.
Die Frauen sich nicht gern bedecken,
Sie reizen damit Mann und Knaben;
<a name="page434" title="quantenspringer/fibo235" id="page434"></a> Die Narrenkapp sie lieber haben,
Daß man die Ohren daraus strecke,
Als daß man sich mit Tüchern decke.
So kann ich hiermit wohl beschließen,
Wiewohl es einige mag verdrießen,
Daß, wo man sucht Fastnacht allein,
Will keine rechte Andacht sein.
Doch wie wir stellen uns zu Gott,
So läßt er uns oft bis zum Tod.
Der Narren Kapp bringt Angst und Pein
Und kann doch nicht in Ruhe sein,
Sie wird selbst in den Fasten jetzt
Und in der Karwoch' aufgesetzt.
<a name="page435" title="quantenspringer/fibo235" id="page435"></a>
<a name="page436" title="quantenspringer/fibo235" id="page436"></a>
Leicht wär's mit Narrheit sich befassen,
Könnt man auch leicht von Narrheit lassen,
Doch wenn dies einer auch beginne,
Wird er gar vieler Hindrung inne.
Entschuldigung des Dichters
Der ist ein Narr und großer Tor,
Wer einen Werkmann lohnt
zuvor,
Denn der gar oft die Sorgfalt spart,
<a href="#IDW3V3B25T4ROIGMRTWHTNV5ERTMLGBOVNE5PTLMD5A0OVMRK3UWIG">[*]
Im Original:
Der macht nit werschafft uff dem merckt, d. h., der bietet keine Garantie für den Wert seiner Waren und hat kein Vertrauen auf dem Markt.</a>
Wer nicht auf künftgen Lohn mehr harrt.
Gar wenig wird für Geld getan,
Das schon verzehrt ist und vertan,
Und
dem Werk bald der Stillstand droht,
Wo man zuvor schon aß das Brot.
Drum, hätte man mir wollen lohnen,
Daß ich der Narren sollte schonen,
Ich hätt mich wenig dran gekehrt,
Auch war das Geld jetzt doch verzehrt,
Hätt nicht mehr Sicherheit gewährt,
<a href="#IDGNQ2VAPNBUOVG2D4EHQ4JWPY3N1FYMGTFCV5OALVAO5NYK4NTP5O">[*]
Nämlich daß der Dichter die Narren schonen würde.</a>
Weil alles, was da ist auf Erden,
Für Torheit muß geachtet werden.
Hätt ich dies Buch um Geld gemacht,
Nur wenig Lohn hätt ich gesehn
Und hätt es längst wohl lassen stehn,
Aber dieweil es ist geschehn
Zu Gottes Ehr und Nutz der Welt,
So hab ich weder Gunst noch Geld
Noch ander Gut gesehen an,
Was Gott mir wohl bezeugen kann,
Und weiß doch, daß ich nicht kann bleiben
Ganz ungetadelt in meinem Schreiben.
Von
Guten will ich das hinnehmen,
Mich ihres Einspruchs nimmer schämen;
<a name="page437" title="quantenspringer/fibo235" id="page437"></a> Denn Gott ruf ich zum Zeugen an:
Wenn man hier Lügen finden kann,
Oder etwas wider Gottes Lehre,
Der Seelen Heil, Vernunft und Ehre,
So will ich Tadel gern erdulden;
Am Glauben möcht ich nichts verschulden
Und bitte hiermit jedermann,
Daß man für gut es nehme an
Und leg es nicht zum Argen aus
Noch ziehe Ärgernis daraus.
Denn darum hab ichs nicht gemacht!
Aber ich weiß, mir wirds verdacht
Gleichwie der Blume, die schön blüht,
Aus der das Bienlein Honig zieht,
Doch kommen dann darauf die Spinnen,
So suchen sie Gift draus zu gewinnen.
Das wird auch hierbei nicht gespart,
Ein jeder tut nach seiner Art,
Und wo nichts Gutes ist im Haus,
Trägt man auch Gutes nicht hinaus.
Wer nicht gern hört von Weisheit sagen,
Wird über mich gar oftmals klagen,
Doch hört man seinen Worten an,
Was er sei für ein Gaukelmann.
Ich hab gesehen manchen Tor,
Der sich gehoben stolz empor,
Wie auf dem Libanon die Zeder,
In Narrheit höher als ein jeder,
Doch als geharrt ich kurze Frist,
Das Prahlen ihm vergangen ist,
Man könnt auch finden nicht die Statt,
<a name="page438" title="quantenspringer/fibo235" id="page438"></a> Wo dieser Narr gewohnet hat.
<a href="#IDVXIN0DLP0CH3RNXHOIELKXI0D3UPAZJP3TZVM3KXF43K15KU1N">[*]
Vgl. Psalm 37, 35. 36.</a>
Wer Ohren hat, der hör' und lerne!
Ich schweig, der Wolf ist mir nicht ferne!
<a href="#IDNI5OCGTREAYOPPXWIX5UG1DCTHJ4L3XGNFME0IKF0LZDAB2XJXXB">[*]
Eine Anspielung auf das bekannte Sprichwort: Wenn man vom Wolfe spricht, so ist er nicht weit; hier auf die Narren bezogen.</a>
Ein Narr tadelt manchen vor der Zeit,
Er kennt nicht dessen Freud noch Leid,
Müßt jeder sein des andern Rücken,
So wüßt er, was den täte drücken.
Wer will, der les' dies Narrenbuch,
Ich weiß wohl, wo
mich drückt der Schuch,
Darum, wenn man will schelten mich
Und sprechen: »Arzt, heil selber dich,
<a href="#IDQWXTVZGEVWIRGDOWPZDS2PYH4HBRXYTYWX1NMAEMDYCE3URTY10O">[*]
Lukas 4, 23; vgl. Kap. 21.</a>
Denn du bist auch in unsrer Rott!«
So weiß ich und bekenn es Gott,
Daß ich viel Torheit hab begangen
Und muß im Narrenorden prangen,
Wie sehr ich mag die Kappe rütteln,
Ganz kann ich sie vom Kopf nicht schütteln.
Doch hab ich Ernst verwandt und Fleiß,
So daß ich, wie nun jeder weiß,
Der Narren Arten kenne viel
Und Lust hab, wenn es Gott nur will,
Zu bessern mich in künftger Zeit,
Sofern Gott Gnade mir verleiht.
Ein jeder achte nur auf dies,
Daß ihm nicht
bleib' der Narrenspieß,
<a href="#IDAFBCRZAY1C5SJNVH0BV0WVVG5Y3BIVUZLJ0DHLKXJ1NDCRQTC5K">[*]
der narren sträl, eigentlich Kamm, wohl als Werkzeug des Durchhechelns genannt.</a>
Daß nicht
veralt' in seiner Hand
Der Kolben – des sei er ermahnt!
<a name="page439" title="quantenspringer/fibo235" id="page439"></a> So schließt Sebastianus Brant,
Der jedem zu der Weisheit rät,
Wer er auch sei und wo er steht:
Kein guter Werkmann kommt zu spät!
<a name="page440" title="quantenspringer/fibo235" id="page440"></a>
Gemeint ist das Gedicht »Vir bonus«, das zu Brants Zeit irrtümlich Vergil zugeschrieben wurde und das im folgenden Kapitel frei wiedergegeben wird.</a><a name="page441" title="quantenspringer/fibo235" id="page441"></a>
Von Narren gab ich euch Bescheid,
Damit ihr sie recht kennt am Kleid.
Wer weise sein will um und um,
Les' meinen Freund Virgilium. <a href="#IDTTJ1XU02SSDWBNH3PYWZ5QLM1MD1T0LLTQKBCMPUPH2KCD4QMZKE">[*]
Der weise Mann
Ein guter, vernünftger, weiser Mann,
Desgleichen man nicht leicht trifft an
In aller Welt, wie Sokrates –
Apollo
<a href="#IDAOFWYOFXDTPNLDJY0UPJMETJUOVU2NEKNL2K3IKQSZ4VEZN1FXQI">[*]
Das Orakel des Apollo zu Delphi.</a> gab ihm Zeugnis des –
Derselbe sein eigner Richter ist;
Wo's ihm an Weisheit noch gebrist,
Prüft er auf das genauste sich;
Er schätzt nicht, was der Adel spricht,
Noch des gemeinen Volks Geschrei;
Er ist rotund
<a href="#IDZLR2RXVQK5YDCHDYDHSF3FUTYPKIUDWXNLOGGLMT20XPDLHKUOBE">[*]
Rund (lat.
rotundus), d. h., er gibt keinen Anstoß.</a> ganz wie ein Ei,
Damit kein fremder Makel bleibe,
Der sich auf glattem Weg anreibe;
Wie lang der Tag im Krebs
<a href="#IDK5HWADPOTX1VHI431L5UUMK1MQXE3ME5B2D1OGTDAIZ3FBEBLGD">[*]
Im Zeichen des Krebses: Juni und Juli.</a> sich streckt,
Wie lang die Nacht den Steinbock
<a href="#IDM5CBLXKVRHCGHJQBAXAZYUE4EOOXC3VVK4NCCTJRXZK3P012UMJP">[*]
Dezember und Januar.</a> deckt,
So denkt er nach und wäget aus,
Damit kein Winkel in seinem Haus
Ihn trübe, oder er rede ein Wort,
Das nicht gezieme jedem Ort,
<a href="#IDJUXD0LL3MLK5ODE2P25DB1GZKIXUA2Q0DMHJXILFIBXBWNZG45MI">[*]
Das nit glych wäg uff alle ort, d. h. auf allen Seiten gleich schwer sei, durchaus billig und gerecht.</a>
Damit nicht fehle das Winkelmaß
Und fest sei, wes er sich vermaß;
Daß jeden Angriff mit der Hand
Er abwehr und bald hab abgewandt.
Er liebet nicht so sehr den Schlaf,
<a name="page442" title="mbechtel/quantenspringer" id="page442"></a> Daß er nicht überdenk und straf,
<a href="#IDLGIYRCOM0OG0NCWAJ2GDPSNGHKTM5K3MVX1E1YFKMCAWAFZ1U3DE">[*]
Beurteile, tadle.</a>
Was er getan den langen Tag,
Wo er versehn sich haben mag;
Was er beizeiten sollt betrachten,
Worauf er tat zur Unzeit achten;
Warum vollendet er
die Sache
Ohn Ziemlichkeit und all Ursache
Und viele Zeit unnütz vertrieben;
Warum er bei
dem Plan geblieben,
Der
besser konnte doch geschehn;
Warum er Arme übersehn,
Und warum im Gemüt so viel
Empfunden Schmerz und Widerwill;
Warum er dies gefangen an,
Und warum jenes nicht getan;
Warum er
sich so oft verletzte
Und Nutzen vor die Ehre setzte
Und sich verging mit Wort und Gesicht,
Der Ehrbarkeit geachtet nicht;
Warum er gefolgt natürlichem Hang,
Sein Herz zur Zucht nicht zog noch zwang?
Also erprobt er Werk und Wort
Vom Morgen bis zum Abend fort,
Bedenkt die Sachen, die er tut,
Verwirft, was schlecht, und lobt, was gut.
Das ist eines rechten Weisen Art,
Wie im Gedicht uns hat gewiesen
Virgilius, der hochgepriesen.
Wer
also lebte hier auf Erden,
Dem mag auch Gott gewogen werden,
<a name="page443" title="mbechtel/quantenspringer" id="page443"></a> Weil er die Weisheit recht erkannt,
Die einst ihn führt ins Vaterland.
Das gebe Gott uns unverwandt,
Wünsch ich, Sebastianus Brant.
Deo gratias.<a href="#IDVNYSZHUSS5IJBC5GHMNR3RDV4W4EGYE3XHFYBJN2HX3BGNTKX1H">[*]
Hiermit schließt das letzte Kapitel in der Ausgabe von 1494.</a><a name="page444" title="mbechtel/quantenspringer" id="page444"></a>
Verwahrung
<a href="#IDDRYJWGNKFXA2LVRC24QZARMYSEVV25SLYKSIUBDNJL2OYSRZA0K">[*] Diese Protestation gegen die zahlreichen Zusätze und Verstümmelungen, die das »Narrenschiff« vor allem in der Straßburger Überarbeitung von 1494 erfahren hatte, stellte Brant der dritten echten Ausgabe (Basel 1499) voran.</a>
Einst hab ichs Narrenschiff gedichtet,
Mit großer Mühe aufgerichtet,
Mit Toren es so voll geladen –
Man braucht nicht anders sie zu baden:
Ein jeder hat sich selbst gerieben.
<a href="#IDOIVRPORGGN0DELKRQ5LQTHAMRKYHQTU0PU11LEJFZ5J0XLOTMQCM">[*]
Baden, reiben, scheren, bürsten usw. werden häufig bildlich vom Verspotten, Durchziehen der Narren gebraucht.</a>
Doch ist es nicht dabei geblieben,
Gar mancher hat, wie's ihm gefiel
– Vielleicht als er getrunken viel –,
Dran neue Reime
<a href="#IDP4JWS5CLJRX5E2FIHPIHIYK20K1EUZ43M0UA5KIL02Y5KLRIWBZC">[*]
D. h. Verse.</a> wollen henken.
Derselbe sollte wohl bedenken,
Daß er schon früher saß im Schiff,
Drin ihn und andre traf mein Griff,
Dann blieb ihm Mühe wohl erspart.
Mit altem Segel beginnt die Fahrt
Dies Schiff, dem ersten gleich es fliegt
Und sich mit schlichtem Wind begnügt.
Wahr ists, ich hätt es gern vermehrt,
Doch meine Arbeit ward verkehrt:
Manch andrer Reim ist eingeschoben,
Daran nicht Kunst, Art, Maß zu loben.
Viel Reime sind
mir abgeschnitten,
Den Sinn verliert man in der Mitten;
Ein jeder Reim, der mußt sich ducken,
Je wie man ihn hat wollen drucken
<a name="page445" title="quantenspringer/fibo235" id="page445"></a> Und wie's die Form ergeben hat,
<a href="#IDUHWYTP0A0SOFNY0PFEKPL2404HONR1CZS0TPJZI43RFSDE3SO3JB">[*]
Eine Anspielung auf die Verstümmelungen des Textes, die in den Nachdrucken oft durch ganz äußerliche Rücksichten, z. B. durch den Platz der Holzschnitte, bedingt waren; zur Füllung anderer Stellen wurden dann wieder Verse eingeschoben.</a>
Drum mancher schlechte Reim eintrat,
Daß es im Herzen mich gar sehr
Geschmerzt hat, tausendmal und mehr,
Daß Mühe, Arbeit und Verstand
Ohn Schuld ich übel aufgewandt;
Daß öffentlich ich soll ansehn,
Was ich doch nimmer ließ ausgehn,
Was nie mir kam in Mund und Kehle.
Doch meinem Gott ichs anbefehle:
Fährt doch dies Schiff auf seinen Namen,
Braucht seines Dichters sich nicht schämen,
Gleichwie das alte in allen Sachen.
Es kann nicht jeder Narren machen,
Er heiß' denn, wie
ich bin genannt:
Der Narr Sebastianus Brant.
<a name="page446" title="quantenspringer/wedi" id="page446"></a>
Ende des Narrenschiffs
Hie endet sich / das Narrenschiff / So
zu nutz / heilsamer ler / ermanung / vnd
eruolgung / der wißheit / vernunfft /
vnd guter sytten / Ouch zu verachtung /
vnd stroff der narrheyt / blintheit / Irrsal
/ vnd dorheit / aller stådt / vnd
geschlecht der menschen / mit besunderm
fliß / müg / vnd arbeit / gesamlet ist /
durch Sebastianum Brant / In beiden
rechten doctorem / Gedruckt zu Basel
vff die Vasenaht / die man der narren
kirchwich nennet / Im jor noch Christi
geburt Tusent vierhundert vier vnd
nüntzig
1.4.9.4.
Nüt on Vrsach
<a name="page447" title="quantenspringer/wedi" id="page447"></a>