Kleist, Heinrich von (1777-1811): Der zerbrochene Krug

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Kleist, Heinrich von (1777-1811): Der zerbrochene Krug




Einleitung

Heinrich von Kleist (1777-1811) war ein deutscher Dichter, Dramatiker und Erzähler, dessen Werke bis heute eine bedeutende Stellung in der Literaturgeschichte einnehmen. Eines seiner bekanntesten Werke ist das Lustspiel "Der zerbrochene Krug", das 1808 uraufgeführt wurde. Dieses Drama, eingebettet in die Epoche der Weimarer Klassik, zeichnet sich durch seinen scharfsinnigen Humor, seine komplexe Struktur und seine tiefgründige Charakterzeichnung aus. In diesem aiMOOC erforschen wir "Der zerbrochene Krug" in allen Facetten: von der Entstehungsgeschichte über die Charaktere und Themen bis hin zu seiner Bedeutung für die Literaturgeschichte.


Hintergrund

"Der zerbrochene Krug" spielt in einem niederländischen Dorf und folgt den Ermittlungen des Dorfrichters Adam in einem Fall, in dem ein Krug zerbrochen wurde. Während der Untersuchung entfaltet sich eine Geschichte voller Intrigen, Lügen und Enthüllungen, wobei sich der Richter selbst als zentraler Akteur im Skandal herausstellt. Das Stück ist berühmt für seinen Gebrauch der Sprache, die Doppeldeutigkeit der Dialoge und die Ironie, die die menschliche Natur und die Funktionsweise der Justiz hinterfragt.


Die Charaktere

Dorfrichter Adam

Adam ist nicht nur der Dorfrichter, sondern auch die Hauptfigur des Stücks. Seine moralischen Schwächen und sein Fehlverhalten treiben die Handlung voran.

Eve

Eve ist die junge Frau, deren Krug zerbrochen wurde. Sie steht im Zentrum des Konflikts und symbolisiert Unschuld und Reinheit.

Ruprecht

Ruprecht ist Eves Verlobter, der in den Konflikt verwickelt wird, da er fälschlicherweise beschuldigt wird, den Krug zerbrochen zu haben.

Frau Marthe

Frau Marthe ist Eves Mutter, die Gerechtigkeit für den zerbrochenen Krug sucht und damit das Gerichtsverfahren ins Rollen bringt.


Themen und Motive

"Der zerbrochene Krug" behandelt eine Vielzahl von Themen, die bis heute relevant sind. Zu diesen gehören:

  1. Die Kritik an der Justiz und ihren Vertretern
  2. Die Fragilität der Wahrheit und wie leicht sie manipuliert werden kann
  3. Die sozialen und persönlichen Folgen von Lügen und Betrug
  4. Die Darstellung von Macht und Ohnmacht in zwischenmenschlichen Beziehungen


Struktur und Stil

Das Stück ist in Versform geschrieben und verwendet dabei einen lebhaften und ausdrucksstarken Dialog, der die Charaktere und die Handlung lebendig macht. Die Struktur des Dramas, eine Gerichtsverhandlung, dient als Rahmen für die Entfaltung der Geschichte und die Enthüllung der Wahrheit.


Bedeutung für die Literaturgeschichte

"Der zerbrochene Krug" gilt als eines der bedeutendsten Werke der deutschen Literatur und als Meisterwerk Kleists. Es wird für seine sprachliche Brillanz, seine tiefgründige Psychologie und seine scharfe Gesellschaftskritik geschätzt. Das Stück ist ein Schlüsseltext für das Verständnis der Weimarer Klassik und der Entwicklung des deutschen Dramas.


Interaktive Aufgaben


Quiz: Teste Dein Wissen

In welchem Jahr wurde "Der zerbrochene Krug" uraufgeführt? (1808) (!1811) (!1807) (!1810)

Wer ist der Dorfrichter in "Der zerbrochene Krug"? (Adam) (!Ruprecht) (!Eve) (!Frau Marthe)

Um was für ein literarisches Werk handelt es sich bei "Der zerbrochene Krug"? (Lustspiel) (!Tragödie) (!Novelle) (!Lyrik)

Was symbolisiert der zerbrochene Krug im Stück? (Die Fragilität der Wahrheit) (!Unschuldige Liebe) (!Gerechtigkeit) (!Familienbande)

Wessen Mutter ist Frau Marthe? (Eves) (!Adams) (!Ruprechts) (!Des Gerichtsschreibers)

Was ist ein zentrales Thema in "Der zerbrochene Krug"? (Die Kritik an der Justiz) (!Die Suche nach Schönheit) (!Die Bedeutung von Reichtum) (!Die Macht der Natur)

In welchem Land spielt "Der zerbrochene Krug"? (Niederlande) (!Deutschland) (!Frankreich) (!Schweiz)

Wie wird die Wahrheit im Stück hauptsächlich dargestellt? (Als etwas, das leicht manipuliert werden kann) (!Als unveränderlich) (!Als unwichtig) (!Als mystisches Konzept)

Welche literarische Figur sucht Gerechtigkeit für den zerbrochenen Krug? (Frau Marthe) (!Adam) (!Eve) (!Ruprecht)

Welches literarische Mittel verwendet Kleist vorrangig in "Der zerbrochene Krug"? (Versform und lebendigen Dialog) (!Prosaerzählung) (!Stille Monologe) (!Direkte Ansprache des Publikums)





Memory

Adam Dorfrichter
Eve Zerbrochener Krug
Ruprecht Eves Verlobter
Niederlande Spielort
1808 Uraufführung





Kreuzworträtsel

Adam Wer ist der Dorfrichter im Stück?
Eve Wessen Krug wurde zerbrochen?
Lustspiel Um welche Art von Werk handelt es sich?
Wahrheit Was wird im Stück als fragil dargestellt?
Gerechtigkeit Was sucht Frau Marthe?
Intrige Was treibt die Handlung voran?
Kleist Wer ist der Autor des Stücks?
Niederlande In welchem Land spielt das Drama?




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Lückentext

Vervollständige den Text.

"Der zerbrochene Krug" wurde im Jahr

uraufgeführt. Die Hauptfigur, Dorfrichter

, ist in einen Skandal verwickelt. Das Stück spielt in den

und kritisiert

. Eve sucht Gerechtigkeit für ihren

, während

, ihr Verlobter, fälschlicherweise beschuldigt wird.


Offene Aufgaben

Leicht

  1. Recherchiere weitere Werke von Heinrich von Kleist und vergleiche sie mit "Der zerbrochene Krug". Welche Themen kommen in seinen Werken immer wieder vor?
  2. Erstelle eine Zeichnung oder ein Comic, das eine Schlüsselszene aus "Der zerbrochene Krug" darstellt.
  3. Schreibe einen Brief aus der Perspektive von Eve, Ruprecht oder Adam, in dem die Ereignisse des Stücks reflektiert werden.

Standard

  1. Führe eine kleine Aufführung von "Der zerbrochene Krug" mit Freunden oder Klassenkameraden durch. Konzentriere dich dabei auf die Darstellung der Charaktere und deren Beziehungen zueinander.
  2. Analysiere die Rolle der Frau in "Der zerbrochene Krug". Wie werden Eve und Frau Marthe dargestellt und welche Bedeutung haben sie für das Stück?
  3. Untersuche, wie Kleist Humor und Ironie einsetzt, um gesellschaftliche Themen und Kritik zu vermitteln.

Schwer

  1. Schreibe eine kritische Analyse über die Darstellung von Gerechtigkeit und Wahrheit in "Der zerbrochene Krug". Beziehe dich dabei auf konkrete Textstellen.
  2. Entwickle ein alternatives Ende für das Stück. Wie könnte die Geschichte anders ausgehen, wenn Adam oder Eve andere Entscheidungen getroffen hätten?
  3. Erstelle eine Präsentation über die historischen und kulturellen Hintergründe, die zur Entstehung von "Der zerbrochene Krug" beigetragen haben.




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Mündliche Prüfung

  1. Diskutiere, wie "Der zerbrochene Krug" die Merkmale der Weimarer Klassik widerspiegelt und welche Elemente es von anderen literarischen Strömungen dieser Zeit unterscheidet.
  2. Erörtere die Bedeutung des zerbrochenen Krugs als Symbol im Stück. Welche weiteren Symbole lassen sich identifizieren und wie tragen sie zur Gesamtaussage des Werks bei?
  3. Analysiere, inwiefern die Charaktere in "Der zerbrochene Krug" typisch für ihre Zeit sind und welche zeitlosen menschlichen Eigenschaften sie aufweisen.
  4. Reflektiere über die Rolle des Humors in "Der zerbrochene Krug". Wie trägt er zur Kritik an gesellschaftlichen Missständen bei?
  5. Vergleiche "Der zerbrochene Krug" mit einem anderen literarischen Werk, das ebenfalls Justizkritik übt. Inwiefern ähneln sich die Werke und wo liegen die Unterschiede?

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    Heinrich von Kleist

    Der zerbrochne Krug

    Ein Lustspiel
    (1811)

    Personen:

    Walter, Gerichtsrat
    Adam, Dorfrichter
    Licht, Schreiber
    Frau Marthe Rull
    Eve, ihre Tochter
    Veit Tümpel, ein Bauer
    Ruprecht, sein Sohn
    Frau Brigitte
    Ein Bedienter, Büttel, Mägde usw.

    Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorf bei Utrecht

    Erster Auftritt

    Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.

    Licht
    Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!
    Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?

    Adam
    Ja, seht. Zum Straucheln brauchts doch nichts als Füße.
    Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?
    Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
    Den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

    Licht
    Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –?

    Adam
    Ja, in sich selbst!

    Licht
    Verflucht das!

    Adam
    Was beliebt?

    Licht
    Ihr stammt von einem lockern Ältervater,
    Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,
    Und wegen seines Falls berühmt geworden;
    Ihr seid doch nicht –?

    Adam
    Nun?

    Licht
    Gleichfalls –?

    Adam
    Ob ich –? Ich glaube –!
    Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.

    Licht
    Unbildlich hingeschlagen?

    Adam
    Ja, unbildlich.
    Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

    Licht
    Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

    Adam
    Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett
    Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied
    Im Mund, da stolpr ich in den Morgen schon,
    Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,
    Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

    Licht
    Und wohl den linken obenein?

    Adam
    Den linken?

    Licht
    Hier, den gesetzten?

    Adam
    Freilich!

    Licht
    Allgerechter!
    Der ohnehin schwer den Weg der Sünde wandelt?

    Adam
    Der Fuß! Was? Schwer! Warum?

    Licht
    Der Klumpfuß?

    Adam
    Klumpfuß!
    Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

    Licht
    Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten unrecht.
    Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,
    Und wagt sich ehr aufs Schlüpfrige.

    Adam
    Ach, was!
    Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.

    Licht
    Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt?

    Adam
    Mir das Gesicht?

    Licht
    Wie? Davon wißt Ihr nichts?

    Adam
    Ich müßt ein Lügner sein – wie siehts denn aus?

    Licht
    Wie's aussieht?

    Adam
    Ja, Gevatterchen.

    Licht
    Abscheulich!

    Adam
    Erklärt Euch deutlicher.

    Licht
    Geschunden ists,
    Ein Greul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,
    Wie groß? Nicht ohne Waage kann ichs schätzen.

    Adam
    Den Teufel auch!

    Lichtbringt einen Spiegel.
    Hier! Überzeugt Euch selbst!
    Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich
    Durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen,
    Als Ihr – Gott weiß wo? – Fleisch habt sitzen lassen.

    Adam
    Hm! Ja! 's ist wahr. Unlieblich sieht es aus.
    Die Nas hat auch gelitten.

    Licht
    Und das Auge.

    Adam
    Das Auge nicht, Gevatter.

    Licht
    Ei, hier liegt
    Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,
    Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.

    Adam
    Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,
    Das alles hatt ich nicht einmal gespürt.

    Licht
    Ja, ja! So gehts im Feuer des Gefechts.

    Adam
    Gefecht! Was? – Mit dem verfluchten Ziegenbock
    Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ichs.
    Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam
    Ertrunken in den Lüften um mich greife,
    Fass' ich die Hosen, die ich gestern abend
    Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing.
    Nun fass' ich sie, versteht Ihr, denke mich,
    Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt
    Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,
    Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr ich auf
    Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock
    Die Nase an der Ecke vorgestreckt.

    Lichtlacht.
    Gut, gut.

    Adam
    Verdammt!

    Licht
    Der erste Adamsfall,
    Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.

    Adam
    Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibts
    Neues?

    Licht
    Ja, was es Neues gibt! Der Henker hols,
    Hätt ichs doch bald vergessen.

    Adam
    Nun?

    Licht
    Macht Euch bereit auf unerwarteten
    Besuch aus Utrecht.

    Adam
    So?

    Licht
    Der Herr Gerichtsrat kömmt.

    Adam
    Wer kömmt?

    Licht
    Der Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.
    Er ist in Revisions-Bereisung auf den Ämtern,
    Und heut noch trifft er bei uns ein.

    Adam
    Noch heut! Seid Ihr bei Trost?

    Licht
    So wahr ich lebe.
    Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,
    Hat das Justizamt dort schon revidiert.
    Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon
    Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

    Adam
    Heut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!
    Zur Revision, der wackre Mann, der selbst
    Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt.
    Nach Huisum kommen und uns kujonieren!

    Licht
    Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.
    Nehmt Euch in acht.

    Adam
    Ach, geht!

    Licht
    Ich sag es Euch.

    Adam
    Geht mir mit Eurem Märchen, sag ich Euch.

    Licht
    Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

    Adam
    Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.
    Die Kerle unterscheiden ein Gesicht
    Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.
    Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,
    Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,
    So hält so'n Schubjak ihn, für wen Ihr wollt.

    Licht
    Wohlan, so zweifelt fort, ins Teufels Namen,
    Bis er zur Tür hier eintritt.

    Adam
    Er, eintreten! –
    Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

    Licht
    Der Unverstand! Als obs der vorige
    Revisor noch, der Rat Wacholder, wäre!
    Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.

    Adam
    Wenn gleich Rat Walter! Geht, laßt mich zufrieden.
    Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,
    Und praktisiert, wie wir, nach den
    Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

    Licht
    Nun, ich versichr Euch, der Gerichtsrat Walter
    Erschien in Holla unvermutet gestern,
    Vis'tierte Kassen und Registraturen,
    Und suspendierte Richter dort und Schreiber,
    Warum? ich weiß nicht, ab officio.

    Adam
    Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

    Licht
    Dies und noch mehr –

    Adam
    So?

    Licht
    Wenn Ihrs wissen wollt.
    Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,
    Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,
    Und findet hinten in der Scheuer ihn
    Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.

    Adam
    Was sagt Ihr?

    Licht
    Hilf inzwischen kommt herbei,
    Man löst ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,
    Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

    Adam
    So? Bringt man ihn?

    Licht
    Doch jetzo wird versiegelt
    In seinem Haus, vereidet und verschlossen,
    Es ist, als wär er eine Leiche schon,
    Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

    Adam
    Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund wars –
    Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,
    Ein Kerl, mit dem sichs gut zusammen war;
    Doch grausam liederlich, das muß ich sagen.
    Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,
    So gings ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.

    Licht
    Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,
    Sei schuld, daß der Gerichtsrat noch nicht hier;
    Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.

    Adam
    Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilts Freundschaft.
    Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können.
    Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,
    Und Ihr verdients, bei Gott, so gut wie einer.
    Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,
    Heut laßt Ihr noch den Kelch vorübergehn.

    Licht
    Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?

    Adam
    Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,
    Und Euren Cicero habt Ihr studiert
    Trotz Einem auf der Schul in Amsterdam.
    Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?
    Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,
    Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.

    Licht
    Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

    Adam
    Zu seiner Zeit, Ihr wißts, schwieg auch der große
    Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.
    Und bin ich König nicht von Mazedonien,
    Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.

    Licht
    Geht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.
    Hab ich jemals –?

    Adam
    Seht, ich, ich, für mein Teil,
    Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließe
    Von Depositionen sich und Zinsen
    Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:
    Wer wollte solche Perioden drehn?

    Licht
    Nun, also!

    Adam
    Von solchem Vorwurf bin ich rein,
    Der Henker hols! Und alles, was es gilt,
    Ein Schwank ists etwa, der, zur Nacht geboren,
    Des Tags vorwitz'gen Lichtstrahl scheut.

    Licht
    Ich weiß.

    Adam
    Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,
    Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,
    Soll gravitätisch wie ein Eisbär sein.

    Licht
    Das sag ich auch.

    Adam
    Nun denn, so kommt, Gevatter,
    Folgt mir ein wenig zur Registratur;
    Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,
    Die liegen wie der Turm zu Babylon.

    Zweiter Auftritt

    Ein Bedienter tritt auf. Die Vorigen. – Nachher zwei Mägde.

    Der Bediente
    Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat Walter
    Läßt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

    Adam
    Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla
    Schon fertig?

    Der Bediente
    Ja, er ist in Huisum schon.

    Adam
    He! Liese! Grete!

    Licht
    Ruhig, ruhig jetzt.

    Adam
    Gevatterchen!

    Licht
    Laßt Euern Dank vermelden.

    Der Bediente
    Und morgen reisen wir nach Hussahe.

    Adam
    Was tu ich jetzt? Was laß ich?
    Er greift nach seinen Kleidern.

    Erste Magdtritt auf.
    Hier bin ich, Herr.

    Licht
    Wollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?

    Zweite Magdtritt auf.
    Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

    Licht
    Nehmt den Rock.

    Adamsieht sich um.
    Wer? Der Gerichtsrat?

    Licht
    Ach, die Magd ist es.

    Adam
    Die Bäffchen! Mantel! Kragen!

    Erste Magd
    Erst die Weste!

    Adam
    Was? – Rock aus? Hurtig!

    Lichtzum Bedienten.
    Der Herr Gerichtsrat werden
    Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich
    Bereit, ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

    Adam
    Den Teufel auch! Der Richter Adam läßt sich
    Entschuldigen.

    Licht
    Entschuldigen!

    Adam
    Entschuld'gen.
    Ist er schon unterwegs etwa?

    Der Bediente
    Er ist
    Im Wirtshaus noch. Er hat den Schmied bestellt;
    Der Wagen ging entzwei.

    Adam
    Gut. Mein Empfehl!
    Der Schmied ist faul. Ich ließe mich entschuldigen.
    Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,
    Schaut selbst, 's ist ein Spektakel, wie ich ausseh;
    Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.
    Ich wäre krank.

    Licht
    Seid Ihr bei Sinnen? –
    Der Herr Gerichtsrat wär sehr angenehm.
    – Wollt Ihr?

    Adam
    Zum Henker!

    Licht
    Was?

    Adam
    Der Teufel soll mich holen,
    Ists nicht so gut, als hätt ich schon ein Pulver!

    Licht
    Das fehlt noch, daß Ihr auf den Weg ihm leuchtet.

    Adam
    Margarete! he! Der Sack voll Knochen! Liese!

    Die beiden Mägde
    Hier sind wir ja. Was wollt Ihr?

    Adam
    Fort! sag ich.
    Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen
    Aus der Registratur geschafft! Und flink! –
    Du nicht. Die andere. – Maulaffe! Du, ja!
    – Gotts Blitz, Margarete! Liese soll, die Kuhmagd,
    In die Registratur!

    Die erste Magd geht ab.

    Die zweite Magd
    Sprecht, soll man Euch verstehn!

    Adam
    Halts Maul jetzt, sag ich –! Fort! schaff mir die Perücke!
    Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich!

    Die zweite Magd ab.

    Lichtzum Bedienten.
    Es ist dem Herrn Gerichtsrat, will ich hoffen,
    Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?

    Der Bediente
    Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.

    Adam
    Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg die Stiefeln –

    Licht
    Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt Ihr?
    Doch keinen Schaden weiter –?

    Der Bediente
    Nichts von Bedeutung.
    Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.
    Die Deichsel brach.

    Adam
    Daß er den Hals gebrochen!

    Licht
    Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmied schon?

    Der Bediente
    Ja, für die Deichsel.

    Licht
    Was?

    Adam
    Ihr meint, der Doktor.

    Licht
    Was?

    Der Bediente
    Für die Deichsel?

    Adam
    Ach, was! Für die Hand.

    Der Bediente
    Adies, ihr Herrn. – Ich glaub, die Kerls sind toll.
    Ab.

    Licht
    Den Schmied meint ich.

    Adam
    Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.

    Licht
    Wieso?

    Adam
    Ihr seid verlegen.

    Licht
    Was!

    Die erste Magd tritt auf.

    Adam
    He! Liese!
    Was hast du da?

    Erste Magd
    Braunschweiger Wurst, Herr Richter.

    Adam
    Das sind Pupillenakten.

    Licht
    Ich, verlegen!

    Adam
    Die kommen wieder zur Registratur.

    Erste Magd
    Die Würste?

    Adam
    Würste! Was! Der Einschlag hier.

    Licht
    Es war ein Mißverständnis.

    Die zweite Magdtritt auf.
    Im Bücherschrank,
    Herr Richter, find ich die Perücke nicht.

    Adam
    Warum nicht?

    Zweite Magd
    Hm! Weil Ihr –

    Adam
    Nun?

    Zweite Magd
    Gestern abend –
    Glock elf –

    Adam
    Nun? Werd ichs hören?

    Zweite Magd
    Ei, Ihr kamt ja,
    Besinnt Euch, ohne die Perück ins Haus.

    Adam
    Ich, ohne die Perücke?

    Zweite Magd
    In der Tat.
    Da ist die Liese, die's bezeugen kann.
    Und Eure andr ist beim Perückenmacher.

    Adam
    Ich wär –?

    Erste Magd
    Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!
    Kahlköpfig wart Ihr, als Ihr wiederkamt;
    Ihr spracht, Ihr wärt gefallen, wißt Ihr nicht?
    Das Blut mußt ich Euch noch vom Kopfe waschen.

    Adam
    Die Unverschämte!

    Erste Magd
    Ich will nicht ehrlich sein.

    Adam
    Halts Maul, sag ich, es ist kein wahres Wort.

    Licht
    Habt Ihr die Wund seit gestern schon?

    Adam
    Nein, heut.
    Die Wunde heut und gestern die Perücke.
    Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,
    Und nahm sie mit dem Hut, auf Ehre, bloß,
    Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.
    Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.
    – Scher dich zum Satan, wo du hingehörst!
    In die Registratur!

    Erste Magd ab.

    Geh, Margarete!
    Gevatter Küster soll mir seine borgen;
    In meine hätt die Katze heute morgen
    Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet
    Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.

    Licht
    Die Katze? Was? Seid Ihr –?

    Adam
    So wahr ich lebe.
    Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.
    Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.
    Was soll man machen? Wollt Ihr eine haben?

    Licht
    In die Perücke?

    Adam
    Der Teufel soll mich holen!
    Ich hatte die Perücke aufgehängt,
    Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,
    Den Stuhl berühr ich in der Nacht, sie fällt –

    Licht
    Drauf nimmt die Katze sie ins Maul –

    Adam
    Mein Seel –

    Licht
    Und trägt sie unters Bett und jungt darin.

    Adam
    Ins Maul? Nein –

    Licht
    Nicht? Wie sonst?

    Adam
    Die Katz? Ach, was!

    Licht
    Nicht? Oder Ihr vielleicht?

    Adam
    Ins Maul! Ich glaube
    Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,
    Als ich es sah.

    Licht
    Gut, gut.

    Adam
    Kanaillen die!
    Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.

    Zweite Magdkichernd.
    Soll ich hingehn?

    Adam
    Ja, und meinen Gruß
    An Muhme Schwarzgewand, die Küsterin.
    Ich schickt ihr die Perücke unversehrt
    Noch heut zurück, ihm brauchst du nichts zu sagen.
    Verstehst du mich?

    Zweite Magd
    Ich werd es schon bestellen.
    Ab.

    Dritter Auftritt

    Adam und Licht.

    Adam
    Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.

    Licht
    Warum?

    Adam
    Es geht bunt alles über Ecke mir.
    Ist nicht auch heut Gerichtstag?

    Licht
    Allerdings.
    Die Kläger stehen vor der Türe schon.

    Adam
    – Mir träumt', es hätt ein Kläger mich ergriffen
    Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich,
    Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort,
    Und schält' und hunzt' und schlingelte mich herunter,
    Und judiziert' den Hals ins Eisen mir.

    Licht
    Wie? Ihr Euch selbst?

    Adam
    So wahr ich ehrlich bin.
    Drauf wurden beide wir zu eins, und flohn,
    Und mußten in den Fichten übernachten.

    Licht
    Nun? Und der Traum, meint Ihr –?

    Adam
    Der Teufel hols.
    Wenns auch der Traum nicht ist: ein Schabernack,
    Sei's, wie es woll, ist wider mich im Werk!

    Licht
    Die läpp'sche Furcht! Gebt Ihr nur vorschriftsmäßig,
    Wenn der Gerichtsrat gegenwärtig ist,
    Recht den Parteien auf dem Richterstuhle,
    Damit der Traum vom ausgehunzten Richter
    Auf andre Art nicht in Erfüllung geht.

    Vierter Auftritt

    Der Gerichtsrat Walter tritt auf. Die Vorigen.

    Walter
    Gott grüß Euch, Richter Adam.

    Adam
    Ei, willkommen!
    Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm Huisum!
    Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte
    So freudigen Besuches sich gewärt'gen.
    Kein Traum, der heute früh Glock achte noch
    Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.

    Walter
    Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß
    Auf dieser Reis', in unsrer Staaten Dienst,
    Zufrieden sein, wenn meine Wirte mich
    Mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen.
    Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft,
    Ich meins von Herzen gut, schon wenn ich komme.
    Das Obertribunal in Utrecht will
    Die Rechtspfleg auf dem platten Land verbessern,
    Die mangelhaft von mancher Seite scheint,
    Und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten.
    Doch mein Geschäft auf dieser Reis' ist noch
    Ein strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen,
    Und find ich gleich nicht alles, wie es soll,
    Ich freue mich, wenn es erträglich ist.

    Adam
    Fürwahr, so edle Denkart muß man loben.
    Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl ich,
    Den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen;
    Und wenn er in den Niederlanden gleich
    Seit Kaiser Karl dem Fünften schon besteht:
    Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden?
    Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger,
    Und alles liest, ich weiß, den Puffendorf;
    Doch Huisum ist ein kleiner Teil der Welt,
    Auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Teil nur
    Kann von der allgemeinen Klugheit kommen.
    Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf,
    Und überzeugt Euch, gnäd'ger Herr, Ihr habt
    Ihr noch so bald den Rücken nicht gekehrt,
    Als sie auch völlig Euch befried'gen wird;
    Doch fändet Ihr sie heut im Amte schon,
    Wie Ihr es wünscht, mein Seel, so wärs ein Wunder,
    Da sie nur dunkel weiß noch, was Ihr wollt.

    Walter
    Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr
    Es sind zu viel, man wird sie sichten müssen.

    Adam
    Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!

    Walter
    Das ist dort der Herr Schreiber?

    Licht
    Der Schreiber Licht,
    Zu Eurer Gnaden Diensten. Pfingsten
    Neun Jahre, daß ich im Justizamt bin.

    Adambringt einen Stuhl.
    Setzt Euch.

    Walter
    Laßt sein.

    Adam
    Ihr kommt von Holla schon.

    Walter
    Zwei kleine Meilen – Woher wißt Ihr das?

    Adam
    Woher? Ew. Gnaden Diener –

    Licht
    Ein Bauer sagt' es,
    Der eben jetzt von Holla eingetroffen.

    Walter
    Ein Bauer?

    Adam
    Aufzuwarten.

    Walter
    – Ja! Es trug sich
    Dort ein unangenehmer Vorfall zu,
    Der mir die heitre Laune störte,
    Die in Geschäften uns begleiten soll. –
    Ihr werdet davon unterrichtet sein?

    Adam
    Wärs wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul,
    Weil er Arrest in seinem Haus empfing,
    Verzweiflung hätt den Toren überrascht,
    Er hing sich auf?

    Walter
    Und machte Übel ärger.
    Was nur Unordnung schien, Verworrenheit,
    Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung,
    Die das Gesetz, Ihr wißts, nicht mehr verschont. –
    Wie viele Kassen habt Ihr?

    Adam
    Fünf, zu dienen.

    Walter
    Wie, fünf? Ich stand im Wahn – Gefüllte Kassen?
    Ich stand im Wahn, daß Ihr nur vier –

    Adam
    Verzeiht!
    Mit der Rhein-Inundations-Kollekten-Kasse?

    Walter
    Mit der Inundations-Kollekten-Kasse!
    Doch jetzo ist der Rhein nicht inundiert,
    Und die Kollekten gehn mithin nicht ein.
    – Sagt doch, Ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?

    Adam
    Ob wir –?

    Walter
    Was?

    Licht
    Ja, den ersten in der Woche.

    Walter
    Und jene Schar von Leuten, die ich draußen
    Auf Eurem Flure sah, sind das –?

    Adam
    Das werden –

    Licht
    Die Kläger sinds, die sich bereits versammeln.

    Walter
    Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren.
    Laßt diese Leute, wenns beliebt, erscheinen.
    Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe,
    Wie er in Eurem Huisum üblich ist.
    Wir nehmen die Registratur, die Kassen
    Nachher, wenn diese Sache abgetan.

    Adam
    Wie Ihr befehlt. – Der Büttel! He! Hanfriede!

    Fünfter Auftritt

    Die zweite Magd tritt auf. Die Vorigen.

    Zweite Magd
    Gruß von Frau Küsterin, Herr Richter Adam;
    So gern sie die Perück Euch auch –

    Adam
    Wie? Nicht?

    Zweite Magd
    Sie sagt, es wäre Morgenpredigt heute;
    Der Küster hätte selbst die eine auf,
    Und seine andre wäre unbrauchbar,
    Sie sollte heut zu dem Perückenmacher.

    Adam
    Verflucht!

    Zweite Magd
    Sobald der Küster wieder kömmt,
    Wird sie jedoch sogleich Euch seine schicken.

    Adam
    Auf meine Ehre, gnäd'ger Herr –

    Walter
    Was gibts?

    Adam
    Ein Zufall, ein verwünschter, hat um beide
    Perücken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir
    Die dritte aus, die ich mir leihen wollte:
    Ich muß kahlköpfig den Gerichtstag halten.

    Walter
    Kahlköpfig!

    Adam
    Ja, beim ew'gen Gott! So sehr
    Ich ohne der Perücke Beistand um
    Mein Richteransehn auch verlegen bin.
    – Ich müßt es auf dem Vorwerk noch versuchen,
    Ob mir vielleicht der Pächter –?

    Walter
    Auf dem Vorwerk!
    Kann jemand anders hier im Orte nicht –?

    Adam
    Nein, in der Tat –

    Walter
    Der Prediger vielleicht.

    Adam
    Der Prediger? Der –

    Walter
    Oder Schulmeister.

    Adam
    Seit der Sackzehnte abgeschafft, Ew. Gnaden,
    Wozu ich hier im Amte mitgewirkt,
    Kann ich auf beider Dienste nicht mehr rechnen.

    Walter
    Nun, Herr Dorfrichter? Nun? Und der Gerichtstag?
    Denkt Ihr zu warten, bis die Haar Euch wachsen?

    Adam
    Ja, wenn Ihr mir erlaubt, schick ich aufs Vorwerk.

    Walter
    – Wie weit ists auf das Vorwerk?

    Adam
    Ei! Ein kleines Halbstündchen.

    Walter
    Eine halbe Stunde, was!
    Und Eurer Sitzung Stunde schlug bereits.
    Macht fort! Ich muß noch heut nach Hussahe.

    Adam
    Macht fort! ja –

    Walter
    Ei, so pudert Euch den Kopf ein!
    Wo Teufel auch, wo ließt Ihr die Perücken?
    – Helft Euch, so gut Ihr könnt. Ich habe Eile.

    Adam
    Auch das.

    Der Bütteltritt auf.
    Hier ist der Büttel!

    Adam
    Kann ich inzwischen
    Mit einem guten Frühstück, Wurst aus Braunschweig,
    Ein Gläschen Danziger etwa –

    Walter
    Danke sehr.

    Adam
    Ohn Umständ!

    Walter
    Dank, Ihr hörts, habs schon genossen.
    Geht Ihr, und nutzt die Zeit, ich brauche sie,
    In meinem Büchlein etwas mir zu merken.

    Adam
    Nun, wenn Ihr so befehlt – Komm, Margarete!

    Walter
    – Ihr seid ja bös verletzt, Herr Richter Adam.
    Seid Ihr gefallen?

    Adam
    – Hab einen wahren Mordschlag
    Heut früh, als ich dem Bett entstieg, getan:
    Seht, gnäd'ger Herr Gerichtsrat, einen Schlag
    Ins Zimmer hin, ich glaubt, es wär ins Grab.

    Walter
    Das tut mir leid. – Es wird doch weiter nicht
    Von Folgen sein?

    Adam
    Ich denke nicht. Und auch
    In meiner Pflicht solls weiter mich nicht stören. Erlaubt!

    Walter
    Geht, geht!

    Adamzum Büttel.
    Die Kläger rufst du – Marsch!

    Adam, die Magd und der Büttel ab.

    Sechster Auftritt

    Frau Marthe, Eve, Veit und Ruprecht treten auf. – Walter und Licht im Hintergrunde.

    Frau Marthe
    Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr!
    Ihr sollt mir büßen, ihr!

    Veit
    Sei Sie nur ruhig,
    Frau Marth! Es wird sich alles hier entscheiden.

    Frau Marthe
    O ja. Entscheiden. Seht doch! Den Klugschwätzer!
    Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden!
    Wer wird mir den geschiednen Krug entscheiden?
    Hier wird entschieden werden, daß geschieden
    Der Krug mir bleiben soll. Für so'n Schiedsurteil
    Geb ich noch die geschiednen Scherben nicht.

    Veit
    Wenn Sie sich Recht erstreiten kann, Sie hörts,
    Ersetz ich ihn.

    Frau Marthe
    Er mir den Krug ersetzen.
    Wenn ich mir Recht erstreiten kann, ersetzen.
    Setz Er den Krug mal hin, versuch Ers mal,
    Setz Er'n mal hin auf das Gesims! Ersetzen!
    Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat,
    Zum Liegen oder Sitzen hat, ersetzen!

    Veit
    Sie hörts! Was geifert Sie? Kann man mehr tun?
    Wenn einer Ihr von uns den Krug zerbrochen,
    Soll Sie entschädigt werden.

    Frau Marthe
    Ich entschädigt!
    Als ob ein Stück von meinem Hornvieh spräche.
    Meint Er, daß die Justiz ein Töpfer ist?
    Und kämen die Hochmögenden und bänden
    Die Schürze vor, und trügen ihn zum Ofen,
    Die könnten sonst was in den Krug mir tun,
    Als ihn entschädigen. Entschädigen!

    Ruprecht
    Laß Er sie, Vater. Folg Er mir. Der Drache!
    's ist der zerbrochne Krug nicht, der sie wurmt,
    Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen,
    Und mit Gewalt hier denkt sie sie zu flicken.
    Ich aber setze noch den Fuß eins drauf:
    Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme.

    Frau Marthe
    Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken!
    Die Hochzeit, nicht des Flickdrahts, unzerbrochen,
    Nicht Einen von des Kruges Scherben wert.
    Und stünd die Hochzeit blankgescheuert vor mir,
    Wie noch der Krug auf dem Gesimse gestern,
    So faßt ich sie beim Griff jetzt mit den Händen,
    Und schlüg sie gellend Ihm am Kopf entzwei,
    Nicht aber hier die Scherben möcht ich flicken!
    Sie flicken!

    Eve
    Ruprecht!

    Ruprecht
    Fort, du –!

    Eve
    Liebster Ruprecht!

    Ruprecht
    Mir aus den Augen!

    Eve
    Ich beschwöre dich.

    Ruprecht
    Die liederliche –! Ich mag nicht sagen, was.

    Eve
    Laß mich ein einz'ges Wort dir heimlich –

    Ruprecht
    Nichts!

    Eve
    Du gehst zum Regimente jetzt, o Ruprecht,
    Wer weiß, wenn du erst die Muskete trägst,
    Ob ich dich je im Leben wieder sehe.
    Krieg ists, bedenke, Krieg, in den du ziehst:
    Willst du mit solchem Grolle von mir scheiden?

    Ruprecht
    Groll? Nein, bewahr mich Gott, das will ich nicht.
    Gott schenk dir so viel Wohlergehn, als er
    Erübrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege
    Gesund, mit erzgegoßnem Leib zurück,
    Und würd in Huisum achtzig Jahre alt,
    So sagt ich noch im Tode zu dir: Metze!
    Du willsts ja selber vor Gericht beschwören.

    Frau Marthezu Eve.
    Hinweg! Was sagt ich dir? Willst du dich noch
    Beschimpfen lassen? Der Herr Korporal
    Ist was für dich, der würd'ge Holzgebein,
    Der seinen Stock im Militär geführt,
    Und nicht dort der Maulaffe, der dem Stock
    Jetzt seinen Rücken bieten wird. Heut ist
    Verlobung, Hochzeit, wäre Taufe heute,
    Es wär mir recht, und mein Begräbnis leid ich,
    Wenn ich dem Hochmut erst den Kamm zertreten,
    Der mir bis an die Krüge schwillet.

    Eve
    Mutter!
    Laßt doch den Krug! Laßt mich doch in der Stadt versuchen,
    Ob ein geschickter Handwerksmann die Scherben
    Nicht wieder Euch zur Lust zusammenfügt.
    Und wärs um ihn geschehn, nehmt meine ganze
    Sparbüchse hin, und kauft Euch einen neuen.
    Wer wollte doch um einen irdnen Krug,
    Und stammt' er von Herodes' Zeiten her,
    Solch einen Aufruhr, so viel Unheil stiften.

    Frau Marthe
    Du sprichst, wie du's verstehst. Willst du etwa
    Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche
    Am nächsten Sonntag reuig Buße tun?
    Dein guter Name lag in diesem Topfe,
    Und vor der Welt mit ihm ward er zerstoßen,
    Wenn auch vor Gott nicht, und vor mir und dir.
    Der Richter ist mein Handwerksmann, der Scherge,
    Der Block ists, Peitschenhiebe, die es braucht,
    Und auf den Scheiterhaufen das Gesindel,
    Wenns unsre Ehre weiß zu brennen gilt,
    Und diesen Krug hier wieder zu glasieren.

    Siebenter Auftritt

    Adam im Ornat, doch ohne Perücke, tritt auf. Die Vorigen.

    Adamfür sich.
    Ei, Evchen. Sieh! Und der vierschröt'ge Schlingel,
    Der Ruprecht! Ei, was Teufel, sieh! die ganze Sippschaft!
    – Die werden mich doch nicht bei mir verklagen?

    Eve
    O liebste Mutter, folgt mir, ich beschwör Euch,
    Laßt diesem Unglückszimmer uns entfliehen!

    Adam
    Gevatter! Sagt mir doch, was bringen die?

    Licht
    Was weiß ich? Lärm um nichts; Lappalien.
    Es ist ein Krug zerbrochen worden, hör ich.

    Adam
    Ein Krug! So! Ei! – Ei, wer zerbrach den Krug?

    Licht
    Wer ihn zerbrochen?

    Adam
    Ja, Gevatterchen.

    Licht
    Mein Seel, setzt Euch: so werdet Ihrs erfahren.

    Adamheimlich.
    Evchen!

    Evegleichfalls.
    Geh Er.

    Adam
    Ein Wort.

    Eve
    Ich will nichts wissen.

    Adam
    Was bringt ihr mir?

    Eve
    Ich sag Ihm, Er soll gehn.

    Adam
    Evchen! Ich bitte dich! Was soll mir das bedeuten?

    Eve
    Wenn Er nicht gleich –! Ich sags Ihm, laß Er mich.

    Adamzu Licht.
    Gevatter, hört, mein Seel, ich halts nicht aus.
    Die Wund am Schienbein macht mir Übelkeiten;
    Führt Ihr die Sach, ich will zu Bette gehn.

    Licht
    Zu Bett –? Ihr wollt –? Ich glaub, Ihr seid verrückt.

    Adam
    Der Henker hols. Ich muß mich übergeben.

    Licht
    Ich glaub, Ihr rast, im Ernst. Soeben kommt Ihr –?
    – Meinethalben. Sagts dem Herrn Gerichtsrat dort.
    Vielleicht erlaubt ers. – Ich weiß nicht, was Euch fehlt.

    Adamwieder zu Even.
    Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden!
    Was ists, das ihr mir bringt?

    Eve
    Er wirds schon hören.

    Adam
    Ists nur der Krug dort, den die Mutter hält,
    Den ich, soviel –?

    Eve
    Ja, der zerbrochne Krug nur.

    Adam
    Und weiter nichts?

    Eve
    Nichts weiter.

    Adam
    Nichts? Gewiß nichts?

    Eve
    Ich sag Ihm, geh Er. Laß Er mich zufrieden.

    Adam
    Hör du, bei Gott, sei klug, ich rat es dir.

    Eve
    Er Unverschämter!

    Adam
    In dem Attest steht
    Der Name jetzt, Frakturschrift, Ruprecht Tümpel.
    Hier trag ichs fix und fertig in der Tasche;
    Hörst du es knackern, Evchen? Sieh, das kannst du,
    Auf meine Ehr, heut übers Jahr dir holen,
    Dir Trauerschürz und Mieder zuzuschneiden,
    Wenns heißt: der Ruprecht in Batavia
    Krepiert'- ich weiß an welchem Fieber nicht,
    Wars gelb, wars scharlach, oder war es faul.

    Walter
    Sprecht nicht mit den Parteien, Herr Richter Adam,
    Vor der Session! Hier setzt Euch, und befragt sie.

    Adam
    Was sagt er? – Was befehlen Ew. Gnaden?

    Walter
    Was ich befehl? – Ich sagte deutlich Euch,
    Daß Ihr nicht heimlich vor der Sitzung sollt
    Mit den Parteien zweideut'ge Sprache führen.
    Hier ist der Platz, der Eurem Amt gebührt,
    Und öffentlich Verhör, was ich erwarte.

    Adamfür sich.
    Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen –!
    Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm –

    Lichtihn aufschreckend.
    Herr Richter! Seid Ihr –!

    Adam
    Ich? Auf Ehre nicht!
    Ich hatte sie behutsam drauf gehängt,
    Und müßt ein Ochs gewesen sein –

    Licht
    Was?

    Adam
    Was?

    Licht
    Ich fragte –!

    Adam
    Ihr fragtet, ob ich –?

    Licht
    Ob Ihr taub seid, fragt ich.
    Dort Sr. Gnaden haben Euch gerufen.

    Adam
    Ich glaubte –! Wer ruft?

    Licht
    Der Herr Gerichtsrat dort.

    Adamfür sich.
    Ei! Hols der Henker auch! Zwei Fälle gibts,
    Mein Seel, nicht mehr, und wenns nicht biegt, so brichts.
    – Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Ew. Gnaden?
    Soll jetzt die Prozedur beginnen?

    Walter
    Ihr seid ja sonderbar zerstreut. Was fehlt Euch?

    Adam
    – Auf Ehr! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,
    Das ich von einem Indienfahrer kaufte,
    Den Pips: ich soll es nudeln, und verstehs nicht,
    Und fragte dort die Jungfer bloß um Rat.
    Ich bin ein Narr in solchen Dingen, seht,
    Und meine Hühner nenn ich meine Kinder.

    Walter
    Hier. Setzt Euch. Ruft den Kläger und vernehmt ihn.
    Und Ihr, Herr Schreiber, führt das Protokoll.

    Adam
    Befehlen Ew. Gnaden den Prozeß
    Nach den Formalitäten, oder so,
    Wie er in Huisum üblich ist, zu halten?

    Walter
    Nach den gesetzlichen Formalitäten,
    Wie er in Huisum üblich ist, nicht anders.

    Adam
    Gut, gut. Ich werd Euch zu bedienen wissen.
    Seid Ihr bereit, Herr Schreiber?

    Licht
    Zu Euren Diensten.

    Adam
    – So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!
    Kläger trete vor.

    Frau Marthe
    Hier, Herr Dorfrichter!

    Adam
    Wer seid Ihr?

    Frau Marthe
    Wer –?

    Adam
    Ihr.

    Frau Marthe
    Wer ich –?

    Adam
    Wer Ihr seid!
    Wes Namens, Standes, Wohnorts, und so weiter.

    Frau Marthe
    Ich glaub, Er spaßt, Herr Richter.

    Adam
    Spaßen, was!
    Ich sitz im Namen der Justiz, Frau Marthe,
    Und die Justiz muß wissen, wer Ihr seid.

    Lichthalblaut.
    Laßt doch die sonderbare Frag –

    Frau Marthe
    Ihr guckt
    Mir alle Sonntag in die Fenster ja,
    Wenn Ihr aufs Vorwerk geht!

    Walter
    Kennt Ihr die Frau?

    Adam
    Sie wohnt hier um die Ecke, Ew. Gnaden,
    Wenn man den Fußsteig durch die Hecken geht;
    Witw' eines Kastellans, Hebamme jetzt,
    Sonst eine ehrliche Frau, von gutem Rufe.

    Walter
    Wenn Ihr so unterrichtet seid, Herr Richter,
    So sind dergleichen Fragen überflüssig.
    Setzt ihren Namen in das Protokoll,
    Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

    Adam
    Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten.
    Tut so, wie Sr. Gnaden anbefohlen.

    Walter
    Fragt nach dem Gegenstand der Klage jetzt.

    Adam
    Jetzt soll ich –?

    Walter
    Ja, den Gegenstand ermitteln!

    Adam
    Das ist gleichfalls ein Krug, verzeiht.

    Walter
    Wie? Gleichfalls!

    Adam
    Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug,
    Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

    Licht
    Auf meine hingeworfene Vermutung
    Wollt Ihr, Herr Richter –?

    Adam
    Mein Seel, wenn ichs Euch sage,
    So schreibt Ihrs hin. Ists nicht ein Krug, Frau Marthe?

    Frau Marthe
    Ja, hier der Krug –

    Adam
    Da habt Ihrs.

    Frau Marthe
    Der zerbrochne –

    Adam
    Pedantische Bedenklichkeit.

    Licht
    Ich bitt Euch –

    Adam
    Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel –?

    Frau Marthe
    Ja, er, der Schlingel dort –

    Adamfür sich.
    Mehr brauch ich nicht.

    Ruprecht
    Das ist nicht wahr, Herr Richter.

    Adamfür sich.
    Auf, aufgelebt, du alter Adam!

    Ruprecht
    Das lügt sie in den Hals hinein –

    Adam
    Schweig, Maulaffe!
    Du steckst den Hals noch früh genug ins Eisen.
    – Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie gesagt,
    Zusamt dem Namen des, der ihn zerschlagen.
    Jetzt wird die Sache gleich ermittelt sein.

    Walter
    Herr Richter! Ei! Welch ein gewaltsames Verfahren.

    Adam
    Wieso?

    Licht
    Wollt Ihr nicht förmlich

    Adam
    Nein! sag ich;
    Ihr Gnaden lieben Förmlichkeiten nicht.

    Walter
    Wenn Ihr die Instruktion, Herr Richter Adam,
    Nicht des Prozesses einzuleiten wißt,
    Ist hier der Ort jetzt nicht, es Euch zu lehren.
    Wenn Ihr Recht anders nicht, als so, könnt geben,
    So tretet ab: vielleicht kanns Euer Schreiber.

    Adam
    Erlaubt! Ich gabs, wie's hier in Huisum üblich;
    Ew. Gnaden habens also mir befohlen.

    Walter
    Ich hätt –?

    Adam
    Auf meine Ehre!

    Walter
    Ich befahl Euch,
    Recht hier nach den Gesetzen zu erteilen;
    Und hier in Huisum glaubt ich die Gesetze
    Wie anderswo in den vereinten Staaten.

    Adam
    Da muß submiß ich um Verzeihung bitten!
    Wir haben hier, mit Euerer Erlaubnis,
    Statuten, eigentümliche, in Huisum,
    Nicht aufgeschriebene, muß ich gestehn, doch durch
    Bewährte Tradition uns überliefert.
    Von dieser Form, getrau ich mir zu hoffen,
    Bin ich noch heut kein Jota abgewichen.
    Doch auch in Eurer andern Form bin ich,
    Wie sie im Reich mag üblich sein, zu Hause.
    Verlangt Ihr den Beweis? Wohlan, befehlt!
    Ich kann Recht so jetzt, jetzo so erteilen.

    Walter
    Ihr gebt mir schlechte Meinungen, Herr Richter.
    Es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an. –

    Adam
    Auf Ehr! Gebt acht, Ihr sollt zufrieden sein.
    – Frau Marthe Rull! Bringt Eure Klage vor.

    Frau Marthe
    Ich klag, Ihr wißts, hier wegen dieses Krugs;
    Jedoch vergönnt, daß ich, bevor ich melde,
    Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe,
    Was er vorher mir war.

    Adam
    Das Reden ist an Euch.

    Frau Marthe
    Seht ihr den Krug, ihr wertgeschätzten Herren?
    Seht ihr den Krug?

    Adam
    O ja, wir sehen ihn.

    Frau Marthe
    Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr;
    Der Krüge schönster ist entzwei geschlagen.
    Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts,
    Sind die gesamten niederländischen Provinzen
    Dem span'schen Philipp übergeben worden.
    Hier im Ornat stand Kaiser Karl der Fünfte:
    Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn.
    Hier kniete Philipp und empfing die Krone;
    Der liegt im Topf, bis auf den Hinterteil,
    Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.
    Dort wischten seine beiden Muhmen sich,
    Der Franzen und der Ungarn Königinnen,
    Gerührt die Augen aus; wenn man die eine
    Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,
    So ists, als weinete sie über sich.
    Hier im Gefolge stützt sich Philibert,
    Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,
    Noch auf das Schwert; doch jetzo müßt er fallen,
    So gut wie Maximilian: der Schlingel!
    Die Schwerter unten jetzt sind weggeschlagen.
    Hier in der Mitte, mit der heil'gen Mütze,
    Sah man den Erzbischof von Arras stehn;
    Den hat der Teufel ganz und gar geholt,
    Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.
    Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,
    Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,
    Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,
    Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster:
    Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.

    Adam
    Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Paktum,
    Wenn es zur Sache nicht gehört.
    Uns geht das Loch – nichts die Provinzen an,
    Die darauf übergeben worden sind.

    Frau Marthe
    Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache!
    Den Krug erbeutete sich Childerich,
    Der Kesselflicker, als Oranien
    Briel mit den Wassergeusen überrumpelte.
    Ihn hatt ein Spanier, gefüllt mit Wein,
    Just an den Mund gesetzt, als Childerich
    Den Spanier von hinten niederwarf,
    Den Krug ergriff, ihn leert' und weiterging.

    Adam
    Ein würd'ger Wassergeuse.

    Frau Marthe
    Hierauf vererbte
    Der Krug auf Fürchtegott, den Totengräber;
    Der trank zu dreimal nur, der Nüchterne,
    Und stets vermischt mit Wasser aus dem Krug.
    Das erstemal, als er im Sechzigsten
    Ein junges Weib sich nahm; drei Jahre drauf,
    Als sie noch glücklich ihn zum Vater machte;
    Und als sie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte,
    Trank er zum dritten Male, als sie starb.

    Adam
    Gut. Das ist auch nicht übel.

    Frau Marthe
    Drauf fiel der Krug
    An den Zachäus, Schneider in Tirlemont,
    Der meinem sel'gen Mann, was ich euch jetzt
    Berichten will, mit eignem Mund erzählt.
    Der warf, als die Franzosen plünderten,
    Den Krug, samt allem Hausrat, aus dem Fenster,
    Sprang selbst, und brach den Hals, der Ungeschickte,
    Und dieser irdne Krug, der Krug von Ton,
    Aufs Bein kam er zu stehen, und blieb ganz.

    Adam
    Zur Sache, wenns beliebt, Frau Marthe Rull! Zur Sache!

    Frau Marthe
    Drauf in der Feuersbrunst von sechsundsechzig,
    Da hatt ihn schon mein Mann, Gott hab ihn selig –

    Adam
    Zum Teufel! Weib! So seid Ihr noch nicht fertig?

    Frau Marthe
    – Wenn ich nicht reden soll, Herr Richter Adam,
    So bin ich unnütz hier, so will ich gehn,
    Und ein Gericht mir suchen, das mich hört.

    Walter
    Ihr sollt hier reden: doch von Dingen nicht,
    Die Eurer Klage fremd. Wenn Ihr uns sagt,
    Daß jener Krug Euch wert, so wissen wir
    So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen.

    Frau Marthe
    Wie viel ihr brauchen möget, hier zu richten,
    Das weiß ich nicht, und untersuch es nicht;
    Das aber weiß ich, daß ich, um zu klagen,
    Muß vor euch sagen dürfen, über was.

    Walter
    Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug?
    Was? – Was geschah dem Krug im Feuer
    Von Anno sechsundsechzig? Wird mans hören?
    Was ist dem Krug geschehn?

    Frau Marthe
    Was ihm geschehen?
    Nichts ist dem Krug, ich bitt euch sehr, ihr Herren,
    Nichts Anno sechsundsechzig ihm geschehen.
    Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte,
    Und aus des Hauses Asche zog ich ihn
    Hervor, glasiert, am andern Morgen, glänzend,
    Als käm er eben aus dem Töpferofen.

    Walter
    Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wissen
    Wir alles, was dem Krug geschehn, was nicht.
    Was gibts jetzt weiter?

    Frau Marthe
    Nun, diesen Krug jetzt, seht – den Krug,
    Zertrümmert einen Krug noch wert, den Krug
    Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst
    Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht,
    Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,
    Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen.

    Adam
    Wer?

    Frau Marthe
    Er, der Ruprecht dort.

    Ruprecht
    Das ist gelogen, Herr Richter.

    Adam
    Schweig Er, bis man Ihn fragen wird.
    Auch heut an Ihn noch wird die Reihe kommen.
    – Habt Ihrs im Protokoll bemerkt?

    Licht
    O ja.

    Adam
    Erzählt den Hergang, würdige Frau Marthe.

    Frau Marthe
    Es war Uhr elfe gestern –

    Adam
    Wann, sagt Ihr?

    Frau Marthe
    Uhr elf.

    Adam
    Am Morgen?

    Frau Marthe
    Nein, verzeiht, am Abend –
    Und schon die Lamp im Bette wollt ich löschen,
    Als laute Männerstimmen, ein Tumult,
    In meiner Tochter abgelegnen Kammer,
    Als ob der Feind einbräche, mich erschreckt.
    Geschwind die Trepp eil ich hinab, ich finde
    Die Kammertür gewaltsam eingesprengt,
    Schimpfreden schallen wütend mir entgegen,
    Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte,
    Was find ich jetzt, Herr Richter, was jetzt find ich?
    Den Krug find ich zerscherbt im Zimmer liegen,
    In jedem Winkel brüchig liegt ein Stück,
    Das Mädchen ringt die Händ, und er, der Flaps dort,
    Der trotzt, wie toll, Euch in des Zimmers Mitte.

    Adam
    Ei, Wetter!

    Frau Marthe
    Was?

    Adam
    Sieh da, Frau Marthe!

    Frau Marthe
    Ja! –
    Drauf ists, als ob, in so gerechtem Zorn,
    Mir noch zehn Arme wüchsen, jeglichen
    Fühl ich mir wie ein Geier ausgerüstet.
    Ihn stell ich dort zur Rede, was er hier
    In später Nacht zu suchen, mir die Krüge
    Des Hauses tobend einzuschlagen habe;
    Und er, zur Antwort gibt er mir, jetzt ratet –
    Der Unverschämte! Der Halunke, der!
    Aufs Rad will ich ihn sehen, oder mich
    Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen;
    Er spricht, es hab ein anderer den Krug
    Vom Sims gestürzt – ein anderer, ich bitt Euch,
    Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen;
    – Und überhäuft mit Schimpf mir da das Mädchen.

    Adam
    O! faule Fische – Hierauf?

    Frau Marthe
    Auf dies Wort
    Seh ich das Mädchen fragend an; die steht
    Gleich einer Leiche da, ich sage: Eve!
    Sie setzt sich. – Ists ein anderer gewesen?
    Frag ich. Und »Joseph und Marie«, ruft sie,
    »Was denkt Ihr, Mutter, auch?« – So sprich! Wer wars?
    »Wer sonst«, sagt sie, – und wer auch konnt es anders?
    Und schwört mir zu, daß ers gewesen ist.

    Eve
    Was schwor ich Euch? Was hab ich Euch geschworen?
    Nichts schwor ich, nichts Euch –

    Frau Marthe
    Eve!

    Eve
    Nein! Dies lügt Ihr –

    Ruprecht
    Da hört Ihrs.

    Adam
    Hund, jetzt, verfluchter, schweig,
    Soll hier die Faust den Rachen dir nicht stopfen!
    Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt.

    Frau Marthe
    Du hättest nicht –?

    Eve
    Nein, Mutter! Dies verfälscht Ihr.
    Seht, leid tuts in der Tat mir tief zur Seele,
    Daß ich es öffentlich erklären muß:
    Doch nichts schwor ich, nichts, nichts hab ich geschworen.

    Adam
    Seid doch vernünftig, Kinder.

    Licht
    Das ist ja seltsam.

    Frau Marthe
    Du hättest mir, o Eve, nicht versichert
    Nicht Joseph und Maria angerufen?

    Eve
    Beim Schwur nicht! Schwörend nicht! Seht, dies jetzt schwör ich,
    Und Joseph und Maria ruf ich an.

    Adam
    Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht Sie?
    Wie schüchtert Sie das gute Kind auch ein!
    Wenn sich die Jungfer wird besonnen haben,
    Erinnert ruhig dessen, was geschehen,
    – Ich sage, was geschehen ist, und was,
    Spricht sie nicht, wie sie soll, geschehn noch kann:
    Gebt acht, so sagt sie heut uns aus, wie gestern,
    Gleichviel, ob sie's beschwören kann, ob nicht.
    Laßt Joseph und Maria aus dem Spiele.

    Walter
    Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den
    Parteien so zweideut'ge Lehren geben.

    Frau Marthe
    Wenn sie ins Angesicht mir sagen kann,
    Schamlos, die liederliche Dirne, die,
    Daß es ein andrer als der Ruprecht war,
    So mag meinetwegen sie – ich mag nicht sagen, was.
    Ich aber, ich versichr es Euch, Herr Richter,
    Und kann ich gleich nicht, daß sie's schwor, behaupten,
    Daß sie's gesagt hat gestern, das beschwör ich,
    Und Joseph und Maria ruf ich an.

    Adam
    Nun weiter will ja auch die Jungfer –

    Walter
    Herr Richter!

    Adam
    Ew. Gnaden? Was sagt er? – Nicht, Herzens-Evchen.

    Frau Marthe
    Heraus damit! Hast du's mir nicht gesagt?
    Hast du's mir gestern nicht, mir nicht gesagt?

    Eve
    Wer leugnet Euch, daß ichs gesagt –

    Adam
    Da habt Ihrs.

    Ruprecht
    Die Metze, die!

    Adam
    Schreibt auf.

    Veit
    Pfui, schäm Sie sich.

    Walter
    Von Eurer Aufführung, Herr Richter Adam,
    Weiß ich nicht, was ich denken soll. Wenn Ihr selbst
    Den Krug zerschlagen hättet, könntet Ihr
    Von Euch ab den Verdacht nicht eifriger
    Hinwälzen auf den jungen Mann, als jetzt.
    Ihr setzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber,
    Als nur der Jungfer Eingeständnis, hoff ich.
    Vom gestrigen Geständnis, nicht vom Fakto.
    – Ists an die Jungfer jetzt schon, auszusagen?

    Adam
    Mein Seel, wenns ihre Reihe noch nicht ist,
    In solchen Dingen irrt der Mensch, Ew. Gnaden.
    Wen hätt ich fragen sollen jetzt? Beklagten?
    Auf Ehr! Ich nehme gute Lehre an.

    Walter
    Wie unbefangen! – Ja, fragt den Beklagten.
    Fragt, macht ein Ende, fragt, ich bitt Euch sehr:
    Dies ist die letzte Sache, die Ihr führt.

    Adam
    Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten!
    Wohin auch, alter Richter, dachtest du?
    Verflucht das pips'ge Perlhuhn mir! Daß es
    Krepiert wär an der Pest in Indien!
    Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn.

    Walter
    Was liegt? Was für ein Kloß liegt Euch –?

    Adam
    Der Nudelkloß,
    Verzeiht, den ich dem Huhne geben soll.
    Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter,
    Mein Seel, so weiß ich nicht, wie's werden wird.

    Walter
    Tut Eure Schuldigkeit, sag ich, zum Henker!

    Adam
    Beklagter trete vor.

    Ruprecht
    Hier, Herr Dorfrichter.
    Ruprecht, Veits, des Kossäten, Sohn, aus Huisum.

    Adam
    Vernahm Er dort, was vor Gericht soeben
    Frau Marthe gegen Ihn hat angebracht?

    Ruprecht
    Ja, Herr Dorfrichter, das hab ich.

    Adam
    Getraut Er sich
    Etwas dagegen aufzubringen, was?
    Bekennt Er, oder unterfängt Er sich,
    Hier wie ein gottvergeßner Mensch zu leugnen?

    Ruprecht
    Was ich dagegen aufzubringen habe,
    Herr Richter? Ei! Mit Euerer Erlaubnis,
    Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat.

    Adam
    So? Und das denkt Er zu beweisen?

    Ruprecht
    O ja.

    Adam
    Die würdige Frau Marthe, die –
    Beruhige Sie sich. Es wird sich finden.

    Walter
    Was geht Ihm die Frau Marthe an, Herr Richter?

    Adam
    Was mir –? Bei Gott! Soll ich als Christ –?

    Walter
    Bericht'
    Er, was Er für sich anzuführen hat. –
    Herr Schreiber, wißt Ihr den Prozeß zu führen?

    Adam
    Ach, was!

    Licht
    Ob ich – ei nun, wenn Ew. Gnaden –

    Adam
    Was glotzt Er da? Was hat Er aufzubringen?
    Steht nicht der Esel wie ein Ochse da?
    Was hat Er aufzubringen?

    Ruprecht
    Was ich aufzubringen?

    Walter
    Er, ja, Er soll den Hergang jetzt erzählen.

    Ruprecht
    Mein Seel, wenn man zu Wort mich kommen ließe.

    Walter
    's ist in der Tat, Herr Richter, nicht zu dulden.

    Ruprecht
    Glock zehn Uhr mocht es etwa sein zu Nacht,
    Und warm just diese Nacht des Januars
    Wie Mai, – als ich zum Vater sage: Vater!
    Ich will ein bissel noch zur Eve gehn.
    Denn heuren wollt ich sie, das müßt Ihr wissen;
    Ein rüstig Mädel ists, ich habs beim Ernten
    gesehn, wie alles von der Faust ihr ging,
    Und ihr das Heu man flog, als wie gemaust.
    Das sagt ich: Willst du? Und sie sagte: »Ach!
    Was du da gakelst.« Und nachher sagt' sie: »Ja.«

    Adam
    Bleib Er bei seiner Sache. Gakeln! Was!
    Ich sagte: Willst du? Und sie sagte: Ja.

    Ruprecht
    Ja, meiner Treu, Herr Richter.

    Walter
    Weiter! Weiter!

    Ruprecht
    Nun –
    Da sagt ich: Vater, hört Er? Laß Er mich.
    Wir schwatzen noch am Fenster was zusammen.
    »Na«, sagt er, »lauf; bleibst du auch draußen?« sagt er.
    Ja, meiner Seel, sag ich, das ist geschworen.
    »Na«, sagt er, »lauf, um elfe bist du hier.«

    Adam
    Na, so sag du, und gakle, und kein Ende.
    Na, hat er bald sich ausgesagt?

    Ruprecht
    Na, sag ich,
    Das ist ein Wort, und setz die Mütze auf,
    Und geh; und übern Steig will ich, und muß
    Durchs Dorf zurückgehn, weil der Bach geschwollen.
    Ei, alle Wetter, denk ich, Ruprecht, Schlag!
    Nun ist die Gartentür bei Marthens zu:
    Denn bis um zehn läßts Mädel sie nur offen,
    Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht.

    Adam
    Die liederliche Wirtschaft, die.

    Walter
    Drauf weiter?

    Ruprecht
    Drauf – wie ich übern Lindengang mich näh're,
    Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewölbt
    Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, sind,
    Hör ich die Gartentüre fernher knarren.
    Sieh da! Da ist die Eve noch! sag ich,
    Und schicke freudig Euch, von wo die Ohren
    Mir Kundschaft brachten, meine Augen nach
    – Und schelte sie, da sie mir wiederkommen,
    Für blind, und schicke auf der Stelle sie
    Zum zweitenmal, sich besser umzusehen,
    Und schimpfe sie nichtswürdige Verleumder,
    Aufhetzer, niederträcht'ge Ohrenbläser,
    Und schicke sie zum drittenmal, und denke,
    Sie werden, weil sie ihre Pflicht getan,
    Unwillig los sich aus dem Kopf mir reißen,
    Und sich in einen andern Dienst begeben:
    Die Eve ists, am Latz erkenn ich sie,
    Und einer ists noch obenein.

    Adam
    So? Einer noch? Und wer, Er Klugschwätzer?

    Ruprecht
    Wer? Ja, mein Seel, da fragt Ihr mich –

    Adam
    Nun also!
    Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen.

    Walter
    Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch!
    Was unterbracht Ihr ihn, Herr Dorfrichter?

    Ruprecht
    Ich kann das Abendmahl darauf nicht nehmen,
    Stockfinster wars, und alle Katzen grau.
    Doch müßt Ihr wissen, daß der Flickschuster,
    Der Lebrecht, den man kürzlich losgesprochen,
    Dem Mädel längst mir auf die Fährte ging.
    Ich sagte vor'gen Herbst schon: Eve, höre,
    Der Schuft schleicht mir ums Haus, das mag ich nicht;
    Sag ihm, daß du kein Braten bist für ihn,
    Mein Seel, sonst werf ich ihn vom Hof herunter.
    Die spricht: »Ich glaub, du schierst mich«, sagt ihm was,
    Das ist nicht hin, nicht her, nicht Fisch, nicht Fleisch:
    Drauf geh ich hin und werf den Schlingel herunter.

    Adam
    So? Lebrecht heißt der Kerl?

    Ruprecht
    Ja, Lebrecht.

    Adam
    Gut.
    Das ist ein Nam. Es wird sich alles finden.
    – Habt Ihrs bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber?

    Licht
    O ja, und alles andere, Herr Richter.

    Adam
    Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn.

    Ruprecht
    Nun schießt,
    Da ich Glock elf das Pärchen hier begegne,
    – Glock zehn Uhr zog ich immer ab – das Blatt mir.
    Ich denke: halt, jetzt ists noch Zeit, o Ruprecht,
    Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht;
    Hier mußt du sorgsam dir die Stirn befühlen,
    Ob dir von fern hornartig etwas keimt.
    Und drücke sacht mich durch die Gartenpforte,
    Und berg in einem Strauch von Taxus mich,
    Und hör Euch ein Gefispre hier, ein Scherzen,
    Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her,
    Mein Seel, ich denk, ich soll vor Lust –

    Eve
    Du Bösewicht!
    Was das, o, schändlich ist von dir!

    Frau Marthe
    Halunke!
    Dir weis ich noch einmal, wenn wir allein sind,
    Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir
    Die Haare wachsen! Du sollsts erfahren!

    Ruprecht
    Ein Viertelstündchen dauerts so; ich denke:
    Was wirds doch werden, ist doch heut nicht Hochzeit?
    Und eh ich den Gedanken ausgedacht,
    Husch! sind sie beid ins Haus schon, vor dem Pastor.

    Eve
    Geht, Mutter, mag es werden, wie es will –

    Adam
    Schweig du mir dort, tat ich, das Donnerwetter
    Schlägt über dich ein, unberufne Schwätzerin!
    Wart, bis ich auf zur Red dich rufen werde.

    Walter
    Sehr sonderbar, bei Gott!

    Ruprecht
    Jetzt hebt, Herr Richter Adam,
    Jetzt hebt sichs, wie ein Blutsturz, mir. Luft!
    Da mir der Knopf am Brustlatz springt: Luft jetzt!
    Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt, sag ich!
    Und geh, und drück, und tret und donnere,
    Da ich der Dirne Tür verriegelt finde,
    Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein.

    Adam
    Blitzjunge, du!

    Ruprecht
    Just da sie auf jetzt rasselt,
    Stürzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin,
    Und husch! springt einer aus dem Fenster Euch:
    Ich seh die Schöße noch vom Rocke wehn.

    Adam
    War das der Leberecht?

    Ruprecht
    Wer sonst, Herr Richter?
    Das Mädchen steht, die werf ich übern Haufen,
    Zum Fenster eil ich hin, und find den Kerl
    Noch in den Pfählen hangen, am Spalier,
    Wo sich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach.
    Und da die Klinke in der Hand mir blieb,
    Als ich die Tür eindonnerte, so reiß ich
    Jetzt mit dem Stahl eins pfundschwer übern Detz ihm:
    Den just, Herr Richter, konnt ich noch erreichen.

    Adam
    Wars eine Klinke?

    Ruprecht
    Was?

    Adam
    Obs –

    Ruprecht
    Ja, die Türklinke.

    Adam
    Darum.

    Licht
    Ihr glaubtet wohl, es war ein Degen?

    Adam
    Ein Degen? Ich – wieso?

    Ruprecht
    Ein Degen!

    Licht
    Je nun!
    Man kann sich wohl verhören. Eine Klinke
    Hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Degen.

    Adam
    Ich glaub –!

    Licht
    Bei meiner Treu! Der Stiel, Herr Richter?

    Adam
    Der Stiel!

    Ruprecht
    Der Stiel! Der wars nun aber nicht.
    Der Klinke umgekehrtes Ende wars.

    Adam
    Das umgekehrte Ende wars der Klinke!

    Licht
    So! So!

    Ruprecht
    Doch auf dem Griffe lag ein Klumpen
    Blei, wie ein Degengriff, das muß ich sagen.

    Adam
    Ja, wie ein Griff.

    Licht
    Gut. Wie ein Degengriff.
    Doch irgendeine tück'sche Waffe mußt es
    Gewesen sein. Das wußt ich wohl.

    Walter
    Zur Sache stets, Ihr Herren, doch! Zur Sache!

    Adam
    Nichts als Allotrien, Herr Schreiber! – Er, weiter!

    Ruprecht
    Jetzt stürzt der Kerl, und ich schon will mich wenden,
    Als ichs im Dunkeln auf sich rappeln sehe.
    Ich denke: lebst du noch? und steig aufs Fenster
    Und will dem Kerl das Gehen unten legen:
    Als jetzt, Ihr Herrn, da ich zum Sprung just aushol,
    Mir eine Handvoll grobgekörnten Sandes –
    Und Kerl und Nacht und Welt und Fensterbrett,
    Worauf ich steh, denk ich nicht, straf mich Gott,
    Das alles fällt in einen Sack zusammen –
    Wie Hagel, stiebend, in die Augen fliegt.

    Adam
    Verflucht! Sieh da! Wer tat das?

    Ruprecht
    Wer? Der Lebrecht.

    Adam
    Halunke!

    Ruprecht
    Meiner Treu! Wenn ers gewesen.

    Adam
    Wer sonst!

    Ruprecht
    Als stürzte mich ein Schloßenregen
    Von eines Bergs zehn Klaftern hohem Abhang,
    So schlag ich jetzt vom Fenster Euch ins Zimmer:
    Ich denk, ich schmettere den Boden ein.
    Nun brech ich mir den Hals doch nicht, auch nicht
    Das Kreuz mir, Hüften, oder sonst, inzwischen
    Konnt ich des Kerls doch nicht mehr habhaft werden,
    Und sitze auf, und wische mir die Augen.
    Die kommt, und: »Ach, Herr Gott!« ruft sie, und: »Ruprecht!
    Was ist dir auch?« Mein Seel, ich hob den Fuß,
    Gut wars, daß ich nicht sah, wohin ich stieß.

    Adam
    Kam das vom Sande noch?

    Ruprecht
    Vom Sandwurf, ja.

    Adam
    Verdammt! Der traf!

    Ruprecht
    Da ich jetzt aufersteh, –
    Was sollt ich auch die Fäuste hier mir schänden? –
    So schimpf ich sie, und sage: Liederliche Metze,
    Und denke, das ist gut genug für sie.
    Doch Tränen, seht, ersticken mir die Sprache.
    Denn da Frau Marthe jetzt ins Zimmer tritt,
    Die Lampe hebt, und ich das Mädchen dort
    Jetzt schlotternd, zum Erbarmen, vor mir sehe,
    Sie, die so herzhaft sonst wohl um sich sah,
    So sag ich zu mir: blind ist auch nicht übel.
    Ich hätte meine Augen hingegeben,
    Knippkügelchen, wer will, damit zu spielen.

    Eve
    Er ist nicht wert, der Bösewicht –

    Adam
    Sie soll schweigen!

    Ruprecht
    Das Weitre wißt Ihr.

    Adam
    Wie, das Weitere?

    Ruprecht
    Nun ja, Frau Marthe kam, und geiferte,
    Und Ralf, der Nachbar, kam, und Hinz, der Nachbar,
    Und Muhme Sus' und Muhme Liese kamen.
    Und Knecht' und Mägd' und Hund' und Katzen kamen,
    's war ein Spektakel, und Frau Marthe fragte
    Die Jungfer dort, wer ihr den Krug zerschlagen,
    Und die, die sprach, Ihr wißts, daß ichs gewesen.
    Mein Seel, sie hat so unrecht nicht, Ihr Herren.
    Den Krug, den sie zu Wasser trug, zerschlug ich,
    Und der Flickschuster hat im Kopf ein Loch.

    Adam
    Frau Marthe! Was entgegnet Ihr der Rede?
    Sagt an!

    Frau Marthe
    Was ich der Red entgegene?
    Daß sie, Herr Richter, wie der Marder einbricht,
    Und Wahrheit wie ein gakelnd Huhn erwürgt.
    Was Recht liebt, sollte zu den Keulen greifen,
    Um dieses Ungetüm der Nacht zu tilgen.

    Adam
    Da wird Sie den Beweis uns führen müssen.

    Frau Marthe
    O ja, sehr gern. Hier ist mein Zeuge. – Rede!

    Adam
    Die Tochter? Nein, Frau Marthe.

    Walter
    Nein? Warum nicht?

    Adam
    Als Zeugin, gnädiger Herr? Steht im Gesetzbuch
    Nicht titulo, ists quarto? – oder quinto!
    Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich?
    Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden,
    So zeugen Töchter ihren Müttern nicht?

    Walter
    In Eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrtum
    Geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen;
    Mit jedem Schnitte gebt Ihr mir von beidem.
    Die Jungfer zeugt noch nicht, sie deklariert jetzt;
    Ob, und für wen, sie zeugen will und kann,
    Wird erst aus der Erklärung sich ergeben.

    Adam
    Ja, deklarieren. Gut. Titulo sexto.
    Doch was sie sagt, das glaubt man nicht.

    Walter
    Tritt vor, mein junges Kind.

    Adam
    He! Lies'-! – Erlaubt!
    Die Zunge wird sehr trocken mir – Margrete!

    Achter Auftritt

    Eine Magd tritt auf. Die Vorigen.

    Adam
    Ein Glas mit Wasser! –

    Die Magd
    Gleich!
    Ab.

    Adam
    Kann ich Euch gleichfalls –?

    Walter
    Ich danke.

    Adam
    Franz? oder Mos'ler? Was Ihr wollt.

    Walter verneigt sich; die Magd bringt Wasser und entfernt sich.

    Neunter Auftritt

    Walter. Adam. Frau Marthe usw. ohne die Magd.

    Adam
    – Wenn ich freimütig reden darf, Ihr Gnaden,
    Die Sache eignet gut sich zum Vergleich.

    Walter
    Sich zum Vergleich? Das ist nicht klar, Herr Richter.
    Vernünft'ge Leute können sich vergleichen;
    Doch wie Ihr den Vergleich schon wollt bewirken,
    Da noch durchaus die Sache nicht entworren,
    Das hätt ich wohl von Euch zu hören Lust.
    Wie denkt Ihrs anzustellen, sagt mir an?
    Habt Ihr ein Urteil schon gefaßt?

    Adam
    Mein Seel!
    Wenn ich, da das Gesetz im Stich mich läßt,
    Philosophie zu Hilfe nehmen soll,
    So wars – der Leberecht –

    Walter
    Wer?

    Adam
    Oder Ruprecht –

    Walter
    Wer?

    Adam
    Oder Lebrecht, der den Krug zerschlug.

    Walter
    Wer also wars? Der Lebrecht oder Ruprecht?
    Ihr greift, ich seh, mit Eurem Urteil ein,
    Wie eine Hand in einen Sack voll Erbsen.

    Adam
    Erlaubt!

    Walter
    Schweigt, schweigt, ich bitt Euch.

    Adam
    Wie Ihr wollt.
    Auf meine Ehr, mir wärs vollkommen recht,
    Wenn sie es alle beid gewesen wären.

    Walter
    Fragt dort, so werdet Ihrs erfahren.

    Adam
    Sehr gern.
    Doch wenn Ihrs herausbekommt, bin ich ein Schuft.
    – Habt Ihr das Protokoll da in Bereitschaft?

    Licht
    Vollkommen.

    Adam
    Gut.

    Licht
    Und brech ein eignes Blatt mir,
    Begierig, was darauf zu stehen kommt.

    Adam
    Ein eignes Blatt? Auch gut.

    Walter
    Sprich dort, mein Kind!

    Adam
    Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen!
    Gib Gotte, hörst du, Herzchen, gib, mein Seel,
    Ihm und der Welt, gib ihm was von der Wahrheit.
    Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist,
    Und daß du deinen Richter nicht mit Leugnen,
    Und Plappern, was zur Sache nicht gehört,
    Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig.
    Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter,
    Und einer braucht ihn heut, und einer morgen.
    Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut;
    Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut!
    Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl,
    Es wird sich alles, wie du wünschest, finden.
    Willst du mir hier von einem andern trätschen,
    Und dritten etwa, dumme Namen nennen:
    Sieh, Kind, nimm dich in acht, ich sag nichts weiter.
    In Huisum, hols der Henker, glaubt dirs keiner,
    Und keiner, Evchen, in den Niederlanden;
    Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht,
    Der auch wird zu verteidigen sich wissen:
    Und deinen Ruprecht holt die Schwerenot!

    Walter
    Wenn Ihr doch Eure Reden lassen wolltet.
    Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen.

    Adam
    Verstehens Ew. Gnaden nicht?

    Walter
    Macht fort!
    Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen.

    Adam
    Auf Ehr! Ich habe nicht studiert, Ew. Gnaden.
    Bin ich Euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich,
    Mit diesem Volk vielleicht verhält sichs anders:
    Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will.

    Frau Marthe
    Was soll das? Dreist heraus jetzt mit der Sprache!

    Eve
    O liebste Mutter!

    Frau Marthe
    Du –! Ich rate dir!

    Ruprecht
    Mein Seel, 's ist schwer, Frau Marthe, dreist zu sprechen,
    Wenn das Gewissen an der Kehl uns sitzt.

    Adam
    Schweig Er jetzt, Nasweis, mucks Er nicht.

    Frau Marthe
    Wer wars?

    Eve
    O Jesus.

    Frau Marthe
    Maulaffe, der! Der niederträchtige!
    O Jesus! Als ob sie eine Hure wäre.
    Wars der Herr Jesus?

    Adam
    Frau Marthe! Unvernunft!
    Was das für –! Laß Sie die Jungfer doch gewähren!
    Das Kind einschrecken – Hure – Schafsgesicht!
    So wird uns nichts. Sie wird sich schon besinnen.

    Ruprecht
    O ja, besinnen.

    Adam
    Flaps dort, schweig Er jetzt.

    Ruprecht
    Der Flickschuster wird ihr schon einfallen.

    Adam
    Der Satan! Ruft den Büttel! He! Hanfriede!

    Ruprecht
    Nun, nun! Ich schweig, Herr Richter, laßts nur sein.
    Sie wird Euch schon auf meinen Namen kommen.

    Frau Marthe
    Hör du, mach mir hier kein Spektakel, sag ich.
    Hör, neunundvierzig bin ich alt geworden
    In Ehren: funfzig möcht ich gern erleben.
    Den dritten Februar ist mein Geburtstag;
    Heut ist der erste. Mach es kurz. Wer wars?

    Adam
    Gut, meinethalben! Gut, Frau Marthe Rull!

    Frau Marthe
    Der Vater sprach, als er verschied: »Hör, Marthe,
    Dem Mädel schaff mir einen wackern Mann;
    Und wird sie eine liederliche Metze,
    So gib dem Totengräber einen Groschen,
    Und laß mich wieder auf den Rücken legen:
    Mein Seel, ich glaub, ich kehr im Grab mich um.

    Adam
    Nun, das ist auch nicht übel.

    Frau Marthe
    Willst du Vater
    Und Mutter jetzt, mein Evchen, nach dem vierten
    Gebot hoch ehren, gut, so sprich: in meine Kammer
    Ließ ich den Schuster, oder einen dritten,
    Hörst du? Der Bräut'gam aber war es nicht.

    Ruprecht
    Sie jammert mich. Laßt doch den Krug, ich bitt Euch;
    Ich will 'n nach Utrecht tragen. Solch ein Krug –
    Ich wollt, ich hätt ihn nur entzwei geschlagen.

    Eve
    Unedelmüt'ger, du! Pfui, schäme dich,
    Daß du nicht sagst: gut, ich zerschlug den Krug!
    Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dich, daß du
    Mir nicht in meiner Tat vertrauen kannst.
    Gab ich die Hand dir nicht, und sagte: ja,
    Als du mich fragtest: »Eve, willst du mich?«
    Meinst du, daß du den Flickschuster nicht wert bist?
    Und hättest du durchs Schlüsselloch mich mit
    Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken sehen,
    Du hättest denken sollen: Ev ist brav,
    Es wird sich alles ihr zum Ruhme lösen,
    Und ists im Leben nicht, so ist es Jenseits,
    Und wenn wir auferstehn, ist auch ein Tag.

    Ruprecht
    Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen.
    Was ich mit Händen greife, glaub ich gern.

    Eve
    Gesetzt, es wär der Leberecht gewesen,
    Warum – des Todes will ich ewig sterben,
    Hätt ichs dir Einzigen nicht gleich vertraut;
    Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht' und Mägden –
    Gesetzt, ich hätte Gründ, es zu verbergen,
    Warum, o Ruprecht, sprich, warum nicht sollt ich
    Auf dein Vertraun hin sagen, daß du's warst?
    Warum nicht sollt ichs? Warum sollt ichs nicht?

    Ruprecht
    Ei, so zum Henker, sags, es ist mir recht,
    Wenn du die Fiedel dir ersparen kannst.

    Eve
    O du Abscheulicher! Du Undankbarer!
    Wert, daß ich mir die Fiedel spare! Wert,
    Daß ich mit Einem Wort zu Ehren mich,
    Und dich in ewiges Verderben bringe.

    Walter
    Nun –? Und dies einz'ge Wort –? Halt uns nicht auf.
    Der Ruprecht also war es nicht?

    Eve
    Nein, gnäd'ger Herr, weil ers denn selbst so will,
    Um seinetwillen nur verschwieg ich es:
    Den irdnen Krug zerschlug der Ruprecht nicht,
    Wenn ers Euch selber leugnet, könnt Ihrs glauben.

    Frau Marthe
    Eve! Der Ruprecht nicht?

    Eve
    Nein, Mutter, nein!
    Und wenn ichs gestern sagte, wars gelogen.

    Frau Marthe
    Hör, dir zerschlag ich alle Knochen!

    Sie setzt den Krug nieder.

    Eve
    Tut, was Ihr wollt.

    Walterdrohend.
    Frau Marthe!

    Adam
    He! Der Büttel! –
    Schmeißt sie heraus dort, die verwünschte Vettel!
    Warum solls Ruprecht just gewesen sein?
    Hat Sie das Licht dabei gehalten, was?
    Die Jungfer, denk ich, wird es wissen müssen:
    Ich bin ein Schelm, wenns nicht der Lebrecht war.

    Frau Marthe
    War es der Lebrecht etwa? Wars der Lebrecht?

    Adam
    Sprich, Evchen, wars der Lebrecht nicht,
    mein Herzchen?

    Eve
    Er Unverschämter, Er! Er Niederträcht'ger!
    Wie kann Er sagen, daß es Lebrecht –

    Walter
    Jungfer!
    Was untersteht Sie sich? Ist das mir der
    Respekt, den Sie dem Richter schuldig ist?

    Eve
    Ei, was! Der Richter dort! Wert, selbst vor dem
    Gericht, ein armer Sünder, dazustehn –
    – Er, der wohl besser weiß, wer es gewesen!

    Sich zum Dorfrichter wendend.

    Hat Er den Lebrecht in die Stadt nicht gestern
    Geschickt nach Utrecht, vor die Kommission,
    Mit dem Attest, der die Rekruten aushebt?
    Wie kann Er sagen, daß es Lebrecht war,
    Wenn Er wohl weiß, daß der in Utrecht ist?

    Adam
    Nun, wer denn sonst? Wenns Lebrecht nicht, zum Henker –
    Nicht Ruprecht ist, nicht Lebrecht ist – – Was machst du?

    Ruprecht
    Mein Seel, Herr Richter Adam, laßt Euch sagen,
    Hierin mag doch die Jungfer just nicht lügen.
    Dem Lebrecht bin ich selbst begegnet gestern,
    Als er nach Utrecht ging, früh wars Glock acht,
    Und wenn er auf ein Fuhrwerk sich nicht lud,
    Hat sich der Kerl, krummbeinig wie er ist,
    Glock zehn Uhr nachts noch nicht zurückgehaspelt.
    Es kann ein dritter wohl gewesen sein.

    Adam
    Ach was! Krummbeinig! Schafsgesicht! Der Kerl
    Geht seinen Stiefel, der, trotz einem.
    Ich will von ungespaltnem Leibe sein,
    Wenn nicht ein Schäferhund von mäß'ger Größe
    Muß seinen Trab gehn, mit ihm fortzukommen.

    Walter
    Erzähl den Hergang uns.

    Adam
    Verzeihn Ew. Gnaden!
    Hierauf wird Euch die Jungfer schwerlich dienen.

    Walter
    Nicht dienen? Mir nicht dienen? Und warum nicht?

    Adam
    Ein twatsches Kind. Ihr sehts. Gut, aber twatsch.
    Blutjung, gefirmelt kaum; das schämt sich noch,
    Wenns einen Bart von weitem sieht. So 'n Volk,
    Im Finstern leiden sie's, und wenn es Tag wird,
    So leugnen sie's vor ihrem Richter ab.

    Walter
    Ihr seid sehr nachsichtsvoll, Herr Richter Adam,
    Sehr mild, in allem, was die Jungfer angeht.

    Adam
    Die Wahrheit Euch zu sagen, Herr Gerichtsrat,
    Ihr Vater war ein guter Freund von mir.
    Wollen Ew. Gnaden heute huldreich sein,
    So tun wir hier nicht mehr, als unsre Pflicht,
    Und lassen seine Tochter gehn.

    Walter
    Ich spüre große Lust in mir, Herr Richter,
    Der Sache völlig auf den Grund zu kommen. –
    Sei dreist, mein Kind; sag, wer den Krug zerschlagen.
    Vor niemand stehst du, in dem Augenblick,
    Der einen Fehltritt nicht verzeihen könnte.

    Eve
    Mein lieber, würdiger und gnäd'ger Herr,
    Erlaßt mir, Euch den Hergang zu erzählen.
    Von dieser Weigrung denkt uneben nicht.
    Es ist des Himmels wunderbare Fügung,
    Die mir den Mund in dieser Sache schließt.
    Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich
    Mit einem Eid, wenn Ihrs verlangt,
    Auf heiligem Altar bekräftigen.
    Jedoch die gestrige Begebenheit,
    Mit jedem andern Zuge, ist mein eigen,
    Und nicht das ganze Garnstück kann die Mutter,
    Um eines einz'gen Fadens willen, fordern,
    Der, ihr gehörig, durchs Gewebe läuft.
    Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden,
    Geheimnisse, die nicht mein Eigentum,
    Müßt ich, dem Kruge völlig fremd, berühren.
    Früh oder spät will ichs ihr anvertrauen,
    Doch hier das Tribunal ist nicht der Ort,
    Wo sie das Recht hat, mich darnach zu fragen.

    Adam
    Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre, nicht.
    Die Jungfer weiß, wo unsre Zäume hängen.
    Wenn sie den Eid hier vor Gericht will schwören,
    So fällt der Mutter Klage weg:
    Dagegen ist nichts weiter einzuwenden.

    Walter
    Was sagt zu der Erklärung Sie, Frau Marthe?

    Frau Marthe
    Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbringe
    Gestrenger Herr, so glaubt, ich bitt Euch sehr,
    Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge lähmte.
    Beispiele gibts, daß ein verlorner Mensch,
    Um vor der Welt zu Ehren sich zu bringen,
    Den Meineid vor dem Richtstuhl wagt; doch daß
    Ein falscher Eid sich schwören kann, auf heil'gem
    Altar, um an den Pranger hinzukommen,
    Das heut erfährt die Welt zum erstenmal.
    Wär, daß ein andrer, als der Ruprecht, sich
    In ihre Kammer gestern schlich, gegründet,
    Wärs überall nur möglich, gnäd'ger Herr,
    Versteht mich wohl, – so säumt ich hier nicht länger.
    Den Stuhl setzt ich, zur ersten Einrichtung,
    Ihr vor die Tür, und sagte: geh, mein Kind,
    Die Welt ist weit, da zahlst du keine Miete,
    Und lange Haare hast du auch geerbt,
    Woran du dich, kommt Zeit, kommt Rat, kannst hängen.

    Walter
    Ruhig, ruhig, Frau Marthe.

    Frau Marthe
    Da ich jedoch
    Hier den Beweis noch anders führen kann,
    Als bloß durch sie, die diesen Dienst mir weigert,
    Und überzeugt bin völlig, daß nur er
    Mir, und kein anderer, den Krug zerschlug,
    So bringt die Lust, es kurzhin abzuschwören,
    Mich noch auf einen schändlichen Verdacht.
    Die Nacht von gestern birgt ein anderes
    Verbrechen noch, als bloß die Krugverwüstung.
    Ich muß Euch sagen, gnäd'ger Herr, daß Ruprecht
    Zur Konskription gehört, in wenig Tagen
    Soll er den Eid zur Fahn in Utrecht schwören.
    Die jungen Landessöhne reißen aus.
    Gesetzt, er hätte gestern nacht gesagt:
    »Was meinst du, Evchen? Komm. Die Welt ist groß.
    Zu Kist und Kasten hast du ja die Schlüssel«
    Und sie, sie hätt ein wenig sich gesperrt:
    So hätte ohngefähr, da ich sie störte,
    – Bei ihm aus Rach, aus Liebe noch bei ihr –
    Der Rest, so wie geschehn, erfolgen können.

    Ruprecht
    Das Rabenaas! Was das für Reden sind!
    Zu Kist und Kasten –

    Walter
    Still!

    Eve
    Er, austreten!

    Walter
    Zur Sache hier. Vom Krug ist hier die Rede.
    Beweis, Beweis, daß Ruprecht ihn zerbrach!

    Frau Marthe
    Gut, gnäd'ger Herr. Erst will ich hier beweisen,
    Daß Ruprecht mir den Krug zerschlug,
    Und dann will ich im Hause untersuchen. –
    Seht, eine Zunge, die mir Zeugnis redet,
    Bring ich für jedes Wort auf, das er sagte,
    Und hätt in Reihen gleich sie aufgeführt,
    Wenn ich von fern geahndet nur, daß diese
    Die ihrige für mich nicht brauchen würde.
    Doch wenn Ihr Frau Brigitte jetzo ruft,
    Die ihm die Muhm ist, so genügt mir die,
    Weil die den Hauptpunkt just bestreiten wird.
    Denn die, die hat Glock halb auf elf im Garten,
    Merkt wohl, bevor der Krug zertrümmert worden,
    Wortwechselnd mit der Ev ihn schon getroffen;
    Und wie die Fabel, die er aufgestellt,
    Vom Kopf zu Fuß dadurch gespalten wird,
    Durch diese einz'ge Zung, ihr hohen Richter:
    Das überlaß ich selbst euch einzusehn.

    Ruprecht
    Wer hat mich

    Veit
    Schwester Briggy?

    Ruprecht
    Mich mit Ev? Im Garten?

    Frau Marthe
    Ihn mit der Ev, im Garten, Glock halb elf,
    Bevor er noch, wie er geschwätzt, um elf
    Das Zimmer überrumpelnd eingesprengt:
    Im Wortgewechsel, kosend bald, bald zerrend,
    Als wollt er sie zu etwas überreden.

    Adamfür sich.
    Verflucht! Der Teufel ist mir gut.

    Walter
    Schafft diese Frau herbei.

    Ruprecht
    Ihr Herrn, ich bitt euch:
    Das ist kein wahres Wort, das ist nicht möglich.

    Adam
    O wart, Halunke! – He! Der Büttel! Hanfried! –
    Denn auf der Flucht zerschlagen sich die Krüge –
    – Herr Schreiber, geht, schafft Frau Brigitt herbei!

    Veit
    Hör, du verfluchter Schlingel, du, was machst du?
    Dir brech ich alle Knochen noch.

    Ruprecht
    Weshalb auch?

    Veit
    Warum verschwiegst du, daß du mit der Dirne
    Glock halb elf im Garten schon scharwenzt?
    Warum verschwiegst du's?

    Ruprecht
    Warum ichs verschwieg?
    Gotts Schlag und Donner, weils nicht wahr ist, Vater!
    Wenn das die Muhme Briggy zeugt, so hängt mich.
    Und bei den Beinen sie meinthalb dazu.

    Veit
    Wenn aber sie's bezeugt – nimm dich in acht!
    Du und die saubre Jungfer Eve dort,
    Wie ihr auch vor Gericht euch stellt, ihr steckt
    Doch unter einer Decke noch. 's ist irgend
    Ein schändliches Geheimnis noch, von dem
    Sie weiß, und nur aus Schonung hier nichts sagt.

    Ruprecht
    Geheimnis? Welches?

    Veit
    Warum hast du eingepackt?
    He? Warum hast du gestern abend eingepackt?

    Ruprecht
    Die Sachen?

    Veit
    Röcke, Hosen, ja, und Wäsche;
    Ein Bündel, wie's ein Reisender just auf
    Die Schultern wirft?

    Ruprecht
    Weil ich nach Utrecht soll!
    Weil ich zum Regiment soll! Himmel-Donner –!
    Glaubt Er, daß ich –?

    Veit
    Nach Utrecht? Ja, nach Utrecht!
    Du hast geeilt, nach Utrecht hinzukommen!
    Vorgestern wußtest du noch nicht, ob du
    Den fünften oder sechsten Tag wirst reisen.

    Walter
    Weiß Er zur Sache was zu melden, Vater?

    Veit
    – Gestrenger Herr, ich will noch nichts behaupten.
    Ich war daheim, als sich der Krug zerschlug,
    Und auch von einer andern Unternehmung
    Hab ich, die Wahrheit zu gestehn, noch nichts,
    Wenn ich jedweden Umstand wohl erwäge,
    Das meinen Sohn verdächtig macht, bemerkt.
    Von seiner Unschuld völlig überzeugt,
    Kam ich hierher, nach abgemachtem Streit
    Sein ehelich Verlöbnis aufzulösen,
    Und ihm das Silberkettlein einzufordern,
    Zusamt dem Schaupfennig, den er der Jungfer
    Bei dem Verlöbnis vor'gen Herbst verehrt.
    Wenn jetzt von Flucht was und Verräterei
    An meinem grauen Haar zu Tage kommt,
    So ist mir das so neu, Ihr Herrn, als Euch:
    Doch dann der Teufel soll den Hals ihm brechen.

    Walter
    Schafft Frau Brigitt herbei, Herr Richter Adam.

    Adam
    – Wird Ew. Gnaden diese Sache nicht
    Ermüden? Sie zieht sich in die Länge.
    Ew. Gnaden haben meine Kassen noch,
    Und die Registratur – Was ist die Glocke?

    Licht
    Es schlug soeben halb.

    Adam
    Auf elf?

    Licht
    Verzeiht, auf zwölfe.

    Walter
    Gleichviel.

    Adam
    Ich glaub, die Zeit ist, oder Ihr verrückt.

    Er sieht nach der Uhr.

    Ich bin kein ehrlicher Mann – Ja, was befehlt Ihr?

    Walter
    Ich bin der Meinung –

    Adam
    Abzuschließen? Gut –!

    Walter
    Erlaubt! Ich bin der Meinung, fortzufahren.

    Adam
    Ihr seid der Meinung – Auch gut. Sonst würd ich
    Auf Ehre, morgen früh, Glock neun, die Sache
    Zu Euerer Zufriedenheit beendigen.

    Walter
    Ihr wißt um meinen Willen.

    Adam
    Wie Ihr befehlt.
    Herr Schreiber, schickt die Büttel ab; sie sollen
    Sogleich ins Amt die Frau Brigitte laden.

    Walter
    Und nehmt Euch – Zeit, die mir viel wert, zu sparen –
    Gefälligst selbst der Sach ein wenig an.

    Licht ab.

    Zehnter Auftritt

    Die Vorigen ohne Licht. Späterhin einige Mägde.

    Adamaufstehend.
    Inzwischen könnte man, wenns so gefällig,
    Vom Sitze sich ein wenig lüften –?

    Walter
    Hm! O ja.
    Was ich sagen wollt –

    Adam
    Erlaubt Ihr gleichfalls,
    Daß die Partein, bis Frau Brigitt erscheint –?

    Walter
    Was? Die Partein?

    Adam
    Ja, vor die Tür, wenn Ihr –

    Walterfür sich.
    Verwünscht!

    Laut.

    Herr Richter Adam, wißt Ihr was?
    Gebt ein Glas Wein mir in der Zwischenzeit.

    Adam
    Von ganzem Herzen gern. He! Margarete!
    Ihr macht mich glücklich, gnäd'ger Herr. – Margrete!

    Die Magd tritt auf.

    Die Magd
    Hier.

    Adam
    Was befehlt Ihr! – Tretet ab, ihr Leute.
    Franz? – Auf den Vorsaal draußen. – Oder Rhein?

    Walter
    Von unserm Rhein.

    Adam
    Gut. – Bis ich rufe. Marsch!

    Walter
    Wohin?

    Adam
    Geh, vom versiegelten, Margrete. –
    Was? Auf den Flur bloß draußen. – Hier. Der Schlüssel.

    Walter
    Hm! Bleibt.

    Adam
    Fort! Marsch, sag ich! – Geh, Margarete!
    Und Butter, frisch gestampft, Käs' auch aus Limburg,
    Und von der fetten pommerschen Räuchergans.

    Walter
    Halt! Einen Augenblick! Macht nicht so viel
    Umständ, ich bitt Euch sehr, Herr Richter.

    Adam
    Schert
    Zum Teufel euch, sag ich! Tu, wie ich sagte.

    Walter
    Schickt Ihr die Leute fort, Herr Richter?

    Adam
    Ew. Gnaden?

    Walter
    Ob Ihr –?

    Adam
    Sie treten ab, wenn Ihr erlaubt.
    Bloß ab, bis Frau Brigitt erscheint.
    Wie, oder solls nicht etwa –?

    Walter
    Hm! Wie Ihr wollt.
    Doch obs der Mühe sich verlohnen wird?
    Meint Ihr, daß es so lange Zeit wird währen,
    Bis man im Ort sie trifft?

    Adam
    's ist heute Holztag,
    Gestrenger Herr. Die Weiber größtenteils
    Sind in den Fichten, Sträucher einzusammeln.
    Es könnte leicht –

    Ruprecht
    Die Muhme ist zu Hause.

    Walter
    Zu Haus. Laßt sein.

    Ruprecht
    Die wird sogleich erscheinen.

    Walter
    Die wird uns gleich erscheinen. Schafft den Wein.

    Adamfür sich.
    Verflucht!

    Walter
    Macht fort. Doch nichts zum Imbiß, bitt ich,
    Als ein Stück trocknen Brotes nur, und Salz.

    Adamfür sich.
    Zwei Augenblicke mit der Dirn allein –

    Laut.

    Ach, trocknes Brot! Was! Salz! Geht doch.

    Walter
    Gewiß.

    Adam
    Ei, ein Stück Käs' aus Limburg mindestens. – Käse
    Macht erst geschickt die Zunge, Wein, zu schmecken.

    Walter
    Gut. Ein Stück Käse denn, doch weiter nichts.

    Adam
    So geh. Und weiß, von Damast, aufgedeckt.
    Schlecht alles zwar, doch recht.

    Die Magd ab.

    Das ist der Vorteil
    Von uns verrufnen hagestolzen Leuten,
    Daß wir, was andre, knapp und kummervoll,
    Mit Weib und Kindern täglich teilen müssen,
    Mit einem Freunde, zur gelegnen Stunde,
    Vollauf genießen.

    Walter
    Was ich sagen wollte –
    Wie kamt Ihr doch zu Eurer Wund, Herr Richter?
    Das ist ein böses Loch, fürwahr, im Kopf, das!

    Adam
    – Ich fiel.

    Walter
    Ihr fielt. Hm! So. Wann? Gestern abend?

    Adam
    Heut, Glock halb sechs, verzeiht, am Morgen, früh,
    Da ich soeben aus dem Bette stieg.

    Walter
    Worüber?

    Adam
    Über – gnäd'ger Herr Gerichtsrat,
    Die Wahrheit Euch zu sagen, über mich.
    Ich schlug Euch häuptlings an den Ofen nieder,
    Bis diese Stunde weiß ich nicht, warum?

    Walter
    Von hinten?

    Adam
    Wie? Von hinten –

    Walter
    Oder vorn?
    Ihr habt zwo Wunden, vorne ein' und hinten.

    Adam
    Von vorn und hinten. – Margarete!

    Die beiden Mägde mit Wein usw. Sie decken auf und gehen wieder ab.

    Walter
    Wie?

    Adam
    Erst so, dann so. Erst auf die Ofenkante,
    Die vorn die Stirn mir einstieß, und sodann
    Vom Ofen rückwärts auf den Boden wieder,
    Wo ich mir noch den Hinterkopf zerschlug.

    Er schenkt ein.

    Ists Euch gefällig?

    Walternimmt das Glas.
    Hättet Ihr ein Weib,
    So würd ich wunderliche Dinge glauben,
    Herr Richter.

    Adam
    Wieso?

    Walter
    Ja, bei meiner Treu,
    So rings seh ich zerkritzt Euch und zerkratzt.

    Adamlacht.
    Nein, Gott sei Dank! Fraun-Nägel sind es nicht.

    Walter
    Glaubs. Auch ein Vorteil noch der Hagestolzen.

    Adamfortlachend.
    Strauchwerk, für Seidenwürmer, das man trocknend
    Mir an dem Ofenwinkel aufgesetzt. –
    Auf Euer Wohlergehn!

    Sie trinken.

    Walter
    Und grad auch heut
    Noch die Perücke seltsam einzubüßen!
    Die hätt Euch Eure Wunden noch bedeckt.

    Adam
    Ja, ja. Jedwedes Übel ist ein Zwilling.
    Hier – von dem fetten jetzt – kann ich –?

    Walter
    Ein Stückchen.
    Aus Limburg?

    Adam
    Rect' aus Limburg, gnäd'ger Herr.

    Walter
    –Wie Teufel aber, sagt mir, ging das zu?

    Adam
    Was?

    Walter
    Daß Ihr die Perücke eingebüßt.

    Adam
    Ja, seht. Ich sitz und lese gestern abend
    Ein Aktenstück, und weil ich mir die Brille
    Verlegt, duck ich so tief mich in den Streit,
    Daß bei der Kerze Flamme lichterloh
    Mir die Perücke angeht. Ich, ich denke,
    Feur fällt vom Himmel auf mein sündig Haupt,
    Und greife sie, und will sie von mir werfen;
    Doch eh ich noch das Nackenband gelöst,
    Brennt sie wie Sodom und Gomorrha schon.
    Kaum daß ich die drei Haare noch mir rette.

    Walter
    Verwünscht! Und Eure andr ist in der Stadt?

    Adam
    Bei dem Perückenmacher. – Doch zur Sache.

    Walter
    Nicht allzu rasch, ich bitt, Herr Richter Adam.

    Adam
    Ei, was! Die Stunde rollt. Ein Gläschen. Hier.

    Er schenkt ein.

    Walter
    Der Lebrecht – wenn der Kauz dort wahr gesprochen
    Er auch hat einen bösen Fall getan.

    Adam
    Auf meine Ehr.

    Er trinkt.

    Walter
    Wenn hier die Sache,
    Wie ich fast fürchte, unentworren bleibt,
    So werdet Ihr, in Eurem Ort, den Täter
    Leicht noch aus seiner Wund entdecken können.

    Er trinkt.

    Niersteiner?

    Adam
    Was?

    Walter
    Oder guter Oppenheimer?

    Adam
    Nierstein. Sieh da! Auf Ehre! Ihr verstehts.
    Aus Nierstein, gnäd'ger Herr, als hätt ich ihn geholt.

    Walter
    Ich prüft ihn, vor drei Jahren, an der Kelter.

    Adam schenkt wieder ein.

    - Wie hoch ist Euer Fenster? – Dort! Frau Marthe!

    Frau Marthe
    Mein Fenster?

    Walter
    Das Fenster jener Kammer, ja,
    Worin die Jungfer schläft?

    Frau Marthe
    Die Kammer zwar
    Ist nur vom ersten Stock, ein Keller drunter,
    Mehr als neun Fuß das Fenster nicht vom Boden;
    Jedoch die ganze, wohlerwogene
    Gelegenheit sehr ungeschickt zum Springen.
    Denn auf zwei Fuß steht von der Wand ein Weinstock,
    Der seine knot'gen Äste rankend hin
    Durch ein Spalier treibt, längs der ganzen Wand:
    Das Fenster selbst ist noch davon umstrickt.
    Es würd ein Eber, ein gewaffneter,
    Müh mit den Fängern haben, durchzubrechen.

    Adam
    Es hing auch keiner drin.

    Er schenkt sich ein.

    Walter
    Meint Ihr?

    Adam
    Ach, geht!

    Er trinkt.

    Walterzu Ruprecht.
    Wie traf Er denn den Sünder? Auf den Kopf,

    Adam
    Hier.

    Walter
    Laßt.

    Adam
    Gebt her.

    Walter
    's ist halb noch voll.

    Adam
    Wills füllen.

    Walter
    Ihr hörts.

    Adam
    Ei, für die gute Zahl.

    Walter
    Ich bitt Euch.

    Adam
    Ach, was! Nach der Pythagoräeer-Regel.

    Er schenkt ihm ein.

    Walterwieder zu Ruprecht.
    Wie oft traf Er dem Sünder denn den Kopf?

    Adam
    Eins ist der Herr; Zwei ist das finstre Chaos;
    Drei ist die Welt. Drei Gläser lob ich mir.
    Im dritten trinkt man mit den Tropfen Sonnen,
    Und Firmamente mit den übrigen.

    Walter
    Wie oftmals auf den Kopf traf Er den Sünder?
    Er, Ruprecht, Ihn dort frag ich!

    Adam
    Wird mans hören?
    Wie oft trafst du den Sündenbock? Na, heraus!
    Gotts Blitz, seht, weiß der Kerl wohl selbst, ob er –
    Vergaßt du's?

    Ruprecht
    Mit der Klinke?

    Adam
    Ja, was weiß ich.

    Walter
    Vom Fenster, als Er nach ihm herunter hieb?

    Ruprecht
    Zweimal, Ihr Herrn.

    Adam
    Halunke! Das behielt er!

    Er trinkt.

    Walter
    Zweimal! Er konnt ihn mit zwei solchen Hieben
    Erschlagen, weiß er –?

    Ruprecht
    Hätt ich ihn erschlagen,
    So hätt ich ihn. Es wär mir grade recht.
    Läg er hier vor mir, tot, so könnt ich sagen,
    Der wars, Ihr Herrn, ich hab Euch nicht belogen.

    Adam
    Ja, tot! Das glaub ich. Aber so –

    Er schenkt ein.

    Walter
    Konnt Er ihn denn im Dunkeln nicht erkennen?

    Ruprecht
    Nicht einen Stich, gestrenger Herr. Wie sollt ich?

    Adam
    Warum sperrtst du nicht die Augen auf? – Stoßt an!

    Ruprecht
    Die Augen auf! Ich hatt sie aufgesperrt.
    Der Satan warf sie mir voll Sand.

    Adamin den Bart.
    Voll Sand, ja!
    Warum sperrtst du deine großen Augen auf?
    – Hier. Was wir lieben, gnäd'ger Herr! Stoßt an!

    Walter
    – Was recht und gut und treu ist, Richter Adam!

    Sie trinken.

    Adam
    Nun denn, zum Schluß jetzt, wenns gefällig ist.

    Er schenkt ein.

    Walter
    Ihr seid zuweilen bei Frau Marthe wohl,
    Herr Richter Adam. Sagt mir doch,
    Wer, außer Ruprecht, geht dort aus und ein?

    Adam
    Nicht allzu oft, gestrenger Herr, verzeiht.
    Wer aus und ein geht, kann ich Euch nicht sagen.

    Walter
    Wie? Solltet Ihr die Witwe nicht zuweilen
    Von Eurem sel'gen Freund besuchen?

    Adam
    Nein, in der Tat, sehr selten nur.

    Walter
    Frau Marthe!
    Habt Ihrs mit Richter Adam hier verdorben?
    Er sagt, er spräche nicht mehr bei Euch ein?

    Frau Marthe
    Hm! Gnäd'ger Herr, verdorben? Das just nicht.
    Ich denk, er nennt mein guter Freund sich noch.
    Doch daß ich oft in meinem Haus ihn sähe,
    Das vom Herrn Vetter kann ich just nicht rühmen.
    Neun Wochen sinds, daß ers zuletzt betrat,
    Und auch nur da noch im Vorübergehn.

    Walter
    Wie sagt Ihr?

    Frau Marthe
    Was?

    Walter
    Neun Wochen wärens –?

    Frau Marthe
    Neun,
    Ja – Donnerstag sinds zehn. Er bat sich Samen
    Bei mir, von Nelken und Aurikeln, aus.

    Walter
    Und – Sonntags – wenn er auf das Vorwerk geht –?

    Frau Marthe
    Ja, da – da guckt er mir ins Fenster wohl,
    Und saget guten Tag zu mir und meiner Tochter;
    Doch dann so geht er wieder seiner Wege.

    Walterfür sich.
    Hm! Sollt ich auch dem Manne wohl –

    Er trinkt.

    Ich glaubte,
    Weil Ihr die Jungfer Muhme dort zuweilen
    In Eurer Wirtschaft braucht, so würdet Ihr
    Zum Dank die Mutter dann und wann besuchen.

    Adam
    Wieso, gestrenger Herr?

    Walter
    Wieso? Ihr sagtet,
    Die Jungfer helfe Euren Hühnern auf,
    Die Euch im Hof erkranken. Hat sie nicht
    Noch heut in dieser Sach Euch Rat erteilt?

    Frau Marthe
    Ja, allerdings, gestrenger Herr, das tut sie.
    Vorgestern schickt' er ihr ein krankes Perlhuhn
    Ins Haus, das schon den Tod im Leibe hatte.
    Vorm Jahr rettete sie ihm eins vom Pips,
    Und dies auch wird sie mit der Nudel heilen:
    Jedoch zum Dank ist er noch nicht erschienen.

    Walterverwirrt.
    – Schenkt ein, Herr Richter Adam, seid so gut.
    Schenkt gleich mir ein. Wir wollen eins noch trinken.

    Adam
    Zu Eurem Dienst. Ihr macht mich glücklich. Hier.

    Er schenkt ein.

    Walter
    Auf Euer Wohlergehn! – Der Richter Adam,
    Er wird früh oder spät schon kommen.

    Frau Marthe
    Meint Ihr? Ich zweifle.
    Könnt ich Niersteiner, solchen, wie Ihr trinkt,
    Und wie mein sel'ger Mann, der Kastellan,
    Wohl auch, von Zeit zu Zeit, im Keller hatte,
    Vorsetzen dem Herrn Vetter, wärs was anders:
    Doch so besitz ich nichts, ich arme Witwe,
    In meinem Hause, das ihn lockt.

    Walter
    Um so viel besser.

    Elfter Auftritt

    Licht, Frau Brigitte mit einer Perücke in der Hand, die Mägde treten auf. Die Vorigen.

    Licht
    Hier, Frau Brigitt, herein.

    Walter
    Ist das die Frau, Herr Schreiber Licht?

    Licht
    Das ist die Frau Brigitte, Ew. Gnaden.

    Walter
    Nun denn, so laßt die Sach uns jetzt beschließen.
    Nehmt ab, ihr Mägde. Hier.

    Die Mägde mit Gläsern usw. ab.

    Adamwährenddessen.
    Nun, Evchen, höre,
    Dreh du mir deine Pille ordentlich,
    Wie sichs gehört, so sprech ich heute abend
    Auf ein Gericht Karauschen bei euch ein.
    Dem Luder muß sie ganz jetzt durch die Gurgel,
    Ist sie zu groß, so mags den Tod dran fressen.

    Waltererblickt die Perücke.
    Was bringt uns Frau Brigitte dort für eine
    Perücke?

    Licht
    Gnäd'ger Herr?

    Walter
    Was jene Frau uns dort für eine
    Perücke bringt?

    Licht
    Hm!

    Walter
    Was?

    Licht
    Verzeiht –

    Walter
    Werd ichs erfahren?

    Licht
    Wenn Ew. Gnaden gütigst
    Die Frau, durch den Herrn Richter, fragen wollen,
    So wird, wem die Perücke angehört,
    Sich, und das Weitre, zweifl ich nicht, ergeben.

    Walter
    – Ich will nicht wissen, wem sie angehört.
    Wie kam die Frau dazu? Wo fand sie sie?

    Licht
    Die Frau fand die Perücke im Spalier
    Bei Frau Margrete Rull. Sie hing gespießt,
    Gleich einem Nest, im Kreuzgeflecht des Weinstocks,
    Dicht unterm Fenster, wo die Jungfer schläft.

    Frau Marthe
    Was? Bei mir? Im Spalier?

    Walterheimlich.
    Herr Richter Adam,
    Habt Ihr mir etwas zu vertraun,
    So bitt ich, um die Ehre des Gerichtes,
    Ihr seid so gut, und sagt mirs an.

    Adam
    Ich Euch –?

    Walter
    Nicht? Habt Ihr nicht –?

    Adam
    Auf meine Ehre –

    Er ergreift die Perücke.

    Walter
    Hier die Perücke ist die Eure nicht?

    Adam
    Hier die Perück, ihr Herren, ist die meine!
    Das ist, Blitz-Element, die nämliche,
    Die ich dem Burschen vor acht Tagen gab,
    Nach Utrecht sie zum Meister Mehl zu bringen.

    Walter
    Wem? Was?

    Licht
    Dem Ruprecht?

    Ruprecht
    Mir?

    Adam
    Hab ich Ihm, Schlingel,
    Als Er nach Utrecht vor acht Tagen ging,
    Nicht die Perück hier anvertraut, sie zum
    Friseur, daß er sie renoviere, hinzutragen?

    Ruprecht
    Ob Er –? Nun ja. Er gab mir –

    Adam
    Warum hat er
    Nicht die Perück, Halunke, abgegeben?
    Warum nicht hat Er sie, wie ich befohlen,
    Beim Meister in der Werkstatt abgegeben?

    Ruprecht
    Warum ich sie –? Gotts Himmel-Donner-Schlag!
    Ich hab sie in der Werkstatt abgegeben.
    Der Meister Mehl nahm sie –

    Adam
    Sie abgegeben?
    Und jetzt hängt sie im Weinspalier bei Marthens?
    O wart, Canaille! So entkommst du nicht.
    Dahinter steckt mir von Verkappung was,
    Und Meuterei, was weiß ich? – Wollt Ihr erlauben,
    Daß ich sogleich die Frau nur inquiriere?

    Walter
    Ihr hättet die Perücke –?

    Adam
    Gnäd'ger Herr,
    Als jener Bursche dort, vergangnen Dienstag,
    Nach Utrecht fuhr mit seines Vaters Ochsen,
    Kam er ins Amt, und sprach: »Herr Richter Adam,
    Habt Ihr im Städtlein etwas zu bestellen?«
    Mein Sohn, sag ich, wenn du so gut willst sein,
    So laß mir die Perück hier auftoupieren –
    Nicht aber sagt ich ihm: geh und bewahre
    Sie bei dir auf, verkappe dich darin,
    Und laß sie im Spalier bei Marthens hängen.

    Frau Brigitte
    Ihr Herrn, der Ruprecht, mein' ich, halt zu Gnaden,
    Der wars wohl nicht. Denn da ich gestern nacht
    Hinaus aufs Vorwerk geh, zu meiner Muhme,
    Die schwer im Kindbett liegt, hört ich die Jungfer
    Gedämpft, im Garten hinten, jemand schelten:
    Wut scheint und Furcht die Stimme ihr zu rauben.
    »Pfui, schäm Er sich, Er Niederträchtiger,
    Was macht Er? Fort! Ich werd die Mutter rufen«;
    Als ob die Spanier im Lande wären.
    Drauf: Eve! durch den Zaun hin: Eve! ruf ich.
    Was hast du? Was auch gibts? – Und still wird es:
    Nun? Wirst du antworten? – »Was wollt Ihr, Muhme?«
    Was hast du vor? frag ich. – »Was werd ich haben?«
    Ist es der Ruprecht? – »Ei so ja, der Ruprecht.
    Geht Euren Weg doch nur.« – So koch dir Tee.
    Das liebt sich, denk ich, wie sich andre zanken.

    Frau Marthe
    Mithin –?

    Ruprecht
    Mithin –?

    Walter
    Schweigt! Laßt die Frau vollenden.

    Frau Brigitte
    Da ich vom Vorwerk nun zurückekehre,
    Zur Zeit der Mitternacht etwa, und just,
    Im Lindengang, bei Marthens Garten bin,
    Huscht Euch ein Kerl bei mir vorbei, kahlköpfig,
    Mit einem Pferdefuß, und hinter ihm
    Erstinkts wie Dampf von Pech und Haar und Schwefel.
    Ich sprech ein Gottseibeiuns aus, und drehe
    Entsetzensvoll mich um, und seh, mein Seel,
    Die Glatz, Ihr Herren, im Verschwinden noch,
    Wie faules Holz, den Lindengang durchleuchten.

    Ruprecht
    Was! Himmel – Tausend

    Frau Marthe
    Ist Sie toll, Frau Briggy?

    Ruprecht
    Der Teufel, meint Sie, wärs –?

    Licht
    Still! Still!

    Frau Brigitte
    Mein Seel!
    Ich weiß, was ich gesehen und gerochen.

    Walterungeduldig.
    Frau, obs der Teufel war, will ich nicht untersuchen,
    Ihn aber, ihn denunziert man nicht.
    Kann Sie von einem andern melden, gut:
    Doch mit dem Sünder da verschont Sie uns.

    Licht
    Wollen Ew. Gnaden sie vollenden lassen.

    Walter
    Blödsinnig Volk, das!

    Frau Brigitte
    Gut, wie Ihr befehlt.
    Doch der Herr Schreiber Licht sind mir ein Zeuge.

    Walter
    Wie? Ihr ein Zeuge?

    Licht
    Gewissermaßen, ja.

    Walter
    Fürwahr, ich weiß nicht –

    Licht
    Bitte ganz submiß,
    Die Frau in dem Berichte nicht zu stören.
    Daß es der Teufel war, behaupt ich nicht;
    Jedoch mit Pferdefuß, und kahler Glatze
    Und hinten Dampf, wenn ich nicht sehr mich irre,
    Hat seine völl'ge Richtigkeit! – Fahrt fort!

    Frau Brigitte
    Da ich nun mit Erstaunen heut vernehme,
    Was bei Frau Marthe Rull geschehn, und ich,
    Den Krugzertrümmerer auszuspionieren,
    Der mir zu Nacht begegnet' am Spalier,
    Den Platz, wo er gesprungen, untersuche,
    Find ich im Schnee, Ihr Herrn, Euch eine Spur –
    Was find ich euch für eine Spur im Schnee?
    Rechts fein und scharf und nett gekantet immer,
    Ein ordentlicher Menschenfuß,
    Und links unförmig grobhin eingetölpelt
    Ein ungeheurer klotz'ger Pferdefuß.

    Walterärgerlich.
    Geschwätz, wahnsinniges, verdammenswürd'ges

    Veit
    Es ist nicht möglich, Frau!

    Frau Brigitte
    Bei meiner Treu!
    Erst am Spalier, da, wo der Sprung geschehen,
    Seht, einen weiten, schneezerwühlten Kreis,
    Als ob sich eine Sau darin gewälzt;
    Und Menschenfuß und Pferdefuß von hier,
    Und Menschenfuß und Pferdefuß, und Menschenfuß und Pferdefuß,
    Quer durch den Garten, bis in alle Welt.

    Adam
    Verflucht! – Hat sich der Schelm vielleicht erlaubt,
    Verkappt des Teufels Art –?

    Ruprecht
    Was! Ich!

    Licht
    Schweigt! Schweigt!

    Frau Brigitte
    Wer einen Dachs sucht und die Fährt entdeckt,
    Der Weidmann, triumphiert nicht so, als ich.
    Herr Schreiber Licht, sag ich, denn eben seh ich,
    Von Euch geschickt, den Würd'gen zu mir treten,
    Herr Schreiber Licht, spart Eure Session,
    Den Krugzertrümmrer judiziert Ihr nicht,
    Der sitzt nicht schlechter Euch, als in der Hölle:
    Hier ist die Spur, die er gegangen ist.

    Walter
    So habt Ihr selbst Euch überzeugt?

    Licht
    Ew. Gnaden,
    Mit dieser Spur hats völl'ge Richtigkeit.

    Walter
    Ein Pferdefuß?

    Licht
    Fuß eines Menschen, bitte,
    Doch praeter propter wie ein Pferdehuf.

    Adam
    Mein Seel, Ihr Herrn, die Sache scheint mir ernsthaft.
    Man hat viel beißend abgefaßte Schriften,
    Die, daß ein Gott sei, nicht gestehen wollen;
    Jedoch den Teufel hat, soviel ich weiß,
    Kein Atheist noch bündig wegbewiesen.
    Der Fall, der vorliegt, scheint besonderer
    Erörterung wert. Ich trage darauf an,
    Bevor wir ein Konklusum fassen,
    Im Haag bei der Synode anzufragen,
    Ob das Gericht befugt sei, anzunehmen,
    Daß Belzebub den Krug zerbrochen hat.

    Walter
    Ein Antrag, wie ich ihn von Euch erwartet.
    Was wohl meint Ihr, Herr Schreiber?

    Licht
    Ew. Gnaden werden
    Nicht die Synode brauchen, um zu urteiln.
    Vollendet – mit Erlaubnis! – den Bericht,
    Ihr, Frau Brigitte, dort; so wird der Fall
    Aus der Verbindung, hoff ich, klar konstieren.

    Frau Brigitte
    Hierauf: Herr Schreiber Licht, sag ich, laßt uns
    Die Spur ein wenig doch verfolgen, sehn,
    Wohin der Teufel wohl entwischt mag sein.
    »Gut«, sagt er, »Frau Brigitt, ein guter Einfall;
    Vielleicht gehn wir uns nicht weit um,
    Wenn wir zum Herrn Dorfrichter Adam gehn.«

    Walter
    Nun? Und jetzt fand sich –?

    Frau Brigitte
    Zuerst jetzt finden wir
    Jenseits des Gartens, in dem Lindengange,
    Den Platz, wo, Schwefeldämpfe von sich lassend,
    Der Teufel bei mir angeprellt: ein Kreis,
    Wie scheu ein Hund etwa zur Seite weicht,
    Wenn sich die Katze prustend vor ihm setzt.

    Walter
    Drauf weiter?

    Frau Brigitte
    Nicht weit davon jetzt steht ein Denkmal seiner,
    An einem Baum, daß ich davor erschrecke.

    Walter
    Ein Denkmal? Wie?

    Frau Brigitte
    Wie? ja, da werdet Ihr –

    Adamfür sich.
    Verflucht, mein Unterleib.

    Licht
    Vorüber, bitte,
    Vorüber, hier, ich bitte, Frau Brigitte.

    Walter
    Wohin die Spur Euch führte, will ich wissen!

    Frau Brigitte
    Wohin? Mein Treu, den nächsten Weg zu Euch,
    Just wie Herr Schreiber Licht gesagt.

    Walter
    Zu uns? Hierher?

    Frau Brigitte
    Vom Lindengange, ja,
    Aufs Schulzenfeld, den Karpfenteich entlang,
    Den Steg, quer übern Gottesacker dann,
    Hier, sag ich, her, zum Herrn Dorfrichter Adam.

    Walter
    Zum Herrn Dorfrichter Adam?

    Adam
    Hier zu mir?

    Frau Brigitte
    Zu Euch, ja.

    Ruprecht
    Wird doch der Teufel nicht
    In dem Gerichtshof wohnen?

    Frau Brigitte
    Mein Treu, ich weiß nicht,
    Ob er in diesem Hause wohnt; doch hier,
    Ich bin nicht ehrlich, ist er abgestiegen:
    Die Spur geht hinten ein bis an die Schwelle.

    Adam
    Sollt er vielleicht hier durchpassiert –?

    Frau Brigitte
    Ja, oder durchpassiert. Kann sein. Auch das.
    Die Spur vornaus –

    Walter
    War eine Spur vornaus?

    Licht
    Vornaus, verzeihn Ew. Gnaden, keine Spur.

    Frau Brigitte
    Ja, vornaus war der Weg zertreten.

    Adam
    Zertreten. Durchpassiert. Ich bin ein Schuft.
    Der Kerl, paßt auf, hat den Gesetzen hier
    Was angehängt. Ich will nicht ehrlich sein,
    Wenn es nicht stinkt in der Registratur.
    Wenn meine Rechnungen, wie ich nicht zweifle,
    Verwirrt befunden werden sollten,
    Auf meine Ehr, ich stehe für nichts ein.

    Walter
    Ich auch nicht.

    Für sich.

    Hm! Ich weiß nicht, wars der Linke,
    War es der Rechte? Seiner Füße einer –
    Herr Richter! Eure Dose! – Seid so gefällig.

    Adam
    Die Dose?

    Walter
    Die Dose. Gebt! Hier!

    Adamzu Licht.
    Bringt dem Herrn Gerichtsrat.

    Walter
    Wozu die Umständ? Einen Schritt gebrauchts.

    Adam
    Es ist schon abgemacht. Gebt Sr. Gnaden.

    Walter
    Ich hätt Euch was ins Ohr gesagt.

    Adam
    Vielleicht, daß wir nachher Gelegenheit –

    Walter
    Auch gut.

    Nachdem sich Licht wieder gesetzt.

    Sagt doch, Ihr Herrn, ist jemand hier im Orte,
    Der mißgeschaffne Füße hat?

    Licht
    Hm! Allerdings ist jemand hier in Huisum –

    Walter
    So? Wer?

    Licht
    Wollen Ew. Gnaden den Herrn Richter fragen –

    Walter
    Den Herrn Richter Adam?

    Adam
    Ich weiß von nichts.
    Zehn Jahre bin ich hier im Amt zu Huisum,
    Soviel ich weiß, ist alles grad gewachsen.

    Walterzu Licht.
    Nun? Wen hier meint Ihr?

    Frau Marthe
    Laß Er doch seine Füße draußen!
    Was steckt Er untern Tisch verstört sie hin,
    Daß man fast meint, Er wär die Spur gegangen.

    Walter
    Wer? Der Herr Richter Adam?

    Adam
    Ich? Die Spur?
    Bin ich der Teufel? Ist das ein Pferdefuß?

    Er zeigt seinen linken Fuß.

    Walter
    Auf meine Ehr. Der Fuß ist gut.

    Heimlich.

    Macht jetzt mit der Session sogleich ein Ende.

    Adam
    Ein Fuß, wenn den der Teufel hätt,
    So könnt er auf die Bälle gehn und tanzen.

    Frau Marthe
    Das sag ich auch. Wo wird der Herr Dorfrichter –

    Adam
    Ach, was! Ich!

    Walter
    Macht, sag ich, gleich ein Ende.

    Frau Brigitte
    Den einz'gen Skrupel nur, Ihr würd'gen Herrn,
    Macht, dünkt mich, dieser feierliche Schmuck!

    Adam
    Was für ein feierlicher –?

    Frau Brigitte
    Hier, die Perücke!
    Wer sah den Teufel je in solcher Tracht?
    Ein Bau, getürmter, strotzender von Talg,
    Als eines Domdechanten auf der Kanzel!

    Adam
    Wir wissen hier zu Land nur unvollkommen,
    Was in der Hölle Mod ist, Frau Brigitte!
    Man sagt, gewöhnlich trägt er eignes Haar.
    Doch auf der Erde, bin ich überzeugt,
    Wirft er in die Perücke sich, um sich
    Den Honoratioren beizumischen.

    Walter
    Nichtswürd'ger! Wert, vor allem Volk ihn schmachvoll
    Vom Tribunal zu jagen! Was Euch schützt,
    Ist einzig nur die Ehre des Gerichts.
    Schließt Eure Session!

    Adam
    Ich will nicht hoffen –

    Walter
    Ihr hofft jetzt nichts. Ihr zieht Euch aus der Sache.

    Adam
    Glaubt Ihr, ich hätte, ich, der Richter, gestern,
    Im Weinstock die Perücke eingebüßt?

    Walter
    Behüte Gott! Die Eur ist ja im Feuer,
    Wie Sodom und Gomorrha, aufgegangen.

    Licht
    Vielmehr vergebt mir, gnäd'ger Herr! die Katze
    Hat gestern in die seinige gejungt.

    Adam
    Ihr Herrn, wenn hier der Anschein mich verdammt:
    Ihr übereilt Euch nicht, bitt ich. Es gilt
    Mir Ehre oder Prostitution.
    Solang die Jungfer schweigt, begreif ich nicht,
    Mit welchem Recht ihr mich beschuldiget.
    Hier auf dem Richterstuhl von Huisum sitz ich,
    Und lege die Perücke auf den Tisch:
    Den, der behauptet, daß sie mein gehört,
    Fordr ich vors Oberlandgericht in Utrecht.

    Licht
    Hm! Die Perücke paßt Euch doch, mein Seel,
    Als wär auf Euren Scheiteln sie gewachsen.

    Er setzt sie auf.

    Adam
    Verleumdung!

    Licht
    Nicht?

    Adam
    Als Mantel um die Schultern
    Mir noch zu weit, wieviel mehr um den Kopf.

    Er besieht sich im Spiegel.

    Ruprecht
    Ei, solch ein Donnerwetter-Kerl!

    Walter
    Still, Er!

    Frau Marthe
    Ei, solch ein blitz-verfluchter Richter, das!

    Walter
    Noch einmal, wollt Ihr gleich, soll ich die Sache enden?

    Adam
    Ja, was befehlt Ihr?

    Ruprechtzu Eve.
    Eve, sprich, ist ers?

    Walter
    Was untersteht der Unverschämte sich?

    Veit
    Schweig du, sag ich.

    Adam
    Wart, Bestie! Dich fass' ich.

    Ruprecht
    Ei, du Blitz-Pferdefuß!

    Walter
    Heda! Der Büttel!

    Veit
    Halts Maul, sag ich.

    Ruprecht
    Wart! Heute reich ich dich.
    Heut streust du keinen Sand mir in die Augen.

    Walter
    Habt Ihr nicht soviel Witz, Herr Richter –?

    Adam
    Ja, wenn Ew. Gnaden
    Erlauben, fäll ich jetzo die Sentenz.

    Walter
    Gut. Tut das. Fällt sie.

    Adam
    Die Sache jetzt konstiert,
    Und Ruprecht dort, der Racker, ist der Täter.

    Walter
    Auch gut das. Weiter.

    Adam
    Den Hals erkenn ich
    Ins Eisen ihm, und weil er ungebührlich
    Sich gegen seinen Richter hat betragen,
    Schmeiß ich ihn ins vergitterte Gefängnis.
    Wie lange, werd ich noch bestimmen.

    Eve
    Den Ruprecht –?

    Ruprecht
    Ins Gefängnis mich?

    Eve
    Ins Eisen?

    Walter
    Spart eure Sorgen, Kinder. – Seid Ihr fertig?

    Adam
    Den Krug meinthalb mag er ersetzen, oder nicht.

    Walter
    Gut denn. Geschlossen ist die Session.
    Und Ruprecht appelliert an die Instanz zu Utrecht.

    Eve
    Er soll, er, erst nach Utrecht appellieren?

    Ruprecht
    Was? Ich –?

    Walter
    Zum Henker, ja! Und bis dahin –

    Eve
    Und bis dahin –?

    Ruprecht
    In das Gefängnis gehn?

    Eve
    Den Hals ins Eisen stecken? Seid Ihr auch Richter?
    Er dort, der Unverschämte, der dort sitzt,
    Er selber wars –

    Walter
    Du hörsts, zum Teufel! Schweig!
    Ihm bis dahin krümmt sich kein Haar –

    Eve
    Auf, Ruprecht!
    Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen!

    Ruprecht
    Ei, wart, du!

    Frau Marthe
    Er?

    Frau Brigitte
    Der dort?

    Eve
    Er, ja! Auf, Ruprecht!
    Er war bei deiner Eve gestern!
    Auf! Fass' ihn! Schmeiß ihn jetzo, wie du willst.

    Waltersteht auf.
    Halt dort! Wer hier Unordnungen –

    Eve
    Gleichviel!
    Das Eisen ist verdient, geh, Ruprecht!
    Geh, schmeiß ihn von dem Tribunal herunter.

    Adam
    Verzeiht, Ihr Herrn.

    Läuft weg.

    Eve
    Hier! Auf!

    Ruprecht
    Halt ihn!

    Eve
    Geschwind!

    Adam
    Was?

    Ruprecht
    Blitz-Hinketeufel!

    Eve
    Hast du ihn?

    Ruprecht
    Gotts Schlag und Wetter!
    Es ist sein Mantel bloß!

    Walter
    Fort! Ruft den Büttel!

    Ruprechtschlägt den Mantel.
    Ratz! Das ist eins. Und Ratz! Und Ratz! Noch eins.
    Und noch eins! In Ermangelung des Buckels.

    Walter
    Er ungezogner Mensch! – Schafft hier mir Ordnung!
    – An Ihm, wenn Er sogleich nicht ruhig ist,
    Ihm wird der Spruch vom Eisen heut noch wahr.

    Veit
    Sei ruhig, du vertrackter Schlingel!

    Zwölfter Auftritt

    Die Vorigen ohne Adam. – Sie begeben sich alle in den Vordergrund der Bühne.

    Ruprecht
    Ei, Evchen!
    Wie hab ich heute schändlich dich beleidigt!
    Ei, Gotts Blitz, alle Wetter; und wie gestern!
    Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens-Braut!
    Wirst du dein Lebtag mir vergeben können?

    Evewirft sich dem Gerichtsrat zu Füßen.
    Herr! Wenn Ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren!

    Walter
    Verloren? Warum das?

    Ruprecht
    Herr Gott! Was gibts?

    Eve
    Errettet Ruprecht von der Konskription!
    Denn diese Konskription – der Richter Adam
    Hat mirs als ein Geheimnis anvertraut –
    Geht nach Ostindien; und von dort, Ihr wißt,
    Kehrt von drei Männern Einer nur zurück!

    Walter
    Was! Nach Ostindien! Bist du bei Sinnen?

    Eve
    Nach Bantam, gnäd'ger Herr; verleugnets nicht!
    Hier ist der Brief, die stille heimliche
    Instruktion, die Landmiliz betreffend,
    Die die Regierung jüngst deshalb erließ:
    Ihr seht, ich bin von allem unterrichtet.

    Walternimmt den Brief und liest ihn.
    O unerhört-arglistiger Betrug! –
    Der Brief ist falsch!

    Eve
    Falsch?

    Walter
    Falsch, so wahr ich lebe!
    Herr Schreiber Licht, sagt selbst, ist das die Ordre,
    Die man aus Utrecht jüngst an euch erließ?

    Licht
    Die Ordre! Was! Der Sünder, der! Ein Wisch,
    Den er mit eignen Händen aufgesetzt! –
    Die Truppen, die man anwarb, sind bestimmt
    Zum Dienst im Landesinneren; kein Mensch
    Denkt dran, sie nach Ostindien zu schicken!

    Eve
    Nein, nimmermehr, Ihr Herrn?

    Walter
    Bei meiner Ehre!
    Und zum Beweise meines Worts: den Ruprecht,
    Wärs so, wie du mir sagst: ich kauf ihn frei!

    Evesteht auf.
    O Himmel! Wie belog der Böswicht mich!
    Denn mit der schrecklichen Besorgnis eben
    Quält' er mein Herz, und kam, zur Zeit der Nacht,
    Mir ein Attest für Ruprecht aufzudrängen;
    Bewies, wie ein erlognes Krankheitszeugnis
    Von allem Kriegsdienst ihn befreien könnte;
    Erklärte und versicherte und schlich,
    Um es mir auszufert'gen, in mein Zimmer:
    So Schändliches, Ihr Herren, von mir fordernd,
    Daß es kein Mädchenmund wagt auszusprechen!

    Frau Brigitte
    Ei, der nichtswürdig-schändliche Betrüger!

    Ruprecht
    Laß, laß den Pferdehuf, mein süßes Kind!
    Sieh, hätt ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert,
    Ich wär so eifersüchtig just, als jetzt!

    Sie küssen sich.

    Veit
    Das sag ich auch! Küßt und versöhnt und liebt euch;
    Und Pfingsten, wenn ihr wollt, mag Hochzeit sein!

    Lichtam Fenster.
    Seht, wie der Richter Adam, bitt ich euch,
    Berg auf, Berg ab, als flöh er Rad und Galgen,
    Das aufgepflügte Winterfeld durchstampft!

    Walter
    Was? Ist das Richter Adam?

    Licht
    Allerdings!

    Mehrere
    Jetzt kommt er auf die Straße. Seht! seht!
    Wie die Perücke ihm den Rücken peitscht!

    Walter
    Geschwind, Herr Schreiber, fort! Holt ihn zurück!
    Daß er nicht Übel rettend ärger mache.
    Von seinem Amt zwar ist er suspendiert,
    Und Euch bestell ich, bis auf weitere
    Verfügung, hier im Ort es zu verwalten;
    Doch sind die Kassen richtig, wie ich hoffe,
    Zur Desertion ihn zwingen will ich nicht.
    Fort! Tut mir den Gefallen, holt ihn wieder!

    Licht ab.

    Letzter Auftritt

    Die Vorigen ohne Licht.

    Frau Marthe
    Sagt doch, gestrenger Herr, wo find ich auch
    Den Sitz in Utrecht der Regierung?

    Walter
    Weshalb, Frau Marthe?

    Frau Martheempfindlich.
    Hm! Weshalb? Ich weiß nicht –
    Soll hier dem Kruge nicht sein Recht geschehn?

    Walter
    Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt,
    Am Dienstag ist und Freitag Session.

    Frau Marthe
    Gut! Auf die Woche stell ich dort mich ein.

    Alle ab.

    Ende