In diesem MOOC werden wir uns mit der Fabel "Der Hase und der Igel" beschäftigen. Diese deutsche Fabel, die auf die Brüder Grimm zurückgeht, handelt von einem Wettrennen zwischen einem Hasen und einem Igel. Die Fabel enthält eine überraschende Wendung und vermittelt eine wichtige Moral.

Titel einer 1855 erschienenen plattdeutschen Ausgabe mit den Illustrationen von Gustav Süs
Titel einer 1855 erschienenen plattdeutschen Ausgabe mit den Illustrationen von Gustav Süs


Der Hase und der Igel (Brüder Grimm)

Diese Geschichte hört sich ziemlich lügenhaft an, aber wahr ist sie doch, denn mein Großvater, von dem ich sie habe, pflegte immer, wenn er sie behaglich erzählte, dabei zu sagen: "Wahr muss sie doch sein, mein Sohn, sonst könnte man diese auch gar nicht erzählen." Die Geschichte aber hat sich wie folgt zugetragen:

Es war einmal an einem Sonntagmorgen zur Herbstzeit, gerade als der Buchweizen blühte: die Sonne war hell am Himmel aufgegangen, der Morgenwind ging warm über die Stoppeln, die Lerchen sangen in der Luft, die Bienen summten in den Buchweizenfeldern, die Leute gingen in ihren Sonntagskleidern in die Kirche, und alle Kreaturen waren vergnügt, und der Igel auch.

Der Igel aber stand vor seiner Tür, hatte die Arme übereinander geschlagen, schaute dabei in den Morgenwind hinaus und trällerte ein kleines Liedchen, so gut und so schlecht, wie nun eben am lieben Sonntagmorgen ein Igel zu singen vermag. Indem er nun so vor sich hingesungen hatte, fiel ihm auf einmal ein, er könnte doch, während seine Frau die Kinder wüsche und anzöge, ein bisschen im Felde spazieren gehen und nach seinen Steckrüben sehen. Sein Steckrübenfeld war dicht in der Nähe seines Hauses, und er pflegte mit seiner Familie davon zu essen, darum sah er sie als die seinigen an. Gesagt, getan! Der Igel machte die Haustür hinter sich zu und schlug den Weg zu dem Felde ein.

Er war noch nicht weit vom Hause weg und wollte just um den Schlehenbusch schlendern, der dort vor dem Felde steht, als ihm der Hase begegnete, der in ähnlichen Geschäften ausgegangen war, nämlich, um seinen Kohl zu sehen. Als der Igel den Hasen sah, schenkte er ihm ein freundliches guten Morgen. Der Hase aber, der auf seine Weise ein vornehmer Herr war, und grausam hochnäsig dabei, antwortete nicht auf des Igels Gruß, sondern sagte zum Igel, wobei er eine gewaltig hohe Miene annahm: "Wie kommt es denn, dass du schon so früh am Morgen im Felde herumläufst?" - "Ich geh spazieren!" sagte der Igel. "Spazieren?" lachte der Hase, "mich deucht, du könntest die Beine auch wohl zu besseren Dingen gebrauchen." Diese Antwort verdross den Igel ungeheuer, denn alles konnte er ertragen, aber auf seine Beine lässt er nichts kommen, eben weil sie von Natur aus schief sind. "Du bildest dir wohl ein," sagte nun der Igel zum Hasen, "dass du mit deinen Beinen mehr ausrichten kannst?" - "Das denke ich", sagte der Hase. "Das käme auf einen Versuch an." meinte der Igel.

"Ich glaube, dass wenn wir einen Wettlauf machen, ich an dir vorbeilaufe." - "Das ist zum Lachen, du mit deinen schiefen Beinen," sagte der Hase, "aber meinetwegen mag es sein, wenn du so übergroße Lust darauf hast. Um was wetten wir?" - "Einen goldenen Louisdor und eine Flasche Branntwein," sagte der Igel. "Angenommen!" sprach der Hase. "schlag ein, und dann kann es gleich losgehen." - "Nein, so große Eile hat es nicht." meinte der Igel. "Ich bin noch ganz nüchtern; erst will ich nach Hause gehen und ein wenig frühstücken. In einer halben Stunde bin ich wieder auf dem Platz."

Daraufhin ging der Igel, denn der Hase war zufrieden. Unterwegs dachte der Igel bei sich: Der Hase verlässt sich auf seine langen Beine, aber ich will ihn schon kriegen. Er glaubt zwar, dass er ein vornehmer Herr sei, aber er ist doch nur ein dummer Kerl, und bezahlen soll er doch. Als nun der Igel zu Hause ankam, sprach er zu seiner Frau: "Frau, zieh dich schnell an, du musst mit mir aufs Feld hinaus." - "Was gibt es denn?" fragte Frau Igel. "Ich habe mit dem Hasen um einen goldenen Louisdor und eine Flasche Branntwein gewettet, dass ich mit ihm um die Wette laufe, und du sollst mit dabei sein." - "O mein Gott, Mann," fing Frau Igel an zu jammern, "bist du nicht recht gescheit? Hast du denn ganz den Verstand verloren? Wie kannst du mit dem Hasen um die Wette laufen wollen?" -"Lass es gut sein", sagte der Igel, "das ist meine Sache. Mach Dir keine Gedanken, zieh dich an und komm mit!" Was sollte Herr Igels Frau machen? Sie musste wohl folgen, ob sie nun mochte oder nicht.

Wie sie nun miteinander unterwegs waren, sprach der Igel zu seiner Frau: "Nun pass auf, was ich dir sagen will. Siehst du, auf dem langen Acker dort wollen wir unseren Wettlauf machen. Der Hase läuft nämlich in der einen Furche und ich in der andern, und von oben fangen wir an zu laufen. Nun hast du nichts weiter zu tun, als dich hier unten in die Furche zu stellen, und wenn der Hase auf der andern Seite ankommt, so rufst du ihm entgegen: Ich bin schon da." Damit waren sie beim Acker angelangt. Der Igel wies seiner Frau den Platz an und ging nun den Acker hinauf. Als er oben ankam, war der Hase schon da. "Kann es losgehen?" fragte der Hase. "Jawohl", erwiderte der Igel. "Dann also los!" Und damit stellte sich jeder in seine Furche. Der Hase zählte: "Eins, zwei, drei!" und los ging es wie ein Sturmwind den Acker hinunter. Der Igel aber lief nur ungefähr drei Schritte, dann duckte er sich in die Furche und blieb ruhig sitzen.

Als nun der Hase in vollem Lauf unten am Acker ankam, rief ihm Frau Igel entgegen: "Ich bin schon da!" Der Hase stutzte und verwunderte sich nicht wenig: er meinte nicht anders, als wäre es der Igel selbst, der ihm zurief, denn bekanntlich sieht dem Igel seine Frau just so aus wie ihr Mann. Der Hase aber meinte: "Das geht nicht mit rechten Dingen zu." Er rief: "Noch mal gelaufen, wieder rum!" Und fort ging er wieder wie ein Sturmwind, dass ihm die Ohren am Kopfe flogen. Frau Igel blieb indes ruhig auf ihrem Platz stehen. Als nun der Hase oben ankam, rief ihm der Igel entgegen: "Ich bin schon hier!" Der Hase aber, ganz außer sich vor Eifer, schrie: "Noch einmal gelaufen, wieder rum!" - "Mir recht", antwortete der Igel, "meinetwegen, so oft du Lust hast." So lief der Hase noch dreiundsiebzigmal, und der Igel hielt es immer mit ihm aus. Jedes Mal, wenn der Hase unten oder oben ankam, sagte der Igel oder seine Frau: "Ich bin schon hier."

Beim vierundsiebzigsten Male aber kam der Hase nicht mehr bis ans Ende. Mitten auf dem Acker stürzte er zur Erde und blieb tot auf dem Platze liegen. Der Igel nahm seinen gewonnenen Louisdor und die Flasche Branntwein, rief seine Frau aus der Furche ab, und beide gingen vergnügt miteinander nach Hause! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

So begab es sich, dass auf der Buxtehuder Heide der Igel den Hasen tot gelaufen hat, und seit jener Zeit hat es sich kein Hase wieder einfallen lassen, mit dem Buxtehuder Igel um die Wette zu laufen. Die Lehre aber aus dieser Geschichte ist, dass keiner, und wenn er sich auch noch so vornehm ausdrückt, sich über einen geringen Mann lustig mache sollte, und wenn es auch nur ein Igel wäre.


Quelle: Brüder Grimm „Die schönsten Kinder- und Hausmärchen“ 7. Auflage (1857)

Vergleiche

Aufgabe: Vergleiche diese beiden Versionen und notiere Gemeinsamkeiten und Unterschiede.


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Text im Orignial


Zusammenfassung der Fabel

In der Fabel "Der Hase und der Igel" wettet ein selbstgefälliger Hase mit einem Igel um einen Goldgulden und eine Flasche Branntwein, dass er schneller rennen könne. Am Tag des Wettrennens wartet der Igel am Startpunkt, während seine Frau, die genauso aussieht wie er, am Ziel versteckt ist. Als der Hase losrennt, bleibt der Igel am Start stehen und ruft seiner Frau zu, sich bereit zu machen. Als der Hase am Ziel ankommt, sieht er die Frau des Igels und denkt, er hätte verloren. Der Hase fordert eine Revanche, und das Rennen wiederholt sich mit dem gleichen Ergebnis. Schließlich gibt der Hase auf, und der Igel gewinnt die Wette.

Moral der Fabel

Die Moral der Fabel "Der Hase und der Igel" lautet: "Hochmut kommt vor dem Fall." Der Hase, der aufgrund seiner natürlichen Schnelligkeit übermütig ist, unterschätzt den Igel und seine Frau und verliert dadurch das Rennen. Die Fabel lehrt uns, dass wir niemanden aufgrund seiner äußeren Erscheinung oder scheinbaren Fähigkeiten unterschätzen sollten.

Analyse der Fabel

Um die Fabel "Der Hase und der Igel" zu analysieren, betrachten wir folgende Aspekte:

  • Inhalt: Das Wettrennen zwischen Hase und Igel und die überraschende Wendung.
  • Figuren: Der selbstgefällige Hase, der clevere Igel und seine Frau.
  • Moral: "Hochmut kommt vor dem Fall."
  • Sprache und Stil: Die Fabel ist in Prosa verfasst und nutzt einfache, klare Sprache, um die Handlung und die Charaktere zu beschreiben.


Offene Aufgaben

  1. Verfasse eine moderne Version der Fabel "Der Hase und der Igel", indem du die Handlung in die heutige Zeit versetzt oder die Figuren durch moderne Charaktere ersetzt.
  2. Zeichne oder male eine Szene aus der Fabel "Der Hase und der Igel" und erkläre, warum du diese Szene gewählt hast.
  3. Schreibe eine Fortsetzung der Fabel "Der Hase und der Igel", in der der Hase eine neue Lektion lernt oder seine Einstellung ändert.
  4. Vergleiche die Fabel "Der Hase und der Igel" mit einer anderen Fabel, die eine ähnliche Moral vermittelt. Wie werden die verschiedenen Geschichten erzählt, und welche #Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es?
  5. Erstelle ein kurzes Hörspiel oder Video, das die Fabel "Der Hase und der Igel" erzählt. Nutze dabei verschiedene Stimmen, Geräusche oder Musik, um die Geschichte lebendig zu gestalten.
  6. Diskutiere in einer Gruppe, wie die Moral der Fabel "Der Hase und der Igel" auf aktuelle gesellschaftliche oder persönliche Situationen angewendet werden kann.
  7. Erstelle ein Quiz oder ein Rätsel, das das Wissen über die Fabel "Der Hase und der Igel" und ihre Moral testet.
  8. Schreibe eine kurze Analyse der Fabel "Der Hase und der Igel" und erkläre, wie die Figuren, die Handlung und die Sprache zur Vermittlung der Moral beitragen.
  9. Untersuche, wie die Fabel "Der Hase und der Igel" in verschiedenen Kulturen und Zeiten adaptiert oder verändert wurde.
  10. Erstelle ein Poster oder eine Präsentation, die die wichtigsten Aspekte der Fabel "Der Hase und der Igel" hervorhebt, einschließlich der Figuren, der Handlung und der Moral.


Quiz: Teste Dein Wissen

Wer sind die Autoren der Fabel "Der Hase und der Igel"? (Brüder Grimm) (!Äsop) (!Jean de La Fontaine) (!Gotthold Ephraim Lessing)

Um was wetteten der Hase und der Igel? (Einen Goldgulden und eine Flasche Branntwein) (!Einen Sack Getreide) (!Einen Korb mit Äpfeln) (!Ein Paar Schuhe)

Wie gewinnen der Igel und seine Frau das Wettrennen? (Indem sie an beiden Enden der Rennstrecke stehen) (!Indem sie den Hasen ablenken) (!Indem sie eine Abkürzung nehmen) (!Indem sie den Hasen einschüchtern)

Was ist die Moral der Fabel "Der Hase und der Igel"? (Hochmut kommt vor dem Fall) (!Ehrlichkeit währt am längsten) (!Müßiggang ist aller Laster Anfang) (!Geteilte Freude ist doppelte Freude)

In welcher Form ist die Fabel "Der Hase und der Igel" geschrieben? (Prosa) (!Versform) (!Drama) (!Lyrik)





Memory

Brüder Grimm Autoren der Fabel "Der Hase und der Igel"
Hase Tier, das im Wettrennen verliert
Igel Tier, das im Wettrennen gewinnt
Goldgulden und Branntwein Wetteinsatz in der Fabel
Hochmut kommt vor dem Fall Moral der Fabel
Prosa Form, in der die Fabel geschrieben ist
Wettrennen Hauptereignis der Fabel
Igel-Frau Verbündete des Igels im Wettrennen


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