Gregor Samsa - Schwester
Gregor Samsa - Schwester
Warum ist es so, dass meine Gedanken unablässig um meine Schwester kreisen? Sie, die einst die Melodien der Hoffnung auf ihrem Geigenbogen tanzte, während ich, in der Dunkelheit meines Zimmers eingesperrt, nur der traurige Zuschauer sein konnte. Ihre Musik, einst ein süßer, lebendiger Traum, wird nun durch die dichte Wand meiner monströsen Existenz erstickt. War es nicht meine Absicht, ihr ein Leben voller Musik zu ermöglichen, ein Leben, das sie aus der drückenden Enge unseres Hauses befreien würde? Und doch, was habe ich erreicht außer ihr Leben mit meiner grotesken Verwandlung zu beschweren?
Sie versorgt mich, ja, aber mit jeder Handreichung spüre ich, wie die einstige Wärme zwischen uns einer kalten Distanz weicht. Ihr Lächeln, das sie mir zuwendet, scheint nun mehr Pflicht als Zuneigung zu sein. Ich bin zu einer Last geworden, einem peinlichen Geheimnis, das man hinter verschlossenen Türen verbirgt. In ihren Augen, einmal voller Schwesterlichkeit, sehe ich nun die Reflexion meiner eigenen Monstrosität.
Wie konnte ich nur so naiv sein zu glauben, dass meine Verwandlung irgendwie vorübergehend sein könnte? Dass ich vielleicht eines Tages erwachen und alles wäre wie zuvor. Doch jedes Knistern meiner panzerartigen Haut erinnert mich daran, dass ich tiefer in dieses Abgrund des Ekels gesunken bin. Meine Existenz – eine ständige Belastung für die, die ich liebe.
Am Ende ist es meine Schuld. Durch meine Verwandlung habe ich nicht nur mein eigenes Leben zerstört, sondern auch das meiner geliebten Schwester. In jedem ihrer gezwungenen Lächeln und in jedem sehnsüchtigen Blick zum Fenster sehe ich die Wahrheit, die sie nicht ausspricht. Mein Leben, einmal menschlich und voller kleiner Freuden, ist nun nichts weiter als ein sinnloses, ekelerregendes Dasein, das eine erbärmliche Qual für meine Mitmenschen darstellt. Ich blicke in den Spiegel, der nur noch meine Verzweiflung widerspiegelt und erkenne, dass ich alles und jeden um mich herum nur enttäuscht habe. Ich bin eine unerträgliche abscheuliche Last für andere.
GREGOR SAMSA
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