GREGOR SAMSA - Die Erinnerungen an die Zeit vor der Verwandlung


Warum, frage ich mich in den dunkelsten Stunden der Nacht, als die Stille des Hauses meine Sinngedanken mehr als je zuvor erdrückt, warum muss ich mich an die Tage vor meiner Transformation klammern, wie an einen strohhalmgleichen Rettungsversuch im würgenden Meer meines jetzigen Daseins? Die Erinnerungen – sind sie nicht nur Marterwerkzeuge, die mein gegenwärtiges Elend verstärken? Ich sehe mich, den einst geschätzten Sohn und Bruder, wie ich durch die Straßen eile, von einem Geschäftstermin zum nächsten, immer im Dienst der Tilgung eines familiären Schuldenberges, den ich nie selbst aufgetürmt habe.

Wie ironisch, dass ich einst glaubte, durch meine unablässige Arbeit könnte ich eine Brücke zurück zur Normalität bauen, eine Brücke, die nun in der grausamen Realität meiner Existenz als monströses Ungeziefer eingestürzt ist. Meine täglichen Mühen, meine Hoffnungen, sie erscheinen nun grotesk, lachhaft, fast wie ein bitterer Scherz des Schicksals. Die Tage, an denen ich von einer Beförderung träumte, von einem Leben, in dem ich vielleicht sogar eine Frau an meiner Seite hätte, die meine Neigungen teilt, die Liebe zu Büchern, zu stillen Abenden – all dies ist verloren. Meine Ambitionen, einst wie ein leuchtender Stern am Horizont, sind nun nichts weiter als der stumpfe Schmerz eines verfaulenden Apfelstückes in meinem Rücken.

Mit jeder weiteren Erinnerung, die durch meinen Kopf kriecht, wird mir bewusster, wie sehr ich zum Störfaktor geworden bin, zur Last, zum familieninternen Paria. Die wenigen Momente der Freude, die ich empfand, als ich meine kleine Schwester auf ihrem Weg zur musikalischen Bildung unterstützte, sind jetzt vergiftet von der Gewissheit, dass ich nichts weiter bin als eine Quelle des Ekels und der Scham für sie. Ich habe ihr Leben ruiniert, ebenso das meiner Eltern. Ich bin der Anker, der meine Familie in die Tiefen des sozialen Abgrunds zieht.

Wie erbärmlich ist mein Spiegelbild, das ich nur wage, in den dunklen Fensterscheiben zu erblicken! In diesen verzerrten Reflexionen sehe ich die wahre Gestalt meiner Existenz: ein Leben, das nichts wert ist, sinnlos, ekelerregend, eine erbärmliche Qual für meine Mitmenschen. Ich bin an allem Schuld, an jeder Träne, die in unserer Wohnung vergossen wird, an jeder harten Silbe, die in den Räumen widerhallt. Ja, ich bin eine unerträgliche abscheuliche Last für andere.


GREGOR SAMSA











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