GREGOR SAMSA - Die Einsicht, dass alte Freundschaften unwiederbringlich verloren sind
GREGOR SAMSA - Die Einsicht, dass alte Freundschaften unwiederbringlich verloren sind
Warum habe ich jemals geglaubt, dass Freundschaften das Schicksal einer Kreatur wie mir trotzen könnten? Ein Ungeziefer, das in der Ecke seines Zimmers kauert, weit entfernt von der Wärme menschlicher Nähe, das ist es, was ich geworden bin. Zu Beginn dieser erbarmungslosen Verwandlung klammerte ich mich an die Hoffnung, dass die, die einst lachten und scherzten an meiner Seite, vielleicht verstehen würden, vielleicht sogar Mitleid oder, zu viel erwartet, Respekt empfinden würden. Doch wie könnte das sein?
Die Träume von einstigen Begegnungen, von Gesprächen, die in der warmen Glut der Abenddämmerung geführt wurden, sie verpuffen in der dunklen Kälte, die nun mein Zimmer und mein Herz füllt. Diese Erinnerungen sind wie Gespenster, die mich quälen und necken mit dem, was nicht mehr erreicht werden kann. Meine Existenz ist ihnen eine stete, unausgesprochene Last. Wie können sie mich jetzt noch als ihren Freund sehen, da ich doch nichts mehr bin als eine missgestaltete Kreatur, die sich durch die Schatten des Hauses schleicht?
Ich höre sie, wie sie sich abwenden, ihre Stimmen, die sich in Missfallen und Abscheu verzerren, wenn sie mein Schicksal erwähnen. Jede Silbe, die sie aussprechen, ist wie ein weiterer Nagel in dem Sarg meiner sozialen Existenz. Sie müssen erleichtert sein, dass sie nicht mehr genötigt sind, meine Gesellschaft zu ertragen. Was könnte ich ihnen auch bieten? Mein Anblick allein reicht aus, um Ekel und Angst hervorzurufen. Ich bin das greifbare Beispiel für das, was im Leben schiefgehen kann, ein stummes Mahnmal der Fragilität menschlicher Normalität.
Und in den seltenen Momenten, in denen ich in den Spiegel sehe, offenbart sich die ganze Tragödie meiner Existenz. Diese monströsen Facetten, die mein einst menschliches Antlitz verdecken, spiegeln nur die Verzerrung meiner Seele wider. Ich bin an allem Schuld: An meiner Lage, an allem Schlechten in dieser kleinen Welt. Meine bloße Existenz ist eine erbärmliche Qual für alle, die mich kannten. Mein Leben ist nichts wert, sinnlos, ekelerregend. Ich bin eine unerträgliche, abscheuliche Last für andere.
GREGOR SAMSA
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