Die missleitete Wut: Eine Diagnose der gesellschaftlichen Schieflage






Die missleitete Wut: Eine Diagnose der gesellschaftlichen Schieflage

Es liegt eine tragische Ironie über unserer politischen Landschaft, ein Paradoxon, das sich wie ein roter Faden durch die Kommentarspalten und Stammtische zieht. Die Anhänger der rechten Bewegungen, jene, die vor Wut schäumen und das System verfluchen, besitzen einen durchaus funktionierenden inneren Kompass für Ungerechtigkeit. Sie haben Recht. Nicht in ihrer Analyse, die oft von Ressentiments vergiftet ist, sondern in ihrem fundamentalen Gefühl: Sie spüren den kalten Hauch des Verrats. Der Gesellschaftsvertrag, jenes unsichtbare Band, das einst versprach: "Wer sich anstrengt, dem wird es gut gehen", ist nicht einfach nur brüchig geworden – er wurde einseitig aufgekündigt und geschreddert. Doch anstatt die Brandstifter im Penthouse zur Rechenschaft zu ziehen, lassen wir uns einreden, die Gefahr komme von jenen, die noch weniger besitzen als wir selbst. Es ist, als würde man auf einem sinkenden Schiff denjenigen verprügeln, der kein Rettungsboot ergattert hat, während der Kapitän mit dem einzigen Hubschrauber davonfliegt.

Die Architektur der Gier: Wenn Flüsse aufwärts fließen

Betrachten wir die ökonomische Realität, so blicken wir in einen Abgrund, der sich in den letzten Jahrzehnten unaufhaltsam geweitet hat. Es ist eine Geschichte der Entkopplung. Einst, in einer fast vergessenen Ära der späten 80er Jahre, verdiente ein DAX-Vorstand das 15-Fache seiner Angestellten. Das mag manchem schon viel erschienen sein, doch es herrschte noch eine gewisse Gravitation des Anstands. Heute hat sich diese Relation in groteske Sphären verflüchtigt: Wir sprechen vom 71-Fachen in Deutschland, in den USA gar von Dimensionen jenseits des 300-Fachen. Noch verheerender ist die Bilanz beim Vermögen, dem wahren Maßstab der Macht. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung – 50 Prozent der Menschen, die dieses Land am Laufen halten, die unsere Alten pflegen, unsere Pakete schleppen und unsere Regale auffüllen – besitzt zusammen kaum mehr als 2 Prozent des Gesamtvermögens. Währenddessen thronen die reichsten 10 Prozent auf über der Hälfte des gesamten Reichtums. Das ist keine "Marktwirtschaft" mehr, das ist Feudalismus im Gewand der Demokratie.

Der Neoliberalismus: Ein Virus im Betriebssystem der Solidarität

Diese Schieflage ist kein Naturereignis wie ein Erdbeben oder eine Flut; sie ist menschengemacht, das Ergebnis einer Ideologie, die in den 80er Jahren unter der Ägide von Ronald Reagan und Margaret Thatcher ihren Siegeszug antrat: der Neoliberalismus. Wie ein trojanisches Pferd wurde uns die Idee verkauft, der Staat sei das Problem und der Markt die alleinige Lösung. Man predigte die "Freiheit", meinte aber die Freiheit des Fuchses im Hühnerstall. Dieses System gleicht einem riesigen Schneeballsystem, das nur funktioniert, solange man immer neue Gruppen findet, die sich ausbeuten lassen. Und wenn die Quellen versiegen? Dann implodiert das Versprechen des ewigen Wachstums. Ein perfider "Hack" der Demokratie erlaubt es den Superreichen – oder besser: den "Überreichen" – sich der Finanzierung des Gemeinwesens fast vollständig zu entziehen:

Der "Buy, Borrow, Die"-Trick: Man zahlt sich kein Gehalt aus, auf das Einkommenssteuer fällig wäre. Stattdessen beleiht man sein gigantisches Aktienpaket. Für die Bank ist das Sicherheit genug, für den Fiskus existiert kein Einkommen. Ein Jeff Bezos kann so Milliarden anhäufen und gleichzeitig Kindergeld-Gutschriften kassieren, während die Kassiererin für jeden Cent Rechenschaft ablegen muss.

Das große Ablenkungsmanöver: Der Sündenbock-Mechanismus

Hier nun schließt sich der Kreis zum Aufstieg des Rechtspopulismus. In einer Welt, die für viele immer unsicherer wird, bieten Demagogen eine verführerisch einfache Droge an: den Hass nach unten. Es ist der klassische Taschenspielertrick: Während die Hand der Eliten tief in unseren Taschen steckt und die Früchte unserer Arbeit privatisiert, deutet die andere Hand auf den Geflüchteten, den "Fremden", die Minderheit. "Seht her", rufen sie, "er ist schuld, dass ihr keine Wohnung findet!" Diese Erzählung verfängt, weil sie das diffuse Gefühl der Ohnmacht in ein konkretes Feindbild kanalisiert. Es ist leichter, auf den Schwachen zu treten, als sich gegen den Mächtigen zu erheben. Der Rassismus dient hier als Blitzableiter, der die Energie des Zorns unschädlich in den Boden leitet, anstatt sie dort einschlagen zu lassen, wo sie hingehört: in die Chefetagen der Konzerne und die Lobbys der Politik.

Eine Renaissance der Gerechtigkeit: Was zu tun ist

Wir müssen aufhören, dieses Spiel mitzuspielen. Wir müssen das Narrativ zurückerobern. Das "Wir" darf sich nicht über Herkunft oder Hautfarbe definieren, sondern über den Beitrag zur Gemeinschaft. Wer hier lebt, arbeitet und seinen Teil leistet, gehört dazu. Wer sich durch Steuerflucht und Lobbyismus aus der Verantwortung stiehlt, ist der wahre Sozialschmarotzer – egal wie teuer sein Anzug ist. Um die Waage wieder ins Gleichgewicht zu bringen, bedarf es radikaler, aber notwendiger Eingriffe:

  1. Die Wiederbelebung der Vermögenssteuer: Es ist ein Gebot der Vernunft, dass jene, die vom System am meisten profitieren, auch überproportional zu dessen Erhalt beitragen. Ein oder zwei Prozent jährliche Abgabe auf riesige Vermögen würden die Überreichen nicht schmerzen, aber sie könnten unsere Schulen sanieren, unsere Brücken sichern und den sozialen Frieden erkaufen.
  2. Eine echte Erbschaftssteuer: Wir müssen den dynastischen Geldadel aufbrechen. Es geht nicht um das Häuschen der Großmutter, sondern um Milliardenvermögen, die leistungslos weitergereicht werden. Eine Gesellschaft, die Leistung predigt, darf leistungslosen Reichtum nicht stärker subventionieren als ehrliche Arbeit.

Wir stehen an einem Scheideweg. Lassen wir uns weiter gegeneinander ausspielen, oder richten wir unseren Blick endlich nach oben und fordern ein, was uns zusteht? Es ist Zeit, dass die Wut ihr wahres Ziel findet.










Teilen

aiMOOCs




The Monkey Dance SpreadShirtShop





The Monkey DanceaiMOOCs

  1. Trust Me It's True: #Verschwörungstheorie #FakeNews
  2. Gregor Samsa Is You: #Kafka #Verwandlung
  3. Who Owns Who: #Musk #Geld
  4. Lump: #Trump #Manipulation
  5. Filth Like You: #Konsum #Heuchelei
  6. Your Poverty Pisses Me Off: #SozialeUngerechtigkeit #Musk
  7. Hello I'm Pump: #Trump #Kapitalismus
  8. Monkey Dance Party: #Lebensfreude
  9. God Hates You Too: #Religionsfanatiker
  10. You You You: #Klimawandel #Klimaleugner
  11. Monkey Free: #Konformität #Macht #Kontrolle
  12. Pure Blood: #Rassismus
  13. Monkey World: #Chaos #Illusion #Manipulation
  14. Uh Uh Uh Poor You: #Kafka #BerichtAkademie #Doppelmoral
  15. The Monkey Dance Song: #Gesellschaftskritik
  16. Will You Be Mine: #Love
  17. Arbeitsheft


© The Monkey Dance on Spotify, YouTube, Amazon, MOOCit, Deezer, ...