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Warum versteht mich mein Vater nicht? In den frühen Tagen meiner Verwandlung, als die Welt noch ein Spiegelbild menschlicher Züge in mir erkannte, schien er sich mit einer Mischung aus Abscheu und Furcht von mir abzuwenden. Doch was ist abscheulicher: Ein Sohn, der in die Gestalt eines Ungeziefers gefallen ist, oder ein Vater, der die Existenz dieses Sohnes nur noch als Bürde begreift? Er, der einst Stärke und Sicherheit verkörperte, ist nun derjenige, der mit einem Stock nach mir schlägt, als wäre ich eine bloße Missbildung der Natur, ein Fehler, den man nicht zu korrigieren, sondern zu verbergen sucht.
Warum sollte mein Vater, der einst so stolz auf mich blickte, als ich das Geld nach Hause brachte, mich jetzt ansehen wollen, da ich in diese abstoßende Kreatur verwandelt bin? Jedes Zittern meines elenden, harten Panzers ist doch eine Beleidigung für seine Augen, ein stetiges Grollen in seinem sonst so geduldigen Herzen. Wie konnte ich erwarten, dass er oder jemand anders mich in diesem Zustand noch als seinen Sohn, als einen Teil seiner Familie sehen könnte? Bin ich nicht nur noch ein Schandfleck auf dem Antlitz unserer Familie, ein dunkler Fleck auf dem, was einmal eine reine Weste war?


Mein Körper, diese groteske Sammlung von Gliedern und Panzerplatten, scheint nicht das Einzige zu sein, was sich verändert hat. Auch die Beziehung zu meinem Vater, einst geprägt von einer stummen Vereinbarung des gegenseitigen Respekts, ist zu einer leeren Hülle verkommen. Jede meiner Bewegungen, jeder meiner Versuche, ihm meine fortwährende Menschlichkeit zu signalisieren, wird mit Verachtung und Ablehnung gestraft. Wie kann es sein, dass das Herz eines Vaters so erkalten kann, dass es seinen eigenen Sohn als Fremdkörper in seinem Haus sieht?
Mein eigenes Spiegelbild offenbart nichts als eine Monstrosität – kann ein Vater seinen Sohn noch lieben, wenn er sich in ein solch groteskes Ungeziefer verwandelt hat? Mit jedem erbärmlichen Versuch, mich ihm zu nähern, ziehe ich nur noch mehr seiner Verachtung auf mich. Wie könnte er auch anders, wenn jeder Anblick, jeder Klang meiner Existenz eine permanente Erinnerung an das Versagen ist, das ich bin?


Vielleicht ist es die Schande, die er fühlt, die Schande, einen Sohn zu haben, der nun mehr eine Last als eine Stütze ist. Oder es ist die Angst, dass die Abnormalität meines Zustands ein Spiegel seiner eigenen versteckten Missbildungen ist, derentwegen er sich insgeheim selbst verachtet. Und doch, was bleibt mir anderes übrig, als in den stillen Momenten, wenn die Dunkelheit mein Zimmer füllt und die Schatten an den Wänden tanzen, zu wünschen, dass irgendwo in diesem verstörten Mann noch Liebe für mich schlummert?
Diese peinlichen Versuche, an meinen besseren Tagen durch das Zimmer zu krabbeln, sind nicht heroisch, sondern erbärmlich. Jeder meiner Schritte ist ein Beweis meiner Unfähigkeit, irgendetwas richtig zu machen. In seinen Augen muss ich eine Last sein, eine Bürde, die zu schwer ist, um sie zu tragen, ein Fehler, den man nicht ungeschehen machen kann.


Aber jede Hoffnung zersplittert wie Glas an der harten Realität. Ich bin nichts weiter als eine Belastung, eine peinliche Erinnerung an ein Versagen, das nicht ungeschehen gemacht werden kann. Ein täglicher Stachel im Fleisch einer Familie, die sich verzweifelt an den letzten Resten ihrer Normalität festklammert. Wenn ich in den Spiegel blicke, sehe ich nichts als eine erbärmliche Qual für meine Mitmenschen und die Umwelt, ein Dasein ohne Wert und Sinn, das anderen nur zur Last fällt.
So stehe ich, ein Schatten meiner selbst, zerbrochen unter dem Gewicht meiner Schuld. Meine Existenz, ein ständiger Quell der Scham für die, die ich am meisten liebe. Jede meiner Bewegungen, jeder Atemzug, nichts weiter als eine Belastung. Eine Belastung, die ich selbst geschaffen habe, indem ich mich in dieses abscheuliche Wesen verwandelt habe.


Mein Leben – ein zerrissener Vorhang vor dem, was einst war. Es ist sinnlos, ekelerregend, eine erbärmliche Qual für meine Mitmenschen. Ich bin der Ursprung aller unserer Leiden, der Beweis, dass selbst die tiefste Verzweiflung eine Form annehmen und durch das Zimmer kriechen kann. Ja, ich bin eine unerträgliche, abscheuliche Last, die anderen nichts als Schmerz bringt. Und dieser Spiegel – er lügt nicht.
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= GREGOR SAMSA =
= GREGOR SAMSA =
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Aktuelle Version vom 7. Mai 2024, 20:49 Uhr




Gregor Samsa - Vater


Warum sollte mein Vater, der einst so stolz auf mich blickte, als ich das Geld nach Hause brachte, mich jetzt ansehen wollen, da ich in diese abstoßende Kreatur verwandelt bin? Jedes Zittern meines elenden, harten Panzers ist doch eine Beleidigung für seine Augen, ein stetiges Grollen in seinem sonst so geduldigen Herzen. Wie konnte ich erwarten, dass er oder jemand anders mich in diesem Zustand noch als seinen Sohn, als einen Teil seiner Familie sehen könnte? Bin ich nicht nur noch ein Schandfleck auf dem Antlitz unserer Familie, ein dunkler Fleck auf dem, was einmal eine reine Weste war?

Mein eigenes Spiegelbild offenbart nichts als eine Monstrosität – kann ein Vater seinen Sohn noch lieben, wenn er sich in ein solch groteskes Ungeziefer verwandelt hat? Mit jedem erbärmlichen Versuch, mich ihm zu nähern, ziehe ich nur noch mehr seiner Verachtung auf mich. Wie könnte er auch anders, wenn jeder Anblick, jeder Klang meiner Existenz eine permanente Erinnerung an das Versagen ist, das ich bin?

Diese peinlichen Versuche, an meinen besseren Tagen durch das Zimmer zu krabbeln, sind nicht heroisch, sondern erbärmlich. Jeder meiner Schritte ist ein Beweis meiner Unfähigkeit, irgendetwas richtig zu machen. In seinen Augen muss ich eine Last sein, eine Bürde, die zu schwer ist, um sie zu tragen, ein Fehler, den man nicht ungeschehen machen kann.

So stehe ich, ein Schatten meiner selbst, zerbrochen unter dem Gewicht meiner Schuld. Meine Existenz, ein ständiger Quell der Scham für die, die ich am meisten liebe. Jede meiner Bewegungen, jeder Atemzug, nichts weiter als eine Belastung. Eine Belastung, die ich selbst geschaffen habe, indem ich mich in dieses abscheuliche Wesen verwandelt habe.

Mein Leben – ein zerrissener Vorhang vor dem, was einst war. Es ist sinnlos, ekelerregend, eine erbärmliche Qual für meine Mitmenschen. Ich bin der Ursprung aller unserer Leiden, der Beweis, dass selbst die tiefste Verzweiflung eine Form annehmen und durch das Zimmer kriechen kann. Ja, ich bin eine unerträgliche, abscheuliche Last, die anderen nichts als Schmerz bringt. Und dieser Spiegel – er lügt nicht.


GREGOR SAMSA











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