Quelltext der Seite Schiller, Friedrich (1759-1805): Wilhelm Tell

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<h3>Personen:</h3>
<p class="center"><span class="speaker">Hermann Gessler</span><i>, Reichsvogt in Schwyz und Uri</i><br><span class="speaker">Werner, Freiherr von Attinghausen</span><i>, Bannerherr</i><br><span class="speaker">Ulrich von Rudenz</span><i>, sein Neffe</i></p>
<p class="center"><span class="regie">Landleute aus Schwyz:</span><br><span class="speaker">Werner Stauffacher</span><br><span class="speaker">Konrad Hunn</span><br><span class="speaker">Itel Reding</span><br><span class="speaker">Hans auf der Mauer</span><br><span class="speaker">Jörg im Hofe</span><br><span class="speaker">Ulrich der Schmied</span><br><span class="speaker">Jost von Weiler</span></p>
<p class="center"><span class="regie">aus Uri:</span><br><span class="speaker">Walther Fürst</span><br><span class="speaker">Wilhelm Tell</span><br><span class="speaker">Rösselmann</span><i>, der Pfarrer</i><br><span class="speaker">Petermann</span><i>, der Sigrist</i><br><span class="speaker">Kuoni</span><i>, der Hirte</i><br><span class="speaker">Werni</span><i>, der Jäger</i><br><span class="speaker">Ruodi</span><i>, der Fischer</i></p>
<p class="center"><span class="regie">aus Unterwalden:</span><br><span class="speaker">Arnold vom Melchtal</span><br><span class="speaker">Konrad Baumgarten</span><br><span class="speaker">Meier von Sarnen</span><br><span class="speaker">Struth von Winkelried</span><br><span class="speaker">Klaus von der Flüe</span><br><span class="speaker">Burkhardt am Bühel</span><br><span class="speaker">Arnold von Sewa</span></p>
<p class="center"><span class="speaker">Pfeifer von Luzern</span><br><span class="speaker">Kunz von Gersau</span><br><span class="speaker">Jenni</span><i>, Fischerknabe</i><br><span class="speaker">Seppi</span><i>, Hirtenknabe</i><br><span class="speaker">Gertrud</span><i>, Stauffachers Gattin</i><br><span class="speaker">Hedwig</span><i>, Tells Gattin, Fürsts Tochter</i><br><span class="speaker">Berta von Bruneck</span><i>, eine reiche Erbin</i></p>
<p class="center"><span class="regie">Bäuerinnen:</span><br><span class="speaker">Armgard</span><br><span class="speaker">Mechthild</span><br><span class="speaker">Elsbeth</span><br><span class="speaker">Hildegard</span></p>
<p class="center"><span class="regie">Tells Knaben:</span><br><span class="speaker">Walther</span><br><span class="speaker">Wilhelm</span></p>
<p class="center"><span class="regie">Söldner:</span><br><span class="speaker">Friesshardt</span><br><span class="speaker">Leuthold</span></p>
<p class="center"><span class="speaker">Rudolf der Harras</span><i>, Gesslers Stallmeister</i><br><span class="speaker">Johannes Parricida</span><i>, Herzog von Schwaben</i><br><span class="speaker">Stüssi</span><i>, der Flurschütz</i><br><span class="speaker">Der Stier von Uri</span><br><span class="speaker">Ein Reichsbote</span><br><span class="speaker">Fronvogt</span><br><span class="speaker">Meister Steinmetz, Gesellen</span><i>und</i><span class="speaker">Handlanger</span><br><span class="speaker">Öffentliche Ausrufer</span><br><span class="speaker">Barmherzige Brüder</span><br><span class="speaker">Gesslerische</span><i>und</i><span class="speaker">Landenbergische Reiter</span><br><i>Viele</i><span class="speaker">Landleute, Männer</span><i>und</i><span class="speaker">Weiber</span><i>aus den Waldstätten</i></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell11">
<h2>Erster Aufzug</h2>
<h3>Erste Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Hohes Felsenufer des Vierwaldstättersees, Schwyz gegenüber.</span></p>
<p class="stage">Der See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem Ufer, <span class="speaker">Fischerknabe</span> fährt sich in einem Kahn. Über den See hinweg sieht man die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwyz im hellen Sonnenschein liegen. Zur Linken des Zuschauers zeigen sich die Spitzen des Haken, mit Wolken umgeben; zur Rechten im fernen Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang aufgeht, hört man den Kuhreihen und das harmonische Geläut der Herdenglocken, welches sich auch bei eröffneter Szene noch eine Zeitlang fortsetzt.</p>
<p><span class="speaker">Fischerknabe</span><span class="regie">singt im Kahn: Melodie des Kuhreihens</span><br>
      Es lächelt der See, er ladet zum Bade,<br>
      Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,<br>
          Da hört er ein Klingen,<br>
          Wie Flöten so süss,<br>
          Wie Stimmen der Engel<br>
          Im Paradies.<br>
      Und wie er erwachet in seliger Lust,<br>
      Da spülen die Wasser ihn um die Brust,<br>
          Und es ruft aus den Tiefen:<br>
          Lieb Knabe, bist mein!<br>
          Ich locke den Schäfer,<br>
          Ich zieh ihn herein.</p>
<p><span class="speaker">Hirte</span><span class="regie">auf dem Berge: Variation des Kuhreihens</span><br>
          Ihr Matten lebt wohl,<br>
          Ihr sonnigen Weiden!<br>
          Der Senn muss scheiden,<br>
          Der Sommer ist hin.<br>
      Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,<br>
      Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,<br>
      Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,<br>
      Wenn die Brünnlein fliessen im lieblichen Mai<br>
          Ihr Matten lebt wohl,<br>
          Ihr sonnigen Weiden!<br>
          Der Senne muss scheiden,<br>
          Der Sommer ist hin.</p>
<p><span class="speaker">Alpenjäger</span><span class="regie">erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen: Zweite Variation</span><br>
      Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,<br>
      Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,<br>
          Er schreitet verwegen<br>
          Auf Feldern von Eis,<br>
          Da pranget kein Frühling,<br>
          Da grünet kein Reis;<br>
      Und unter den Füssen ein neblichtes Meer,<br>
      Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr,<br>
          Durch den Riss nur der Wolken<br>
          Erblickt er die Welt,<br>
          Tief unter den Wassern<br>
          Das grünende Feld.</p>
<p class="center"><span class="regie">Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Ruodi der Fischer</span> kommt aus der Hütte, <span class="speaker">Werni der Jäger</span> steigt vom Felsen, <span class="speaker">Kuoni der Hirte</span> kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter. <span class="speaker">Seppi</span>, sein Handbube, folgt ihm.</span></p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Mach hurtig Jenni. Zieh die Naue ein.<br>
      Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,<br>
      Der Mythenstein zieht seine Haube an,<br>
      Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch,<br>
      Der Sturm, ich mein, wird dasein, eh wir's denken.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      's kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen<br>
      Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Die Fische springen, und das Wasserhuhn<br>
      Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span><span class="regie">zum Buben:</span><br>
      Lug Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen.</p>
<p><span class="speaker">Seppi</span>:<br>
      Die braune Liesel kenn ich am Geläut.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Und schmuckes Vieh – Ist's Euer eigenes, Landsmann?</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Bin nit so reich – 's ist meines gnädigen Herrn,<br>
      Des Attinghäusers, und mir zugezählt.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Wie schön der Kuh das Band zu Halse steht!</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Das weiss sie auch, dass sie den Reihen führt,<br>
      Und nähm ich ihr's, sie hörte auf zu fressen.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Ihr seid nicht klug! Ein unvernünft'ges Vieh –</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Ist bald gesagt. Das Tier hat auch Vernunft,<br>
      Das wissen wir, die wir die Gemsen jagen,<br>
      Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn,<br>
      'ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnet<br>
      Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span><span class="regie">zum Hirten:</span><br>
      Treibt Ihr jetzt heim?</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Die Alp ist abgeweidet.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Glücksel'ge Heimkehr, Senn!</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Die wünsch ich Euch,<br>
      Von Eurer Fahrt kehrt sich's nicht immer wieder.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Dort kommt ein Mann in voller Hast gelaufen.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Ich kenn ihn, 's ist der Baumgart von Alzellen.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Konrad Baumgarten</span> atemlos hereinstürzend.</span></p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Um Gottes willen, Fährmann, Euren Kahn!</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Nun, nun, was gibt's so eilig?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Bindet los!<br>
      Ihr rettet mich vom Tode! Setzt mich über!</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Landsmann, was hat Ihr?</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Wer verfolgt Euch denn?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span><span class="regie">zum Fischer:</span><br>
      Eilt, eilt, sie sind mir dicht schon an den Fersen!<br>
      De Landvogts Reiter kommen hinter mir,<br>
      Ich bin ein Mann des Tods, wenn sie mich greifen.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Warum verfolgen Euch die Reisigen?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Erst rettet mich, und dann steh ich Euch Rede.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Ihr seid mit Blut befleckt, was hat's gegeben?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Des Kaisers Burgvogt, der auf dem Rossberg sass –</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Der Wolfenschiessen! Lässt Euch der verfolgen?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Der schadet nicht mehr, ich hab ihn erschlagen.</p>
<p><span class="speaker">Alle</span><span class="regie">fahren zurück:</span><br>
      Gott sei Euch gnädig! Was habt Ihr getan?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Was jeder freie Mann an meinem Platz!<br>
      Mein gutes Hausrecht hab ich ausgeübt<br>
      Am Schänder meiner Ehr und meines Weibes.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Hat Euch der Burgvogt an der Ehr geschädigt?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Dass er sein bös Gelüsten nicht vollbracht,<br>
      Hat Gott und meine gute Axt verhütet.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      O lasst uns alles hören. Ihr habt Zeit,<br>
      Bis er den Kahn vom Ufer losgebunden.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt<br>
      Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes.<br>
      »Der Burgvogt liegt in meinem Haus, er hab<br>
      Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.«<br>
      Drauf hab er Ungebührliches von ihr<br>
      Verlangt, sie sei entsprungen, mich zu suchen.<br>
      Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war,<br>
      Und mit der Axt hab ich ihm 's Bad gesegnet.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Ihr tatet wohl, kein Mensch kann Euch drum schelten.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Der Wüterich! Der hat nun seinen Lohn!<br>
      Hat's lang verdient ums Volk von Unterwalden.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Die Tat ward ruchbar, mir wird nachgesetzt –<br>
      Indem wir sprechen – Gott – verrinnt die Zeit –</p>
<p class="center"><span class="regie">Es fängt an zu donnern.</span></p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Frisch Fährmann – Schaff den Biedermann hinüber.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Geht nicht. Ein schweres Ungewitter ist<br>
      Im Anzug. Ihr müsst warten.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Heil'ger Gott!<br>
      Ich kann nicht warten. Jeder Aufschub tötet –</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span><span class="regie">zum Fischer:</span><br>
      Greif an mit Gott, dem Nächsten muss man helfen,<br>
      Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Brausen und Donnern.</span></p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Der Föhn ist los, ihr seht wie hoch der See geht,<br>
      Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span><span class="regie">umfasst seine Knie:</span><br>
      So helf Euch Gott, wie Ihr Euch mein erbarmet –</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Es geht ums Leben, sei barmherzig, Fährmann.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      s'ist ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!</p>
<p class="center"><span class="regie">Wiederholte Donnerschläge.</span></p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Was? Ich hab auch ein Leben zu verlieren,<br>
      Hab Weib und Kind daheim, wie er – Seht hin<br>
      Wie's brandet, wie es wogt und Wirbel zieht,<br>
      Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe.<br>
      – Ich wollte gern den Biedermann erretten,<br>
      Doch es ist rein unmöglich, ihr seht selbst.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span><span class="regie">noch auf den Knien:</span><br>
      So muss ich fallen in des Feindes Hand,<br>
      Das nahe Rettungsufer im Gesichte!<br>
      – Dort liegt's! Ich kann's erreichen mit den Augen<br>
      Hinüberdringen kann der Stimme Schall,<br>
      Da ist der Kahn, der mich hinübertrüge,<br>
      Und muss hier liegen, hülflos, und verzagen!</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Seht wer da kommt!</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Es ist der Tell aus Bürglen!</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Tell</span> mit der Armbrust.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wer ist der Mann, der hier um Hülfe fleht?</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      's ist ein Alzeller Mann, er hat sein Ehr<br>
      Verteidigt, und den Wolfenschiess erschlagen,<br>
      Des Königs Burgvogt, der auf Rossberg sass –<br>
      Des Landvogts Reiter sind ihm auf den Fersen.<br>
      Er fleht den Schiffer um die Ueberfahrt,<br>
      Der fürcht't sich vor dem Sturm und will nicht fahren.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Da ist der Tell, er führt das Ruder auch,<br>
      Der soll mir's zeugen, ob die Fahrt zu wagen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wo's not tut, Fährmann, lässt sich alles wagen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Heftige Donnerschläge, der See rauscht auf.</span></p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Ich soll mich in den Höllenrachen stürzen?<br>
      Das täte keiner, der bei Sinnen ist.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt,<br>
      Vertrau' auf Gott und rette den Bedrängten.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Vom sicheren Port lässt sich's gemächlich raten,<br>
      Da ist der Kahn und dort der See! Versucht's!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen,<br>
      Versuch es Fährmann!</p>
<p><span class="speaker">Hirten</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Jäger</span>:<br>
      Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Und wär's mein Bruder und mein leiblich Kind,<br>
      Es kann nicht sein, s'ist heut Simons und Judä,<br>
      Da rast der See und will sein Opfer haben.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft,<br>
      Die Stunde dringt, dem Mann muss Hülfe werden.<br>
      Sprich, Fährmann, willst du fahren?</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Nein, nicht ich!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      In Gottes Namen denn! Gib her den Kahn,<br>
      Ich will's mit meiner schwachen Kraft versuchen.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Ha, wackrer Tell!</p>
<p><span class="speaker">Werni</span>:<br>
      Das gleicht dem Waidgesellen!</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Mein Retter seid Ihr und mein Engel, Tell!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wohl aus des Vogts Gewalt errett ich Euch,<br>
      Aus Sturmesnöten muss ein andrer helfen.<br>
      Doch besser ist's, Ihr fallt in Gottes Hand,<br>
      Als in der Menschen! <span class="regie">Zu dem Hirten:</span> Landsmann, tröstet Ihr<br>
      Mein Weib, wenn mir was Menschliches begegnet,<br>
      Ich hab getan, was ich nicht lassen konnte.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er springt in den Kahn.</span></p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span><span class="regie">zum Fischer:</span><br>
      Ihr seid ein Meister Steuermann. Was sich<br>
      Der Tell getraut, das konntet Ihr nicht wagen?</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Wohl bessre Männer tun's dem Tell nicht nach,<br>
      Es gibt nicht zwei, wie der ist, im Gebirge.</p>
<p><span class="speaker">Werni</span><span class="regie">ist auf den Fels gestiegen:</span><br>
      Er stösst schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer!<br>
      Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span><span class="regie">am Ufer:</span><br>
      Die Flut geht drüber weg – Ich seh's nicht mehr.<br>
      Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich<br>
      Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.</p>
<p><span class="speaker">Seppi</span>:<br>
      Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span>:<br>
      Weiss Gott, sie sind's! das war Hülf in der Not.</p>
<p class="center"><span class="regie">Ein Trupp Landenbergischer Reiter.</span></p>
<p><span class="speaker">Erster Reiter</span>:<br>
      Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen.</p>
<p><span class="speaker">Zweiter</span>:<br>
      Des Wegs kam er, umsonst verhehlt ihr ihn.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Wen meint ihr, Reiter?</p>
<p><span class="speaker">Erster Reiter</span><span class="regie">entdeckt den Nachen:</span><br>
      Ha, was seh ich! Teufel!</p>
<p><span class="speaker">Werni</span> oben:<br>
      Ist's der im Nachen, den ihr sucht? – Reit zu!<br>
      Wen ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein.</p>
<p><span class="speaker">Zweiter</span>:<br>
      Verwünscht! Er ist entwischt.</p>
<p><span class="speaker">Erster</span><span class="regie">zum Hirten und Fischer:</span><br>
      Ihr habt ihm fortgeholfen,<br>
      Ihr sollt uns büssen – Fallt in ihre Herde!<br>
      Die Hütte reisset ein, brennt und schlagt nieder!</p>
<p class="center"><span class="regie">Eilen fort</span>.</p>
<p><span class="speaker">Seppi</span><span class="regie">stürzt nach:</span><br>
      O meine Lämmer!</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span><span class="regie">folgt:</span><br>
      Weh mir! Meine Herde!</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span><span class="regie">ringt die Hände:</span><br>
      Gerechtigkeit des Himmels,<br>
      Wann wird der Retter kommen diesem Lande? <span class="regie">Folgt ihnen.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell12">
<h3>Zweite Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Zu Steinen in Schwyz. Eine Linde vor des Stauffachers Hause an der Landstrasse, nächst der Brücke.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Werner Stauffacher, Pfeiffer von Luzern</span> kommen im Gespräch.</span></p>
<p><span class="speaker">Pfeiffer</span>:<br>
      Ja, ja Herr Stauffacher, wie ich Euch sagte.<br>
      Schwör nicht zu Östreich, wenn Ihr's könnt vermeiden.<br>
      Haltet fest am Reich und wacker wie bisher,<br>
      Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit!</p>
<p class="center"><span class="regie">Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.</span></p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Bleibt doch, bis meine Wirtin kommt – Ihr seid<br>
      Mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.</p>
<p><span class="speaker">Pfeiffer</span>:<br>
      Viel Dank! Muss heute Gersau noch erreichen.<br>
      – Was ihr auch Schweres mögt zu leiden haben<br>
      Von eurer Vögte Geiz und Übermut,<br>
      Tragt's in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,<br>
      Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen.<br><i>Seid</i> Ihr erst Österreichs, seid ihr's auf immer.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank unter der Linde. So findet ihn <span class="speaker">Gertrud</span>, seine Frau, die sich neben ihn stellt, und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet.</span></p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.<br>
      Schon viele Tage seh ich's schweigend an,<br>
      Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht.<br>
      Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten,<br>
      Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib,<br>
      Und meine Hälfte fordr ich deines Grams.</p>
<p class="center"><span class="regie">Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.</span></p>
<p class="leftmarg">Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir.<br>
      Gesegnet ist dein Fleiss, dein Glücksstand blüht,<br>
      Voll sind die Scheunen, und der Rinder Scharen,<br>
      Der glatten Pferde wohlgenährte Zucht<br>
      Ist von den Bergen glücklich heimgebracht<br>
      Zur Winterung in den bequemen Ställen.<br>
      – Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz<br>
      von schönem Stammholz ist es neu gezimmert<br>
      Und nach dem Richtmass ordentlich gefügt<br>
      Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell,<br>
      Mit bunten Wappenschildern ist's bemalt,<br>
      Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann<br>
      Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,<br>
      Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Mein Werner sage, wie verstehst du das?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Vor dieser Linde sass ich jüngst wie heut,<br>
      Das schön Vollbrachte freudig überdenkend,<br>
      Da kam daher von Küssnacht, seiner Burg,<br>
      Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.<br>
      Vor diesem Hause hielt er wundernd an,<br>
      Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig<br>
      Wie sich's gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,<br>
      Der uns des Kaisers richterliche Macht<br>
      Vorstellt im Lande. »Wessen ist dies Haus?«<br>
      Fragt' er bösmeinend, denn er wusst es wohl.<br>
      Doch schnell besonnen ich entgegn ihm so:<br>
      Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers,<br>
      Und Eures und mein Lehen – da versetzt er:<br>
      »Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt,<br>
      Und will nicht, dass der Bauer Häuser baue<br>
      Auf seine eigne Hand, und also frei<br>
      Hinleb, als ob er Herr wär in dem Lande,<br>
      Ich werd mich unterstehn, euch das zu wehren.«<br>
      Dies sagend ritt er trutziglich von dannen,<br>
      Ich aber blieb mit kummervoller Seele,<br>
      Das Wort bedenkend, das der Böse sprach.</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Mein lieber Herr und Ehewirt! Magst du<br>
      Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen?<br>
      Des edlen Ibergs Tochter rühm ich mich,<br>
      Des vielerfahrnen Manns. Wir Schwestern sassen,<br>
      Die Wolle spinnend, in den langen Nächten,<br>
      Wenn bei dem Vater sich des Volkes Häupter<br>
      Versammelten, die Pergamente lasen<br>
      Der alten Kaiser, und des Landes Wohl<br>
      Bedachten in vernünftigem Gespräch.<br>
      Aufmerkend hört ich da manch kluges Wort,<br>
      Was der Verständ'ge denkt, der Gute wünscht,<br>
      Und still im Herzen hab ich mir's bewahrt.<br>
      So höre denn und acht auf meine Rede,<br>
      Denn was dich presste, sieh das wusst ich längst.<br>
      – Dir grollt der Landvogt, möcht gern dir schaden,<br>
      Denn du bist ihm ein Hindernis, dass sich<br>
      Der Schwyzer nicht dem neuen Fürstenhaus<br>
      Will unterwerfen, sondern treu und fest<br>
      Beim Reich beharren, wie die würdigen<br>
      Altvordern es gehalten und getan. –<br>
      Ist's nicht so Werner? Sag es, wenn ich lüge!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      So ist's, das ist des Gesslers Groll auf mich.</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst,<br>
      Ein freier Mann auf deinem eignen Erb<br>
      – Denn er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich<br>
      Trägst du dies Haus zu Lehn, du darfst es zeigen,<br>
      So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt,<br>
      Denn über dir erkennst du keinen Herrn<br>
      Als nur den Höchsten in der Christenheit –<br>
      Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses,<br>
      Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel,<br>
      Drum sieht er jedes Biedermannes Glück<br>
      Mit scheelen Augen gift'ger Missgunst an,<br>
      Dir hat er längst den Untergang geschworen –<br>
      Noch stehst du unversehrt – Willst du erwarten,<br>
      Bis er die böse Lust an die gebüsst?<br>
      Der kluge Mann baut vor.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Was ist zu tun?</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span><span class="regie">tritt näher:</span><br>
      So höre meinen Rat! Du weisst, wie hier<br>
      Zu Schwyz sich alle Redlichen beklagen<br>
      Ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei.<br>
      So zweifle nicht, dass sie dort drüben auch<br>
      In Unterwalden und im Urner Land<br>
      Des Dranges müd sind und des harten Jochs –<br>
      Denn wie der Gessler hier, so schafft es frech<br>
      Der Landenberger drüben überm See –<br>
      Es kommt kein Fischerkahn zu uns herüber,<br>
      Der nicht ein neues Unheil und Gewalt-<br>
      Beginnen von den Vögten uns verkündet.<br>
      Drum tät es gut, dass eurer etliche,<br>
      Die's redlich meinen, still zu Rate gingen,<br>
      Wie man des Drucks sich möcht erledigen.<br>
      So acht ich wohl, Gott würd euch nicht verlassen,<br>
      Und der gerechten Sache gnädig sein –<br>
      Hast du in Uri keinen Gastfreund, sprich,<br>
      Dem du dein Herz magst redlich offenbaren?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Der wackern Männer kenn ich viele dort,<br>
      Und angesehen grosse Herrenleute,<br>
      Die mir geheim sind und gar wohl vertraut.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er steht auf.</span></p>
<p class="leftmarg">Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken<br>
      Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes<br>
      Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen,<br>
      Und was ich mir zu denken still verbot,<br>
      Du sprichst's mit leichter Zunge kecklich aus.<br>
      – Hast du auch wohl bedacht, was du mir rätst?<br>
      Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen<br>
      Rufst du in dieses friedgewohnte Tal –<br>
      Wir wagten es, ein schwaches Volk der Hirten,<br>
      In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt?<br>
      Der gute Schein nur ist's, worauf sie warten,<br>
      Um loszulassen auf dies arme Land<br>
      Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht,<br>
      Darin zu schalten mit des Siegers Rechten,<br>
      Und unterm Schein gerechter Züchtigung<br>
      Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt<br>
      zu führen, und dem Mutigen hilft Gott!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      O Weib! Ein furchtbar wütend Schrecknis ist<br>
      Der Krieg, die Herde schlägt er und den Hirten.</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Ertragen muss man, was der Himmel sendet,<br>
      Unbilliges erträgt kein edles Herz.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Dies Haus erfreut dich, das wir neu erbauten.<br>
      Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Wüsst ich mein Herz an zeitlich Gut gefesselt,<br>
      Den Brand wärf ich hinein mit eigner Hand.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Du glaubst an Menschlichkeit! Es schont der Krieg<br>
      Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Die Unschuld hat im Himmel einen Freund!<br>
      – Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wir Männer können tapfer fechtend sterben,<br>
      Welch Schicksal aber wird das eure sein?</p>
<p><span class="speaker">Gertrud</span>:<br>
      Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen,<br>
      Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">stürzt in ihre Arme:</span><br>
      Wer solch ein Herz an seinen Busen drückt,<br>
      Der kann für Herd und Hof mit Freuden fechten.<br>
      Und keines Königs Heermacht fürchtet er –<br>
      Nach Uri fahr ich stehnden Fusses gleich,<br>
      Dort lebt ein Gastfreund mir, Herr Walther Fürst,<br>
      Der über diese Zeiten denkt wie ich.<br>
      Auch find ich dort den edlen Bannerherrn<br>
      Von Attinghaus – obgleich von hohem Stamm<br>
      Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten.<br>
      Mit ihnen beiden pfleg ich Rats, wie man<br>
      Der Landesfeinde mutig sich erwehrt –<br>
      Leb wohl – und weil ich fern bin, führe du<br>
      Mit klugem Sinn das Regiment des Hauses –<br>
      Dem Pilger, der zum Gotteshause wallt,<br>
      Dem frommen Mönch, der für sein Kloster sammelt,<br>
      Gib reichlich und entlass ihn wohlgepflegt.<br>
      Stauffachers Haus verbirgt sich nicht. Zuäusserst<br>
      Am offnen Heerweg steht's, ein wirtlich Dach<br>
      Für alle Wandrer, die des Weges fahren.</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem sie nach dem Hintergrund abgehen, tritt <span class="speaker">Wilhelm Tell</span> mit <span class="speaker">Baumgarten</span> vorn auf die Szene.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">zu <span class="speaker">Baumgarten</span>:</span><br>
      Ihr habt jetzt meiner weiter nicht vonnöten,<br>
      Zu jenem Hause gehet ein, dort wohnt<br>
      Der Stauffacher, ein Vater der Bedrängten.<br>
      – Doch sieh, da ist er selber – Folgt mir, kommt!</p>
<p class="center"><span class="regie">Gehen auf ihn zum, die Szene verwandelt sich.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell13">
<h3>Dritte Szene</h3>
<p class="stage">Öffentlicher Platz bei Altdorf. Auf einer Anhöhe im Hintergrund sieht man eine Feste bauen, welche schon so weit gediehen, dass sich die Form des Ganzen darstellt. Die hintere Seite ist fertig, an der vordern wird eben gebaut, das Gerüste steht noch, an welchem die Werkleute auf und niedersteigen, auf dem höchsten Dach hängt der Scheiferdecker – Alles ist in Bewegung und in Arbeit.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Fronvogt. Meister Steinmetz. Gesellen</span> und <span class="speaker">Handlanger</span></span>.</p>
<p><span class="speaker">Fronvogt</span><span class="regie">mit dem Stabe, treibt die Arbeiter:</span><br>
      Nicht lange gefeiert, frisch! Die Mauersteine<br>
      Herbei, den Kalk, den Mörtel zugefahren!<br>
      Wenn der Herr Landvogt kommt, dass er das Werk<br>
      Gewachsen sieht – Das schlendert wie die Schnecken.</p>
<p class="center"><span class="regie">Zu zwei Handlangern, welche tragen:</span></p>
<p class="leftmarg">Heisst das geladen? Gleich das Doppelte!<br>
      Wie die Tagdiebe ihre Pflicht bestehlen!</p>
<p><span class="speaker">Erster Gesell</span>:<br>
      Das ist doch hart, dass wir die Steine selbst<br>
      Zu unserm Twing und Kerker sollen fahren!</p>
<p><span class="speaker">Fronvogt</span>:<br>
      Was murret ihr? Das ist ein schlechtes Volk,<br>
      Zu nichts anstellig als das Vieh zu melken,<br>
      Und faul herumzuschlendern auf den Bergen.</p>
<p><span class="speaker">Alter Mann</span><span class="regie">ruht aus:</span><br>
      Ich kann nicht mehr.</p>
<p><span class="speaker">Fronvogt</span><span class="regie">schüttelt ihn:</span><br>
      Frisch Alter an die Arbeit!</p>
<p><span class="speaker">Erster Gesell</span>:<br>
      Habt ihr denn gar kein Eingeweid, dass ihr<br>
      Den Greis, der kaum sich selber schleppen kann,<br>
      Zum harten Frondienst treibt?</p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Gesellen</span>:<br>
      's ist himmelschreiend!</p>
<p><span class="speaker">Fronvogt</span>:<br>
      Sorgt ihr für euch, ich tu was meines Amts.</p>
<p><span class="speaker">Zweiter Gesell</span>:<br>
      Fronvogt, wie wird die Feste denn sich nennen<br>
      Die wir da baun?</p>
<p><span class="speaker">Fronvogt</span>:<br><i>Zwing Uri</i> soll sie heissen,<br>
      Denn unter dieses Joch wird man euch beugen.</p>
<p><span class="speaker">Gesellen</span>:<br>
      Zwing Uri!</p>
<p><span class="speaker">Fronvogt</span>:<br>
      Nun was gibt's dabei zu lachen?</p>
<p><span class="speaker">Zweiter Gesell</span>:<br>
      Mit diesem Häuslein wollt ihr Uri zwingen?</p>
<p><span class="speaker">Erster Gesell</span>:<br>
      Lass sehn, wieviel man solcher Maulwurfshaufen<br>
      Muss übereinander setzen, bis ein Berg<br>
      Draus wird, wie der geringste nur in Uri!</p>
<p class="center"><span class="regie">Fronvogt geht nach dem Hintergund.</span></p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span>:<br>
      Den Hammer werf ich in den tiefsten See,<br>
      Der mir gedient bei diesem Fluchgebäude!</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Tell</span> und <span class="speaker">Stauffacher</span> kommen.</span></p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      O hätt ich nie gelebt, um das zu schauen!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Hier ist nicht gut sein. Lass uns weitergehn.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Bin ich zu Uri in der Freiheit Land?</p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span>:<br>
      O Herr, wenn ihr die Keller erst gesehn<br>
      Unter den Trümmern! Ja wer die bewohnt,<br>
      Der wird den Hahn nicht fürder krähen hören!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      O Gott!</p>
<p><span class="speaker">Steinmetz</span>:<br>
      Seht diese Flanken, diese Strebepfeiler,<br>
      Die stehn, wie für die Ewigkeit gebaut!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Was Hände bauten, können Hände stürzen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Nach den Bergen zeigend:</span></p>
<p class="leftmarg">Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegründet.</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört eine Trommel, es kommen Leute, die einen Hut auf der Stange tragen, ein Ausrufer folgt ihnen, Weiber und Kinder dringen tumultarisch nach.</span></p>
<p><span class="speaker">Erster Gesell</span>:<br>
      Was will die Trommel? Gebet acht!</p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span>:<br>
      Was für ein Fasnachtsaufzug und was soll der Hut?</p>
<p><span class="speaker">Ausrufer</span>:<br>
      In des Kaisers Namen! Höret!</p>
<p><span class="speaker">Gesellen</span>:<br>
      Still doch! Höret!</p>
<p><span class="speaker">Ausrufer</span>:<br>
      Ihr sehet diesen Hut, Männer von Uri!<br>
      Aufrichten wird man ihn auf hoher Säule,<br>
      Mitten in Altdorf, an dem höchsten Ort,<br>
      Und dieses ist des Landvogts Will und Meinung:<br>
      Dem Hut soll gleiche Ehre wie ihm selbst geschehn,<br>
      Man soll ihn mit gebognem Knie und mit<br>
      Entblösstem Haupt verehren – Daran will<br>
      Der König die Gehorsamen erkennen.<br>
      Verfallen ist mit seinem Leib und Gut<br>
      Dem Könige, wer das Gebot verachtet.</p>
<p class="center"><span class="regie">Das Volk lacht laut auf, die Trommel wird gerührt, sie gehen vorüber.</span></p>
<p><span class="speaker">Erster Gesell</span>:<br>
      Welch neues Unerhörtes hat der Vogt<br>
      Sich ausgesonnen! Wir 'nen <i>Hut</i> verehren!<br>
      Sagt! Hat man je vernommen von dergleichen?</p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span>:<br>
      Wir unsre Knie beugen einem Hut!<br>
      Treibt er sein Spiel mit ernsthaft würd'gen Leuten?</p>
<p><span class="speaker">Erster Gesell</span>:<br>
      Wär's noch die kaiserliche Kron! So ist's<br>
      Der Hut von Österreich, ich sah ihn hangen<br>
      Über dem Thron, wo man die Lehen gibt!</p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span>:<br>
      Der Hut von Österreich! Gebt acht, es ist<br>
      Ein Fallstrick, uns an Östreich zu verraten!</p>
<p><span class="speaker">Gesellen</span>:<br>
      Kein Ehrenmann wird sich der Schmach bequemen.</p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span>:<br>
      Kommt, lasst uns mit den andern Abred nehmen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie gehen nach der Tiefe.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">zum <span class="speaker">Stauffacher</span>:</span><br>
      Ihr wisset nun Bescheid. Lebt wohl, Herr Werner!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wo wollt ihr hin? O eilt nicht so von dannen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Mein Haus entbehrt des Vaters. Lebet wohl.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Mir ist das Herz so voll, mit Euch zu reden.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Doch könnten Worte uns zu Taten führen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Die einz'ge Tat ist jetzt Geduld und Schweigen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Soll man ertragen, was unleidlich ist?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Die schnellen Herrscher sind's, die kurz regieren.<br>
      – Wenn sich der Föhn erhebt aus seinen Schlünden,<br>
      Löscht man die Feuer aus, die Schiffe suchen<br>
      Eilends den Hafen, und der mächt'ge Geist<br>
      Geht ohne Schaden, spurlos, über die Erde.<br>
      Ein jeder lebe still bei sich daheim,<br>
      Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Meint ihr?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Die Schlange sticht nicht ungereizt.<br>
      Sie werden endlich doch von selbst ermüden,<br>
      Wenn sie die Lande ruhig bleiben sehn.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Beim Schiffbruch hilft der einzelne sich leichter.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      So kalt verlasst ihr die gemeine Sache?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Der Starke ist am mächtigsten <i>allein</i>.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      So kann das Vaterland auf Euch nicht zählen,<br>
      Wenn es verzweiflungsvoll zur Notwehr greift?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">gibt ihm die Hand:</span><br>
      Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund,<br>
      Und sollte seinen Freunden sich entziehen?<br>
      Doch was ihr tut, lasst mich aus eurem <i>Rat</i>,<br>
      Ich kann nicht lange prüfen oder wählen,<br>
      Bedürft ihr meiner zu bestimmter <i>Tat</i>,<br>
      Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Gehen ab zu verschiedenen Seiten. Ein plötzlicher Auflauf entsteht um das Gerüste.</span></p>
<p><span class="speaker">Meister Steinmetz</span><span class="regie">eilt hin:</span><br>
      Was gibt's?</p>
<p><span class="speaker">Erster Gesell</span><span class="regie">kommt vor, rufend:</span><br>
      Der Schieferdecker ist vom Dach gestürzt.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Berta</span> mit <span class="speaker">Gefolge</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Berta</span><span class="regie">stürzt herein:</span><br>
      Ist er zerschmettert? Rennet, rennet, helft –<br>
      Wenn Hilfe möglich, rettet, hier ist Gold –</p>
<p class="center"><span class="regie">Wirft ihr Geschmeide unter das Volk.</span></p>
<p><span class="speaker">Meister</span>:<br>
      Mit eurem Golde – Alles ist euch feil<br>
      Um Gold, wenn ihr den Vater von den Kindern<br>
      Gerissen und den Mann von seinem Weibe,<br>
      Und Jammer habt gebracht über die Welt,<br>
      Denkt ihr's mit Golde zu vergüten – Geht!<br>
      Wir waren frohe Menschen eh ihr kamt,<br>
      Mit euch ist die Verzweiflung eingezogen.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span><span class="regie">zu dem <span class="speaker">Fronvogt</span>, der zurückkommt:</span><br>
      Lebt er?</p>
<p class="center"><span class="regie">Fronvogt gibt ein Zeichen des Gegenteils.</span></p>
<p class="leftmarg">O unglücksel'ges Schloss, mit Flüchen<br>
      Erbaut, und Flüche werden dich bewohnen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht ab.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell14">
<h3>Vierte Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Walther Fürsts Wohnung</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Walther Fürst</span> und <span class="speaker">Arnold von Melchtal</span> treten zugleich ein von verschiedenen Seiten.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Herr Walther Fürst –</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wenn man uns überraschte!<br>
      Bleibt, wo Ihr seid. Wir sind umringt von Spähern.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Bringt Ihr mir nichts von Unterwalden? Nichts<br>
      Von meinem Vater? Nicht ertrag ich's länger,<br>
      Als ein Gefangner müssig hier zu liegen.<br>
      Was hab ich denn so Sträfliches getan,<br>
      Um mich gleich einem Mörder zu verbergen?<br>
      Dem frechen Buben, der die Ochsen mir,<br>
      Das trefflichste Gespann, vor meinen Augen<br>
      Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiss,<br>
      Hab ich den Finger mit dem Stab gebrochen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Ihr seid zu rasch. Der Bube war des Vogts,<br>
      Von Eurer Obrigkeit war er gesendet,<br>
      Ihr wart in Straf' gefallen, musstet Euch,<br>
      Wie schwer sie war, der Buße schweigend fügen.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Ertragen sollt ich die leichtfert'ge Rede<br>
      Des Unverschämten: »Wenn der Bauer Brot<br>
      Wollt essen, mög er selbst am Pfluge ziehn!«<br>
      In die Seele schnitt mir's, als der Bub die Ochsen,<br>
      Die schönen Tiere von dem Pfluge spannte,<br>
      Dumpf brüllten sie, als hätten sie Gefühl<br>
      Der Ungebühr, und stiessen mit den Hörnern,<br>
      Da übernahm mich der gerechte Zorn,<br>
      Und meiner selbst nicht Herr, schlug ich den Boten.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      O kaum bezwingen wir das eigne Herz,<br>
      Wie soll die rasche Jugend sich bezähmen!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Mich jammert nur der Vater – Er bedarf<br>
      So sehr der Pflege, und sein Sohn ist fern.<br>
      Der Vogt ist ihm gehässig, weil er stets<br>
      Für Recht und Freiheit redlich hat gestritten.<br>
      Drum werden sie den alten Mann bedrängen,<br>
      Und niemand ist, der ihn vor Unglimpf schütze.<br>
      – Werde mit mir was will, ich muss hinüber.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Erwartet nur und fasst Euch in Geduld,<br>
      Bis Nachricht uns herüberkommt vom Walde.<br>
      – Ich höre klopfen, geht – Vielleicht ein Bote<br>
      Vom Landvogt – Geht hinein – Ihr seid in Uri<br>
      Nicht sicher vor des Landenbergers Arm,<br>
      Denn die Tyrannen reichen sich die Hände.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Sie lehren uns, was <i>wir</i> tun sollten.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Geht!<br>
      Ich ruf Euch wieder, wenn's hier sicher ist.</p>
<p class="center"><span class="regie">Melchtal geht hinein.</span></p>
<p class="leftmarg">Der Unglückselige, ich darf ihm nicht<br>
      Gestehen, was mir Böses schwant – Wer klopft?<br>
      Sooft die Türe rauscht, erwart ich Unglück.<br>
      Verrat und Argwohn lauscht in allen Ecken,<br>
      Bis in das Innerste der Häuser dringen<br>
      Die Boten der Gewalt, bald tät es not,<br>
      Wir hätten Schloss und Riegel an den Türen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er öffnet und tritt erstaunt zurück, da <span class="speaker">Werner Stauffacher</span> hereintritt.</span></p>
<p class="leftmarg">Was seh ich? Ihr, Herr Werner! Nun bei Gott!<br>
      Ein werter, teurer Gast – Kein bessrer Mann<br>
      Ist über diese Schwelle noch gegangen.<br>
      Seid hoch willkommen unter meinem Dach!<br>
      Was führt Euch her? Was sucht Ihr hier in Uri?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">ihm die Hand reichend:</span><br>
      Die alten Zeiten und die alte Schweiz.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Die bringt ihr mit Euch – Sieh, mir wird so wohl,<br>
      Warm geht das Herz mir auf bei Eurem Anblick.<br>
      – Setzt Euch, Herr Werner – Wie verliesset Ihr<br>
      Frau Gertrud, Eure angenehme Wirtin,<br>
      Des weisen Ibergs hochverständ'ge Tochter?<br>
      Von allen Wandrern aus dem deutschen Land,<br>
      Die über Meinradszell nach Welschland fahren,<br>
      Rühmt jeder Euer gastlich Haus – Doch sagt,<br>
      Kommt ihr soeben frisch von Flüelen her,<br>
      Und habt Euch nirgends sonst noch umgesehn,<br>
      Eh Ihr den Fuss gesetzt auf diese Schwelle?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">setzt sich:</span><br>
      Wohl ein erstaunlich neues Werk hab ich<br>
      Bereiten sehen, das mich nicht erfreute.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      O Freund, da habt Ihr's gleich mit einem Blicke!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ein solches ist in Uri nie gewesen –<br>
      Seit Menschendenken war kein Twinghof hier,<br>
      Und fest war keine Wohnung als das Grab.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Ein Grab der Freiheit ist's. Ihr nennt's mit Namen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Herr Walther Fürst, ich will Euch nicht verhalten,<br>
      Nicht eine müss'ge Neugier führt mich her,<br>
      Mich drücken schwere Sorgen – Drangsal hab ich<br>
      Zu Haus verlassen. Drangsal find ich hier.<br>
      Denn ganz unleidlich ist's, was wir erdulden,<br>
      Und dieses Dranges ist kein Ziel zu sehn.<br>
      Frei war der Schweizer von uralters her,<br>
      Wir sind's gewohnt, dass man uns gut begegnet,<br>
      Ein solches war im Lande nie erlebt,<br>
      Solang ein Hirte trieb auf diesen Bergen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Ja, es ist ohne Beispiel wie sie's treiben!<br>
      Auch unser edler Herr von Attinghausen,<br>
      Der noch die alten Zeiten hat gesehn,<br>
      Meint selber, es sei nicht mehr zu ertragen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Auch drüben unterm Wald geht Schweres vor,<br>
      Und blutig wird's gebüsst – der Wolfenschiessen,<br>
      Des Kaisers Vogt, der auf dem Rossberg hauste,<br>
      Gelüsten trug er nach verbotner Frucht,<br>
      Baumgartens Weib, der haushält zu Alzellen,<br>
      Wollt er zu frecher Ungebühr missbrauchen,<br>
      Und mit der Axt hat ihn der Mann erschlagen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      O die Gerichte Gottes sind gerecht!<br>
      – Baumgarten sagt Ihr? Ein bescheidner Mann!<br>
      Er ist gerettet doch und wohlgeborgen?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Euer Eidam hat ihn übern See geflüchtet,<br>
      Bei mir zu Steinen halt ich ihn verborgen –<br>
      – Noch Greulichers hat mir derselbe Mann<br>
      Berichtet, was zu Sarnen ist geschehn,<br>
      Das Herz muss jedem Biedermanne bluten.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">aufmerksam:</span><br>
      Sagt an, was ist's?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Im <i>Melchtal</i>, da wo man<br>
      Eintritt bei <i>Kerns</i>, wohnt ein gerechter Mann,<br>
      Sie nennen ihn den <i>Heinrich</i> von der <i>Halden</i>,<br>
      Und seine Stimm' gilt was in der Gemeinde.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wer kennt ihn nicht! Was ist's mit ihm? Vollendet!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Der Landenberger büsste seinen Sohn<br>
      Um kleinen Fehlers willen, liess die Ochsen,<br>
      das beste Paar, ihm aus dem Pfluge spannen,<br>
      Da schlug der Knab den Knecht und wurde flüchtig.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">in höchster Spannung:</span><br>
      Der Vater aber – Sagt, wie steht's um den?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Den Vater lässt der Landenberger fordern,<br>
      Zur Stelle schaffen soll er ihm den Sohn,<br>
      Und da der alte Mann mit Wahrheit schwört,<br>
      Er habe von dem Flüchtling keine Kunde,<br>
      Da lässt der Vogt die Folterknechte kommen –</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">springt auf und will ihn auf die andre Seite führen:</span><br>
      O still, nichts mehr!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">mit steigendem Ton:</span><br>
      »Ist mir der Sohn entgangen,<br>
      So hab ich dich« – Lässt ihn zu Boden werfen,<br>
      Den spitz'gen Stahl ihm in die Augen bohren –</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Barmherz'ger Himmel!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">stürzt heraus:</span><br>
      In die Augen, sagt Ihr?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">erstaunt zum Walther Fürst:</span><br>
      Wer ist der Jüngling?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">fasst ihn mit krampfhafter Heftigkeit:</span><br>
      In die Augen? Redet.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      O der Bejammernswürdige!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wer ist's?</p>
<p class="center"><span class="regie">(Da Walther Fürst ihm ein Zeichen gibt)</span></p>
<p class="leftmarg">Der Sohn ist's? Allgerechter Gott!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Und ich<br>
      Muss ferne sein! – In seine beiden Augen?</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Bezwinget Euch, ertragt es wie ein Mann!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Um <i>meiner</i> Schuld, um <i>meines</i> Frevels willen!<br>
      – Blind also? Wirklich <i>blind</i>, und <i>ganz</i> geblendet?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ich sagt's. Der Quell des Sehns ist ausgeflossen<br>
      Das Licht der Sonne schaut er niemals wieder.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Schont seines Schmerzens!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Niemals! Niemals wieder!</p>
<p class="center"><span class="regie">Er drückt die Hand vor die Augen, und schweigt einige Momente, dann wendet er sich von dem einen zu dem andern, und spricht mit sanfter, von Tränen erstickter Stimme:</span></p>
<p class="leftmarg">O eine edle Himmelsgabe ist<br>
      Das Licht des Auges – Alle Wesen leben<br>
      Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf –<br>
      Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte.<br>
      Und <i>er</i> muss sitzen, fühlend, in der Nacht,<br>
      Im ewig Finstern – ihn erquickt nicht mehr<br>
      Der Matten warmes Grün, der Blumen Schmelz,<br>
      Die roten Firnen kann er nicht mehr schauen –<br>
      Sterben ist nichts – doch <i>leben</i> und nicht <i>sehen</i>,<br>
      Das ist ein Unglück – Warum seht ihr mich<br>
      So jammernd an? Ich hab zwei frische Augen,<br>
      Und kann dem blinden Vater keines geben,<br>
      Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts,<br>
      Das glanzvoll, blendend, mir ins Auge dringt.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ach, ich muss Euren Jammer noch vergrössern,<br>
      Statt ihn zu heilen – Er bedarf noch mehr!<br>
      Denn alles hat der Landvogt ihm geraubt,<br>
      Nichts hat er ihm gelassen als den Stab,<br>
      Um nackt und blind von Tür zu Tür zu wandern.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Nichts als den Stab dem augenlosen Greis!<br>
      Alles geraubt, und auch das Licht der Sonne,<br>
      Des Ärmsten allgemeines Gut – Jetzt rede<br>
      Mir keiner mehr von Bleiben, von Verbergen!<br>
      Was für ein feiger Elender bin ich,<br>
      Dass ich auf <i>meine</i> Sicherheit gedacht,<br>
      Und nicht auf deine – dein geliebtes Haupt<br>
      Als Pfand gelassen in des Wütrichs Händen!<br>
      Feigherz'ge Vorsicht fahre hin – Auf nichts<br>
      Als blutige Vergeltung will ich denken,<br>
      Hinüber will ich – keiner soll mich halten –<br>
      Des Vaters Auge von dem Landvogt fordern –<br>
      Aus allen seinen Reisigen heraus<br>
      Will ich ihn finden – Nichts liegt mir am Leben,<br>
      Wenn ich den heissen ungeheuren Schmerz<br>
      In seinem Lebensblute kühle. <span class="regie">Er will gehen.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Bleibt!<br>
      Was könnt Ihr gegen ihn? Er sitzt zu Sarnen<br>
      Auf seiner hohen Herrenburg und spottet<br>
      Ohnmächt'gen Zorns in seiner sichern Feste.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Und wohnt' er droben auf dem Eispalast<br>
      Des <i>Schreckhorns</i> oder höher, wo die <i>Jungfrau</i><br>
      Seit Ewigkeit verschleiert sitzt – Ich mache<br>
      Mir Bahn zu ihm, mit zwanzig Jünglingen<br>
      Gesinnt wie ich, zerbrech ich seine Feste.<br>
      Und wenn mir niemand folgt, und wenn ihr alle<br>
      Für eure Hütten bang und eure Herden,<br>
      Euch dem Tyrannenjoche beugt – die Hirten<br>
      Will ich zusammenrufen im Gebirg,<br>
      Dort unterm freien Himmelsdache, wo<br>
      Der Sinn noch frisch ist und das Herz gesund,<br>
      Das ungeheuer Grässliche erzählen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu Walther Fürst:</span><br>
      Es ist auf seinem Gipfel – wollen wir<br>
      Erwarten, bis das Äusserste –</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Welch Äusserstes<br>
      Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges<br>
      In seiner Höhle nicht mehr sicher ist?<br>
      – Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir<br>
      Die Armbrust spannen und die schwere Wucht<br>
      Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward<br>
      Ein Notgewehr in der Verzweiflungsangst,<br>
      Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt<br>
      Der Meute sein gefürchtetes Geweih.<br>
      Die Gemse reisst den Jäger in den Abgrund –<br>
      Der Pflugstier, der die ungeheure Kraft<br>
      Des Halses duldsam unters Joch gebogen,<br>
      Springt auf, gereizt, wetzt sein gewaltig Horn,<br>
      Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wenn die drei Lande dächten wie wir drei,<br>
      So möchten wir vielleicht etwas vermögen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft,<br>
      Der Schwyzer wird die alten Bünde ehren.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Gross ist in Unterwalden meine Freundschaft,<br>
      Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut,<br>
      Wenn er am andern einen Rücken hat<br>
      Und Schirm – O fromme Väter dieses Landes!<br>
      Ich stehe nur ein Jüngling zwischen euch,<br>
      Den Vielerfahrnen – meine Stimme muss<br>
      Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde.<br>
      Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte,<br>
      Verachtet meinen Rat und meine Rede,<br>
      Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt<br>
      Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt,<br>
      Was auch den Stein des Felsen muss erbarmen.<br>
      Ihr selbst seid Väter, Häupter eines Hauses,<br>
      Und wünscht euch einen tugendhaften Sohn,<br>
      Der eures Hauptes heil'ge Locken ehre,<br>
      Und euch den Stern des Auges fromm bewache.<br>
      O weil ihr selbst an eurem Leib und Gut<br>
      Noch nichts erlitten, eure Augen sich<br>
      Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen,<br>
      So sei euch darum unsre Not nicht fremd.<br>
      Auch über euch hängt das Tyrannenschwert,<br>
      Ihr habt das Land von Östreich abgewendet,<br>
      Kein anderes war meines Vaters Unrecht,<br>
      Ihr seid in gleicher Mitschuld und Verdammnis.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu Walther Fürst:</span><br>
      Beschliesset <i>Ihr</i>, ich bin bereit zu folgen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wir wollen hören, was die edeln Herrn<br>
      Von Sillinen, von Attinghausen raten –<br>
      Ihr Name, denk ich, wird uns Freunde werben.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Wo ist ein Name in dem Waldgebirg<br>
      Ehrwürdiger als Eurer und der Eure?<br>
      An solcher Namen echte Währung glaubt<br>
      Das Volk, sie haben guten Klang im Lande.<br>
      Ihr habt ein reiches Erb von Vätertugend,<br>
      Und habt es selber reich vermehrt – Was braucht's<br>
      Des Edelmanns? Lasst's uns allein vollenden.<br>
      Wären wir doch allein im Land! Ich meine,<br>
      Wir wollten uns schon selbst zu schirmen wissen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Die Edeln drängt nicht gleiche Not mit uns,<br>
      Der Strom, der in den Niederungen wütet,<br>
      Bis jetzt hat er die Höhn noch nicht erreicht –<br>
      Doch ihre Hülfe wird uns nicht entstehn,<br>
      Wenn sie das Land in Waffen erst erblicken.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wäre ein Obmann zwischen uns und Österreich,<br>
      So möchte Recht entscheiden und Gesetz,<br>
      Doch der uns unterdrückt, ist unser Kaiser<br>
      Und höchster Richter – so muss <i>Gott uns helfen<br></i>Durch unsern Arm – erforschet Ihr die Männer<br>
      Von Schwyz, ich will in Uri Freunde werben.<br>
      Wen aber senden wir nach Unterwalden –</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Mich sendet hin – wem läg es näher an –</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Ich geb's nicht zu, Ihr seid mein Gast, ich muss<br>
      Für Eure Sicherheit gewähren!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Lasst mich!<br>
      Die Schliche kenn ich und die Felsensteige,<br>
      Auch Freunde find ich gnug, die mich dem Feind<br>
      Verhehlen und ein Obdach gern gewähren.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Lasst ihn mit Gott hinübergehn. Dort drüben<br>
      Ist kein Verräter – so verabscheut ist<br>
      Die Tyrannei, dass sie kein Werkzeug findet.<br>
      Auch der Alzeller soll uns nid dem Wald<br>
      Genossen werben und das Land erregen.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Wie bringen wir uns sichre Kunde zu,<br>
      Dass wir den Argwohn der Tyrannen täuschen?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wir könnten uns zu <i>Brunnen</i> oder <i>Treib</i><br>
      Versammeln, wo die Kaufmannsschiffe landen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      So offen dürfen wir das Werk nicht treiben.<br>
      – Hört meine Meinung. Links am See, wenn man<br>
      Nach Brunnen fährt, dem Mythenstein grad über,<br>
      Liegt eine Matte heimlich im Gehölz,<br>
      Das <i>Rütli</i> heisst sie bei dem Volk der Hirten,<br>
      Weil dort die Waldung ausgereutet ward.<br>
      Dort ist's wo unsre Landmark und die Eure <span class="regie">(zu Melchtal)</span><br>
      Zusammengrenzen, und in kurzer Fahrt <span class="regie">(zu Stauffacher)</span><br>
      Trägt Euch der leichte Kahn von Schwyz herüber.<br>
      Auf öden Pfaden können wir dahin<br>
      Bei Nachtzeit wandern und uns still beraten.<br>
      Dahin mag jeder zehn vertraute Männer<br>
      Mitbringen, die herzeinig sind mit uns,<br>
      So können wir gemeinsam das Gemeine<br>
      Besprechen und mit Gott es frisch beschliessen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      So sei's. Jetzt reicht mir Eure biedre Rechte,<br>
      Reicht Ihr die Eure her, und so wie wir<br><i>Drei Männer</i> jetzo, unter uns, die Hände<br>
      Zusammenflechten, redlich, ohne Falsch,<br>
      So wollen wir <i>drei Länder</i> auch, zu Schutz<br>
      Und Trutz, zusammenstehn auf Tod und Leben.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Auf Tod und Leben!</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie halten die Hände noch einige Pausen lang zusammengeflochten und schweigen.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Blinder alter Vater!<br>
      Du kannst den Tag der Freiheit nicht mehr <i>schauen</i>,<br>
      Du sollst ihn <i>hören</i> – Wenn von Alp zu Alp<br>
      Die Feuerzeichen flammend sich erheben,<br>
      Die festen Schlösser der Tyrannen fallen,<br>
      In deine Hütte soll der Schweizer wallen,<br>
      Zu deinem Ohr die Freudenkunde tragen,<br>
      Und hell in deiner Nacht soll es dir tagen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie gehen auseinander.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell21">
<h2>Zweiter Aufzug</h2>
<h3>Erste Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Edelhof des Freiherrn von Attinghausen.</span></p>
<p class="center"><span class="regie">Ein gotischer Saal mit Wappenschildern und Helmen verziert. Der <span class="speaker">Freiherr</span>, ein Greis von fünfundachtzig Jahren, von hoher edler Statur, an einem Stabe worauf ein Gemsenhorn, und in ein Pelzwams gekleidet. <span class="speaker">Kuoni</span> und noch sechs <span class="speaker">Knechte</span> stehen um ihn her mit Rechen und Sensen. <span class="speaker">Ulrich von Rudenz</span> tritt ein in Ritterkleidung.</span></p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Hier bin ich Oheim – Was ist Euer Wille?</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Erlaubt, dass ich nach altem Hausgebrauch<br>
      Den Frühtrunk erst mit meinen Knechten teile.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er trinkt aus einem Becher, der dann in der Reihe herumgeht.</span></p>
<p class="leftmarg">Sonst war ich selber mit in Feld und Wald,<br>
      Mit meinem Auge ihren Fleiss regierend,<br>
      Wie sie mein Banner führte in der Schlacht,<br>
      Jetzt kann ich nichts mehr als den Schaffner machen,<br>
      Und kommt die warme Sonne nicht zu mir,<br>
      Ich kann sie nicht mehr suchen auf den Bergen.<br>
      Und so in enger stets und engerm Kreis,<br>
      Beweg ich mich dem engesten und letzten,<br>
      Wo alles Leben stillsteht, langsam zu,<br>
      Mein Schatte bin ich nur, bald nur mein Name.</p>
<p><span class="speaker">Kuoni</span><span class="regie">zu Rudenz mit dem Becher:</span><br>
      Ich bring's Euch, Junker.</p>
<p class="center"><span class="regie">Da Rudenz zaudert den Becher zu nehmen:</span></p>
<p class="leftmarg">Trinket frisch! Es geht<br>
      Aus einem Becher und aus einem Herzen.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Geht Kinder, und wenn's Feierabend ist,<br>
      Dann reden wir auch von des Lands Geschäften.</p>
<p class="center"><span class="regie">Knechte gehen ab.<br><span class="speaker">Attinghausen</span> und <span class="speaker">Rudenz</span></span></p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Ich sehe dich gegürtet und gerüstet,<br>
      Du willst nach Altdorf in die Herrenburg?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ja Oheim, und ich darf nicht länger säumen –</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span><span class="regie">setzt sich:</span><br>
      Hast du's so eilig? Wie? Ist deiner Jugend<br>
      Die Zeit so karg gemessen, dass du sie<br>
      An deinem alten Oheim musst ersparen?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ich sehe, dass Ihr meiner nicht bedürft,<br>
      Ich bin ein Fremdling nur in diesem Hause.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span><span class="regie">hat ihn lange mit den Augen gemustert:</span><br>
      Ja leider bist du's. Leider ist die Heimat<br>
      Zur Fremde dir geworden! – Uli! Uli!<br>
      Ich kenne dich nicht mehr. In Seide prangst du,<br>
      Die Pfauenfeder trägst du stolz zur Schau,<br>
      Und schlägst den Purpurmantel um die Schultern,<br>
      Den Landsmann blickst du mit Verachtung an,<br>
      Und schämst dich seiner traulichen Begrüssung.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Die Ehr, die ihm gebührt, geb ich ihm gern,<br>
      Das Recht, das er sich nimmt, verweigr ich ihm.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Das ganze Land liegt unterm schweren Zorn<br>
      Des Königs – Jedes Biedermannes Herz<br>
      Ist kummervoll ob der tyrannischen Gewalt<br>
      Die wir erdulden – Dich allein rührt nicht<br>
      Der allgemeine Schmerz – Dich siehet man<br>
      Abtrünnig von den Deinen auf der Seite<br>
      Des Landesfeindes stehen, unsrer Not<br>
      Hohnsprechend nach der leichten Freude jagen,<br>
      Und buhlen um die Fürstengunst, indes<br>
      Dein Vaterland von schwerer Geissel blutet.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Das Land ist schwer bedrängt – Warum, mein Oheim?<br>
      Wer ist's, der es gestürzt in diese Not?<br>
      Es kostete ein einzig leichtes Wort,<br>
      Um augenblicks des Dranges los zu sein,<br>
      Und einen gnäd'gen Kaiser zu gewinnen.<br>
      Weh ihnen, die dem Volk die Augen halten,<br>
      Dass es dem wahren Besten widerstrebt.<br>
      Um eignen Vorteils willen hindern sie,<br>
      Dass die Waldstätte nicht zu Östreich schwören,<br>
      Wie ringsum alle Lande doch getan.<br>
      Wohl tut es ihnen, auf der Herrenbank<br>
      Zu sitzen mit dem Edelmann – den Kaiser<br>
      Will man zum Herrn, um <i>keinen</i> Herrn zu haben.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Muss ich das hören und aus deinem Munde!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ihr habt mich aufgefordert, lasst mich enden.<br>
      – Welche Person ist's, Oheim, die Ihr selbst<br>
      Hier spielt? Habt Ihr nicht höhern Stolz, als hier<br>
      Landammann oder Bannerherr zu sein<br>
      Und neben diesen Hirten zu regieren?<br>
      Wie? Ist's nicht eine rühmlichere Wahl,<br>
      Zu huldigen dem königlichen Herrn,<br>
      Sich an sein glänzend Lager anzuschliessen,<br>
      Als Eurer eignen Knechte Pair zu sein,<br>
      Und zu Gericht zu sitzen mit dem Bauer?</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Ach Uli! Uli! Ich erkenne sie<br>
      Die Stimme der Verführung! Sie ergriff<br>
      Dein offnes Ohr, sie hat dein Herz vergiftet.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ja ich verberg es nicht – in tiefer Seele<br>
      Schmerzt mich der Spott der Fremdlinge, die uns<br>
      Den Bauernadel schelten – Nicht ertrag ich's,<br>
      Indes die edle Jugend ringsumher<br>
      Sich Ehre sammelt unter Habsburgs Fahnen,<br>
      Auf meinem Erb hier müssig stillzuliegen,<br>
      Und bei gemeinem Tagewerk den Lenz<br>
      Des Lebens zu verlieren – Anderswo<br>
      Geschehen Taten, eine Welt des Ruhms<br>
      Bewegt sich glänzend jenseits dieser Berge –<br>
      Mir rosten in der Halle Helm und Schild,<br>
      Der Kriegstrommete mutiges Getön,<br>
      Der Heroldsruf, der zum Turniere ladet,<br>
      Er dringt in diese Täler nicht herein,<br>
      Nichts als den <i>Kuhreihn</i> und der Herdeglocken<br>
      Einförmiges Geläut vernehm ich hier.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Verblendeter, vom eiteln Glanz verführt!<br>
      Verachte dein Geburtsland! Schäme dich<br>
      Der uralt frommen Sitte deiner Väter!<br>
      Mit heissen Tränen wirst du dich dereinst<br>
      Heimsehnen nach den väterlichen Bergen,<br>
      Und dieses Herdenreihens Melodie,<br>
      Die du in stolzem Überdruss verschmähst.<br>
      Mit Schmerzenssehnsucht wird sie dich ergreifen,<br>
      Wenn sie dir anklingt auf der fremden Erde.<br>
      O mächtig ist der Trieb des Vaterlands!<br>
      Die fremde falsche Welt ist nicht für dich,<br>
      Dort an dem stolzen Kaiserhof bleibst du<br>
      Dir ewig fremd mit deinem treuen Herzen!<br>
      Die Welt, sie fordert andre Tugenden,<br>
      Als du in diesen Tälern dir erworben.<br>
      – Geh hin, verkaufe deine freie Seele,<br>
      Nimm Land zu Lehen, werd ein Fürstenknecht,<br>
      Da du ein Selbstherr sein kannst und ein Fürst<br>
      Auf deinem eignen Erb und freien Boden.<br>
      Ach Uli! Uli! Bleibe bei den Deinen!<br>
      Geh nicht nach Altdorf – O verlass sie nicht<br>
      Die heil'ge Sache deines Vaterlands!<br>
      – Ich bin der Letzte meines Stamms. Mein Name<br>
      Endet mit mir. Da hängen Helm und Schild,<br>
      Die werden sie mir in das Grab mitgeben.<br>
      Und muss ich denken bei dem letzten Hauch,<br>
      Dass du mein brechend Auge nur erwartest,<br>
      Um hinzugehn vor diesen neuen Lehenhof,<br>
      Und meine edeln Güter, die ich frei<br>
      Von Gott empfing, von Östreich zu empfangen!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Vergeblich widerstreben wir dem König,<br>
      Die Welt gehört ihm, wollen wir allein<br>
      Uns eigensinnig steifen und verstocken,<br>
      Die Länderkette ihm zu unterbrechen,<br>
      Die er gewaltig rings um uns gezogen?<br><i>Sein</i> sind die Märkte, die Gerichte, <i>sein</i><br>
      Die Kaufmannsstrassen, und das Saumross selbst,<br>
      Das auf dem Gotthard ziehet, muss ihm zollen.<br>
      Von seinen Ländern wie mit einem Netz<br>
      Sind wir umgarnet rings und eingeschlossen.<br>
      – Wird uns das Reich beschützen? Kann es selbst<br>
      Sich schützen gegen Östreichs wachsende Gewalt?<br>
      Hilft Gott uns nicht, kein Kaiser kann uns helfen.<br>
      Was ist zu geben auf der Kaiser Wort,<br>
      Wenn sie in Geld- und Kriegesnot die Städte,<br>
      Die untern Schirm des Adlers sich geflüchtet,<br>
      Verpfänden dürfen und dem Reich veräussern?<br>
      – Nein Oheim! Wohltat ist's und weise Vorsicht,<br>
      In diesen schweren Zeiten der Parteiung,<br>
      Sich anzuschliessen an ein mächtig Haupt.<br>
      Die Kaiserkrone geht von Stamm zu Stamm,<br><i>Die</i> hat für treue Dienste kein Gedächtnis,<br>
      Doch um den mächt'gen Erbherrn wohl verdienen,<br>
      Heisst Staaten in die Zukunft streun.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Bist du so weise?<br>
      Willst heller sehn als deine edeln Väter,<br>
      Die um der Freiheit kostbarn Edelstein<br>
      Mit Gut und Blut und Heldenkraft gestritten?<br>
      – Schiff nach <i>Luzern</i> hinunter, frage <i>dort</i>,<br>
      Wie Östreichs Herrschaft lastet auf den Ländern!<br>
      Sie werden kommen, unsre Schaf und Rinder<br>
      Zu zählen, unsre Alpen abzumessen,<br>
      Den Hochflug und das Hochgewilde bannen<br>
      In unsern freien Wäldern, ihren Schlagbaum<br>
      An unsre Brücken, unsre Tore setzen,<br>
      Mit unsrer Armut ihre Länderkäufe,<br>
      Mit unserm Blute ihre Kriege zahlen –<br>
      – Nein, wenn wir unser Blut dransetzen sollen,<br>
      So sei's <i>für uns</i> – wohlfeiler kaufen wir<br>
      Die Freiheit als die Knechtschaft ein!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Was können wir,<br>
      Ein Volk der Hirten gegen Albrechts Heere!</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Lern dieses Volk der Hirten kennen, Knabe!<br>
      Ich kenn's, ich hab es angeführt in Schlachten,<br>
      Ich hab es fechten sehen bei Favenz.<br>
      Sie sollen kommen, uns ein Joch aufzwingen,<br>
      Das wir entschlossen sind, nicht zu ertragen!<br>
      – O lerne fühlen, welches Stamms du bist!<br>
      Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein<br>
      Die echte Perle deines Wertes hin –<br>
      Das Haupt zu heissen eines freien Volks,<br>
      Das dir aus Liebe nur sich herzlich weiht,<br>
      Das treulich zu dir steht in Kampf und Tod –<br>
      Das sei dein Stolz, des Adels rühme dich –<br>
      Die angebornen Bande knüpfe fest,<br>
      Ans Vaterland, ans teure, schliess dich an,<br>
      Das halte fest mit deinem ganzen Herzen.<br>
      Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft,<br>
      Dort in der fremden Welt stehst du allein,<br>
      Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt.<br>
      O komm, du hast uns lang nicht mehr gesehn,<br>
      Versuch's mit uns nur einen Tag – nur heute<br>
      Geh nicht nach Altdorf – Hörst du? Heute nicht,<br>
      Den einen Tag nur schenke dich den Deinen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Er fasst seine Hand.</span></p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ich gab mein Wort – Lasst mich – Ich bin gebunden.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span><span class="regie">lässt seine Hand los, mit Ernst:</span><br>
      Du bist gebunden – Ja Unglücklicher!<br>
      Du bist's, doch nicht durch Wort und Schwur,<br>
      Gebunden bist du durch der Liebe Seile!</p>
<p class="center"><span class="regie">Rudenz wendet sich weg.</span></p>
<p>– Verbirg dich wie du willst. Das Fräulein ist's<br>
      Berta von Bruneck, die zur Herrenburg<br>
      Dich zieht, dich fesselt an des Kaisers Dienst.<br>
      Das Ritterfräulein willst du dir erwerben<br>
      Mit deinem Abfall von dem Land – Betrüg dich nicht!<br>
      Dich anzulocken zeigt man dir die Braut<br>
      Doch deiner Unschuld ist sie nicht beschieden.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Genug hab ich gehört. Gehabt Euch wohl.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er geht ab.</span></p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Wahnsinn'ger Jüngling, bleib! – Er geht dahin!<br>
      Ich kann ihn nicht erhalten, nicht erretten –<br>
      So ist der Wolfenschiessen abgefallen<br>
      Von seinem Land – so werden andre folgen<br>
      Der fremde Zauber reisst die Jugend fort,<br>
      Gewaltsam strebend über unsre Berge.<br>
      – O unglücksel'ge Stunde, da das Fremde<br>
      In diese still beglückten Täler kam,<br>
      Der Sitten fromme Unschuld zu zerstören!<br>
      Das Neue dringt herein mit Macht, das Alte<br>
      Das Würd'ge scheidet, andre Zeiten kommen,<br>
      Es lebt ein andersdenkendes Geschlecht!<br>
      Was tu ich hier? Sie sind begraben alle,<br>
      Mit denen ich gewaltet und gelebt.<br>
      Unter der Erde schon liegt meine Zeit,<br>
      Wohl dem, der mit der neuen nicht mehr braucht zu leben!</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht ab.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell22">
<h3>Zweite Szene</h3>
<p class="stage">Eine Wiese von hohen Felsen und Wald umgeben. Auf den Felsen sind Steige, mit Geländern, auch Leitern, von denen man nachher die Landleute herabsteigen sieht. Im Hintergrund zeigt sich der See, über welchem anfangs ein Mondregenbogen zu sehen ist. Den Prospekt schliessen hohe Berge, hinter welchen noch höhere Eisgebirge ragen. Es ist völlig Nacht auf der Szene, nur der See und die weissen Gletscher leuchten im Mondlicht.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Melchtal, Baumgarten, Winkelried, Meier von Sarnen, Burkhardt am Bühel, Arnold von Sewa, Klaus von der Flüe</span> und noch vier andere <span class="speaker">Landleute</span>, alle bewaffnet.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">noch hinter der Szene:</span><br>
      Der Bergweg öffnet sich, nur frisch mir nach,<br>
      Den Fels erkenn ich und das Kreuzlein drauf,<br>
      Wir sind am Ziel, hier ist das Rütli.</p>
<p class="center"><span class="regie">Treten auf mit Windlichtern.</span></p>
<p><span class="speaker">Winkelried</span>:<br>
      Horch!</p>
<p><span class="speaker">Sewa</span>:<br>
      Ganz leer.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      's ist noch kein Landmann da. Wir sind<br>
      Die ersten auf dem Platz, wir Unterwaldner.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Wie weit ist's in der Nacht?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Der Feuerwächter<br>
      Vom Selisberg hat eben zwei gerufen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört in der Ferne läuten.</span></p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Still! Horch!</p>
<p><span class="speaker">Am Bühel</span>:<br>
      Das Mettenglöcklein in der Waldkapelle<br>
      Klingt hell herüber aus dem Schwyzerland.</p>
<p><span class="speaker">Von der Flüe</span>:<br>
      Die Luft ist rein und trägt den Schall soweit.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Gehn einige und zünden Reisholz an,<br>
      Dass es loh brenne, wenn die Männer kommen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Zwei Landleute gehen.</span></p>
<p><span class="speaker">Sewa</span>:<br>
      's ist eine schöne Mondennacht. Der See<br>
      Liegt ruhig da als wie ein ebner Spiegel.</p>
<p><span class="speaker">Am Bühel</span>:<br>
      Sie haben eine leichte Fahrt.</p>
<p><span class="speaker">Winkelried</span><span class="regie">zeigt nach dem See:</span><br>
      Ha seht!<br>
      Seht dorthin! Seht ihr nichts?</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Was denn? – Ja wahrlich!<br>
      Ein Regenbogen mitten in der Nacht!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Es ist das Licht des Mondes das ihn bildet.</p>
<p><span class="speaker">Von der Flüe</span>:<br>
      Das ist ein seltsam wunderbares Zeichen!<br>
      Es leben viele, die das nicht gesehn.</p>
<p><span class="speaker">Sewa</span>:<br>
      Er ist doppelt, seht, ein blässerer steht drüber.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Ein Nachen fährt soeben drunter weg.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Das ist der Stauffacher mit seinem Kahn,<br>
      Der Biedermann lässt sich nicht lang erwarten.</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht mit Baumgarten nach dem Ufer.</span></p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Die Urner sind es, die am längsten säumen.</p>
<p><span class="speaker">Am Bühel</span>:<br>
      Sie müssen weit umgehen durchs Gebirg,<br>
      Dass sie des Landvogts Kundschaft hintergehen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Unterdessen haben die zwei Landleute in der Mitte des Platzes ein Feuer angezündet.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">am Ufer:</span><br>
      Wer ist da? Gebt das Wort!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">von unten:</span><br>
      Freunde des Landes.</p>
<p class="center"><span class="regie">Alle gehen nach der Tiefe, den Kommenden entgegen. Aus dem Kahn steigen <span class="speaker">Stauffacher, Itel Reding, Hans auf der Mauer, Jörg im Hofe, Konrad Hunn, Ulrich der Schmied, Jost von Weiler</span>, und noch drei andere Landleute, gleichfalls bewaffnet.</span></p>
<p><span class="speaker">Alle</span><span class="regie">rufen:</span><br>
      Willkommen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem die übrigen in der Tiefe verweilen und sich begrüssen, kommt Melchtal mit Stauffacher vorwärts.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      O Herr Stauffacher! Ich hab ihn<br>
      Gesehn, der mich nicht wiedersehen konnte!<br>
      Die Hand hab ich gelegt auf seine Augen,<br>
      Und glühend Rachgefühl hab ich gesogen<br>
      Aus der erloschnen Sonne seines Blicks.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Sprecht nicht von Rache. Nicht Geschehnes rächen,<br>
      Gedrohtem Uebel wollen wir begegnen.<br>
      – Jetzt sagt, was Ihr im Unterwaldner Land<br>
      Geschafft und für gemeine Sach geworben,<br>
      Wie die Landleute denken, wie Ihr selbst<br>
      Den Stricken des Verrats entgangen seid.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Durch der Surennen furchtbares Gebirg,<br>
      Auf weit verbreitet öden Eisesfeldern,<br>
      Wo nur der heisre Lämmergeier krächzt,<br>
      Gelangt ich zu der Alpentrift, wo sich<br>
      Aus Uri und vom Engelberg die Hirten<br>
      Anrufend grüssen und gemeinsam weiden,<br>
      Den Durst mir stillend mit der Gletscher Milch,<br>
      Die in den Runsen schäumend niederquillt.<br>
      In den einsamen Sennhütten kehrt ich ein.<br>
      Mein eigner Wirt und Gast, bis dass ich kam<br>
      Zu Wohnungen gesellig lebender Menschen.<br>
      – Erschollen war in diesen Tälern schon<br>
      Der Ruf des neuen Greuels der geschehn,<br>
      Und fromme Ehrfurcht schaffte mir mein Unglück<br>
      Vor jeder Pforte, wo ich wandernd klopfte.<br>
      Entrüstet fand ich diese graden Seelen<br>
      Ob dem gewaltsam neuen Regiment,<br>
      Denn so wie ihre Alpen fort und fort<br>
      Dieselben Kräuter nähren, ihre Brunnen<br>
      Gleichförmig fliessen, Wolken selbst und Winde<br>
      Den gleichen Strich unwandelbar befolgen,<br>
      So hat die alte Sitte hier vom Ahn<br>
      Zum Enkel unverändert fortbestanden,<br>
      Nicht tragen sie verwegne Neuerung<br>
      Im altgewohnten gleichen Gang des Lebens.<br>
      – Die harten Hände reichten sie mir dar,<br>
      Von den Wänden langten sie die rost'gen Schwerter,<br>
      Und aus den Augen blitzte freudiges<br>
      Gefühl des Muts, als ich die Namen nannte,<br>
      Die im Gebirg dem Landmann heilig sind,<br>
      Den Eurigen und Walther Fürsts – Was Euch<br>
      Recht würde dünken, schwuren sie zu tun,<br>
      Euch schwuren sie bis in den Tod zu folgen.<br>
      – So eilt' ich sicher unterm heil'gen Schirm<br>
      Des Gastrechts von Gehöfte zu Gehöfte –<br>
      Und als ich kam ins heimatliche Tal,<br>
      Wo mir die Vettern viel verbreitet wohnen –<br>
      Als ich den Vater fand, beraubt und blind,<br>
      Auf fremdem Stroh, von der Barmherzigkeit<br>
      Mildtät'ger Menschen lebend –</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Herr im Himmel!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Da weint ich nicht! Nicht in ohnmächt'gen Tränen<br>
      Goss ich die Kraft des heissen Schmerzens aus,<br>
      In tiefer Brust wie einen teuern Schatz<br>
      Verschloss ich ihn und dachte nur auf Taten.<br>
      Ich kroch durch alle Krümmen des Gebirgs,<br>
      Kein Tal war so versteckt, ich späht es aus,<br>
      Bis an der Gletscher eisbedeckten Fuss<br>
      Erwartet ich und fand bewohnte Hütten,<br>
      Und überall, wohin mein Fuss mich trug,<br>
      Fand ich den gleichen Hass der Tyrannei,<br>
      Denn bis an diese letzte Grenze selbst<br>
      Belebter Schöpfung, wo der starre Boden<br>
      Aufhört zu geben, raubt der Vögte Geiz –<br>
      Die Herzen alle dieses biedern Volks<br>
      Erregt' ich mit dem Stachel meiner Worte,<br>
      Und unser sind sie all mit Herz und Mund.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Grosses habt Ihr in kurzer Frist geleistet.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Ich tat noch mehr. Die beiden Festen sind's<br><i>Rossberg</i> und <i>Sarnen</i>, die der Landmann fürchtet,<br>
      Denn hinter ihren Felsenwällen schirmt<br>
      Der Feind sich leicht und schädiget das Land.<br>
      Mit eignen Augen wollt ich es erkunden,<br>
      Ich war zu Sarnen und besah die Burg.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ihr wagtet Euch bis in des Tigers Höhle?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Ich war verkleidet dort in Pilgerstracht,<br>
      Ich sah den Landvogt an der Tafel schwelgen –<br>
      Urteilt, ob ich mein Herz bezwingen kann,<br>
      Ich sah den Feind und ich erschlug ihn nicht.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Fürwahr das Glück war Eurer Kühnheit hold.</p>
<p class="center"><span class="regie">Unterdessen sind die andern Landleute vorwärts gekommen und nähern sich den beiden.</span></p>
<p class="leftmarg">Doch jetzo sagt mir, wer die Freunde sind,<br>
      Und die gerechten Männer, die Euch folgten?<br>
      Macht mich bekannt mit ihnen, dass wir uns<br>
      Zutraulich nahen und die Herzen öffnen.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Wer kennt <i>Euch</i> nicht, Herr, in den drei Landen?<br>
      Ich bin der Mei'r von Sarnen, dies hier ist<br>
      Mein Schwestersohn, der Struth von Winkelried.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ihr nennt mir keinen unbekannten Namen.<br>
      Ein Winkelried war's der den Drachen schlug<br>
      Im Sumpf bei Weiler und sein Leben liess<br>
      In diesem Strauss.</p>
<p><span class="speaker">Winkelried</span>:<br>
      Das war mein Ahn, Herr Werner.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">zeigt auf seine Landleute:</span><br><i>Die</i> wohnen hinterm Wald, sind Klosterleute<br>
      Vom Engelberg – Ihr werdet sie drum nicht<br>
      Verachten, weil sie <i>eigne</i> Leute sind,<br>
      Und nicht wie wir frei sitzen auf dem Erbe –<br>
      Sie lieben's Land, sind sonst auch wohl berufen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu den beiden:</span><br>
      Gebt mir die Hand. Es preise sich, wer keinem<br>
      Mit seinem Leibe pflichtig ist auf Erden,<br>
      Doch Redlichkeit gedeiht in jedem Stande.</p>
<p><span class="speaker">Konrad Hunn</span>:<br>
      Das ist Herr Reding, unser Altlandammann.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Ich kenn ihn wohl. Er ist mein Widerpart,<br>
      Der um ein altes Erbstück mit mir rechtet.<br>
      – Herr Reding, wir sind Feinde vor Gericht,<br>
      Hier sind wir einig.</p>
<p class="center"><span class="regie">Schüttelt ihm die Hand.</span></p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Das ist brav gesprochen.</p>
<p><span class="speaker">Winkelried</span>:<br>
      Hört ihr? Sie kommen. Hört das Horn von Uri!</p>
<p class="center"><span class="regie">Rechts und links sieht man bewaffnete Männer mit Windlichtern die Felsen herabsteigen.</span></p>
<p><span class="speaker">Auf der Mauer</span>:<br>
      Seht! Steigt nicht selbst der fromme Diener Gottes,<br>
      Der würd'ge Pfarrer mit herab? Nicht scheut er<br>
      Des Weges Mühen und das Graun der Nacht,<br>
      Ein treuer Hirte für das Volk zu sorgen.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Der Sigrist folgt ihm und Herr Walther Fürst,<br>
      Doch nicht den Tell erblick ich in der Menge.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Walther Fürst, Rösselmann</span> der Pfarrer, <span class="speaker">Petermann</span> der Sigrist, <span class="speaker">Kuoni</span> der Hirt, <span class="speaker">Werni</span> der Jäger, <span class="speaker">Ruodi</span> der Fischer und noch fünf andere <span class="speaker">Landleute</span>, alle zusammen dreiundreissig an der Zahl, treten vorwärts und stellen sich um das Feuer.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      So müssen wir auf unserm eigenen Erb<br>
      Und väterlichem Boden uns verstohlen<br>
      Zusammenschleichen wie die Mörder tun,<br>
      Und bei der Nacht, die ihren schwarzen Mantel<br>
      Nur dem Verbrechen und der sonnenscheuen<br>
      Verschwörung leihet, unser gutes Recht<br>
      Uns holen, das doch lauter ist und klar,<br>
      Gleichwie der glanzvoll offne Schoss des Tages.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Lasst's gut sein. Was die dunkle Nacht gesponnen,<br>
      Soll frei und fröhlich an das Licht der Sonnen.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Hört was mir Gott ins Herz gibt, Eidgenossen!<br>
      Wir stehen hier statt einer Landsgemeinde,<br>
      Und können gelten für ein ganzes Volk,<br>
      So lasst uns tagen nach den alten Bräuchen<br>
      Des Lands, wie wir's in ruhigen Zeiten pflegen,<br>
      Was ungesetzlich ist in der Versammlung,<br>
      Entschuldige die Not der Zeit. Doch Gott<br>
      Ist überall, wo man das Recht verwaltet,<br>
      Und unter seinem Himmel stehen wir.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wohl, lasst uns tagen nach der alten Sitte,<br>
      Ist es gleich Nacht, so leuchtet unser Recht.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Ist gleich die Zahl nicht voll, das <i>Herz</i> ist hier<br>
      Des ganzen Volks, die <i>Besten</i> sind zugegen.</p>
<p><span class="speaker">Konrad Hunn</span>:<br>
      Sind auch die alten Bücher nicht zur Hand,<br>
      Sie sind in unsre Herzen eingeschrieben.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Wohlan, so sei der Ring sogleich gebildet,<br>
      Man pflanze auf die Schwerter der Gewalt.</p>
<p><span class="speaker">Auf der Mauer</span>:<br>
      Der Landesammann nehme seinen Platz,<br>
      Und seine Weibel stehen ihm zur Seite!</p>
<p><span class="speaker">Sigrist</span>:<br>
      Es sind der Völker dreie. Welchem nun<br>
      Gebührt's, das Haupt zu geben der Gemeinde?</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Um diese Ehr mag Schwyz mit Uri streiten,<br>
      Wir Unterwaldner stehen frei zurück.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Wir stehn zurück, wir sind die Flehenden,<br>
      Die Hülfe heischen von den mächt'gen Freunden.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      So nehme Uri denn das Schwert, sein Banner<br>
      Zieht bei den Römerzügen uns voran.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Des Schwertes Ehre werde Schwyz zuteil,<br>
      Denn seines Stammes rühmen wir uns alle.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Den edeln Wettstreit lasst mich freundlich schlichten,<br>
      Schwyz soll im Rat, Uri im Felde führen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">reicht dem Stauffacher die Schwerter.</span><br>
      So nehmt!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Nicht mir, dem Alter sei die Ehre.</p>
<p><span class="speaker">Im Hofe</span>:<br>
      Die meisten Jahre zählt Ulrich der Schmied.</p>
<p><span class="speaker">Auf der Mauer</span>:<br>
      Der Mann ist wacker, doch nicht freien Stands,<br>
      Kein eigner Mann kann Richter sein in Schwyz.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Steht nicht Herr Reding hier der Altlandammann?<br>
      Was suchen wir noch einen Würdigern?</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Er sei der Ammann und des Tages Haupt!<br>
      Wer dazu stimmt erhebe seine Hände.</p>
<p class="center"><span class="regie">Alle heben die rechte Hand auf.</span></p>
<p><span class="speaker">Reding</span><span class="regie">tritt in die Mitte:</span><br>
      Ich kann die Hand nicht auf die Bücher legen,<br>
      So schwör ich droben bei den ew'gen Sternen,<br>
      Dass ich mich nimmer will vom Recht entfernen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Man richtet die Schwerter vor ihm auf, der Ring bildet sich um ihn her, Schwyz hält die Mitte, rechts stellt sich Uri und links Unterwalden. Er steht auf sein Schlachtschwert gestützt.</span></p>
<p class="leftmarg">Was ist's, das die drei Völker des Gebirgs<br>
      Hier an des Sees unwirtlichem Gestade<br>
      Zusammenführte in der Geisterstunde?<br>
      Was soll der Inhalt sein des neuen Bunds,<br>
      Den wir hier unterm Sternenhimmel stiften?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">tritt in den Ring:</span><br>
      Wir stiften keinen neuen Bund, es ist<br>
      Ein uralt Bündnis nur von Väterzeit,<br>
      Das wir erneuern! Wisset Eidgenossen!<br>
      Ob uns der See, ob uns die Berge scheiden,<br>
      Und jedes Volk sich für sich selbst regiert,<br>
      So sind wir <i>eines</i> Stammes doch und Bluts,<br>
      Und eine Heimat ist's, aus der wir zogen.</p>
<p><span class="speaker">Winkelried</span>:<br>
      So ist es wahr, wie's in den Liedern lautet,<br>
      Dass wir von fernher in das Land gewallt?<br>
      O teilt's uns mit, was Euch davon bekannt,<br>
      Dass sich der neue Bund am alten stärke.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Hört, was die alten Hirten sich erzählen.<br>
      – Es war ein grosses Volk, hinten im Lande<br>
      Nach Mitternacht, das litt von schwerer Teurung.<br>
      In dieser Not beschloss die Landsgemeinde,<br>
      Dass jeder zehnte Bürger nach dem Los<br>
      Der Väter Land verlasse – das geschah!<br>
      Und zogen aus, wehklagend, Männer und Weiber,<br>
      Ein grosser Heerzug, nach der Mittagsonne,<br>
      Mit dem Schwert sich schlagend durch das deutsche Land,<br>
      Bis an das Hochland dieser Waldgebirge.<br>
      Und eher nicht ermüdete der Zug,<br>
      Bis dass sie kamen in das wilde Tal,<br>
      Wo jetzt die Muotta zwischen Wiesen rinnt –<br>
      Nicht Menschenspuren waren hier zu sehen,<br>
      Nur eine Hütte stand am Ufer einsam,<br>
      Da sass ein Mann, und wartete der Fähre –<br>
      Doch heftig wogete der See und war<br>
      Nicht fahrbar; da besahen sie das Land<br>
      Sich näher und gewahrten schöne Fülle<br>
      Des Holzes und entdeckten gute Brunnen,<br>
      Und meinten, sich im lieben Vaterland<br>
      Zu finden – Da beschlossen sie zu bleiben,<br>
      Erbaueten den alten Flecken <i>Schwyz</i>,<br>
      Und hatten manchen sauren Tag, den Wald<br>
      Mit weitverschlungenen Wurzeln auszuroden –<br>
      Drauf als der Boden nicht mehr Gnügen tat<br>
      Der Zahl des Volks, da zogen sie hinüber<br>
      Zum schwarzen Berg, ja bis ans Weissland hin,<br>
      Wo hinter ew'gem Eiseswall verborgen,<br>
      Ein andres Volk in andern Zungen spricht.<br>
      Den Flecken <i>Stanz</i> erbauten sie am Kernwald,<br>
      Den Flecken <i>Altdorf</i> in dem Tal der Reuss –<br>
      Doch blieben sie des Ursprungs stets gedenk,<br>
      Aus all den fremden Stämmen, die seitdem<br>
      In Mitte ihres Lands sich angesiedelt,<br>
      Finden die Schwyzer Männer sich heraus,<br>
      Es gibt das Herz, das Blut sich zu erkennen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Reicht rechts und links die Hand hin.</span></p>
<p><span class="speaker">Auf der Mauer</span>:<br>
      Ja wir sind <i>eines</i> Herzens, <i>eines</i> Bluts!</p>
<p><span class="speaker">Alle</span><span class="regie">sich die Hände reichend:</span><br>
      Wir sind <i>ein</i> Volk, und einig wollen wir handeln.</p>
</div>
<div class="chapter" id="tell22a">
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Die andern Völker tragen fremdes Joch,<br>
      Sie haben sich dem Sieger unterworfen.<br>
      Es leben selbst in unsern Landesmarken<br>
      Der Sassen viel, die fremde Pflichten tragen,<br>
      Und ihre Knechtschaft erbt auf ihre Kinder.<br>
      Doch <i>wir</i>, der alten Schweizer echter Stamm,<br>
      Wir haben stets die Freiheit uns bewahrt.<br>
      Nicht unter Fürsten bogen wir das Knie,<br>
      Freiwillig wählten wir den Schirm der Kaiser.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Frei wählten wir des Reiches Schutz und Schirm,<br>
      So steht's bemerkt in Kaiser Friedrichs Brief.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Denn herrenlos ist auch der Freiste nicht.<br>
      Ein Oberhaupt muss sein, ein höchster Richter,<br>
      Wo man das Recht mag schöpfen in dem Streit<br>
      Drum haben unsre Väter für den Boden,<br>
      Den sie der alten Wildnis abgewonnen,<br>
      Die Ehr gegönnt dem Kaiser, der den Herrn<br>
      Sich nennt der deutschen und der welschen Erde,<br>
      Und wie die andern Freien seines Reichs<br>
      Sich ihm zu edelm Waffendienst gelobt,<br>
      Denn dieses ist der Freien einz'ge Pflicht,<br>
      Das Reich zu schirmen, das sie selbst beschirmt.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Was drüber ist, ist Merkmal eines Knechts.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Sie folgten, wenn der Heribann erging,<br>
      Dem Reichspanier und schlugen seine Schlachten.<br>
      Nach Welschland zogen sie gewappnet mit,<br>
      Die Römerkron ihm auf das Haupt zu setzen.<br>
      Daheim regierten sie sich fröhlich selbst<br>
      Nach altem Brauch und eigenem Gesetz,<br>
      Der höchste Blutbann war allein des Kaisers.<br>
      Und dazu ward bestellt ein grosser Graf,<br>
      Der hatte seinen Sitz nicht in dem Lande,<br>
      Wenn Blutschuld kam, so rief man ihn herein,<br>
      Und unter offnem Himmel, schlicht und klar,<br>
      Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menschen.<br>
      Wo sind hier Spuren, dass wir Knechte sind?<br>
      Ist einer, der es anders weiss, der rede!</p>
<p><span class="speaker">Im Hofe</span>:<br>
      Nein, so verhält sich alles wie Ihr sprecht,<br>
      Gewaltherrschaft ward nie bei uns geduldet.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Dem Kaiser selbst versagten wir Gehorsam,<br>
      Da er das Recht zugunst der Pfaffen bog.<br>
      Denn als die Leute von dem Gotteshaus<br><i>Einsiedeln</i> uns die Alp in Anspruch nahmen,<br>
      Die wir beweidet seit der Väter Zeit,<br>
      Der Abt herfürzog einen alten Brief,<br>
      Der ihm die herrenlose Wüste schenkte –<br>
      Denn unser Dasein hatte man verhehlt –<br>
      Da sprachen wir: »Erschlichen ist der Brief,<br>
      Kein Kaiser kann was unser ist verschenken.<br>
      Und wird uns Recht versagt vom Reich, wir können<br>
      In unsern Bergen auch des Reichs entbehren.«<br>
      – So sprachen unsere Väter! Sollen wir<br>
      Des neuen Joches Schändlichkeit erdulden,<br>
      Erleiden von dem fremden Knecht, was uns<br>
      In seiner Macht kein Kaiser durfte bieten?<br>
      – Wir haben diesen Boden uns <i>erschaffen</i><br>
      Durch unsrer Hände Fleiss, den alten Wald,<br>
      Der sonst der Bären wilde Wohnung war,<br>
      Zu einem Sitz für Menschen umgewandelt,<br>
      Die Brut des Drachen haben wir getötet,<br>
      Der aus den Sümpfen giftgeschwollen stieg,<br>
      Die Nebeldecke haben wir zerrissen,<br>
      Die ewig grau um diese Wildnis hing,<br>
      Den harten Fels gesprengt, über den Abgrund<br>
      Dem Wandersmann den sichern Steg geleitet,<br>
      Unser ist durch tausendjährigen Besitz<br>
      Der Boden – und der fremde Herrenknecht<br>
      Soll kommen dürfen und uns Ketten schmieden,<br>
      Und Schmach antun auf unsrer eignen Erde?<br>
      Ist keine Hülfe gegen solchen Drang?</p>
<p class="center"><span class="regie">Eine grosse Bewegung unter den Landleuten.</span></p>
<p class="leftmarg">Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,<br>
      Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,<br>
      Wenn unerträglich wird die Last – greift er<br>
      Hinauf getrosten Mutes in den Himmel,<br>
      Und holt herunter seine ew'gen Rechte,<br>
      Die droben hangen unveräusserlich<br>
      Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst –<br>
      Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,<br>
      Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht –<br>
      Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr<br>
      Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben –<br>
      Der Güter höchstes dürfen wir verteid'gen<br>
      Gegen Gewalt – Wir stehn vor unser Land,<br>
      Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder!</p>
<p><span class="speaker">Alle</span><span class="regie">an ihre Schwerter schlagend:</span><br>
      Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder!</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span><span class="regie">tritt in den Ring:</span><br>
      Eh ihr zum Schwerte greift, bedenkt es wohl.<br>
      Ihr könnt es friedlich mit dem Kaiser schlichten.<br>
      Es kostet euch ein Wort und die Tyrannen,<br>
      Die euch jetzt schwer bedrängen, schmeicheln euch.<br>
      – Ergreift, was man euch oft geboten hat,<br>
      Trennt euch vom Reich, erkennet Östreichs Hoheit –</p>
<p><span class="speaker">Auf der Mauer</span>:<br>
      Was sagt der Pfarrer? Wir zu Östreich schwören!</p>
<p><span class="speaker">Am Bühel</span>:<br>
      Hört ihn nicht an!</p>
<p><span class="speaker">Winkelried</span>:<br>
      Das rät uns ein Verräter,<br>
      Ein Feind des Landes!</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Ruhig Eidgenossen!</p>
<p><span class="speaker">Sewa</span>:<br>
      Wir Östreich huldigen, nach solcher Schmach!</p>
<p><span class="speaker">Von der Flüe</span>:<br>
      Wir uns abtrotzen lassen durch Gewalt,<br>
      Was wir der Güte weigerten!</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Dann wären<br>
      Wir Sklaven und verdienten es zu sein!</p>
<p><span class="speaker">Auf der Mauer</span>:<br>
      Der sei gestossen aus dem Recht der Schweizer,<br>
      Wer von Ergebung spricht an Österreich!<br>
      – Landammann, ich bestehe drauf, dies sei<br>
      Das erste Landsgesetz, das wir hier geben.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      So sei's. Wer von Ergebung spricht an Östreich,<br>
      Soll rechtlos sein und aller Ehren bar,<br>
      Kein Landmann nehm ihn auf an seinem Feuer.</p>
<p><span class="speaker">Alle</span><span class="regie">heben die rechte Hand auf:</span><br>
      Wir wollen es, das sei Gesetz!</p>
<p><span class="speaker">Reding</span><span class="regie">nach einer Pause:</span><br>
      Es ist's.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Jetzt seid ihr frei, ihr seid's durch dies Gesetz,<br>
      Nicht durch Gewalt soll Österreich ertrotzen<br>
      Was es durch freundlich Werben nicht erhielt –</p>
<p><span class="speaker">Jost von Weiler</span>:<br>
      Zur Tagesordnung, weiter.</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Eidgenossen!<br>
      Sind alle sanften Mittel auch versucht?<br>
      Vielleicht weiss es der König nicht, es ist<br>
      Wohl gar sein Wille nicht, was wir erdulden.<br>
      Auch dieses letzte sollten wir versuchen,<br>
      Erst unsre Klage bringen vor sein Ohr,<br>
      Eh wir zum Schwerte greifen. Schrecklich immer<br>
      Auch in gerechter Sache ist Gewalt,<br>
      Gott hilft nur dann, wenn Menschen nicht mehr helfen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu Konrad Hunn:</span><br>
      Nun ist's an Euch, Bericht zu geben. Redet.</p>
<p><span class="speaker">Konrad Hunn</span>:<br>
      Ich war zu Rheinfeld an des Kaisers Pfalz,<br>
      Wider der Vögte harten Druck zu klagen,<br>
      Den Brief zu holen unsrer alten Freiheit,<br>
      Den jeder neue König sonst bestätigt.<br>
      Die Boten vieler Städte fand ich dort,<br>
      Vom schwäb'schen Lande und vom Lauf des Rheins,<br>
      Die all erhielten ihre Pergamente,<br>
      Und kehrten freudig wieder in ihr Land.<br>
      Mich, <i>euren</i> Boten, wies man an die Räte,<br>
      Und die entliessen mich mit leerem Trost:<br>
      »Der Kaiser habe diesmal keine Zeit,<br>
      Er würde sonst einmal wohl an uns denken.«<br>
      – Und als ich traurig durch die Säle ging<br>
      Der Königsburg, da sah ich Herzog Hansen<br>
      In einem Erker weinend stehn, um ihn<br>
      Die edeln Herrn von Wart und Tegerfeld.<br>
      Die riefen mir und sagten: »Helft euch selbst,<br>
      Gerechtigkeit erwartet nicht vom König.<br>
      Beraubt er nicht des eignen Bruders Kind,<br>
      Und hinterhält ihm sein gerechtes Erbe?<br>
      Der Herzog fleht' ihn um sein Mütterliches,<br>
      Er habe seine Jahre voll, es wäre<br>
      Nun Zeit, auch Land und Leute zu regieren.<br>
      Was ward ihm zum Bescheid? Ein Kränzlein setzt' ihm<br>
      Der Kaiser auf: das sei die Zier der Jugend.«</p>
<p><span class="speaker">Auf der Mauer</span>:<br>
      Ihr habt's gehört. Recht und Gerechtigkeit<br>
      Erwartet nicht vom Kaiser! Helft euch selbst!</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Nichts andres bleibt uns übrig. Nun gebt Rat,<br>
      Wie wir es klug zum frohen Ende leiten.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">tritt in den Ring:</span><br>
      Abtreiben wollen wir verhassten Zwang,<br>
      Die alten Rechte, wie wir sie ererbt<br>
      Von unsern Vätern, wollen wir bewahren,<br>
      Nicht ungezügelt nach dem Neuen greifen.<br>
      Dem Kaiser bleibe, was des Kaisers ist,<br>
      Wer einen Herrn hat, dien ihm pflichtgemäss.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Ich trage Gut von Österreich zu Lehen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Ihr fahret fort, Östreich die Pflicht zu leisten.</p>
<p><span class="speaker">Jost von Weiler</span>:<br>
      Ich steure an die Herrn von Rappersweil.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Ihr fahret fort, zu zinsen und zu steuern.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Der grossen Frau zu Zürch bin ich vereidet.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Ihr gebt dem Kloster was des Klosters ist.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ich trage keine Lehen als des Reichs.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Was sein muss, das geschehe, doch nicht drüber.<br>
      Die Vögte wollen wir mit ihren Knechten<br>
      Verjagen und die festen Schlösser brechen,<br>
      Doch wenn es sein mag, ohne Blut. Es sehe<br>
      Der Kaiser, dass wir notgedrungen nur<br>
      Der Ehrfurcht fromme Pflichten abgeworfen.<br>
      Und sieht er uns in unsern Schranken bleiben,<br>
      Vielleicht besiegt er staatsklug seinen Zorn,<br>
      Denn bill'ge Furcht erwecket sich ein Volk,<br>
      Das mit dem Schwerte in der Faust sich <i>mässigt</i>.</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Doch lasset hören! <i>Wie</i> vollenden wir's?<br>
      Es hat der Feind die Waffen in der Hand,<br>
      Und nicht fürwahr in Frieden wird er weichen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Er wird's, wenn er in Waffen uns erblickt,<br>
      Wir überraschen ihn, eh er sich rüstet.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Ist bald gesprochen, aber schwer getan.<br>
      Uns ragen in dem Land zwei feste Schlösser,<br>
      Die geben Schirm dem Feind und werden furchtbar,<br>
      Wenn uns der König in das Land sollt fallen.<br>
      Rossberg und Sarnen muss bezwungen sein,<br>
      Eh man ein Schwert erhebt in den drei Landen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Säumt man so lang, so wird der Feind gewarnt,<br>
      Zu viele sind's, die das Geheimnis teilen.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      In den Waldstätten findt sich kein Verräter.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Der Eifer auch, der gute, kann verraten.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Schiebt man es auf, so wird der Twing vollendet<br>
      In Altdorf und der Vogt befestigt sich.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Ihr denkt an <i>euch</i>.</p>
<p><span class="speaker">Sigrist</span>:<br>
      Und ihr seid ungerecht.</p>
<p><span class="speaker">Meier</span><span class="regie">auffahrend:</span><br>
      Wir ungerecht! Das darf uns Uri bieten!</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Bei eurem Eide! Ruh!</p>
<p><span class="speaker">Meier</span>:<br>
      Ja, wenn sich Schwyz<br>
      Versteht mit Uri, müssen <i>wir</i> wohl schweigen.</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Ich muss euch weisen vor der Landsgemeinde,<br>
      Dass ihr mit heft'gem Sinn den Frieden stört!<br>
      Stehn wir nicht alle für dieselbe Sache?</p>
<p><span class="speaker">Winkelried</span>:<br>
      Wenn wir's verschieben bis zum Fest des Herrn<br>
      Dann bringt's die Sitte mit, dass alle Sassen<br>
      Dem Vogt Geschenke bringen auf das Schloss,<br>
      So können zehen Männer oder zwölf<br>
      Sich unverdächtig in der Burg versammeln,<br>
      Die führen heimlich spitz'ge Eisen mit,<br>
      Die man geschwind kann an die Stäbe stecken,<br>
      Denn niemand kommt mit Waffen in die Burg.<br>
      Zunächst im Wald hält dann der grosse Haufe,<br>
      Und wenn die andern glücklich sich des Tors<br>
      Ermächtiget, so wird ein Horn geblasen,<br>
      Und jene brechen aus dem Hinterhalt,<br>
      So wird das Schloss mit leichter Arbeit unser.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Den Rossberg übernehm ich zu ersteigen,<br>
      Denn eine Dirn des Schlosses ist mir hold,<br>
      Und leicht betör ich sie, zum nächtlichen<br>
      Besuch die schwanke Leiter mir zu reichen,<br>
      Bin ich droben erst, zieh ich die Freunde nach.</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Ist's aller Will, dass verschoben werde?</p>
<p class="center"><span class="regie">Die Mehrheit erhebt die Hand.</span></p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zählt die Stimmen:</span><br>
      Es ist ein Mehr von zwanzig gegen zwölf!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wenn am bestimmten Tag die Burgen fallen,<br>
      So geben wir von einem Berg zum andern<br>
      Das Zeichen mit dem Rauch, der Landsturm wird<br>
      Aufgeboten, schnell, im Hauptort jedes Landes,<br>
      Wenn dann die Vögte sehn der Waffen Ernst,<br>
      Glaubt mir, sie werden sich des Streits begeben,<br>
      Und gern ergreifen friedliches Geleit,<br>
      Aus unsern Landesmarken zu entweichen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Nur mit dem Gessler fürcht ich schweren Stand,<br>
      Furchtbar ist er mit Reisigen umgeben,<br>
      Nicht ohne Blut räumt er das Feld, ja selbst<br>
      Vertrieben bleibt er furchtbar noch dem Land,<br>
      Schwer ist's und fast gefährlich, ihn zu schonen.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Wo's halsgefährlich ist, da stellt <i>mich</i> hin,<br>
      Dem Tell verdank ich mein gerettet Leben,<br>
      Gern schlag ich's in die Schanze für das Land,<br>
      Mein' Ehr hab ich beschützt, mein Herz befriedigt.</p>
<p><span class="speaker">Reding</span>:<br>
      Die Zeit bringt Rat. Erwartet's in Geduld.<br>
      Man muss dem Augenblick auch was vertrauen.<br>
      – Doch seht, indes wir nächtlich hier noch tagen,<br>
      Stellt auf den höchsten Bergen schon der Morgen<br>
      Die glühnde Hochwacht aus – Kommt, lasst uns scheiden,<br>
      Eh uns des Tages Leuchten überrascht.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Sorgt nicht, die Nacht weicht langsam aus den Tälern.</p>
<p class="center"><span class="regie">Alle haben unwillkürlich die Hüte abgenommen und betrachten mit stiller Sammlung die Morgenröte.</span></p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüsst<br>
      Von allen Völkern, die tief unter uns<br>
      Schweratmend wohnen in dem Qualm der Städte,<br>
      Lasst uns den Eid des neuen Bundes schwören.<br>
      – Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,<br>
      In keiner Not uns trennen und Gefahr.</p>
<p class="center"><span class="regie">Alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern.</span></p>
<p>– Wir wollen frei sein wie die Väter waren,<br>
      Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.</p>
<p class="center"><span class="regie">Wie oben.</span></p>
<p>– Wir wollen trauen auf den höchsten Gott<br>
      Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Wie oben. Die Landleute umarmen einander.</span></p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Jetzt gehe jeder seines Weges still<br>
      Zu seiner Freundschaft und Genoßsame,<br>
      Wer Hirt ist, wintre ruhig seine Herde,<br>
      Und werb im stillen Freunde für den Bund,<br>
      – Was noch bis dahin muss erduldet werden,<br>
      Erduldet's! Lasst die Rechnung der Tyrannen<br>
      Anwachsen, bis <i>ein</i> Tag die allgemeine<br>
      Und die besondre Schuld auf einmal zahlt.<br>
      Bezähme jeder die gerechte Wut,<br>
      Und spare für das Ganze seine Rache,<br>
      Denn Raub begeht am allgemeinen Gut,<br>
      Wer selbst sich hilft in seiner eignen Sache.</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem sie zu drei verschiednen Seiten in grösster Ruhe abgehen, fällt das Orchester mit einem prachtvollen Schwung ein, die leere Szene bleibt noch eine Zeitlang offen und zeigt das Schauspiel der aufgehenden Sonne über den Eisgebirgen.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell31">
<h2>Dritter Aufzug</h2>
<h3>Erste Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Hof vor Tells Hause. <span class="speaker">Tell</span> ist mit der Zimmeraxt, <span class="speaker">Hedwig</span> mit einer häuslichen Arbeit beschäftigt. <span class="speaker">Walther</span> und <span class="speaker">Wilhelm</span> in der Tiefe spielen mit einer kleinen Armbrust.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther</span><span class="regie">singt:</span><br>
      Mit dem Pfeil, dem Bogen,<br>
          Durch Gebirg und Tal<br>
          Kommt der Schütz gezogen<br>
          Früh am Morgenstrahl.<br>
      Wie im Reich der Lüfte<br>
          König ist der Weih –<br>
          Durch Gebirg und Klüfte<br>
          Herrscht der Schütze frei.<br>
      Ihm gehört das Weite<br>
          Was sein Pfeil erreicht,<br>
          Das ist seine Beute,<br>
          Was da kreucht und fleugt.</p>
<p class="center"><span class="regie">Kommt gesprungen.</span></p>
<p class="leftmarg">Der Strang ist mir entzwei. Mach mir ihn Vater.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich nicht. Ein rechter Schütze hilft sich selbst.</p>
<p class="center"><span class="regie">Knaben entfernen sich.</span></p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Die Knaben fangen zeitig an zu schiessen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Früh übt sich, was ein Meister werden will.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Ach wollte Gott, sie lernten's nie!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Sie sollen alles lernen. Wer durchs Leben<br>
      Sich frisch will schlagen, muss zu Schutz und Trutz<br>
      Gerüstet sein.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Ach, es wird keiner seine Ruh<br>
      Zu Hause finden.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Mutter, ich kann's auch nicht,<br>
      Zum Hirten hat Natur mich nicht gebildet,<br>
      Rastlos muss ich ein flüchtig Ziel verfolgen,<br>
      Dann erst geniess ich meines Lebens recht,<br>
      Wenn ich mir's jeden Tag aufs neu erbeute.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Und an die Angst der Hausfrau denkst du nicht,<br>
      Die sich indessen, deiner wartend, härmt,<br>
      Denn mich erfüllt's mit Grausen, was die Knechte<br>
      Von euren Wagefahrten sich erzählen.<br>
      Bei jedem Abschied zittert mir das Herz,<br>
      Dass du mir nimmer werdest wiederkehren.<br>
      Ich sehe dich im wilden Eisgebirg,<br>
      Verirrt, von einer Klippe zu der andern<br>
      Den Fehlsprung tun, seh wie die Gemse dich<br>
      Rückspringend mit sich in den Abgrund reisst,<br>
      Wie eine Windlawine dich verschüttet,<br>
      Wie unter dir der trügerische Firn<br>
      Einbricht und du hinabsinkst, ein lebendig<br>
      Begrabner, in die schauerliche Gruft –<br>
      Ach, den verwegnen Alpenjäger hascht<br>
      Der Tod in hundert wechselnden Gestalten,<br>
      Das ist ein unglückseliges Gewerb,<br>
      Das halsgefährlich führt am Abgrund hin!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wer frisch umherspäht mit gesunden Sinnen,<br>
      Auf Gott vertraut und die gelenke Kraft,<br>
      Der ringt sich leicht aus jeder Fahr und Not,<br>
      Den schreckt der Berg nicht, der darauf geboren.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er hat seine Arbeit vollendet, legt das Gerät hinweg.</span></p>
<p class="leftmarg">Jetzt, mein ich, hält das Tor auf Jahr und Tag.<br>
      Die Axt im Haus erspart den Zimmermann.</p>
<p class="center"><span class="regie">Nimmt den Hut.</span></p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Wo gehst du hin?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Nach Altdorf, zu dem Vater.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Sinnst du auch nichts Gefährliches? Gesteh mir's.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wie kommst du darauf Frau?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Es spinnt sich etwas<br>
      Gegen die Vögte – Auf dem Rütli ward<br>
      Getagt, ich weiss, und du bist auch im Bunde.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich war nicht mit dabei – doch werd ich mich<br>
      Dem Lande nicht entziehen, wenn es ruft.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Sie werden dich hinstellen, wo Gefahr ist,<br>
      Das Schwerste wird dein Anteil sein, wie immer.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ein jeder wird besteuert nach Vermögen.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Den Unterwaldner hast du auch im Sturme<br>
      Über den See geschafft – Ein Wunder war's,<br>
      Dass ihr entkommen – Dachtest du denn gar nicht<br>
      An Kind und Weib?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Lieb Weib, ich dacht' an euch,<br>
      Drum rettet' ich den Vater seinen Kindern.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Zu schiffen in dem wüt'gen See! Das heisst<br>
      Nicht Gott vertrauen! Das heisst Gott versuchen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Ja du bist gut und hilfreich, dienest allen,<br>
      Und wenn du selbst in Not kommst, hilft dir keiner.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Verhüt es Gott, dass ich nicht Hülfe brauche.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er nimmt die Armbrust und Pfeile.</span></p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Was willst du mit der Armbrust? Lass sie hier.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waffe fehlt.</p>
<p class="center"><span class="regie">Die Knaben kommen zurück.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Vater, wo gehst du hin?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Nach Altdorf, Knabe,<br>
      Zum Ehni – Willst du mit?</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Ja freilich will ich.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Der Landvogt ist jetzt dort. Bleib weg von Altdorf.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Er geht, noch heute.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Drum lasst ihn erst fort sein.<br>
      Gemahn ihn nicht an dich, du weisst, er grollt uns.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Mir soll sein böser Wille nicht viel schaden,<br>
      Ich tue recht und scheue keinen Feind.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Die recht tun, eben die hasst er am meisten.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Weil er nicht an sie kommen kann – Mich wird<br>
      Der Ritter wohl in Frieden lassen, mein ich.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      So, weisst du das?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Es ist nicht lange her,<br>
      Da ging ich jagen durch die wilden Gründe<br>
      Des Schächentals auf menschenleerer Spur,<br>
      Und da ich einsam einen Felsensteig<br>
      Verfolgte, wo nicht auszuweichen war,<br>
      Denn über mir hing schroff die Felswand her,<br>
      Und unten rauschte fürchterlich der Schächen,</p>
<p class="center"><span class="regie">Die Knaben drängen sich rechts und links an ihn und sehen mit gespannter Neugier an ihm hinauf:</span></p>
<p class="leftmarg">Da kam der Landvogt gegen mich daher,<br>
      Er ganz allein mit mir, der auch allein war,<br>
      Bloss Mensch zu Mensch und neben uns der Abgrund.<br>
      Und als der Herre mein ansichtig ward,<br>
      Und mich erkannte, den er kurz zuvor<br>
      Um kleiner Ursach willen schwer gebüsst,<br>
      Und sah mich mit dem stattlichen Gewehr<br>
      Dahergeschritten kommen, da verblasst' er,<br>
      Die Knie versagten ihm, ich sah es kommen,<br>
      Dass er jetzt an die Felswand würde sinken.<br>
      – Da jammerte mich sein, ich trat zu ihm<br>
      Bescheidentlich und sprach: »Ich bin's, Herr Landvogt.«<br>
      Er aber konnte keinen armen Laut<br>
      Aus seinem Munde geben – Mit der Hand nur<br>
      Winkt' er mir schweigend, meines Wegs zu gehn,<br>
      Da ging ich fort, und sandt ihm sein Gefolge.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Er hat vor dir gezittert – Wehe dir!<br>
      Dass du ihn schwach gesehn, vergibt er nie.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Drum meid ich ihn, und er wird mich nicht suchen.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Bleib heute nur dort weg. Geh lieber jagen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Was fällt dir ein?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Mich ängstigt's. Bleibe weg.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wie kannst du dich so ohne Ursach quälen?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Weil's keine Ursach hat – Tell, bleibe hier.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich hab's versprochen, liebes Weib, zu kommen.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Musst du, so geh – Nur lasse mir den Knaben!</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Nein, Mütterchen. Ich gehe mit dem Vater.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Wälti, verlassen willst du deine Mutter?</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Ich bring dir auch was Hübsches mit vom Ehni.</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht mit dem Vater.</span></p>
<p><span class="speaker">Wilhelm</span>:<br>
      Mutter, ich bleibe bei dir!</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">umarmt ihn:</span><br>
      Ja, du bist<br>
      Mein liebes Kind, du bleibst mir noch allein!</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie geht an das Hoftor und folgt den Abgehenden lange mit den Augen.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell32">
<h3>Zweite Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Eine eingeschlossene wilde Waldgegend, Staubbäche stürzen von den Felsen.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Berta</span> im Jagdkleid. Gleich darauf <span class="speaker">Rudenz</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Er folgt mir. Endlich kann ich mich erklären.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span><span class="regie">tritt rasch ein:</span><br>
      Fräulein, jetzt endlich find ich Euch allein,<br>
      Abgründe schliessen rings umher uns ein,<br>
      In dieser Wildnis fürcht ich keine Zeugen,<br>
      Vom Herzen wälz ich dieses lange Schweigen –</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Seid ihr gewiss, dass uns die Jagd nicht folgt?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Die Jagd ist dort hinaus – Jetzt oder nie!<br>
      Ich muss den teuren Augenblick ergreifen –<br>
      Entschieden sehen muss ich mein Geschick,<br>
      Und sollt es mich auf ewig von Euch scheiden.<br>
      – O waffnet Eure güt'gen Blicke nicht<br>
      Mit dieser finstern Strenge – <i>Wer</i> bin ich,<br>
      Dass ich den kühnen Wunsch zu Euch erhebe?<br>
      Mich hat der Ruhm noch nicht genannt, ich darf<br>
      Mich in die Reih nicht stellen mit den Rittern,<br>
      Die siegberühmt und glänzend Euch umwerben.<br>
      Nichts hab ich als mein Herz voll Treu und Liebe –</p>
<p><span class="speaker">Berta</span><span class="regie">ernst und streng:</span><br>
      Dürft Ihr von Liebe reden und von Treue,<br>
      Der treulos wird an seinen nächsten Pflichten?</p>
<p class="center"><span class="regie">Rudenz tritt zurück.</span></p>
<p class="leftmarg">Der Sklave Österreichs, der sich dem Fremdling<br>
      Verkauft, dem Unterdrücker seines Volks?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Von Euch, mein Fräulein, hör ich diesen Vorwurf?<br>
      Wen such ich denn, als Euch auf jener Seite?</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Mich denkt Ihr auf der Seite des Verrats<br>
      Zu finden? Eher wollt ich meine Hand<br>
      Dem Gessler selbst, dem Unterdrücker schenken,<br>
      Als dem naturvergessnen Sohn der Schweiz,<br>
      Der sich zu seinem Werkzeug machen kann!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      O Gott, was muss ich hören!</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Wie? Was liegt<br>
      Dem guten Menschen näher als die Seinen?<br>
      Gibt's schönre Pflichten für ein edles Herz,<br>
      Als ein Verteidiger der Unschuld sein,<br>
      Das Recht des Unterdrückten zu beschirmen?<br>
      – Die Seele blutet mir um Euer Volk,<br>
      Ich leide <i>mit</i> ihm, denn ich muss es lieben,<br>
      Das so bescheiden ist und doch voll Kraft,<br>
      Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin,<br>
      Mit jedem Tage lern ich's mehr verehren.<br>
      – Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht<br>
      Ihm zum geborenen Beschützer gaben,<br>
      Und der's <i>verlässt</i>, der treulos übertritt<br>
      Zum Feind, und Ketten schmiedet seinem Land,<br>
      Ihr seid's, der mich verletzt und kränkt, ich muss<br>
      Mein Herz bezwingen, dass ich Euch nicht hasse.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Will ich denn nicht das Beste meines Volks?<br>
      Ihm unter Östreichs mächt'gem Zepter nicht<br>
      Den Frieden –</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Knechtschaft wollt Ihr ihm bereiten!<br>
      Die Freiheit wollt Ihr aus dem letzten Schloss,<br>
      Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen.<br>
      Das Volk versteht sich besser auf sein Glück,<br>
      Kein Schein verführt sein sicheres Gefühl,<br>
      Euch haben sie das Netz ums Haupt geworfen –</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Berta! Ihr hasst mich, Ihr verachtet mich!</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Tät ich's, mir wäre besser – Aber den<br>
      Verachtet <i>sehen</i> und verachtungswert,<br>
      Den man gern lieben möchte –</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Berta! Berta!<br>
      Ihr zeiget mir das höchste Himmelsglück,<br>
      Und stürzt mich tief in <i>einem</i> Augenblick.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Nein, nein, das Edle ist nicht ganz erstickt<br>
      In Euch! Es schlummert nur, ich will es wecken,<br>
      Ihr müsst Gewalt ausüben an Euch selbst,<br>
      Die angestammte Tugend zu ertöten,<br>
      Doch wohl Euch, sie ist mächtiger als Ihr,<br>
      Und trotz Euch selber seid Ihr gut und edel!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ihr glaubt an mich! O Berta, alles lässt<br>
      Mich Eure Liebe sein und werden!</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Seid<br>
      Wozu die herrliche Natur Euch machte!<br>
      Erfüllt den Platz, wohin sie Euch gestellt,<br>
      Zu Eurem Volke steht und Eurem Lande,<br>
      Und kämpft für Euer heilig Recht.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Weh mir!<br>
      Wie kann ich Euch erringen, Euch besitzen,<br>
      Wenn ich der Macht des Kaisers widerstrebe?<br>
      Ist's der Verwandten mächt'ger Wille nicht,<br>
      Der über Eure Hand tyrannisch waltet?</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      In den Waldstätten liegen meine Güter,<br>
      Und ist der Schweizer frei, so bin auch ich's.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Berta! welch einen Blick tut Ihr mir auf!</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Hofft nicht durch Östreichs Gunst mich zu erringen,<br>
      Nach meinem Erbe strecken sie die Hand,<br>
      Das will man mit dem grossen Erb vereinen.<br>
      Dieselbe Ländergier, die Eure Freiheit<br>
      Verschlingen will, sie drohet auch der meinen!<br>
      – O Freund, zum Opfer bin ich ausersehn,<br>
      Vielleicht um einen Günstling zu belohnen –<br>
      Dort wo die Falschheit und die Ränke wohnen,<br>
      Hin an den Kaiserhof will man mich ziehn,<br>
      Dort harren mein verhasster Ehe Ketten,<br>
      Die Liebe nur – die Eure kann mich retten!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ihr könntet Euch entschliessen, hier zu leben,<br>
      In meinem Vaterlande mein zu sein?<br>
      O Berta, all mein Sehnen in das Weite,<br>
      Was war es, als ein Streben nur nach Euch?<br>
      Euch sucht' ich einzig auf dem Weg des Ruhms,<br>
      Und all mein Ehrgeiz war nur meine Liebe.<br>
      Könnt Ihr mit mir Euch in dies stille Tal<br>
      Einschliessen und der Erde Glanz entsagen –<br>
      O dann ist meines Strebens Ziel gefunden,<br>
      Dann mag der Strom der wildbewegten Welt<br>
      Ans sichre Ufer dieser Berge schlagen –<br>
      Kein flüchtiges Verlangen hab ich mehr<br>
      Hinauszusenden in des Lebens Weiten –<br>
      Dann mögen diese Felsen um uns her<br>
      Die undurchdringlich feste Mauer breiten,<br>
      Und dies verschlossne sel'ge Tal allein<br>
      Zum Himmel offen und gelichtet sein!</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Jetzt bist du ganz, wie dich mein ahnend Herz<br>
      Geträumt, mich hat mein Glaube nicht betrogen!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Fahr hin, du eitler Wahn, der mich betört!<br>
      Ich soll das Glück in meiner Heimat finden.<br>
      Hier wo der Knabe fröhlich aufgeblüht,<br>
      Wo tausend Freudespuren mich umgeben,<br>
      Wo alle Quellen mir und Bäume leben,<br>
      Im Vaterland willst du die Meine werden!<br>
      Ach, wohl hab ich es stets geliebt! Ich fühl's,<br>
      Es fehlte mir zu jedem Glück der Erden.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Wo wär die sel'ge Insel aufzufinden,<br>
      Wenn sie nicht hier ist in der Unschuld Land?<br>
      Hier, wo die alte Treue heimisch wohnt,<br>
      Wo sich die Falschheit noch nicht hingefunden,<br>
      Da trübt kein Neid die Quelle unsers Glücks,<br>
      Und ewig hell entfliehen uns die Stunden.<br>
      – Da seh ich dich im echten Männerwert,<br>
      Den Ersten von den Freien und den Gleichen,<br>
      Mit reiner freier Huldigung verehrt,<br>
      Gross wie ein König wirkt in seinen Reichen.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Da seh ich dich, die Krone aller Frauen,<br>
      In weiblich reizender Geschäftigkeit,<br>
      In meinem Haus den Himmel mir erbauen,<br>
      Und, wie der Frühling seine Blumen streut,<br>
      Mit schöner Anmut mir das Leben schmücken,<br>
      Und alles rings beleben und beglücken!</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Sieh, teurer Freund, warum ich trauerte,<br>
      Als ich dies höchste Lebensglück dich selbst<br>
      Zerstören sah – Weh mir! Wie stünd's um mich,<br>
      Wenn ich dem stolzen Ritter müsste folgen,<br>
      Dem Landbedrücker auf sein finstres Schloss!<br>
      – Hier ist kein Schloss. Mich scheiden keine Mauern<br>
      Von einem Volk, das ich beglücken kann!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Doch wie mich retten – wie die Schlinge lösen,<br>
      Die ich mir töricht selbst ums Haupt gelegt?</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Zerreisse sie mit männlichem Entschluss!<br>
      Was auch draus werde – Steh zu deinem Volk,<br>
      Es ist dein angeborner Platz. <span class="regie">(Jagdhörner in der Ferne.)</span> Die Jagd<br>
      Kommt näher – Fort, wir müssen scheiden – Kämpfe<br>
      Fürs Vaterland, du kämpfst für deine Liebe!<br>
      Es ist <i>ein</i> Feind, vor dem wir alle zittern,<br>
      Und <i>eine</i> Freiheit macht uns alle frei!</p>
<p class="center"><span class="regie">Gehen ab.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell33">
<h3>Dritte Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Wiese bei Altdorf. Im Vordergrund Bäume, in der Tiefe der Hut auf einer Stange. Der Prospekt wird begrenzt durch den Bannberg, über welchem ein Schneegebirg emporragt.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Friesshardt</span> und <span class="speaker">Leuthold</span> halten Wache.</span></p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Wir passen auf umsonst. Es will sich niemand<br>
      Heranbegeben und dem Hut sein' Reverenz<br>
      Erzeigen. 's war doch sonst wie Jahrmarkt hier,<br>
      Jetzt ist der ganze Anger wie verödet,<br>
      Seitdem der Popanz auf der Stange hängt.</p>
<p><span class="speaker">Leuthold</span>:<br>
      Nur schlecht Gesindel lässt sich sehn und schwingt<br>
      Uns zum Verdriesse die zerlumpten Mützen.<br>
      Was rechte Leute sind, die machen lieber<br>
      Den langen Umweg um den halben Flecken,<br>
      Eh sie den Rücken beugten vor dem Hut.</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Sie müssen über diesen Platz, wenn sie<br>
      Vom Rathaus kommen um die Mittagstunde.<br>
      Da meint' ich schon, 'nen guten Fang zu tun,<br>
      Denn keiner dachte dran, den Hut zu grüssen.<br>
      Da sieht's der Pfaff, der Rösselman – kam just<br>
      Von einem Kranken her – und stellt sich hin<br>
      Mit dem Hochwürdigen, grad vor die Stange –<br>
      Der Sigrist musste mit dem Glöcklein schellen,<br>
      Da fielen all aufs Knie, ich selber mit,<br>
      Und grüssten die Monstranz, doch nicht den Hut. –</p>
<p><span class="speaker">Leuthold</span>:<br>
      Höre Gesell, es fängt mir an zu deuchten,<br>
      Wir stehen hier am Pranger vor dem Hut,<br>
      's ist doch ein Schimpf für einen Reitersmann,<br>
      Schildwach zu stehn vor einem leeren Hut –<br>
      Und jeder rechte Kerl muss uns verachten.<br>
      – Die Reverenz zu machen einem Hut,<br>
      Es ist doch traun! Ein närrischer Befehl!</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Warum nicht einem leeren hohlen Hut?<br>
      Bückst du dich doch vor manchem hohlen Schädel.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Hildegard</span>, <span class="speaker">Mechthild</span> und <span class="speaker">Elsbeth</span> treten auf mit Kindern und stellen sich um die Stange.</span></p>
<p><span class="speaker">Leuthold</span>:<br>
      Und du bist auch so ein dienstfert'ger Schurke,<br>
      Und brächtest wackre Leute gern ins Unglück.<br>
      Mag, wer da will, am Hut vorübergehn,<br>
      Ich drück die Augen zu und seh nicht hin.</p>
<p><span class="speaker">Mechthild</span>:<br>
      Da hängt der Landvogt – Habt Respekt, ihr Buben.</p>
<p><span class="speaker">Elsbeth</span>:<br>
      Wollt's Gott, er ging und liess uns seinen Hut,<br>
      Es sollte drum nicht schlechter stehn ums Land!</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span><span class="regie">verscheucht sie:</span><br>
      Wollt ihr vom Platz? Verwünschtes Volk der Weiber!<br>
      Wer fragt nach euch? Schickt eure Männer her,<br>
      Wenn sie der Mut sticht, dem Befehl zu trotzen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Weiber gehen.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Tell</span> mit der Armbrust tritt auf, den Knaben an der Hand führend. Sie gehen an dem Hut vorbei gegen die vordere Szene, ohne darauf zu achten.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther</span><span class="regie">zeigt nach dem Bannberg:</span><br>
      Vater ist's wahr, dass auf dem Berge dort<br>
      Die Bäume bluten, wenn man einen Streich<br>
      Drauf führte mit der Axt?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wer sagt das Knabe?</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Der Meister Hirt erzählt's – Die Bäume seien<br>
      Gebannt, sagt er, und wer sie schädige,<br>
      Dem wachse seine Hand heraus zum Grabe.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Die Bäume sind gebannt, das ist die Wahrheit.<br>
      – Siehst du die Firnen dort, die weissen Hörner,<br>
      Die hoch bis in den Himmel sich verlieren?</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Das sind die Gletscher, die des Nachts so donnern,<br>
      Und uns die Schlaglawinen niedersenden.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      So ist's, und die Lawinen hätten längst<br>
      Den Flecken Altdorf unter ihrer Last<br>
      Verschüttet, wenn der Wald dort oben nicht<br>
      Als eine Landwehr sich dagegenstellte.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span><span class="regie">nach einigem Besinnen:</span><br>
      Gibt's Länder, Vater, wo nicht Berge sind?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wenn man hinuntersteigt von unsern Höhen,<br>
      Und immer tiefer steigt, den Strömen nach,<br>
      Gelangt man in ein grosses ebnes Land,<br>
      Wo die Waldwasser nicht mehr brausend schäumen,<br>
      Die Flüsse ruhig und gemächlich ziehn,<br>
      Da sieht man frei nach allen Himmelsräumen,<br>
      Das Korn wächst dort in langen schönen Auen,<br>
      Und wie ein Garten ist das Land zu schauen.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Ei Vater, warum steigen wir denn nicht<br>
      Geschwind hinab in dieses schöne Land,<br>
      Statt dass wir uns hier ängstigen und plagen?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Das Land ist schön und gütig wie der Himmel,<br>
      Doch die's bebauen, <i>sie</i> geniessen nicht<br>
      Den Segen, den sie pflanzen.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Wohnen sie<br>
      Nicht frei wie du auf ihrem eignen Erbe?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Das Feld gehört dem Bischof und dem König.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      So dürfen sie doch frei in Wäldern jagen?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Dem Herrn gehört das Wild und das Gefieder.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Sie dürfen doch frei fischen in dem Strom?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Der Strom, das Meer, das Salz gehört dem König.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Wer ist der König denn, den alle fürchten?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Es ist der eine, der sie schützt und nährt.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Sie können sich nicht mutig selbst beschützen?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Dort darf der Nachbar nicht dem Nachbar trauen.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Vater, es wird mir eng im weiten Land,<br>
      Da wohn ich lieber unter den Lawinen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ja wohl ist's besser, Kind, die Gletscherberge<br>
      Im Rücken zu haben, als die bösen Menschen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie wollen vorübergehen.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Ei Vater, sieh den Hut dort auf der Stange.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Was kümmert uns der Hut? Komm, lass uns gehen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem er abgehen will, tritt ihm Friesshardt mit vorgehaltner Pike entgegen.</span></p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      In des Kaisers Namen! Haltet an und steht!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">greift in die Pike:</span><br>
      Was wollt Ihr? Warum haltet Ihr mich auf?</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Ihr habt's Mandat verletzt, Ihr müsst uns folgen.</p>
<p><span class="speaker">Leuthold</span>:<br>
      Ihr habt dem Hut nicht Reverenz bewiesen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Freund, lass mich gehen.</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Fort, fort ins Gefängnis!</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Den Vater ins Gefängnis! Hülfe! Hülfe!</p>
<p class="center"><span class="regie">In die Szene rufend:</span></p>
<p class="leftmarg">Herbei, ihr Männer, gute Leute helft,<br>
      Gewalt, Gewalt, sie führen ihn gefangen.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Rösselmann</span> der Pfarrer und <span class="speaker">Petermann</span> der Sigrist, kommen herbei, mit drei andern Männern.</span></p>
<p><span class="speaker">Sigrist</span>:<br>
      Was gibt's?</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Was legst du Hand an diesen Mann?</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Er ist ein Feind des Kaisers, ein Verräter!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">fasst ihn heftig:</span><br>
      Ein Verräter, ich!</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Du irrst dich Freund, das ist<br>
      Der Tell, ein Ehrenmann und guter Bürger.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span><span class="regie">erblickt Walther Fürsten und eilt ihm entgegen:</span><br>
      Grossvater hilf, Gewalt geschieht dem Vater.</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Ins Gefängnis, fort!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">herbeieilend:</span><br>
      Ich leiste Bürgschaft, haltet!<br>
      – Um Gottes willen, Tell, was ist geschehen?</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Melchtal</span> und <span class="speaker">Stauffacher</span> kommen.</span></p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Des Landvogts oberherrliche Gewalt<br>
      Verachtet er, und will sie nicht erkennen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Das hätt der Tell getan?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Das lügst du Bube!</p>
<p><span class="speaker">Leuthold</span>:<br>
      Er hat dem Hut nicht Reverenz bewiesen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Und darum soll er ins Gefängnis? Freund,<br>
      Nimm meine Bürgschaft an und lass ihn ledig.</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Bürg du für dich und deinen eignen Leib!<br>
      Wir tun, was unsers Amtes – Fort mit ihm!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">zu den Landleuten:</span><br>
      Nein, das ist schreiende Gewalt! Ertragen wir's,<br>
      Dass man ihn fortführt, frech, vor unsern Augen?</p>
<p><span class="speaker">Sigrist</span>:<br>
      Wir sind die Stärkern, Freunde, duldet's nicht,<br>
      Wir haben einen Rücken an den andern!</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Wer widersetzt sich dem Befehl des Vogts?</p>
<p><span class="speaker">Noch drei Landleute</span><span class="regie">herbeieilend:</span><br>
      Wir helfen euch. Was gibt's? Schlagt sie zu Boden.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Hildegard</span>, <span class="speaker">Mechthild</span> und <span class="speaker">Elsbeth</span> kommen zurück.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich helfe mir schon selbst. Geht, gute Leute,<br>
      Meint ihr, wenn ich die Kraft gebrauchen wollte,<br>
      Ich würde mich vor ihren Spiessen fürchten?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">zu Friesshardt:</span><br>
      Wag's, ihn aus unsrer Mitte wegzuführen!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Gelassen! Ruhig!</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span><span class="regie">schreit:</span><br>
      Aufruhr und Empörung!</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört Jagdhörner.</span></p>
<p><span class="speaker">Weiber</span>:<br>
      Da kommt der Landvogt!</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span><span class="regie">erhebt die Stimme:</span><br>
      Meuterei! Empörung!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Schrei, bis du berstest, Schurke!</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Willst du schweigen?</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span><span class="regie">ruft noch lauter:</span><br>
      Zu Hülf, zu Hülf den Dienern des Gesetzes.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Da ist der Vogt! Weh uns, was wird das werden!</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Gessler</span> zu Pferd, den Falken auf der Faust, <span class="speaker">Rudolf der Harras</span>, <span class="speaker">Berta</span> und <span class="speaker">Rudenz</span>, ein grosses Gefolge von bewaffneten Knechten, welche einen Kreis von Piken um die ganze Szene schliessen.</span></p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Platz, Platz dem Landvogt!</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Treibt sie auseinander!<br>
      Was läuft das Volk zusammen? Wer ruft Hilfe?</p>
<p class="center"><span class="regie">Allgemeine Stille.</span></p>
<p class="leftmarg">Wer war's? Ich will es wissen. <span class="regie">(Zu Friesshardt:)</span> Du tritt vor!<br>
      Wer bist du und was hältst du diesen Mann?</p>
<p class="center"><span class="regie">Er gibt den Falken einem Diener.</span></p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Gestrenger Herr, ich bin dein Waffenknecht<br>
      Und wohlbestellter Wächter bei dem Hut.<br>
      Diesen Mann ergriff ich über frischer Tat,<br>
      Wie er dem Hut den Ehrengruss versagte.<br>
      Verhaften wollt ich ihn, wie du befahlst,<br>
      Und mit Gewalt will ihn das Volk entreissen.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span><span class="regie">nach einer Pause:</span><br>
      Verachtest du <i>so</i> deinen Kaiser, Tell,<br>
      Und <i>mich</i>, der hier an seiner Statt gebietet,<br>
      Dass du die Ehr versagst dem Hut, den ich<br>
      Zur Prüfung des Gehorsams aufgehangen?<br>
      Dein böses Trachten hast du mir verraten.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Verzeiht mir lieber Herr! Aus Unbedacht,<br>
      Nicht aus Verachtung Eurer ist's geschehn,<br>
      Wär ich besonnen, hiess ich nicht der Tell,<br>
      Ich bitt um Gnad, es soll nicht mehr begegnen.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span><span class="regie">nach einigem Stillschweigen:</span><br>
      Du bist ein Meister auf der Armbrust, Tell,<br>
      Man sagt, du nähmst es auf mit jedem Schützen?</p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span>:<br>
      Und das muss wahr sein, Herr – 'nen Apfel schiesst<br>
      Der Vater dir vom Baum auf hundert Schritte.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Ist das dein Knabe, Tell?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ja, lieber Herr.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Hast du der Kinder mehr?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Zwei Knaben, Herr.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Und welcher ist's, den du am meisten liebst?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Herr, beide sind sie mir gleich liebe Kinder.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Nun Tell! Weil du den Apfel triffst vom Baume<br>
      Auf hundert Schritte, so wirst du deine Kunst<br>
      Vor mir bewähren müssen – Nimm die Armbrust –<br>
      Du hast sie gleich zur Hand – und mach dich fertig,<br>
      Einen Apfel von des Knaben Kopf zu schiessen –<br>
      Doch will ich raten, ziele gut, dass du<br>
      Den Apfel treffest auf den ersten Schuss,<br>
      Denn fehlst du ihn, so ist dein Kopf verloren.</p>
<p class="center"><span class="regie">Alle geben Zeichen des Schreckens.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Herr – Welches Ungeheure sinnet Ihr<br>
      Mir an – Ich soll vom Haupte meines Kindes –<br>
      – Nein, nein doch, lieber Herr, das kömmt Euch nicht<br>
      Zu Sinn – Verhüt's der gnäd'ge Gott – das könnt ihr<br>
      Im Ernst von einem Vater nicht begehren!</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Du wirst den Apfel schiessen von dem Kopf<br>
      Des Knaben – Ich begehr's und will's.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich soll<br>
      Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt<br>
      Des eignen Kindes zielen – Eher sterb' ich!</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Du schiesst oder stirbst <i>mit</i> deinem Knaben.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich soll der Mörder werden meines Kinds!<br>
      Herr, Ihr habt keine Kinder – wisset nicht,<br>
      Was sich bewegt in eines Vaters Herzen.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Ei Tell, du bist ja plötzlich so besonnen!<br>
      Man sagte mir, dass du ein Träumer seist,<br>
      Und dich entfernst von andrer Menschen Weise.<br>
      Du liebst das Seltsame – Drum hab ich jetzt<br>
      Ein eigen Wagstück für dich ausgesucht.<br>
      Ein andrer wohl bedächte sich – Du drückst<br>
      Die Augen zu, und greifst es herzhaft an.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Scherzt nicht, o Herr! mit diesen armen Leuten!<br>
      Ihr seht sie bleich und zitternd stehn – So wenig<br>
      Sind sie Kurzweils gewohnt aus Eurem Munde.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Wer sagt Euch, dass ich scherze?</p>
<p class="center"><span class="regie">Greift nach einem Baumzweige, der über ihn herhängt.</span></p>
<p class="leftmarg">Hier ist der Apfel.<br>
      Man mache Raum – Er nehme seine Weite,<br>
      Wie's Brauch ist – Achtzig Schritte geb ich ihm –<br>
      Nicht weniger, noch mehr – Er rühmte sich,<br>
      Auf ihrer hundert seinen Mann zu treffen –<br>
      Jetzt Schütze triff, und fehle nicht das Ziel!</p>
</div>
<div class="chapter" id="tell33a">
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Gott, das wird ernsthaft – Falle nieder Knabe,<br>
      Es gilt, und fleh den Landvogt um dein Leben.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">beiseite zu Melchtal, der kaum seine Ungeduld bezwingt:</span><br>
      Haltet an Euch, ich fleh Euch drum, bleibt ruhig.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span><span class="regie">zum Landvogt:</span><br>
      Lasst es genug sein Herr! Unmenschlich ist's,<br>
      Mit eines Vaters Angst also zu spielen.<br>
      Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben<br>
      Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott!<br>
      Er hätte jetzt zehnfachen Tod empfunden.<br>
      Entlasst ihn ungekränkt in seine Hütte,<br>
      Er hat Euch kennen lernen, dieser Stunde<br>
      Wird er und seine Kindeskinder denken.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Öffnet die Gasse – Frisch! Was zauderst du?<br>
      Dein Leben ist verwirkt, ich kann dich töten,<br>
      Und sieh, ich lege gnädig dein Geschick<br>
      In deine eigne kunstgeübte Hand.<br>
      Der kann nicht klagen über harten Spruch,<br>
      Den man zum Meister seines Schicksals macht.<br>
      Du rühmst dich deines sichern Blicks! Wohlan!<br>
      Hier gilt es, <i>Schütze</i>, deine Kunst zu zeigen,<br>
      Das Ziel ist würdig und der Preis ist gross!<br>
      Das Schwarze treffen in der Scheibe, <i>das</i><br>
      Kann auch ein andrer, <i>der</i> ist mir der Meister,<br>
      Der seiner Kunst gewiss ist überall,<br>
      Dem's Herz nicht in die Hand tritt noch ins Auge.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">wirft sich vor ihm nieder:</span><br>
      Herr Landvogt, wir erkennen Eure Hoheit,<br>
      Doch lasset Gnad vor Recht ergehen, nehmt<br>
      Die Hälfte meiner Habe, nehmt sie ganz,<br>
      Nur dieses Grässliche erlasset einem Vater!</p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span>:<br>
      Grossvater, knie nicht vor dem falschen Mann!<br>
      Sagt, wo ich hinstehn soll, ich fürcht mich nicht,<br>
      Der Vater trifft den Vogel ja im Flug,<br>
      Er wird nicht fehlen auf das Herz des Kindes.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Herr Landvogt, rührt Euch nicht des Kindes Unschuld?</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      O denket, dass ein Gott im Himmel ist,<br>
      Dem Ihr müsst Rede stehn für Eure Taten.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span><span class="regie">zeigt auf den Knaben:</span><br>
      Man bind ihn an die Linde dort!</p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span>:<br>
      Mich binden!<br>
      Nein, ich will nicht gebunden sein. Ich will<br>
      Stillhalten, wie ein Lamm und auch nicht atmen.<br>
      Wenn ihr mich bindet, nein, so kann ich's nicht,<br>
      So werd ich toben gegen meine Bande.</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Die Augen nur lass dir verbinden, Knabe.</p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span>:<br>
      Warum die Augen? Denket Ihr, ich fürchte<br>
      Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest<br>
      Erwarten, und nicht zucken mit den Wimpern.<br>
      – Frisch Vater, zeig's, dass du ein Schütze bist,<br>
      Er glaubt dir's nicht, er denkt uns zu verderben –<br>
      Dem Wütrich zum Verdrusse, schiess und triff.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er geht an die Linde, man legt ihm den Apfel auf.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">zu den Landleuten:</span><br>
      Was? Soll der Frevel sich vor unsern Augen<br>
      Vollenden? Wozu haben wir geschworen?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Es ist umsonst. Wir haben keine Waffen,<br>
      Ihr seht den Wald von Lanzen um uns her.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      O hätten wir's mit frischer Tat vollendet,<br>
      Verzeih's Gott denen, die zum Aufschub rieten!</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span><span class="regie">zum Tell:</span><br>
      Ans Werk! Man führt die Waffen nicht vergebens.<br>
      Gefährlich ist's, ein Mordgewehr zu tragen,<br>
      Und auf den Schützen springt der Pfeil zurück.<br>
      Dies stolze Recht, das sich der Bauer nimmt,<br>
      Beleidigt den höchsten Herrn des Landes.<br>
      Gewaffnet sei niemand, als wer gebietet.<br>
      Freut's Euch, den Pfeil zu führen und den Bogen,<br>
      Wohl, so will ich das Ziel Euch dazu geben.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">spannt die Armbrust und legt den Pfeil auf:</span><br>
      Öffnet die Gasse!, Platz!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Was Tell? Ihr wolltet – Nimmermehr – Ihr zittert,<br>
      Die Hand erbebt Euch, Eure Kniee wanken –</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">lässt die Armbrust sinken:</span><br>
      Mir schwimmt es vor den Augen!</p>
<p><span class="speaker">Weiber</span>:<br>
      Gott im Himmel!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">zum Landvogt:</span><br>
      Erlasset mir den Schuss. Hier ist mein Herz!</p>
<p class="center"><span class="regie">Er reisst die Brust auf.</span></p>
<p class="leftmarg">Ruft Eure Reisigen und stosst mich nieder.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Ich will dein Leben nicht, ich will den Schuss.<br>
      – Du kannst ja alles, Tell, an nichts verzagst du,<br>
      Das Steuerruder führst du wie den Bogen,<br>
      Dich schreckt kein Sturm, wenn es zu retten gilt,<br>
      Jetzt Retter hilf dir selbst – du rettest alle!</p>
<p class="center"><span class="regie">Tell steht in fürchterlichem Kampf, mit beiden Händen zuckend, und die rollenden Augen bald auf den Landvogt, bald zum Himmel gerichtet – Plötzlich greift er in seinen Köcher, nimmt einen zweiten Pfeil heraus und steckt ihn in seinen Goller. Der Landvogt bemerkt alle diese Bewegungen.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span><span class="regie">unter der Linde:</span><br>
      Vater schiess zu, ich fürcht mich nicht.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Es muss!</p>
<p class="center"><span class="regie">Er rafft sich zusammen und legt an.</span></p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span><span class="regie">der die ganze Zeit über in der heftigsten Spannung gestanden und mit Gewalt an sich gehalten tritt hervor:</span><br>
      Herr Landvogt, weiter werdet Ihr's nicht treiben,<br>
      Ihr werdet <i>nicht</i> – Es war nur eine Prüfung –<br>
      Den Zweck habt Ihr erreicht – Zu weit getrieben<br>
      Verfehlt die Strenge ihres weisen Zwecks,<br>
      Und allzu straff gespannt zerspringt der Bogen.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Ihr schweigt, bis man Euch aufruft.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ich <i>will</i> reden,<br>
      Ich darf's, des Königs Ehre ist mir heilig,<br>
      Doch solches Regiment muss Hass erwerben.<br>
      Das ist des Königs Wille nicht – Ich darf's<br>
      Behaupten – Solche Grausamkeit verdient<br>
      Mein Volk nicht, dazu habt Ihr keine Vollmacht.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Ha, Ihr erkühnt Euch!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ich hab stillgeschwiegen<br>
      Zu allen schweren Taten, die ich sah,<br>
      Mein sehend Auge hab ich zugeschlossen,<br>
      Mein überschwellend und empörtes Herz<br>
      Hab ich hinabgedrückt in meinen Busen.<br>
      Doch länger schweigen wär Verrat zugleich<br>
      An meinem Vaterland und an dem Kaiser.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span><span class="regie">wirft sich zwischen ihn und den Landvogt:</span><br>
      O Gott, Ihr reizt den Wütenden noch mehr.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Mein Volk verliess ich, meinen Blutsverwandten<br>
      Entsagt ich, alle Bande der Natur<br>
      Zerriss ich, um an Euch mich anzuschliessen –<br>
      Das Beste aller glaubt' ich zu befördern,<br>
      Da ich des Kaisers Macht befestigte –<br>
      Die Binde fällt von meinen Augen – Schaudernd<br>
      Seh ich an einen Abgrund mich geführt –<br>
      Mein freies Urteil habt Ihr irrgeleitet,<br>
      Mein redlich Herz verführt – Ich war daran,<br>
      Mein Volk in bester Meinung zu verderben.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Verwegner, diese Sprache deinem Herrn?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Der Kaiser ist mein Herr, nicht Ihr – Frei bin ich<br>
      Wie Ihr geboren, und ich messe mich<br>
      Mit Euch in jeder ritterlichen Tugend.<br>
      Und stündet Ihr nicht hier in Kaisers Namen,<br>
      Den ich verehre, selbst wo man ihn schändet,<br>
      Den Handschuh wärf ich vor Euch hin, Ihr solltet<br>
      Nach ritterlichem Brauch mir Antwort geben.<br>
      – Ja winkt nur Euren Reisigen – Ich stehe<br>
      Nicht wehrlos da, wie <i>die</i> – <span class="regie">Auf das Volk zeigend:</span> Ich hab ein Schwert,<br>
      Und wer mir naht –</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">ruft:</span><br>
      Der Apfel ist gefallen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem sich alle nach dieser Seite gewendet und Berta zwischen Rudenz und den Landvogt sich geworfen, hat Tell den Pfeil abgedrückt.</span></p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Der Knabe lebt!</p>
<p><span class="speaker">Viele Stimmen</span>:<br>
      Der Apfel ist getroffen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Walther Fürst schwankt und droht zu sinken, Berta hält ihn.</span></p>
<p><span class="speaker">Gessler</span><span class="regie">erstaunt:</span><br>
      Er hat geschossen? Wie? der Rasende!</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Der Knabe lebt! kommt zu Euch, guter Vater!</p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span><span class="regie">kommt mit dem Apfel gesprungen:</span><br>
      Vater, hier ist der Apfel – Wusst ich's ja,<br>
      Du würdest deinen Knaben nicht verletzen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Tell stand mit vorgebognem Leib, als wollt er dem Pfeil folgen – die Armbrust entsinkt seiner Hand – wie er den Knaben kommen sieht, eilt er ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen, und hebt ihn mit heftiger Inbrunst zu seinem Herzen hinauf, in dieser Stellung sinkt er kraftlos zusammen. Alle stehen gerührt.</span></p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      O güt'ger Himmel!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">zu Vater und Sohn:</span><br>
      Kinder! meine Kinder!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Gott sei gelobt!</p>
<p><span class="speaker">Leuthold</span>:<br>
      Das war ein Schuss! Davon<br>
      Wird man noch reden in den spätsten Zeiten.</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Erzählen wird man von dem Schützen Tell,<br>
      Solang die Berge stehn auf ihrem Grunde.</p>
<p class="center"><span class="regie">Reicht dem Landvogt den Apfel.</span></p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Bei Gott! der Apfel mitten durchgeschossen!<br>
      Es war ein Meisterschuss, ich muss ihn loben.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Der Schuss war gut, doch wehe dem, der ihn<br>
      Dazu getrieben, dass er Gott versuchte.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Kommt zu Euch, Tell, steht auf, Ihr habt Euch männlich<br>
      Gelöst, und frei könnt Ihr nach Hause gehen.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Kommt, kommt und bringt der Mutter ihren Sohn.</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie wollen ihn wegführen.</span></p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Tell, höre!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">kommt zurück:</span><br>
      Was befiehlt Ihr, Herr?</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Du stecktest<br>
      Noch einen zweiten Pfeil zu dir – Ja, ja,<br>
      Ich sah es wohl – Was meintest du damit?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">verlegen:</span><br>
      Herr, das ist also bräuchlich bei den Schützen.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Nein, Tell, die Antwort lass ich dir nicht gelten,<br>
      Es wird was anders wohl bedeutet haben.<br>
      Sag mir die Wahrheit frisch und fröhlich, Tell,<br>
      Was es auch sei, dein Leben sichr' ich dir.<br>
      Wozu der zweite Pfeil?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wohlan, o Herr,<br>
      Weil Ihr mich meines Lebens habt gesichert,<br>
      So will ich Euch die Wahrheit gründlich sagen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er zieht den Pfeil aus dem Goller und sieht den Landvogt mit einem furchtbaren Blick an.</span></p>
<p class="leftmarg">Mit diesem zweiten Pfeil durchschoss ich – Euch,<br>
      Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte,<br>
      Und Eurer – wahrlich! hätt ich nicht gefehlt.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Wohl, Tell! Des Lebens hab ich dich gesichert,<br>
      Ich gab mein Ritterwort, das will ich halten –<br>
      Doch weil ich deinen bösen Sinn erkannt,<br>
      Will ich dich führen lassen und verwahren,<br>
      Wo weder Mond noch Sonne dich bescheint,<br>
      Damit ich sicher sei vor deinen Pfeilen.<br>
      Ergreift ihn, Knechte! Bindet ihn!</p>
<p class="center"><span class="regie">Tell wird gebunden.</span></p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wie, Herr?<br>
      So könntet Ihr an einem Manne handeln,<br>
      An dem sich Gottes Hand sichtbar verkündigt?</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Lass sehn, ob sie ihn zweimal retten wird.<br>
      – Man bring ihn auf mein Schiff, ich folge nach<br>
      Sogleich, ich selbst will ihn nach Küssnacht führen.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Ihr wollt ihn ausser Lands gefangen führen?</p>
<p><span class="speaker">Landleute</span>:<br>
      Das dürft Ihr nicht, das darf der Kaiser nicht,<br>
      Das widerstreitet unsern Freiheitsbriefen!</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Wo sind sie? Hat der Kaiser sie bestätigt?<br>
      Er hat sie nicht bestätigt – Diese Gunst<br>
      Muss erst erworben werden durch Gehorsam.<br>
      Rebellen seid ihr alle gegen Kaisers<br>
      Gericht und nährt verwegene Empörung.<br>
      Ich kenn euch alle – ich durchschau euch ganz –<br>
      Den nehm ich jetzt heraus aus eurer Mitte,<br>
      Doch alle seid ihr teilhaft seiner Schuld,<br>
      Wer klug ist, lerne schweigen und gehorchen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er entfernt sich, Berta, Rudenz, Harras und Knechte folgen, Friesshardt und Leuthold bleiben zurück.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">in heftigem Schmerz:</span><br>
      Es ist vorbei, er hat's beschlossen, mich<br>
      Mit meinem ganzen Hause zu verderben!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zum Tell:</span><br>
      O warum musstet Ihr den Wütrich reizen!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Bezwinge sich, wer meinen Schmerz gefühlt!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      O nun ist alles, alles hin! Mit Euch<br>
      Sind wir gefesselt alle und gebunden!</p>
<p><span class="speaker">Landleute</span><span class="regie">umringen den Tell:</span><br>
      Mit Euch geht unser letzter Trost dahin!</p>
<p><span class="speaker">Leuthold</span><span class="regie">nähert sich:</span><br>
      Tell, es erbarmt mich – doch ich muss gehorchen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Lebt wohl!</p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span><span class="regie">sich mit heftigem Schmerz an ihn schmiegend:</span><br>
      O Vater! Vater! Lieber Vater!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">hebt die Arme zum Himmel:</span><br>
      Dort droben ist dein Vater! den ruf an!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Tell, sag ich Eurem Weibe nichts von Euch?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">hebt den Knaben mit Inbrunst an seine Brust:</span><br>
      Der Knab ist unverletzt, mir wird Gott helfen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Reisst sich schnell los und folgt den Waffenknechten.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell41">
<h2>Vierter Aufzug</h2>
<h3>Erste Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Östliches Ufer des Vierwaldstättersees.</span></p>
<p class="center"><span class="regie">Die seltsam gestalteten schroffen Felsen im Westen schliessen den Prospekt. Der See ist bewegt, heftiges Rauschen und Tosen, dazwischen Blitze und Donnerschläge.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Kunz von Gersau</span>, <span class="speaker">Fischer</span> und <span class="speaker">Fischerknabe</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Kunz</span>:<br>
      Ich sah's mit Augen an, Ihr könnt mir's glauben,<br>
      's ist alles so geschehn, wie ich Euch sagte.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Der Tell gefangen abgeführt nach Küssnacht,<br>
      Der beste Mann im Land, der bravste Arm,<br>
      Wenn's einmal gelten sollte für die Freiheit.</p>
<p><span class="speaker">Kunz</span>:<br>
      Der Landvogt führt ihn selbst den See herauf,<br>
      Sie waren eben dran sich einzuschiffen,<br>
      Als ich von Flüelen abfuhr, doch der Sturm,<br>
      Der eben jetzt im Anzug ist, und der<br>
      Auch mich gezwungen, eilends hier zu landen,<br>
      Mag ihre Abfahrt wohl verhindert haben.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Der Tell in Fesseln, in des Vogts Gewalt!<br>
      O glaubt, er wird ihn tief genug vergraben,<br>
      Dass er des Tages Licht nicht wiedersieht!<br>
      Denn fürchten muss er die gerechte Rache<br>
      Des freien Mannes, den er schwer gereizt!</p>
<p><span class="speaker">Kunz</span>:<br>
      Der Altlandammann auch, der edle Herr<br>
      Von Attinghausen, sagt man, lieg am Tode.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      So bricht der letzte Anker unsrer Hoffnung!<br>
      Der war es noch allein, der seine Stimme<br>
      Erheben durfte für des Volkes Rechte!</p>
<p><span class="speaker">Kunz</span>:<br>
      Der Sturm nimmt überhand. Gehabt Euch wohl,<br>
      Ich nehme Herberg in dem Dorf, denn heut<br>
      Ist doch an keine Abfahrt mehr zu denken. <span class="regie">Geht ab.</span></p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Der Tell gefangen und der Freiherr tot!<br>
      Erheb die freche Stirne, Tyrannei,<br>
      Wirf alle Scham hinweg, der Mund der Wahrheit<br>
      Ist stumm, das seh'nde Auge ist geblendet,<br>
      Der Arm, der retten sollte, ist gefesselt!</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Es hagelt schwer, kommt in die Hütte, Vater,<br>
      Es ist nicht kommlich, hier im Freien hausen.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Raset ihr Winde, flammt herab ihr Blitze,<br>
      Ihr Wolken berstet, giesst herunter, Ströme<br>
      Des Himmels und ersäuft das Land! Zerstört<br>
      Im Keim die ungeborenen Geschlechter<br>
      Ihr wilden Elemente werdet Herr,<br>
      Ihr Bären kommt, ihr alten Wölfe wieder<br>
      Der grossen Wüste, euch gehört das Land,<br>
      Wer wird hier leben wollen ohne Freiheit!</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Hört, wie der Abgrund tost, der Wirbel brüllt,<br>
      So hat's noch nie gerast in diesem Schlunde!</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt,<br>
      Solches ward keinem Vater noch geboten!<br>
      Und die Natur soll nicht in wildem Grimm<br>
      Sich drob empören – O mich soll's nicht wundern,<br>
      Wenn sich die Felsen bücken in den See,<br>
      Wenn jene Zacken, jene Eisestürme,<br>
      Die nie auftauten seit dem Schöpfungstag,<br>
      Von ihren hohen Kulmen niederschmelzen,<br>
      Wenn die Berge brechen, wenn die alten Klüfte<br>
      Einstürzen, eine zweite Sündflut alle<br>
      Wohnstätten der Lebendigen verschlingt!</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört läuten.</span></p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Hört Ihr, sie läuten droben auf dem Berg,<br>
      Gewiss hat man ein Schiff in Not gesehen,<br>
      Und zieht die Glocke, dass gebetet werde.</p>
<p class="center"><span class="regie">Steigt auf eine Anhöhe.</span></p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Wehe dem Fahrzeug, das jetzt unterwegs,<br>
      In dieser furchtbarn Wiege wird gewiegt!<br>
      Hier ist das Steuer unnütz und der Steurer,<br>
      Der Sturm ist Meister, Wind und Welle spielen<br>
      Ball mit dem Menschen – Da ist nah und fern<br>
      Kein Busen, der ihm freundlich Schutz gewährte!<br>
      Handlos und schroff ansteigend starren ihm<br>
      Die Felsen, die unwirtlichen, entgegen,<br>
      Und weisen ihm nur ihre steinern schroffe Brust.</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span><span class="regie">deutet links:</span><br>
      Vater, ein Schiff, es kommt von Flüelen her.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Gott helf den armen Leuten! Wenn der Sturm<br>
      In dieser Wasserkluft sich erst verfangen,<br>
      Dann rast er um sich mit des Raubtiers Angst,<br>
      Das an des Gitters Eisenstäbe schlägt,<br>
      Die Pforte sucht er heulend sich vergebens,<br>
      Denn ringsum schränken ihn die Felsen ein,<br>
      Die himmelhoch den engen Pass vermauren.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er steigt auf die Anhöhe.</span></p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Es ist das Herrenschiff von Uri, Vater,<br>
      Ich kenn's am roten Dach und an der Fahne.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Gerichte Gottes! Ja, er ist es selbst,<br>
      Der Landvogt, der da fährt – Dort schifft er hin,<br>
      Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit!<br>
      Schnell hat der Arm des Rächers ihn gefunden,<br>
      Jetzt kennt er über sich den stärkern Herrn,<br>
      Diese Wellen geben nicht auf seine Stimme,<br>
      Diese Felsen bücken ihre Häupter nicht<br>
      Vor seinem Hute – Knabe, bete nicht<br>
      Greif nicht dem Richter in den Arm!</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Ich bete für den Landvogt nicht – Ich bete<br>
      Für den Tell, der auf dem Schiff sich mit befindet.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      O Unvernunft des blinden Elements!<br>
      Musst du, um <i>einen</i> Schuldigen zu treffen,<br>
      Das Schiff mitsamt dem Steuermann verderben!</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Sieh, sieh, sie waren glücklich schon vorbei<br>
      Am <i>Buggisgrat</i>, doch die Gewalt des Sturms,<br>
      Der von dem <i>Teufelsmünster</i> widerprallt,<br>
      Wirft sie zum grossen <i>Axenberg</i> zurück.<br>
      – Ich seh sie nicht mehr.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Dort ist das <i>Hackmesser</i>,<br>
      Wo schon der Schiffe mehrere gebrochen.<br>
      Wenn sie nicht weislich dort vorüberlenken,<br>
      So wird das Schiff zerschmettert an der Fluh,<br>
      Die sich gähstotzig absenkt in die Tiefe.<br>
      – Sie haben einen guten Steuermann<br>
      Am Bord, könnt einer retten, wär's der Tell,<br>
      Doch dem sind Arm und Hände ja gefesselt.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Wilhelm Tell</span> mit der Armbrust.<br>
      Er kommt mit raschen Schritten, blickt erstaunt umher und zeigt die heftigste Bewegung. Wenn er mitten auf der Szene ist, wirft er sich nieder, die Hände zu der Erde und dann zum Himmel ausbreitend.</span></p>
<p><span class="speaker">Knabe</span><span class="regie">bemerkt ihn:</span><br>
      Sieh, Vater, wer der Mann ist, der dort kniet?</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Er fasst die Erde an mit seinen Händen,<br>
      Und scheint wie ausser sich zu sein.</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span><span class="regie">kommt vorwärts:</span><br>
      Was seh ich! Vater! Vater, kommt und seht!</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span><span class="regie">nähert sich:</span><br>
      Wer ist es? – Gott im Himmel! Was! der Tell?<br>
      Wie kommt Ihr hieher? Redet!</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Wart Ihr nicht<br>
      Dort auf dem Schiff gefangen und gebunden?</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Ihr wurdet nicht nach Küssnacht abgeführt?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">steht auf:</span><br>
      Ich bin befreit.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Befreit! O Wunder Gottes!</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      Wo kommt Ihr her?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Dort aus dem Schiffe.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Was?</p>
<p><span class="speaker">Knabe</span><span class="regie">zugleich:</span><br>
      Wo ist der Landvogt?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Auf den Wellen treibt er.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Ist's möglich? Aber <i>Ihr</i>? Wie seid Ihr hier?<br>
      Seid Euren Banden und dem Sturm entkommen?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Durch Gottes gnäd'ge Fürsehung – Hört an!</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Knabe</span>:<br>
      O redet, redet!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Was in Altdorf sich<br>
      Begeben, wisst Ihr's?</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Alles weiss ich, redet!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Dass mich der Landvogt fahen liess und binden,<br>
      Nach seiner Burg zu Küssnacht wollte führen.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Und sich mit Euch zu Flüelen eingeschifft!<br>
      Wir wissen alles, sprecht, wie Ihr entkommen?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich lag im Schiff, mit Stricken fest gebunden,<br>
      Wehrlos, ein aufgegebner Mann – nicht hofft' ich,<br>
      Das frohe Licht der Sonne mehr zu sehn,<br>
      Der Gattin und der Kinder liebes Antlitz,<br>
      Und trostlos blickt' ich in die Wasserwüste –</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      O armer Mann!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      So fuhren wir dahin,<br>
      Der Vogt, Rudolf der Harras und die Knechte.<br>
      Mein Köcher aber mit der Armbrust lag<br>
      Am hintern Gransen bei dem Steuerruder.<br>
      Und als wir an die Ecke jetzt gelangt<br>
      Beim kleinen Axen, da verhängt' es Gott,<br>
      Dass solch ein grausam mördrisch Ungewitter<br>
      Gählings herfürbrach aus des Gotthards Schlünden,<br>
      Dass allen Ruderern das Herz entsank,<br>
      Und meinten alle, elend zu ertrinken.<br>
      Da hört ich's, wie der Diener einer sich<br>
      Zum Landvogt wendet' und die Worte sprach:<br>
      »Ihr sehet Eure Not und unsre, Herr,<br>
      Und dass wir all' am Rand des Todes schweben –<br>
      Die Steuerleute aber wissen sich<br>
      Für grosser Furcht nicht Rat und sind des Fahrens<br>
      Nicht wohlberichtet – Nun aber ist der Tell<br>
      Ein starker Mann und weiss ein Schiff zu steuern,<br>
      Wie, wenn wir sein jetzt brauchten in der Not?«<br>
      Da sprach der Vogt zu mir: »Tell, wenn du dir's<br>
      Getrautest, uns zu helfen aus dem Sturm,<br>
      So möcht ich dich der Bande wohl entled'gen.«<br>
      Ich aber sprach: »Ja, Herr, mit Gottes Hülfe<br>
      Getrau ich mir's, und helf uns wohl hiedannen.«<br>
      So ward ich meiner Bande los und stand<br>
      Am Steuerruder und fuhr redlich hin.<br>
      Doch schielt' ich seitwärts, wo mein Schiesszeug lag,<br>
      Und an dem Ufer merkt' ich scharf umher,<br>
      Wo sich ein Vorteil auftät' zum Entspringen.<br>
      Und wie ich eines Felsenriffs gewahre,<br>
      Das abgeplattet vorsprang in den See –</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Ich kenn's, es ist am Fuss des grossen Axen,<br>
      Doch nicht für möglich acht ich's – so gar steil<br>
      Geht's an – vom Schiff es springend abzureichen –</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Schrie ich den Knechten, handlich zuzugehn,<br>
      Bis dass wir vor die Felsenplatte kämen,<br>
      Dort, rief ich, sei das Ärgste überstanden –<br>
      Und als wir sie frischrudernd bald erreicht,<br>
      Fleh ich die Gnade Gottes an, und drücke,<br>
      Mit allen Leibeskräften angestemmt,<br>
      Den hintern Gransen an die Felswand hin –<br>
      Jetzt schnell mein Schiesszeug fassend, schwing ich selbst<br>
      Hochspringend auf die Platte mich hinauf,<br>
      Und mit gewalt'gem Fußstoß hinter mich<br>
      Schleudr' ich das Schifflein in den Schlund der Wasser –<br>
      Dort mag's, wie Gott will, auf den Wellen treiben!<br>
      So bin ich hier, gerettet aus des Sturms<br>
      Gewalt und aus der schlimmeren der Menschen.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Tell, Tell, ein sichtbar Wunder hat der Herr<br>
      An Euch getan, kaum glaub' ich's meinen Sinnen –<br>
      Doch saget! Wo gedenket Ihr jetzt hin,<br>
      Denn Sicherheit ist nicht für Euch, wofern<br>
      Der Landvogt lebend diesem Sturm entkommt.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ich hört' ihn sagen, da ich noch im Schiff<br>
      Gebunden lag, er woll' bei Brunnen landen,<br>
      Und über Schwyz nach seiner Burg mich führen.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Will er den Weg dahin zu Lande nehmen?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Er denkt's.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      O so verbergt Euch ohne Säumen,<br>
      Nicht zweimal hilft Euch Gott aus seiner Hand.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Nennt mir den nächsten Weg nach Arth und Küssnacht.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Die offne Strasse zieht sich über Steinen,<br>
      Doch einen kürzern Weg und heimlichern<br>
      Kann Euch mein Knabe über Lowerz führen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">gibt ihm die Hand:</span><br>
      Gott lohn Euch Eure Guttat. Lebet wohl.</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht und kehrt wieder um.</span></p>
<p>– Habt Ihr nicht auch im Rütli mit geschworen?<br>
      Mir deucht, man nannt' Euch mir –</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Ich war dabei,<br>
      Und hab den Eid des Bundes mit beschworen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      So eilt nach Bürglen, tut die Lieb mir an,<br>
      Mein Weib verzagt um mich, verkündet ihr,<br>
      Dass ich gerettet sei und wohlgeborgen.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Doch wohin sag ich ihr, dass Ihr geflohn?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ihr werdet meinen Schwäher bei ihr finden<br>
      Und andre, die im Rütli mit geschworen –<br>
      Sie sollen wacker sein und guten Muts,<br>
      Der Tell sei frei und seines Armes mächtig,<br>
      Bald werden sie ein Weitres von mir hören.</p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Was habt Ihr im Gemüt? Entdeckt mir's frei.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ist es <i>getan</i>, wird's auch zur Rede kommen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht ab.</span></p>
<p><span class="speaker">Fischer</span>:<br>
      Zeig ihm den Weg, Jenni – Gott steh ihm bei!<br>
      Er führt's zum Ziel, was er auch unternommen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht ab.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell42">
<h3>Zweite Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Edelhof zu Attinghausen.</span></p>
<p class="center"><span class="regie">Der <span class="speaker">Freiherr</span>, in einem Armsessel, sterbend. <span class="speaker">Walther Fürst, Stauffacher, Melchtal</span> und <span class="speaker">Baumgarten</span> um ihn beschäftigt. <span class="speaker">Walther Tell</span> knieend vor dem Sterbenden.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Es ist vorbei mit ihm, er ist hinüber.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Er liegt nicht wie ein Toter – Seht, die Feder<br>
      Auf seinen Lippen regt sich! Ruhig ist<br>
      Sein Schlaf und friedlich lächeln seine Züge.</p>
<p class="center"><span class="regie">Baumgarten geht an die Türe und spricht mit jemand.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">zu Baumgarten:</span><br>
      Wer ist's?</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span><span class="regie">kommt zurück:</span><br>
      Es ist Frau Hedwig, Eure Tochter,<br>
      Sie will Euch sprechen, will den Knaben sehn.</p>
<p class="center"><span class="regie">Walther Tell richtet sich auf.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Kann ich sie trösten? Hab ich selber Trost?<br>
      Häuft alles Leiden sich auf meinem Haupt?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">hereindringend:</span><br>
      Wo ist mein Kind? Lasst mich, ich muss es sehn –</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Fasst Euch, bedenkt, dass Ihr im Haus des Todes –</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">stürzt auf den Knaben:</span><br>
      Mein Wälti! O er lebt mir.</p>
<p><span class="speaker">Walther Tell</span><span class="regie">hängt an ihr:</span><br>
      Arme Mutter!</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Ist's auch gewiss? Bist du mir unverletzt?</p>
<p class="center"><span class="regie">Betrachtet ihn mit ängstlicher Sorgfalt.</span></p>
<p class="leftmarg">Und ist es möglich? Konnt er auf dich zielen?<br><i>Wie</i> konnt er's? O er hat kein Herz – Er konnte<br>
      Den Pfeil abdrücken auf sein eignes Kind!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Er tat's mit Angst, mit schmerzzerrissner Seele,<br>
      Gezwungen tat er's, denn es galt das Leben.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      O hätt er eines Vaters Herz, eh er's<br>
      Getan, er wäre tausendmal gestorben!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ihr solltet Gottes gnäd'ge Schickung preisen,<br>
      Die es so gut gelenkt –</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Kann ich vergessen,<br>
      Wie's hätte kommen <i>können</i> – Gott des Himmels!<br>
      Und lebt' ich achtzig Jahr – Ich seh den Knaben ewig<br>
      Gebunden stehn, den Vater auf ihn zielen,<br>
      Und ewig fliegt der Pfeil mir in das Herz.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Frau, wüsstet Ihr, wie ihn der Vogt gereizt!</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      O rohes Herz der Männer! Wenn ihr Stolz<br>
      Beleidigt wird, dann achten sie nichts mehr,<br>
      Sie setzen in der blinden Wut des Spiels<br>
      Das Haupt des Kindes und das Herz der Mutter!</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Ist Eures Mannes Los nicht hart genug,<br>
      Dass Ihr mit schwerem Tadel ihn noch kränkt?<br>
      Für seine Leiden habt Ihr kein Gefühl?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">kehrt sich nach ihm um und sieht ihn mit einem großen Blick an:</span><br>
      Hast du nur Tränen für des Freundes Unglück?<br>
      – Wo waret ihr, da man den Trefflichen<br>
      In Bande schlug? Wo war da eure Hülfe?<br>
      Ihr sahet zu, ihr ließt das Gräßliche geschehn,<br>
      Geduldig littet ihr's daß man den Freund<br>
      Aus eurer Mitte führte – Hat der Tell<br>
      Auch so an euch gehandelt? Stand er auch<br>
      Bedauernd da, als hinter dir die Reiter<br>
      Des Landvogts drangen, als der wüt'ge See<br>
      Vor dir erbrauste? Nicht mit müß'gen Tränen<br>
      Beklagt' er dich, in den Nachen sprang er, Weib<br>
      Und Kind vergaß er und befreite dich –</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Was konnten wir zu seiner Rettung wagen,<br>
      Die kleine Zahl, die unbewaffnet war!</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">wirft sich an seine Brust:</span><br>
      O Vater! Und auch du hast ihn verloren!<br>
      Das Land, wir alle haben ihn verloren!<br>
      Uns allen fehlt er, ach! wir fehlen ihm!<br>
      Gott rette seine Seele vor Verzweiflung.<br>
      Zu ihm hinab ins öde Burgverlies<br>
      Dringt keines Freundes Trost – Wenn er erkrankte!<br>
      Ach, in des Kerkers feuchter Finsternis<br>
      Muss er erkranken – Wie die Alpenrose<br>
      Bleicht und verkümmert in der Sumpfesluft,<br>
      So ist für ihn kein Leben als im Licht<br>
      Der Sonne, in dem Balsamstrom der Lüfte.<br>
      Gefangen! Er! Sein Atem ist die Freiheit,<br>
      Er kann nicht leben in dem Hauch der Grüfte.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Beruhigt Euch. Wir alle wollen handeln,<br>
      Um seinen Kerker aufzutun.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Was könnt <i>ihr</i> schaffen ohne ihn? – Solang<br>
      Der Tell noch frei war, ja da war noch Hoffnung,<br>
      Da hatte noch die Unschuld einen Freund,<br>
      Da hatte einen Helfer der Verfolgte,<br>
      Euch alle rettete der Tell – Ihr alle<br>
      Zusammen könnt nicht <i>seine</i> Fesseln lösen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Der Freiherr erwacht.</span></p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Er regt sich, still!</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span><span class="regie">sich aufrichtend:</span><br>
      Wo ist er?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wer?</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Er fehlt mir,<br>
      Verlässt mich in dem letzten Augenblick!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Er meint den Junker – Schickte man nach ihm?</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Es ist nach ihm gesendet – Tröstet Euch!<br>
      Er hat sein Herz gefunden, er ist unser.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Hat er gesprochen für sein Vaterland?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Mit Heldenkühnheit.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Warum kommt er nicht,<br>
      Um meinen letzten Segen zu empfangen?<br>
      Ich fühle, dass es schleunig mit mir endet.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Nicht also, edler Herr! Der kurze Schlaf<br>
      Hat Euch erquickt, und hell ist Euer Blick.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Der Schmerz ist Leben, er verließ mich auch,<br>
      Das Leiden ist, so wie die Hoffnung, aus.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er bemerkt den Knaben.</span></p>
<p class="leftmarg">Wer ist der Knabe?</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Segnet ihn o Herr!<br>
      Er ist mein Enkel und ist vaterlos.</p>
<p class="center"><span class="regie">Hedwig sinkt mit dem Knaben vor dem Sterbenden nieder.</span></p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Und vaterlos lass ich euch alle, alle<br>
      Zurück – Weh mir, dass meine letzten Blicke<br>
      Den Untergang des Vaterlands gesehn!<br>
      Musst ich des Lebens höchstes Maß erreichen,<br>
      Um ganz mit allen Hoffnungen zu sterben!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu Walther Fürst:</span><br>
      Soll er in diesem finstern Kummer scheiden?<br>
      Erhellen wir ihm nicht die letzte Stunde<br>
      Mit schönem Strahl der Hoffnung? – Edler Freiherr!<br>
      Erhebet Euren Geist! Wir sind nicht ganz<br>
      Verlassen, sind nicht rettungslos verloren.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Wer soll euch retten?</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wir uns selbst. Vernehmt!<br>
      Es haben die drei Lande sich das Wort<br>
      Gegeben, die Tyrannen zu verjagen.<br>
      Geschlossen ist der Bund, ein heil'ger Schwur<br>
      Verbinde uns. Es wird gehandelt werden,<br>
      Eh noch das Jahr den neuen Kreis beginnt,<br>
      Euer Staub wird ruhn in einem freien Lande.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      O saget mir! Geschlossen ist der Bund?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Am gleichen Tage werden alle drei<br>
      Waldstätte sich erheben. Alles ist<br>
      Bereit, und das Geheimnis wohlgewahrt<br>
      Bis jetzt, obgleich viel Hunderte es teilen.<br>
      Hohl ist der Boden unter den Tyrannen,<br>
      Die Tage ihrer Herrschaft sind gezählt,<br>
      Und bald ist ihre Spur nicht mehr zu finden.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Die festen Burgen aber in den Landen?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Sie fallen alle an dem gleichen Tag.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Und sind die Edeln dieses Bunds teilhaftig?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wir harren ihres Beistands, wenn es gilt,<br>
      Jetzt aber hat der Landmann nur geschworen.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span><span class="regie">richtet sich langsam in die Höhe, mit großem Erstaunen:</span><br>
      Hat sich der Landmann solcher Tat verwogen,<br>
      Aus eignem Mittel, ohne Hülf der Edeln,<br>
      Hat er der eignen Kraft so viel vertraut –<br>
      Ja, dann bedarf es unserer nicht mehr,<br>
      Getröstet können wir zu Grabe steigen,<br>
      Es lebt <i>nach</i> uns – durch andre Kräfte will<br>
      Das Herrliche der Menschheit sich erhalten.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er legt seine Hand auf das Haupt des Kindes, das vor ihm auf den Knieen liegt.</span></p>
<p class="leftmarg">Aus diesem Haupte, wo der Apfel lag,<br>
      Wird euch die neue bessre Freiheit grünen,<br>
      Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,<br>
      Und neues Leben blüht aus den Ruinen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu Walther Fürst:</span><br>
      Seht, welcher Glanz sich um sein Aug' ergießt!<br>
      Das ist nicht das Erlöschen der Natur,<br>
      Das ist der Strahl schon eines neuen Lebens.</p>
<p><span class="speaker">Attinghausen</span>:<br>
      Der Adel steigt von seinen alten Burgen,<br>
      Und schwört den Städten seinen Bürgereid,<br>
      Im <i>Üchtland</i> schon, im <i>Thurgau</i> hat's begonnen,<br>
      Die edle <i>Bern</i> erhebt ihr herrschend Haupt,<br><i>Freiburg</i> ist eine sichre Burg der Freien,<br>
      Die rege <i>Zürich</i> waffnet ihre Zünfte<br>
      Zum kriegerischen Heer – Es bricht die Macht<br>
      Der Könige sich an ihren ew'gen Wällen –</p>
<p class="center"><span class="regie">Er spricht das Folgende mit dem Ton eines Sehers – seine Rede steigt bis zur Begeisterung:</span></p>
<p class="leftmarg">Die Fürsten seh' ich und die edeln Herrn<br>
      In Harnischen herangezogen kommen,<br>
      Ein harmlos Volk von Hirten zu bekriegen.<br>
      Auf Tod und Leben wird gekämpft und herrlich<br>
      Wir mancher Pass durch blutige Entscheidung.<br>
      Der Landmann stürzt sich mit der nackten Brust,<br>
      Ein freies Opfer, in die Schar der Lanzen,<br>
      Er bricht sie, und des Adels Blüte fällt,<br>
      Es hebt die Freiheit siegend ihre Fahne.</p>
<p class="center"><span class="regie">Walther Fürsts und Stauffachers Hände fassend:</span></p>
<p class="leftmarg">Drum haltet fest zusammen – fest und ewig –<br>
      Kein Ort der Freiheit sei dem andern fremd –<br>
      Hochwachten stellet aus auf euren Bergen,<br>
      Dass sich der Bund zum Bunde rasch versammle –<br>
      Seid einig – einig – einig –</p>
<p class="stage">Er fällt in das Kissen zurück – seine Hände halten entseelt noch die andern gefasst. Fürst und Stauffacher betrachten ihn noch eine Zeitlang schweigend, dann treten sie hinweg, jeder seinem Schmerz überlassen. Unterdessen sind die Knechte still hereingedrungen, sie nähern sich mit Zeichen eines stillern oder heftigern Schmerzens, einige knieen bei ihm nieder und weinen auf seine Hand, während dieser stummen Szene wird die Burgglocke geläutet.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Rudenz</span> zu den <span class="speaker">Vorigen</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span><span class="regie">rasch eintretend:</span><br>
      Lebt er? O saget, kann er mich noch hören?</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">deutet hin mit weggewandtem Gesicht:</span><br>
      Ihr seid jetzt unser Lehensherr und Schirmer,<br>
      Und dieses Schloss hat einen andern Namen.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span><span class="regie">erblickt den Leichnam und steht von heftigem Schmerz ergriffen:</span><br>
      O güt'ger Gott – Kommt meine Reu zu spät?<br>
      Konnt er nicht wen'ge Pulse länger leben,<br>
      Um mein geändert Herz zu sehn?<br>
      Verachtet hab ich seine treue Stimme,<br>
      Da er noch wandelte im Licht – Er ist<br>
      Dahin, ist fort auf immerdar, und lässt mir<br>
      Die schwere unbezahlte Schuld! – O saget!<br>
      Schied er dahin im Unmut gegen mich?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Er hörte sterbend noch was Ihr getan,<br>
      Und segnete den Mut, mit dem Ihr spracht!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span><span class="regie">kniet an dem Toten nieder:</span><br>
      Ja heil'ge Reste eines teuren Mannes!<br>
      Entseelter Leichnam! Hier gelob ich dir's<br>
      In deine kalte Totenhand – Zerrissen<br>
      Hab ich auf ewig alle fremden Bande,<br>
      Zurückgegeben bin ich meinem Volk,<br>
      Ein Schweizer bin ich und ich will es sein<br>
      Von ganzer Seele – <span class="regie">(Aufstehend.)</span> Trauert um den Freund,<br>
      Den Vater aller, doch verzaget nicht!<br>
      Nicht bloß sein Erbe ist mir zugefallen,<br>
      Es steigt sein Herz, sein Geist auf mich herab,<br>
      Und leisten soll euch meine frische Jugend,<br>
      Was euch sein greises Alter schuldig blieb.<br>
      – Ehrwürd'ger Vater, gebt mir Eure Hand!<br>
      Gebt mir die Eurige! Melchtal auch Ihr!<br>
      Bedenkt Euch nicht! O wendet Euch nicht weg!<br>
      Empfanget meinen Schwur und mein Gelübde.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Gebt ihm die Hand. Sein wiederkehrend Herz<br>
      Verdient Vertraun.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Ihr habt den Landmann nichts geachtet.<br>
      Sprecht, wessen soll man sich zu Euch versehn?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      O denket nicht des Irrtums meiner Jugend!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu Melchtal:</span><br>
      Seid einig! war das letzte Wort des Vaters,<br>
      Gedenket dessen!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Hier ist meine Hand!<br>
      Des Bauern Handschlag, edler Herr, ist auch<br>
      Ein Manneswort! Was ist der Ritter ohne uns?<br>
      Und unser Stand ist älter als der Eure.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ich ehr ihn, und mein Schwert soll ihn beschützen.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Der Arm, Herr Freiherr, der die harte Erde<br>
      Sich unterwirft und ihren Schoß befruchtet,<br>
      Kann auch des Mannes Brust beschützen.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ihr<br>
      Sollt meine Brust, ich will die eure schützen,<br>
      So sind wir einer durch den andern stark.<br>
      – Doch wozu reden, da das Vaterland<br>
      Ein Raub noch ist der fremden Tyrannei?<br>
      Wenn erst der Boden rein ist von dem Feind,<br>
      Dann wollen wir's in Frieden schon vergleichen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Nachdem er einen Augenblick innegehalten.</span></p>
<p class="leftmarg">Ihr schweigt? Ihr habt mir nichts zu sagen? Wie!<br>
      Verdien ich's noch nicht, dass ihr mir vertraut?<br>
      So muss ich wider euren Willen mich<br>
      In das Geheimnis eures Bundes drängen.<br>
      – Ihr habt getagt – geschworen auf dem Rütli –<br>
      Ich weiß – weiß alles, was ihr dort verhandelt,<br>
      Und was mir nicht von euch vertrauet ward,<br>
      Ich hab's bewahrt gleich wie ein heilig Pfand.<br>
      Nie war ich meines Landes Feind, glaubt mir,<br>
      Und niemals hätt' ich gegen euch gehandelt.<br>
      – Doch übel tatet ihr, es zu verschieben,<br>
      Die Stunde dringt und rascher Tat bedarf's –<br>
      Der Tell ward schon Opfer eures Säumens –</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Das Christfest abzuwarten schwuren wir.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Ich war nicht dort, ich hab nicht mit geschworen.<br>
      Wartet ihr ab, ich handle.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Was? Ihr wolltet –</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Des Landes Vätern zähl ich mich jetzt bei,<br>
      Und meine erste Pflicht ist, euch zu schützen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Der Erde diesen teuren Staub zu geben,<br>
      Ist Eure nächste Pflicht und heiligste.</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Wenn wir das Land befreit, dann legen wir<br>
      Den frischen Kranz des Siegs ihm auf die Bahre.<br>
      – O Freunde! Eure Sache nicht allein,<br>
      Ich habe meine eigne auszufechten<br>
      Mit dem Tyrannen – Hört und wisst! Verschwunden<br>
      Ist meine Berta, heimlich weggeraubt,<br>
      Mit kecker Freveltat aus unsrer Mitte!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Solcher Gewalttat hätte der Tyrann<br>
      Wider die freie Edle sich verwogen?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      O meine Freunde! Euch versprach ich Hülfe,<br>
      Und ich zuerst muss sie von euch erflehn.<br>
      Geraubt, entrissen ist mir die Geliebte,<br>
      Wer weiß, wo sie der Wütende verbirgt,<br>
      Welcher Gewalt sie frevelnd sich erkühnen,<br>
      Ihr Herz zu zwingen zum verhassten Band!<br>
      Verlasst mich nicht, o helft mir sie erretten –<br>
      Sie liebt euch, o sie hat's verdient ums Land,<br>
      Dass alle Arme sich für sie bewaffnen –</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Was wollt Ihr unternehmen?</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Weiß ich's? Ach!<br>
      In dieser Nacht, die ihr Geschick umhüllt,<br>
      In dieses Zweifels ungeheurer Angst,<br>
      Wo ich nichts Festes zu erfassen weiß,<br>
      Ist mir nur dieses in der Seele klar:<br>
      Unter den Trümmern der Tyrannenmacht<br>
      Allein kann sie hervorgegraben werden,<br>
      Die Festen alle müssen wir bezwingen,<br>
      Ob wir vielleicht in ihren Kerker dringen.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Kommt, führt uns an. Wir folgen Euch. Warum<br>
      Bis morgen sparen, was wir heut vermögen?<br>
      Frei war der Tell, als wir im Rütli schwuren,<br>
      Das Ungeheure war noch nicht geschehen.<br>
      Es bringt die Zeit ein anderes Gesetz,<br>
      Wer ist so feig, der jetzt noch könnte zagen!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span><span class="regie">zu Stauffacher und Walther Fürst:</span><br>
      Indes bewaffnet und zum Werk bereit<br>
      Erwartet ihr der Berge Feuerzeichen,<br>
      Denn schneller als ein Botensegel fliegt,<br>
      Soll euch die Botschaft unsers Siegs erreichen,<br>
      Und seht ihr leuchten die willkommnen Flammen,<br>
      Dann auf die Feinde stürzt, wie Wetters Strahl,<br>
      Und brecht den Bau der Tyrannei zusammen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Gehen ab.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell43">
<h3>Dritte Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Die hohle Gasse bei Küssnacht. Man steigt von hinten zwischen Felsen herunter und die Wanderer werden, ehe sie auf der Szene erscheinen, schon von der Höhe gesehen. Felsen umschließen die ganze Szene, auf einem der vordersten ist ein Vorsprung mit Gesträuch bewachsen.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">tritt auf mit der Armbrust:</span><br>
      Durch diese hohle Gasse muss er kommen,<br>
      Es führt kein andrer Weg nach Küssnacht – Hier<br>
      Vollend ich's – Die Gelegenheit ist günstig.<br>
      Dort der Holunderstrauch verbirgt mich ihm,<br>
      Von dort herab kann ihn mein Pfeil erlangen,<br>
      Des Weges Enge wehret den Verfolgern.<br>
      Mach deine Rechnung mit dem Himmel Vogt,<br>
      Fort musst du, deine Uhr ist abgelaufen.</p>
<p class="leftmarg">Ich lebte still und harmlos – Das Geschoss<br>
      War auf des Waldes Tiere nur gerichtet,<br>
      Meine Gedanken waren rein von Mord –<br>
      Du hast aus meinem Frieden mich heraus<br>
      Geschreckt, in gärend Drachengift hast du<br>
      Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt,<br>
      Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt –<br>
      Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte,<br>
      Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.</p>
<p class="leftmarg">Die armen Kindlein, die unschuldigen,<br>
      Das treue Weib muss ich vor deiner Wut<br>
      Beschützen, Landvogt – Da, als ich den Bogenstrang<br>
      Anzog – als mir die Hand erzitterte –<br>
      Als du mit grausam teufelischer Lust<br>
      Mich zwangst, aufs Haupt des Kindes anzulegen –<br>
      Als ich ohnmächtig flehend rang vor dir,<br>
      Damals gelobt ich mir in meinem Innern<br>
      Mit furchtbarm Eidschwur, den nur Gott gehört,<br>
      Dass meines <i>nächsten</i> Schusses <i>erstes</i> Ziel<br>
      Dein Herz sein sollte – Was ich mir gelobt<br>
      In jenes Augenblickes Höllenqualen,<br>
      Ist eine heil'ge Schuld, ich will sie zahlen.</p>
<p class="leftmarg">Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt,<br>
      Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt<br>
      Was <i>du</i> – Er sandte dich in diese Lande,<br>
      Um Recht zu sprechen – strenges, denn er zürnet –<br>
      Doch nicht um mit der mörderischen Lust<br>
      Dich jedes Greuels straflos zu erfrechen,<br>
      Es lebt ein Gott zu strafen und zu rächen.</p>
<p class="leftmarg">Komm du hervor, du Bringer bittrer Schmerzen,<br>
      Mein teures Kleinod jetzt, mein höchster Schatz –<br>
      Ein Ziel will ich dir geben, das bis jetzt<br>
      Der frommen Bitte undurchdringlich war –<br>
      Doch <i>dir</i> soll es nicht widerstehn – Und du<br>
      Vertraute Bogensehne, die so oft<br>
      Mir treu gedient hat in der Freude Spielen,<br>
      Verlass mich nicht im fürchterlichen Ernst.<br>
      Nur jetzt noch halte fest du treuer Strang,<br>
      Der mir so oft den herben Pfeil beflügelt –<br>
      Entränn er jetzo kraftlos meinen Händen,<br>
      Ich habe keinen zweiten zu versenden.</p>
<p class="center"><span class="regie">Wanderer gehen über die Szene.</span></p>
<p class="leftmarg">Auf dieser Bank von Stein will ich mich setzen,<br>
      Dem Wanderer zur kurzen Ruh bereitet –<br>
      Denn hier ist keine Heimat – Jeder treibt<br>
      Sich an dem andern rasch und fremd vorüber,<br>
      Und fraget nicht nach seinem Schmerz – Hier geht<br>
      Der sorgenvolle Kaufmann und der leicht<br>
      Geschürzte Pilger – der andächt'ge Mönch,<br>
      Der düstre Räuber und der heitre Spielmann,<br>
      Der Säumer mit dem schwer beladnen Ross,<br>
      Der ferne herkommt von der Menschen Ländern,<br>
      Denn jede Strasse führt ans End der Welt.<br>
      Sie alle ziehen ihres Weges fort<br>
      An ihr Geschäft – und meines ist der Mord!</p>
<p class="center"><span class="regie">Setzt sich.</span></p>
<p class="leftmarg">Sonst wenn der Vater auszog, liebe Kinder,<br>
      Da war ein Freuen, wenn er wiederkam,<br>
      Denn niemals kehrt' er heim, er bracht euch etwas,<br>
      War's eine schöne Alpenblume, war's<br>
      Ein seltner Vogel oder Ammonshorn,<br>
      Wie es der Wandrer findet auf den Bergen –<br>
      Jetzt geht er einem andern Weidwerk nach,<br>
      Am wilden Weg sitzt er mit Mordgedanken.<br>
      Des Feindes Leben ist's, worauf er lauert.<br>
      – Und doch an <i>euch</i> nur denkt er, lieben Kinder,<br>
      Auch jetzt – Euch zu verteid'gen, eure holde Unschuld<br>
      Zu schützen vor der Rache des Tyrannen<br>
      Will er zum Morde jetzt den Bogen spannen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Steht auf.</span></p>
<p class="leftmarg">Ich laure auf ein edles Wild – Lässt sich's<br>
      Der Jäger nicht verdrießen, tagelang<br>
      Umherzustreifen in des Winters Strenge,<br>
      Von Fels zu Fels den Wagesprung zu tun,<br>
      Hinanzuklimmen an den glatten Wänden,<br>
      Wo er sich anleimt mit dem eignen Blut,<br>
      – Um ein armselig Grattier zu erjagen.<br>
      Hier gilt es einen köstlicheren Preis,<br>
      Das Herz des Todfeinds, der mich will verderben.</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört von ferne eine heitre Musik, welche sich nähert.</span></p>
<p class="leftmarg">Mein ganzes Leben lang hab' ich den Bogen<br>
      Gehandhabt, mich geübt nach Schützenregel,<br>
      Ich habe oft geschossen in das Schwarze,<br>
      Und manchen schönen Preis mir heimgebracht<br>
      Vom Freudenschießen – Aber heute will ich<br>
      Den <i>Meisterschuss</i> tun und das Beste mir<br>
      Im ganzen Umkreis des Gebirgs gewinnen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Eine Hochzeit zieht über die Szene und durch den Hohlweg hinauf. Tell betrachtet sie, auf seinen Bogen gelehnt, <span class="speaker">Stüssi</span> der Flurschütz gesellt sich zu ihm.</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Das ist der Klostermei'r von Mörlischachen,<br>
      Der hier den Brautlauf hält – Ein reicher Mann,<br>
      Er hat wohl zehen Senten auf den Alpen.<br>
      Die Braut holt er jetzt ab zu Imisee,<br>
      Und diese Nacht wird hoch geschwelgt zu Küssnacht,<br>
      Kommt mit! 's ist jeder Biedermann geladen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Ein ernster Gast stimmt nicht zum Hochzeitshaus.</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Drückt Euch ein Kummer, werft ihn frisch vom Herzen,<br>
      Nehmt mit was kommt, die Zeiten sind jetzt schwer.<br>
      Drum muss der Mensch die Freude leicht ergreifen.<br>
      Hier wird gefreit und anderswo begraben.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Und oft kommt gar das eine zu dem andern.</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      So geht die Welt nun. Es gibt allerwegen<br>
      Unglücks genug – Ein Ruffi ist gegangen<br>
      Im Glarner Land und eine ganze Seite<br>
      Vom Glärnisch eingesunken.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Wanken auch<br>
      Die Berge selbst? Es steht nichts fest auf Erden.</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Auch anderswo vernimmt man Wunderdinge.<br>
      Da sprach ich einen, der von Baden kam.<br>
      Ein Ritter wollte zu dem König reiten,<br>
      Und unterwegs begegnet ihm ein Schwarm<br>
      Von Hornissen, die fallen auf sein Ross,<br>
      Dass es für Marter tot zu Boden sinkt,<br>
      Und er zu Fuße ankommt bei dem König.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Dem Schwachen ist sein Stachel auch gegeben.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Armgard</span> kommt mit mehreren Kindern und stellt sich an den Eingang des Hohlwegs.</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Man deutet's auf ein großes Landesunglück,<br>
      Auf schwere Taten wider die Natur.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Dergleichen Taten bringet jeder Tag,<br>
      Kein Wunderzeichen braucht sie zu verkünden.</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Ja, wohl dem, der sein Feld bestellt in Ruh,<br>
      Und ungekränkt daheim sitzt bei den Seinen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben,<br>
      Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.</p>
<p class="center"><span class="regie">Tell sieht oft mit unruhiger Erwartung nach der Höhe des Weges.</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Gehabt Euch wohl – Ihr wartet hier auf jemand?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Das tu ich.</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Frohe Heimkehr zu den Euren!<br>
      – Ihr seid aus Uri? Unser gnäd'ger Herr<br>
      Der Landvogt wird noch heut von dort erwartet.</p>
<p><span class="speaker">Wanderer</span><span class="regie">kommt:</span><br>
      Den Vogt erwartet heut nicht mehr. Die Wasser<br>
      Sind ausgetreten von dem grossen Regen,<br>
      Und alle Brücken hat der Strom zerrissen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Tell steht auf.</span></p>
<p><span class="speaker">Armgard</span><span class="regie">kommt vorwärts:</span><br>
      Der Landvogt kommt nicht!</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Sucht Ihr was an ihn?</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Ach freilich!</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Warum stellet Ihr Euch denn<br>
      In dieser hohlen Gass ihm in den Weg?</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Hier weicht er mir nicht aus, er muss mich hören.</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span><span class="regie">kommt eilfertig den Hohlweg herab, und ruft in die Szene:</span><br>
      Man fahre aus dem Weg – Mein gnäd'ger Herr<br>
      Der Landvogt kommt dicht hinter mir geritten.</p>
<p class="center"><span class="regie">Tell geht ab.</span></p>
<p><span class="speaker">Armgard</span><span class="regie">lebhaft:</span><br>
      Der Landvogt kommt!</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie geht mit ihren Kindern nach der vordern Szene. Gessler und Rudolf der Harras zeigen sich zu Pferd auf der Höhe des Wegs.</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span><span class="regie">zum Friesshardt:</span><br>
      Wie kamt ihr durch das Wasser,<br>
      Da doch der Strom die Brücken fortgeführt?</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Wir haben mit dem See gefochten, Freund,<br>
      Und fürchten uns vor keinem Alpenwasser.</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Ihr wart zu Schiff in dem gewalt'gen Sturm?</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Das waren wir. Mein Lebtag denk ich dran –</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      O bleibt, erzählt!</p>
<p><span class="speaker">Friesshardt</span>:<br>
      Lasst mich, ich muss voraus,<br>
      Den Landvogt muss ich in der Burg verkünden. <span class="regie">(Ab.)</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Wärn gute Leute auf dem Schiff gewesen,<br>
      In Grund gesunken wär's mit Mann und Maus,<br><i>Dem</i> Volk kann weder Wasser bei noch Feuer.</p>
<p class="center"><span class="regie">Er sieht sich um.</span></p>
<p class="leftmarg">Wo kam der Weidmann hin, mit dem ich sprach?</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht ab.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Gessler</span> und <span class="speaker">Rudolf der Harras</span> zu Pferd.</span></p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Sagt was Ihr wollt, ich bin des Kaisers Diener<br>
      Und muss drauf denken, wie ich ihm gefalle.<br>
      Er hat mich nicht ins Land geschickt, dem Volk<br>
      Zu schmeicheln und ihm sanft zu tun – Gehorsam<br>
      Erwartet er, der Streit ist, ob der Bauer<br>
      Soll Herr sein in dem Lande oder der Kaiser.</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Jetzt ist der Augenblick! Jetzt bring ich's an!</p>
<p class="center"><span class="regie">Nähert sich furchtsam.</span></p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Ich hab den Hut nicht aufgesteckt zu Altdorf<br>
      Des Scherzes wegen, oder um die Herzen<br>
      Des Volks zu prüfen, diese kenn ich längst.<br>
      Ich hab ihn aufgesteckt, dass sie den Nacken<br>
      Mir lernen beugen, den sie aufrecht tragen –<br>
      Das <i>Unbequeme</i> hab ich hingepflanzt<br>
      Auf ihren Weg, wo sie vorbeigehn müssen,<br>
      Dass sie drauf stoßen mit dem Aug, und sich<br>
      Erinnern ihres Herrn, den sie vergessen.</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Das Volk hat aber doch gewisse Rechte –</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Die abzuwägen ist jetzt keine Zeit<br>
      – Weitschicht'ge Dinge sind am Werk und Werden,<br>
      Das Kaiserhaus will wachsen, was der Vater<br>
      Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden.<br>
      Dies kleine Volk ist uns ein Stein im Weg –<br>
      So oder so – Es muss sich unterwerfen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie wollen vorüber. Die Frau wirft sich vor dem Landvogt nieder.</span></p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Barmherzigkeit, Herr Landvogt! Gnade! Gnade!</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Was dringt Ihr Euch auf offner Straße mir<br>
      In Weg – Zurück!</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Mein Mann liegt im Gefängnis,<br>
      Die armen Waisen schrein nach Brot – Habt Mitleid<br>
      Gestrenger Herr, mit unserm grossen Elend.</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Wer seid Ihr? Wer ist Euer Mann?</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Ein armer<br>
      Wildheuer, guter Herr, vom Rigiberge,<br>
      Der überm Abgrund weg das freie Gras<br>
      Abmähet von den schroffen Felsenwänden,<br>
      Wohin das Vieh sich nicht getraut zu steigen –</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span><span class="regie">zum Landvogt:</span><br>
      Bei Gott, ein elend und erbärmlich Leben!<br>
      Ich bitt' Euch, gebt ihn los den armen Mann,<br>
      Was er auch Schweres mag verschuldet haben,<br>
      Strafe genug ist sein entsetzlich Handwerk.</p>
<p class="center"><span class="regie">Zu der Frau:</span></p>
<p class="leftmarg">Euch soll Recht werden – Drinnen auf der Burg<br>
      Nennt Eure Bitte – Hier ist nicht der Ort.</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Nein, nein, ich weiche nicht von diesem Platz,<br>
      Bis mir der Vogt den Mann zurückgegeben!<br>
      Schon in den sechsten Mond liegt er im Turm,<br>
      Und harret auf den Richterspruch vergebens.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Weib, wollt Ihr mir Gewalt antun, hinweg.</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Gerechtigkeit, Landvogt! Du bist der Richter<br>
      Im Lande an des Kaisers Statt und Gottes.<br>
      Tu deine Pflicht! So du Gerechtigkeit<br>
      Vom Himmel hoffest, so erzeig sie uns.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Fort, schafft das freche Volk mir aus den Augen.</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span><span class="regie">greift in die Zügel des Pferdes:</span><br>
      Nein, nein, ich habe nichts mehr zu verlieren.<br>
      – Du kommst nicht von der Stelle, Vogt, bis du<br>
      Mir Recht gesprochen – Falte deine Stirne,<br>
      Rolle die Augen wie du willst – Wir sind<br>
      So grenzenlos unglücklich, dass wir nichts<br>
      Nach deinem Zorn mehr fragen –</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Weib, mach Platz,<br>
      Oder mein Ross geht über dich hinweg.</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Lass es über mich dahingehn – da –</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie reißt ihre Kinder zu Boden und wirft sich mit ihnen ihm in den Weg.</span></p>
<p class="leftmarg">Hier lieg ich<br>
      Mit meinen Kindern – Lass die armen Waisen<br>
      Von deines Pferdes Huf zertreten werden,<br>
      Es ist das Ärgste nicht, was du getan –</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Weib, seid Ihr rasend?</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span><span class="regie">heftiger fortfahrend:</span><br>
      Tratest du doch längst<br>
      Das Land des Kaisers unter deine Füße!<br>
      – O ich bin nur ein Weib! Wär' ich ein Mann,<br>
      Ich wüsste wohl was Besseres, als hier<br>
      Im Staub zu liegen –</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört die vorige Musik wieder auf der Höhe des Wegs, aber gedämpft.</span></p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Wo sind meine Knechte?<br>
      Man reiße sie von hinnen oder ich<br>
      Vergesse mich und tue was mich reuet.</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Die Knechte können nicht hindurch, o Herr,<br>
      Der Hohlweg ist gesperrt durch eine Hochzeit.</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Ein allzu milder Herrscher bin ich noch<br>
      Gegen dies Volk – die Zungen sind noch frei,<br>
      Es ist noch nicht ganz wie es soll gebändigt –<br>
      Doch es soll anders werden, ich gelob' es,<br>
      Ich will ihn brechen diesen starren Sinn,<br>
      Den kecken Geist der Freiheit will ich beugen.<br>
      Ein neu Gesetz will ich in diesen Landen<br>
      Verkünden – Ich will –</p>
<p class="center"><span class="regie">Ein Pfeil durchbohrt ihn, er fährt mit der Hand ans Herz und will sinken. Mit matter Stimme:</span></p>
<p class="leftmarg">Gott sei mir gnädig!</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Herr Landvogt – Gott was ist das? Woher kam das?</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span><span class="regie">auffahrend:</span><br>
      Mord! Mord! Er taumelt, sinkt! Er ist getroffen!<br>
      Mitten ins Herz hat ihn der Pfeil getroffen!</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span><span class="regie">springt vom Pferde:</span><br>
      Welch grässliches Ereignis – Gott – Herr Ritter –<br>
      Ruft die Erbarmung Gottes an – Ihr seid<br>
      Ein Mann des Todes! –</p>
<p><span class="speaker">Gessler</span>:<br>
      Das ist Tells Geschoss.</p>
<p class="center"><span class="regie">Ist vom Pferde herab dem Rudolf Harras in den Arm gegleitet und wird auf der Bank niedergelassen.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">erscheint oben auf der Höhe des Felsen:</span><br>
      Du kennst den Schützen, suche keinen andern!<br>
      Frei sind die Hütten, sicher ist die Unschuld<br>
      Vor dir, du wirst dem Lande nicht mehr schaden.</p>
<p class="center"><span class="regie">Verschwindet von der Höhe. Volk stürzt herein.</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span><span class="regie">voran:</span><br>
      Was gibt es hier? Was hat sich zugetragen?</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Der Landvogt ist von einem Pfeil durchschossen.</p>
<p><span class="speaker">Volk</span><span class="regie">im Hereinstürzen:</span><br>
      Wer ist erschossen?</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem die vordersten von dem Brautzug auf die Szene kommen, sind die hintersten noch auf der Höhe, und die Musik geht fort.</span></p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Er verblutet sich.<br>
      Fort, schaffet Hilfe! Setzt dem Mörder nach!<br>
      – Verlorner Mann, so muss es mit dir enden,<br>
      Doch meine Warnung wolltest du nicht hören!</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Bei Gott! da liegt er bleich und ohne Leben!</p>
<p><span class="speaker">Viele Stimmen</span>:<br>
      Wer hat die Tat getan?</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Rast dieses Volk,<br>
      Dass es dem Mord Musik macht? Lasst sie schweigen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Musik bricht plötzlich ab, es kommt noch mehr Volk nach.</span></p>
<p class="leftmarg">Herr Landvogt, redet, wenn Ihr könnt – Habt Ihr<br>
      Mir nichts mehr zu vertraun?</p>
<p class="center"><span class="regie">Gessler gibt Zeichen mit der Hand, die er mit Heftigkeit wiederholt, da sie nicht gleich verstanden werden.</span></p>
<p class="leftmarg">Wo soll ich hin?<br>
      – Nach Küssnacht? – Ich versteh Euch nicht – O werdet<br>
      Nicht ungeduldig – Lasst das Irdische,<br>
      Denkt jetzt, Euch mit dem Himmel zu versöhnen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Die ganze Hochzeitsgesellschaft umsteht den Sterbenden mit einem fühllosen Grausen.</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Sieh wie er bleich wird – Jetzt, jetzt tritt der Tod<br>
      Ihm an das Herz – die Augen sind gebrochen.</p>
<p><span class="speaker">Armgard</span><span class="regie">hebt ein Kind empor:</span><br>
      Seht Kinder, wie ein Wüterich verscheidet!</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Wahnsinn'ge Weiber, habt ihr kein Gefühl,<br>
      Dass ihr den Blick an diesem Schrecknis weidet?<br>
      – Helft – Leget Hand an – Steht mir niemand bei,<br>
      Den Schmerzenspfeil ihm aus der Brust zu ziehn?</p>
<p><span class="speaker">Weiber</span><span class="regie">treten zurück:</span><br>
      Wir ihn berühren, welchen Gott geschlagen!</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Fluch treff euch und Verdammnis!</p>
<p class="center"><span class="regie">Zieht das Schwert.</span></p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span><span class="regie">fällt ihm in den Arm:</span><br>
      Wagt es Herr!<br>
      Eur Walten hat ein Ende. Der Tyrann<br>
      Des Landes ist gefallen. Wir erdulden<br>
      Keine Gewalt mehr. Wir sind freie Menschen.</p>
<p><span class="speaker">Alle</span><span class="regie">tumultuarisch:</span><br>
      Das Land ist frei!</p>
<p><span class="speaker">Rudolf der Harras</span>:<br>
      Ist es dahin gekommen?<br>
      Endet die Furcht so schnell und der Gehorsam?</p>
<p class="center"><span class="regie">Zu den Waffenknechten, die hereindringen:</span></p>
<p class="leftmarg">Ihr seht die grausenvolle Tat des Mords<br>
      Die hier geschehen – Hülfe ist umsonst –<br>
      Vergeblich ist's, dem Mörder nachzusetzen.<br>
      Uns drängen andre Sorgen – Auf, nach Küssnacht,<br>
      Dass wir dem Kaiser seine Feste retten!<br>
      Denn aufgelöst in diesem Augenblick<br>
      Sind aller Ordnung, aller Pflichten Bande,<br>
      Und keines Mannes Treu ist zu vertrauen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem er mit den Waffenknechten abgeht, erscheinen <span class="speaker">sechs Barmherzige Brüder</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Armgard</span>:<br>
      Platz! Platz! da kommen die Barmherz'gen Brüder.</p>
<p><span class="speaker">Stüssi</span>:<br>
      Das Opfer liegt – Die Raben steigen nieder.</p>
<p><span class="speaker">Barmherzige Brüder</span><span class="regie">schließen einen Halbkreis um den Toten und singen in tiefem Ton:</span><br>
      Rasch tritt der Tod den Menschen an,<br>
          Es ist ihm keine Frist gegeben,<br>
      Es stürzt ihn mitten in der Bahn,<br>
          Es reisst ihn fort vom vollen Leben,<br>
      Bereitet oder nicht, zu gehen,<br>
      Er muss vor seinen Richter stehen!</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem die letzten Zeilen wiederholt werden, fällt der Vorhang.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell51">
<h2>Fünfter Aufzug</h2>
<h3>Erste Szene</h3>
<p class="stage">Oeffentlicher Platz bei Altdorf: Im Hintergrunde rechts die Feste Zwing Uri mit dem noch stehenden Baugerüste, wie in der dritten Szene des ersten Aufzugs; links eine Aussicht in viele Berge hinein, auf welchen allen Signalfeuer brennen. Es ist eben Tagesanbruch, Glocken ertönen aus verschiedenen Fernen. –</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Ruodi, Kuoni, Werni, Meister Steinmetz</span> und viele andere Landleute, auch <span class="speaker">Weiber</span> und <span class="speaker">Kinder</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Seht ihr die Feuersignale auf den Bergen?</p>
<p><span class="speaker">Steinmetz</span>:<br>
      Hört ihr die Glocken drüben überm Wald?</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Die Feinde sind verjagt.</p>
<p><span class="speaker">Steinmetz</span>:<br>
      Die Burgen sind erobert.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Und wir im Lande Uri dulden noch<br>
      Auf unserm Boden das Tyrannenschloss?<br>
      Sind wir die letzten, die sich frei erklären?</p>
<p><span class="speaker">Steinmetz</span>:<br>
      Das Joch soll stehen, das uns zwingen wollte?<br>
      Auf, reisst es nieder!</p>
<p><span class="speaker">Alle</span>:<br>
      Nieder! Nieder! Nieder!</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Wo ist der Stier von Uri?</p>
<p><span class="speaker">Stier von Uri</span>:<br>
      Hier. Was soll ich?</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Steigt auf die Hochwacht, blast in Euer Horn,<br>
      Dass es weitschmetternd in die Berge schalle,<br>
      Und jedes Echo in den Felsenklüften<br>
      Aufweckend, schnell die Männer des Gebirgs<br>
      Zusammenrufe.</p>
<p class="center"><span class="regie">Stier von Uri geht ab. <span class="speaker">Walther Fürst</span> kommt.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Haltet Freunde! Haltet!<br>
      Noch fehlt uns Kunde was in Unterwalden<br>
      Und Schwyz geschehen. Lasst uns Boten erst<br>
      Erwarten.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Was erwarten? Der Tyrann<br>
      Ist tot, der Tag der Freiheit ist erschienen.</p>
<p><span class="speaker">Steinmetz</span>:<br>
      Ist's nicht genug an diesen flammenden Boten,<br>
      Die ringsherum auf allen Bergen leuchten?</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Kommt alle, kommt, legt Hand an, Männer und Weiber!<br>
      Brecht das Gerüste! Sprengt die Bogen! Reißt<br>
      Die Mauern ein! Kein Stein bleib' auf dem andern.</p>
<p><span class="speaker">Steinmetz</span>:<br>
      Gesellen kommt! Wir haben's aufgebaut,<br>
      Wir wissen's zu zerstören.</p>
<p><span class="speaker">Alle</span>:<br>
      Kommt! Reißt nieder.</p>
<p class="center"><span class="regie">Sie stürzen sich von allen Seiten auf den Bau.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Es ist im Lauf. Ich kann sie nicht mehr halten.</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Melchtal</span> und <span class="speaker">Baumgarten</span> kommen.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Was? Steht die Burg noch und Schloss Sarnen liegt<br>
      In Asche und der Rossberg ist gebrochen?</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Seid Ihr es Melchtal? Bringt Ihr uns die Freiheit?<br>
      Sagt! Sind die Lande alle rein vom Feind?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span><span class="regie">umarmt ihn:</span><br>
      Rein ist der Boden. Freut Euch, alter Vater!<br>
      In diesem Augenblicke, da wir reden,<br>
      Ist kein Tyrann mehr in der Schweizer Land.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      O sprecht, wie wurdet ihr der Burgen mächtig?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Der Rudenz war es, der das Sarner Schloss<br>
      Mit männlich kühner Wagetat gewann,<br>
      Den Rossberg hatt' ich nachts zuvor erstiegen.<br>
      – Doch höret, was geschah. Als wir das Schloss<br>
      Vom Feind geleert, nun freudig angezündet,<br>
      Die Flamme prasselnd schon zum Himmel schlug,<br>
      Da stürzt der Diethelm, Gesslers Bub, hervor,<br>
      Und ruft, dass die Bruneckerin verbrenne.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Gerechter Gott!</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört die Balken des Gerüstes stürzen.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Sie war es selbst, war heimlich<br>
      Hier eingeschlossen auf des Vogts Geheiß.<br>
      Rasend erhub sich Rudenz – denn wir hörten<br>
      Die Balken schon, die festen Pfosten stürzen,<br>
      Und aus dem Rauch hervor den Jammerruf<br>
      – Der Unglückseligen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Sie ist gerettet?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Da galt Geschwindsein und Entschlossenheit!<br>
      – Wär er <i>nur</i> unser Edelmann gewesen,<br>
      Wir hätten unser Leben wohl geliebt,<br>
      Doch er war unser Eidgenoss und Berta<br>
      Ehrte das Volk – So setzten wir getrost<br>
      Das Leben dran, und stürzten in das Feuer.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Sie ist gerettet?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Sie ist's. Rudenz und ich,<br>
      Wir trugen sie selbander aus den Flammen,<br>
      Und hinter uns fiel krachend das Gebälk.<br>
      – Und jetzt, als sie gerettet sich erkannte,<br>
      Die Augen aufschlug zu dem Himmelslicht,<br>
      Jetzt stürzte mir der Freiherr an das Herz,<br>
      Und schweigend ward ein Bündnis jetzt beschworen,<br>
      Das fest gehärtet in des Feuers Glut<br>
      Bestehen wird in allen Schicksalsproben –</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wo ist der Landenberg?</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Über den Brünig.<br>
      Nicht lag's an mir, dass er das Licht der Augen<br>
      Davontrug, der den Vater mir geblendet.<br>
      Nach jagt' ich ihm, erreicht' ihn auf der Flucht,<br>
      Und riss ihn zu den Füßen meines Vaters.<br>
      Geschwungen über ihm war schon das Schwert,<br>
      Von der Barmherzigkeit des blinden Greises<br>
      Erhielt er flehend das Geschenk des Lebens.<br><i>Urfehde</i> schwur er, nie zurückzukehren,<br>
      Er wird sie halten, unsern Arm hat er<br>
      Gefühlt.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wohl Euch, dass Ihr den reinen Sieg<br>
      Mit Blute nicht geschändet!</p>
<p><span class="speaker">Kinder</span><span class="regie">eilen mit Trümmern des Gerüstes über die Szene:</span><br>
      Freiheit! Freiheit!</p>
<p class="center"><span class="regie">Das Horn von Uri wird mit Macht geblasen.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Seht welch ein Fest! Des Tages werden sich<br>
      Die Kinder spät als Greise noch erinnern.</p>
<p class="center"><span class="regie">Mädchen bringen den Hut auf der Stange getragen, die ganze Szene füllt sich mit Volk an.</span></p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Hier ist der Hut, dem wir uns beugen mussten.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Gebt uns Bescheid, was damit werden soll.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Gott! Unter diesem Hute stand mein Enkel!</p>
<p><span class="speaker">Mehrere Stimmen</span>:<br>
      Zerstört das Denkmal der Tyrannenmacht!<br>
      Ins Feuer mit ihm!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Nein, lasst ihn aufbewahren!<br>
      Der Tyrannei musst' er zum Werkzeug dienen,<br>
      Er soll der Freiheit ewig Zeichen sein!</p>
<p class="center"><span class="regie">Die Landleute, Männer, Weiber und Kinder stehen und sitzen auf den Balken des zerbrochenen Gerüstes malerisch gruppiert in einem grossen Halbkreis umher.</span></p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      So stehen wir nun fröhlich auf den Trümmern<br>
      Der Tyrannei, und herrlich ist's erfüllt,<br>
      Was wir im Rütli schwuren, Eidgenossen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Das Werk ist angefangen, nicht vollendet.<br>
      Jetzt ist uns Mut und feste Eintracht not,<br>
      Denn seid gewiss, nicht säumen wird der König,<br>
      Den Tod zu rächen seines Vogts, und den<br>
      Vertriebnen mit Gewalt zurückzuführen.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Er zieh heran mit seiner Heeresmacht,<br>
      Ist aus dem Innern doch der Feind verjagt,<br>
      Dem Feind von außen wollen wir begegnen.</p>
<p><span class="speaker">Ruodi</span>:<br>
      Nur wen'ge Pässe öffnen ihm das Land,<br>
      Die wollen wir mit unsern Leibern decken.</p>
<p><span class="speaker">Baumgarten</span>:<br>
      Wir sind vereinigt durch ein ewig Band,<br>
      Und seine Heere sollen uns nicht schrecken!</p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Rösselmann</span> und <span class="speaker">Stauffacher</span> kommen.</span></p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span><span class="regie">im Eintreten:</span><br>
      Das sind des Himmels furchtbare Gerichte.</p>
<p><span class="speaker">Landleute</span>:<br>
      Was gibt's?</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      In welchen Zeiten leben wir!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Sagt an, was ist es? – Ha, seid Ihr's Herr Werner?<br>
      Was bringt Ihr uns?</p>
<p><span class="speaker">Landleute</span>:<br>
      Was gibt's?</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Hört und erstaunet!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Von einer grossen Furcht sind wir befreit –</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Der Kaiser ist ermordet.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Gnäd'ger Gott!</p>
<p class="center"><span class="regie">Landleute machen einen Aufstand und umdrängen den Stauffacher.</span></p>
<p><span class="speaker">Alle</span>:<br>
      Ermordet! Was! Der Kaiser! Hört! Der Kaiser!</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Nicht möglich! Woher kam Euch diese Kunde?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Es ist gewiss. Bei Bruck fiel König Albrecht<br>
      Durch Mördershand – ein glaubenwerter Mann,<br><i>Johannes Müller</i> bracht' es von Schaffhausen.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wer wagte solche grauenvolle Tat?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Sie wird noch grauenvoller durch den Täter.<br>
      Es war sein Neffe, seines Bruders Kind,<br>
      Herzog Johann von Schwaben, der's vollbrachte.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Was trieb ihn zu der Tat des Vatermords?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Der Kaiser hielt das väterliche Erbe<br>
      Dem ungeduldig Mahnenden zurück,<br>
      Es hieß, er denk' ihn ganz darum zu kürzen,<br>
      Mit einem Bischofshut ihn abzufinden.<br>
      Wie dem auch sei – der Jüngling öffnete<br>
      Der Waffenfreunde bösem Rat sein Ohr,<br>
      Und mit den edlen Herrn von <i>Eschenbach</i>,<br>
      Von <i>Tegerfelden</i>, von der <i>Wart</i> und <i>Palm</i>,<br>
      Beschloss er, da er Recht nicht konnte finden,<br>
      Sich <i>Rach'</i> zu holen mit der eignen Hand.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      O sprecht, wie ward das Grässliche vollendet?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Der König ritt herab vom Stein zu Baden,<br>
      Gen Rheinfeld, wo die Hofstatt war, zu ziehn,<br>
      Mit ihm die Fürsten, <i>Hans</i> und <i>Leopold</i>,<br>
      Und ein Gefolge hochgeborner Herren.<br>
      Und als sie kamen an die Reuss, wo man<br>
      Auf einer Fähre sich lässt übersetzen,<br>
      Da drängten sich die Mörder in das Schiff,<br>
      Dass sie den Kaiser vom Gefolge trennten.<br>
      Drauf als der Fürst durch ein geackert Feld<br>
      Hinreitet – eine alte große Stadt<br>
      Soll drunter liegen aus der Heiden Zeit –<br>
      Die alte Feste Habsburg im Gesicht,<br>
      Wo seines Stammes Hoheit ausgegangen –<br>
      Stößt Herzog Hans den Dolch ihm in die Kehle,<br>
      Rudolf von Palm durchtrennt ihn mit dem Speer,<br>
      Und Eschenbach zerspaltet ihm das Haupt,<br>
      Dass er heruntersinkt in seinem Blut,<br>
      Gemordet von den Seinen, <i>auf</i> dem Seinen.<br>
      Am andern Ufer sahen sie die Tat,<br>
      Doch durch den Strom geschieden, konnten sie<br>
      Nur ein ohnmächtig Wehgeschrei erheben;<br>
      Am Wege aber saß ein armes Weib,<br>
      In ihrem Schoß verblutete der Kaiser.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      So hat er nur sein frühes Grab gegraben,<br>
      Der unersättlich alles wollte haben!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Ein ungeheurer Schrecken ist im Land umher,<br>
      Gesperrt sind alle Pässe des Gebirgs,<br>
      Jedweder Stand verwahret seine Grenzen,<br>
      Die alte Zürich selbst schloss ihre Tore,<br>
      Die dreißig Jahr lang offenstanden, zu,<br>
      Die Mörder fürchtend und noch mehr – die Rächer.<br>
      Denn mit des Bannes Fluch bewaffnet kommt<br>
      Der Ungarn Königin, die strenge Agnes,<br>
      Die nicht die Milde kennet ihres zarten<br>
      Geschlechts, des Vaters königliches Blut<br>
      Zu rächen an der Mörder ganzem Stamm,<br>
      An ihren Knechten, Kindern, Kindeskindern,<br>
      Ja an den Steinen ihrer Schlösser selbst.<br>
      Geschworen hat sie, ganze Zeugungen<br>
      Hinabzusenden in des Vaters Grab,<br>
      In Blut sich wie in Maientau zu baden.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Weiß man, wo sich die Mörder hingeflüchtet?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Sie flohen alsbald nach vollbrachter Tat<br>
      Auf fünf verschiednen Straßen auseinander,<br>
      Und trennten sich, um nie sich mehr zu sehn –<br>
      Herzog Johann soll irren im Gebirge.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      So trägt die Untat ihnen keine Frucht!<br>
      Rache trägt keine Frucht! Sich selbst ist sie<br>
      Die fürchterliche Nahrung, ihr Genuss<br>
      Ist Mord, und ihre Sättigung das Grausen.</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Den Mördern bringt die Untat nicht Gewinn,<br><i>Wir</i> aber brechen mit der reinen Hand<br>
      Des blut'gen Frevels segenvolle Frucht.<br>
      Denn einer großen Furcht sind wir entledigt,<br>
      Gefallen ist der Freiheit größter Feind,<br>
      Und, wie verlautet, wird das Zepter gehn<br>
      Aus Habsburgs Haus zu einem andern Stamm,<br>
      Das Reich will seine Wahlfreiheit behaupten.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Mehrere</span>:<br>
      Vernahmt Ihr was?</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Der Graf von Luxemburg<br>
      Ist von den mehrsten Stimmen schon bezeichnet.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wohl uns, dass wir beim Reiche treu gehalten,<br>
      Jetzt ist zu hoffen auf Gerechtigkeit!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Dem neuen Herrn tun tapfre Freunde not,<br>
      Er wird uns schirmen gegen Oestreichs Rache.</p>
<p class="center"><span class="regie">Die Landleute umarmen einander.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Sigrist</span> mit einem <span class="speaker">Reichsboten</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Sigrist</span>:<br>
      Hier sind des Landes würd'ge Oberhäupter.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span><span class="regie">und</span><span class="speaker">Mehrere</span>:<br>
      Sigrist, was gibt's?</p>
<p><span class="speaker">Sigrist</span>:<br>
      Ein Reichsbot bringt dies Schreiben.</p>
<p><span class="speaker">Alle</span><span class="regie">zu Walther Fürst:</span><br>
      Erbrecht und leset.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">liest:</span><br>
      »Den bescheidnen Männern<br>
      Von Uri, Schwyz und Unterwalden bietet<br>
      Die Königin Elsbeth Gnad und alles Gutes.«</p>
<p><span class="speaker">Viele Stimmen</span>:<br>
      Was will die Königin? Ihr Reich ist aus.</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">liest:</span><br>
      »In ihrem grossen Schmerz und Witwenleid<br>
      Worein der blut'ge Hinscheid ihres Herrn<br>
      Die Königin versetzt, gedenkt sie noch<br>
      Der alten Treu und Lieb der Schwytzerlande.«</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      In ihrem Glück hat sie das nie getan.</p>
<p><span class="speaker">Rösselmann</span>:<br>
      Still! Lasset hören!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span><span class="regie">liest:</span><br>
      »Und sie versieht sich zu dem treuen Volk,<br>
      Dass es gerechten Abscheu werde tragen<br>
      Vor den verfluchten Tätern dieser Tat.<br>
      Darum erwartet sie von den drei Landen,<br>
      Dass sie den Mördern nimmer Vorschub tun,<br>
      Vielmehr getreulich dazu helfen werden,<br>
      Sie auszuliefern in des Rächers Hand,<br>
      Der Lieb gedenkend und der alten Gunst,<br>
      Die sie von Rudolfs Fürstenhaus empfangen.«</p>
<p class="center"><span class="regie">Zeichen des Unwillens unter den Landleuten.</span></p>
<p><span class="speaker">Viele Stimmen</span>:<br>
      Der Lieb und Gunst!</p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span>:<br>
      Wir haben Gunst empfangen von dem Vater,<br>
      Doch wessen rühmen wir uns von dem Sohn?<br>
      Hat er den Brief der Freiheit uns bestätigt,<br>
      Wie <i>vor</i> ihm alle Kaiser doch getan?<br>
      Hat er gerichtet nach gerechtem Spruch,<br>
      Und der bedrängten Unschuld Schutz verliehn?<br>
      Hat er auch nur die Boten wollen hören,<br>
      Die wir in unsrer Angst zu ihm gesendet?<br>
      Nicht eins von diesem allen hat der König<br>
      An uns getan und hätten wir nicht selbst<br>
      Uns Recht verschafft mit eigner mut'ger Hand,<br>
      Ihn rührte unsre Not nicht an – Ihm Dank?<br>
      Nicht Dank hat er gesät in diesen Tälern.<br>
      Er stand auf einem hohen Platz, er konnte<br>
      Ein Vater seiner Völker sein, doch ihm<br>
      Gefiel es, nur zu sorgen für die Seinen,<br>
      Die er gemehrt hat, mögen um ihn weinen!</p>
<p><span class="speaker">Walther Fürst</span>:<br>
      Wir wollen nicht frohlocken seines Falls,<br>
      Nicht des empfangnen Bösen <i>jetzt</i> gedenken,<br>
      Fern sei's von uns! Doch, dass wir <i>rächen</i> sollten<br>
      Des Königs Tod, der nie uns Gutes tat,<br>
      Und die verfolgen, die uns nie betrübten,<br>
      Das ziemt uns nicht und will uns nicht gebühren.<br>
      Die Liebe will ein freies Opfer sein,<br>
      Der Tod entbindet von erzwungnen Pflichten,<br>
      – Ihm haben wir nichts weiter zu entrichten.</p>
<p><span class="speaker">Melchtal</span>:<br>
      Und weint die Königin in ihrer Kammer,<br>
      Und klagt ihr wilder Schmerz den Himmel an,<br>
      So seht ihr hier ein angstbefreites Volk<br>
      Zu ebendiesem Himmel dankend flehen –<br>
      Wer Tränen ernten will, muss Liebe säen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Reichsbote geht ab.</span></p>
<p><span class="speaker">Stauffacher</span><span class="regie">zu dem Volk:</span><br>
      Wo ist der Tell? Soll er allein uns fehlen,<br>
      Der unsrer Freiheit Stifter ist? Das Größte<br>
      Hat <i>er</i> getan, das Härteste erduldet,<br>
      Kommt alle, kommt, nach seinem Haus zu wallen,<br>
      Und rufet Heil dem Retter von uns allen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Alle gehen ab.</span></p>
</div>
<div class="chapter" id="tell52">
<h3>Zweite Szene</h3>
<p class="center"><span class="regie">Tells Hausflur. Ein Feuer brennt auf dem Herd. Die offenstehende Türe zeigt ins Freie.</span></p>
<p class="center"><span class="regie"><span class="speaker">Hedwig. Walther</span> und <span class="speaker">Wilhelm</span>.</span></p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Heut kommt der Vater. Kinder, liebe Kinder!<br>
      Er lebt, ist frei, und wir sind frei und alles!<br>
      Und euer Vater ist's, der's Land gerettet.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Und ich bin auch dabeigewesen, Mutter!<br>
      Mich muss man auch mit nennen. Vaters Pfeil<br>
      Ging mir am Leben hart vorbei und ich<br>
      Hab' nicht gezittert.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">umarmt ihn:</span><br>
      Ja du bist mir wieder<br>
      Gegeben! Zweimal hab' ich dich geboren!<br>
      Zweimal litt ich den Mutterschmerz um dich!<br>
      Es ist vorbei – Ich hab euch beide, beide!<br>
      Und heute kommt der liebe Vater wieder!</p>
<p class="center"><span class="regie">Ein Mönch erscheint an der Haustüre.</span></p>
<p><span class="speaker">Wilhelm</span>:<br>
      Sieh, Mutter, sieh – dort steht ein frommer Bruder,<br>
      Gewiss wird er um eine Gabe flehn.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Führ in herein, damit wir ihn erquicken,<br>
      Er fühl's, dass er ins Freudenhaus gekommen.</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht hinein und kommt bald mit einem Becher wieder.</span></p>
<p><span class="speaker">Wilhelm</span><span class="regie">zum Mönch:</span><br>
      Kommt, guter Mann. Die Mutter will Euch laben.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Kommt, ruht Euch aus und geht gestärkt von dannen.</p>
<p><span class="speaker">Mönch</span><span class="regie">scheu umherblickend, mit zerstörten Zügen:</span><br>
      Wo bin ich? Saget an, in welchem Lande?</p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Seid Ihr verirret, dass Ihr das nicht wisst?<br>
      Ihr seid zu Bürglen, Herr, im Lande Uri,<br>
      Wo man hineingeht in das Schächental.</p>
<p><span class="speaker">Mönch</span><span class="regie">zur Hedwig, welche zurückkommt:</span><br>
      Seid Ihr allein? Ist Euer Herr zu Hause?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Ich erwart' ihn eben – doch was ist Euch, Mann?<br>
      Ihr seht nicht aus, als ob Ihr Gutes brächtet.<br>
      – Wer Ihr auch seid, Ihr seid bedürftig, nehmt!</p>
<p class="center"><span class="regie">Reicht ihm den Becher.</span></p>
<p><span class="speaker">Mönch</span>:<br>
      Wie auch mein lechzend Herz nach Labung schmachtet,<br>
      Nichts rühr ich an, bis Ihr mir zugesagt –</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Berührt mein Kleid nicht, tretet mir nicht nah,<br>
      Bleibt ferne stehn, wenn ich Euch hören soll.</p>
<p><span class="speaker">Mönch</span>:<br>
      Bei diesem Feuer, das hier gastlich lodert,<br>
      Bei Eurer Kinder teurem Haupt, das ich<br>
      Umfasse – <span class="regie">Ergreift die Knaben.</span></p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Mann, was sinnet Ihr? Zurück<br>
      Von meinen Kindern! – Ihr seid kein Mönch! Ihr seid<br>
      Es nicht! Der Friede wohnt in diesem Kleide,<br>
      In Euren Zügen wohnt der Friede nicht.</p>
<p><span class="speaker">Mönch</span>:<br>
      Ich bin der unglückseligste der Menschen.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Das Unglück spricht gewaltig zu dem Herzen,<br>
      Doch Euer Blick schnürt mir das Innre zu.</p>
<p><span class="speaker">Walther</span><span class="regie">aufspringend:</span><br>
      Mutter, der Vater! <span class="regie">Eilt hinaus.</span></p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      O mein Gott!</p>
<p class="center"><span class="regie">Will nach, zittert und hält sich an.</span></p>
<p><span class="speaker">Wilhelm</span><span class="regie">eilt nach:</span><br>
      Der Vater!</p>
<p><span class="speaker">Walther</span><span class="regie">draußen:</span><br>
      Da bist du wieder!</p>
<p><span class="speaker">Wilhelm</span><span class="regie">draußen:</span><br>
      Vater, lieber Vater!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">draußen:</span><br>
      Da bin ich wieder – Wo ist eure Mutter?</p>
<p class="center"><span class="regie">Treten herein.</span></p>
<p><span class="speaker">Walther</span>:<br>
      Da steht sie an der Tür und kann nicht weiter,<br>
      So zittert sie für Schrecken und für Freude.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      O Hedwig, Hedwig! Mutter meiner Kinder!<br>
      Gott hat geholfen – Uns trennt kein Tyrann mehr.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">an seinem Halse:</span><br>
      O Tell! Tell! Welche Angst litt ich um dich!</p>
<p class="center"><span class="regie">Mönch wird aufmerksam.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Vergiss sie jetzt und lebe nur der Freude!<br>
      Da bin ich wieder! Das ist meine Hütte!<br>
      Ich stehe wieder auf dem Meinigen!</p>
<p><span class="speaker">Wilhelm</span>:<br>
      Wo aber hast du deine Armbrust Vater?<br>
      Ich seh' sie nicht.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Du wirst sie nie mehr sehn.<br>
      An heil'ger Stätte ist sie aufbewahrt,<br>
      Sie wird hinfort zu keiner Jagd mehr dienen.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      O Tell! Tell!</p>
<p class="center"><span class="regie">Tritt zurück, lässt seine Hand los.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Was erschreckt dich, liebes Weib?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Wie – wie kommst du mir wieder? – Diese Hand<br>
      – Darf ich sie fassen? – Diese Hand – O Gott!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">herzlich und mutig:</span><br>
      Hat euch verteidigt und das Land gerettet,<br>
      Ich darf sie frei hinauf zum Himmel heben.</p>
<p class="center"><span class="regie">Mönch macht eine rasche Bewegung, er erblickt ihn.</span></p>
<p class="leftmarg">Wer ist der Bruder hier?</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Ach ich vergaß ihn!<br>
      Sprich du mit ihm, mir graut in seiner Nähe.</p>
<p><span class="speaker">Mönch</span><span class="regie">tritt näher:</span><br>
      Seid Ihr der Tell, durch den der Landvogt fiel?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Der bin ich, ich verberg' es keinem Menschen.</p>
<p><span class="speaker">Mönch</span>:<br>
      Ihr seid der Tell! Ach es ist Gottes Hand,<br>
      Die unter Euer Dach mich hat geführt.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">misst ihn mit den Augen:</span><br>
      Ihr seid kein Mönch! Wer seid Ihr?</p>
<p><span class="speaker">Mönch</span>:<br>
      Ihr erschlugt<br>
      Den Landvogt, der Euch Böses tat – Auch ich<br>
      Hab' einen Feind erschlagen, der mir Recht<br>
      Versagte – Er war Euer Feind wie meiner –<br>
      Ich hab' das Land von ihm befreit.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">zurückfahrend:</span><br>
      Ihr seid –<br>
      Entsetzen! – Kinder! Kinder geht hinein.<br>
      Geh liebes Weib! Geh! Geh! – Unglücklicher,<br>
      Ihr wäret –</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Gott, wer ist es?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Frage nicht!<br>
      Fort! Fort! Die Kinder dürfen es nicht hören.<br>
      Geh aus dem Hause – Weit hinweg – Du darfst<br>
      Nicht unter einem Dach mit diesem wohnen.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Weh mir, was ist das? Kommt!</p>
<p class="center"><span class="regie">Geht mit den Kindern.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">zu dem Mönch:</span><br>
      Ihr seid der Herzog<br>
      Von Österreich – Ihr seid's! Ihr habt den Kaiser<br>
      Erschlagen, Euern Ohm und Herrn.</p>
<p><span class="speaker">Johannes Parricida</span>:<br>
      Er war<br>
      Der Räuber meines Erbes.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Euren Ohm<br>
      Erschlagen, Euern Kaiser! Und Euch trägt<br>
      Die Erde noch! Euch leuchtet noch die Sonne!</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Tell hört mich, eh Ihr –</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Von dem Blute triefend<br>
      Des Vatermordes und des Kaisermords,<br>
      Wagst du zu treten in mein reines Haus,<br>
      Du wagst's, dein Antlitz einem guten Menschen<br>
      Zu zeigen und das Gastrecht zu begehren?</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Bei Euch hofft' ich Barmherzigkeit zu finden,<br>
      Auch Ihr nahmt Rach' an Euerm Feind.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Unglücklicher!<br>
      Darfst du der Ehrsucht blut'ge Schuld vermengen<br>
      Mit der gerechten Notwehr eines Vaters?<br>
      Hast du der Kinder liebes Haupt verteidigt?<br>
      Des Herdes Heiligtum beschützt? das Schrecklichste,<br>
      Das Letzte von den Deinen abgewehrt?<br>
      – Zum Himmel heb' ich meine reinen Hände,<br>
      Verfluche dich und deine Tat – Gerächt<br>
      Hab ich die heilige Natur, die <i>du</i><br>
      Geschändet – Nichts teil' ich mit dir – Gemordet<br>
      Hast <i>du</i>, ich hab mein Teuerstes verteidigt.</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Ihr stoßt mich von Euch, trostlos, in Verzweiflung?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Mich fasst ein Grausen, da ich mit dir rede.<br>
      Fort! Wandle deine fürchterliche Straße,<br>
      Lass rein die Hütte, wo die Unschuld wohnt.</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span><span class="regie">wendet sich zu gehn:</span><br>
      So <i>kann</i> ich, und so <i>will</i> ich nicht mehr leben!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Und doch erbarmt mich deiner – Gott des Himmels!<br>
      So jung, von solchem adelichen Stamm,<br>
      Der Enkel Rudolfs, meines Herrn und Kaisers,<br>
      Als Mörder flüchtig, hier an meiner Schwelle,<br>
      Des armen Mannes, flehend und verzweifelnd –</p>
<p class="center"><span class="regie">Verhüllt sich das Gesicht.</span></p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      O wenn Ihr weinen könnt, lasst mein Geschick<br>
      Euch jammern, es ist fürchterlich – Ich bin<br>
      Ein Fürst – ich <i>war's</i> – ich konnte glücklich werden<br>
      Wenn ich der Wünsche Ungeduld bezwang.<br>
      Der Neid zernagte mir das Herz – Ich sah<br>
      Die Jugend meines Vetters Leopold<br>
      Gekrönt mit Ehre und mit Land belohnt,<br>
      Und mich, der gleiches Alters mit ihm war,<br>
      In sklavischer Unmündigkeit gehalten –</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Unglücklicher, wohl kannte dich dein Ohm,<br>
      Da er dir Land und Leute weigerte!<br>
      Du selbst mit rascher wilder Wahnsinnstat<br>
      Rechtfertigst furchtbar seinen weisen Schluss.<br>
      – Wo sind die blut'gen Helfer deines Mords?</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Wohin die Rachegeister sie geführt,<br>
      Ich sah sie seit der Unglückstat nicht wieder.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Weißt du, dass dich die Acht verfolgt, dass du<br>
      Dem Freund verboten und dem Feind erlaubt?</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Darum vermeid ich alle offne Straßen,<br>
      An keine Hütte wag' ich anzupochen –<br>
      Der Wüste kehr ich meine Schritte zu,<br>
      Mein eignes Schrecknis irr' ich durch die Berge,<br>
      Und fahre schaudernd vor mir selbst zurück,<br>
      Zeigt mir ein Bach mein unglückselig Bild.<br>
      O wenn Ihr Mitleid fühlt und Menschlichkeit –</p>
<p class="center"><span class="regie">Fällt vor ihm nieder.</span></p>
<p><span class="speaker">Tell</span><span class="regie">abgewendet:</span><br>
      Steht auf! Steht auf!</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Nicht bis Ihr mir die Hand gereicht zur Hülfe.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Kann ich Euch helfen? Kann's ein Mensch der Sünde?<br>
      Doch stehet auf – Was Ihr auch Grässliches<br>
      Verübt – Ihr seid ein Mensch – Ich bin es auch –<br>
      Vom Tell soll keiner ungetröstet scheiden –<br>
      Was ich vermag, das will ich tun.</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span><span class="regie">aufspringend und seine Hand mit Heftigkeit ergreifend:</span><br>
      O Tell!<br>
      Ihr rettet meine Seele von Verzweiflung.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Lasst meine Hand los – Ihr müsst fort. Hier könnt<br>
      Ihr unentdeckt nicht bleiben, könnt entdeckt<br>
      Auf Schutz nicht rechnen – Wo gedenkt Ihr hin?<br>
      Wo hofft Ihr Ruh zu finden?</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Weiß ich's? Ach!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Hört was mir Gott ins Herz gibt – Ihr müsst fort<br>
      Ins Land Italien, nach Sankt Peters Stadt,<br>
      Dort werft Ihr Euch dem Papst zu Füßen, beichtet<br>
      Ihm Eure Schuld und löset Eure Seele.</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Wird er mich nicht dem Rächer überliefern?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Was er Euch tut, das nehmet an von Gott.</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Wie komm ich in das unbekannte Land?<br>
      Ich bin des Wegs nicht kundig, wage nicht<br>
      Zu Wanderern die Schritte zu gesellen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Den Weg will ich Euch nennen, merket wohl!<br>
      Ihr steigt hinauf, dem Strom der <i>Reuss</i> entgegen,<br>
      Die wildes Laufes von dem Berge stürzt –</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span><span class="regie">erschrickt:</span><br>
      Seh ich die Reuss? Sie floss bei meiner Tat.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Am Abgrund geht der Weg und viele <i>Kreuze</i><br>
      Bezeichnen ihn, errichtet zum Gedächtnis<br>
      Der Wanderer, die die Lawine begraben.</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      Ich fürchte nicht die Schrecken der Natur,<br>
      Wenn ich des Herzens wilde Qualen zähme.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Vor jedem Kreuze fallet hin und büßet<br>
      Mit heißen Reuetränen Eure Schuld –<br>
      Und seid Ihr glücklich durch die Schreckensstraße,<br>
      Sendet der Berg nicht seine Windeswehen<br>
      Auf Euch herab von dem beeisten Joch,<br>
      So kommt Ihr auf die <i>Brücke</i>, welche <i>stäubet</i>.<br>
      Wenn sie nicht einbricht unter Eurer Schuld,<br>
      Wenn Ihr sie glücklich hinter Euch gelassen,<br>
      So reisst ein schwarzes <i>Felsentor</i> sich auf,<br>
      Kein Tag hat's noch erhellt – da geht Ihr durch,<br>
      Es führt Euch in ein heitres <i>Tal</i> der Freude –<br>
      Doch schnellen Schritts müsst Ihr vorübereilen,<br>
      Ihr dürft nicht weilen, wo die Ruhe wohnt.</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span>:<br>
      O Rudolf! Rudolf! Königlicher Ahn!<br>
      So zieht dein Enkel ein auf deines Reiches Boden!</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      So immer steigend kommt Ihr auf die Höhen<br>
      Des <i>Gotthards</i>. wo die ew'gen <i>Seen</i> sind,<br>
      Die von des Himmels Strömen selbst sich füllen.<br>
      Dort nehmt Ihr Abschied von der deutschen Erde,<br>
      Und muntern Laufs führt Euch ein andrer Strom<br>
      Ins Land Italien hinab, Euch das gelobte –</p>
<p class="center"><span class="regie">Man hört den Kuhreihen von vielen Alphörnern geblasen.</span></p>
<p class="leftmarg">Ich höre Stimmen. Fort.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span><span class="regie">eilt herein:</span><br>
      Wo bist du Tell?<br>
      Der Vater kommt! Es nahn in frohem Zug<br>
      Die Eidgenossen alle –</p>
<p><span class="speaker">Parricida</span><span class="regie">verhüllt sich:</span><br>
      Wehe mir!<br>
      Ich darf nicht weilen bei den Glücklichen.</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Geh liebes Weib. Erfrische diesen Mann,<br>
      Belad ihn reich mit Gaben, denn sein Weg<br>
      Ist weit und keine Herberg findet er.<br>
      Eile! Sie nahn.</p>
<p><span class="speaker">Hedwig</span>:<br>
      Wer ist es?</p>
<p><span class="speaker">Tell</span>:<br>
      Forsche nicht!<br>
      Und wenn er geht, so wende deine Augen,<br>
      Dass sie nicht sehen, welchen Weg er wandelt!</p>
<p class="stage">Parricida geht auf den Tell zu mit einer raschen Bewegung, dieser aber bedeutet ihn mit der Hand und geht. Wenn beide zu verschiedenen Seiten abgegangen, verändert sich der Schauplatz, und man sieht in der</p>
<h3>Letzten Szene</h3>
<p class="stage">den ganzen Talgrund vor Tells Wohnung, nebst den Anhöhen, welche ihn einschließen, mit Landleuten besetzt, welche sich zu einem Ganzen gruppieren. Andere kommen über einen hohen Steg, der über den Schächen führt, gezogen. Walther Fürst mit den beiden Knaben, Melchtal und Stauffacher kommen vorwärts, andre drängen nach; wie Tell heraustritt, empfangen ihn alle mit lautem Frohlocken.</p>
<p><span class="speaker">Alle</span>:<br>
      Es lebe Tell! der Schütz und der Erretter!</p>
<p class="stage">Indem sich die vordersten um den Tell drängen und ihn umarmen, erscheinen noch <span class="speaker">Rudenz</span> und <span class="speaker">Berta</span>, jener die Landleute, diese die Hedwig umarmend. Die Musik vom Berge begleitet diese stumme Szene. Wenn sie geendigt, tritt Berta in die Mitte des Volks.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Landleute! Eidgenossen! Nehmt mich auf<br>
      In euern Bund, die erste Glückliche,<br>
      Die Schutz gefunden in der Freiheit Land.<br>
      In eure tapfre Hand leg ich mein Recht,<br>
      Wollt ihr als eure Bürgerin mich schützen?</p>
<p><span class="speaker">Landleute</span>:<br>
      Das wollen wir mit Gut und Blut.</p>
<p><span class="speaker">Berta</span>:<br>
      Wohlan!<br>
      So reich ich diesem Jüngling meine Rechte,<br>
      Die freie Schweizerin dem freien Mann!</p>
<p><span class="speaker">Rudenz</span>:<br>
      Und frei erklär ich alle meine Knechte.</p>
<p class="center"><span class="regie">Indem die Musik von neuem rasch einfällt, fällt der Vorhang.</span></p>