Szenario oder Realität?

  • 2015: Die Online-Akademie „Udacity“ hat über 3 Millionen Kursteilnehmer_Innen in über 120 Ländern. Die Bevölkerung wird langsam auf die Auflösung des Zertifizierungsmonopols der staatlichen Institutionen vorbereitet.
  • 2020: Studien-Abschlüsse der Online-Universitäten werden auch ohne die Vergabe von ECTS-Leistungspunkten weltweit von Firmen akzeptiert. Rufe nach virtuellen Schulen werden lauter. MOOC-Ersteller lassen sich MOOCs von staatlichen Universitäten teuer bezahlen.
  • 2025: Qualifizierte Lehrkräfte und talentierte SuS werden (ab dem 6. Lebensjahr) von zahlungskräftigen, privaten Bildungsinstitutionen abgeworben. Staatlich organisierte Schulabschlüsse genießen weniger Anerkennung als Online-Abschlüsse. Eine gute (Aus-)Bildung können sich nur wenige Menschen leisten.
  • 2030: Die künstliche ist der menschlichen Intelligenz überlegen. Computer bzw. Roboter übernehmen immer mehr Teile der Wissensbildung von Menschen. Lehrer_Innen-Stellen werden wegrationalisiert. „Materielle Schulen“ werden geschlossen.
  • 2035: Privatunternehmen übernehmen mit Supercomputern den Bildungsauftrag auch in Deutschland. Das Kultusministerium stellt seine Arbeit ganz ein.

Die Angst vor kostenpflichtiger Bildung ist real.

Wir lassen Gelegenheiten aus, welche wir vermutlich bereuen werden. Wenn wir nicht einschreiten, wird die Bildung auch in Deutschland wieder kostenpflichtig werden. Die MOOC-Portale vor allem der USA machen es vor, wie es geht. Sie brechen das Zertifizierungsmonopol der Staaten. Bald wird ein online erworbenes (kostenpflichtiges) Zertifikat von Elite-Firmen wichtiger sein, als ein staatlich anerkannter Abschluss.

Die Angst vor der Auflösung des Zertifizierungsmonopols ist real.

Die praktische Umsetzung eines Bildungsdiskurses in einem digitalen System strebt eine hohe Informationsqualität bei maximalem Innovationspotential an. Häufig sind Online-Diskussionen geprägt von Uneinheitlichkeit, Divergenzen, Polarisierungen, dogmatischen und performativen Widersprüchen. Sie hemmen durch ihre Begrenzungen im Zugang, dem Mangel an Intermedialität und unzureichende IQ-Entwicklungsmöglichkeiten. Es fehlt an einer direkteren demokratischen Beteiligung und an Transparenz im offenen Diskurs.


Anhand der DQ-Kriterien wurden Standards formuliert und Online-Portale im Hinblick auf den digitalen Diskurs kritisch analysiert.

In der Kombination von Redaktionsseiten, Expert_Innen-Foren und Open Space Netzwerken wird ein Weg gesehen, die Vorteile unterschiedlicher Seitentypen zu vereinen und die Nachteile zu minimieren. Die wesentlichsten Voraussetzungen für dieses Vorhaben sind die Herrschaftsberücksichtigung, die Dauerevaluation, eine Reputationsausweisung unter Anonymitätsoption und vor allem die strukturierte Einbindung von internen und externen Expert_Innen.

In der Verknüpfung von Web 1.0 mit Web 2.0 liegt die Innovation dieser Plattform. Der Kurzfilmkanon schlägt eine Brücke zwischen

  • offenen, innovativen aber unstrukturierten, unwissenschaftlichen Crowdsourcing-Seiten (Open Space Ebene);
  • qualitativ hochwertigen, aber häufig abgeschlossenen Expert_Innen-Foren

(Expert_Innen-Ebene) und

  • klar strukturierten, aber starren Redaktionsseiten (Redaktionsebene).

Die Ebenen werden auf einer Plattform verbunden, damit die jeweiligen Vorteile genutzt werden können. Der Kurzfilmkanon.de beinhaltet neben Informationen über Kurzfilme auch verschiedene interaktive Bausteine. Dazu gehören u.a. (Dauer-) Feedback- und Evaluationsmöglichkeiten, Unterrichtsangebote sowie Anregungen zur Eigenproduktion.


Das durchlässige Diskurssystem durchbricht bestehende hierarchische Strukturen durch den Einsatz einer digitalen „Quorumsmembran“. Bestehende Reputationsgrenzen können so aufgebrochen werden und lassen eine Beitrags- und Talentförderung zu. Ermöglicht wird dies durch den Einsatz einer multimedialen Kommunikationsbox (Addbox) und dem umfangreichen Einsatz von Bildungsfiltern. Kurzfilmkanon.de wurde durch einen Kurzfilmwettbewerb für Studierende, aber auch für SuS bekannt gemacht. Die Entwicklung der Rahmenbedingungen für eine digitale Diskurskultur kann exemplarisch für den Bildungssektor sein.

In der Entstehungszeit dieser Arbeit haben sich ständig Neuerungen der technischen Möglichkeiten ergeben. Die Grundbedingungen für diesen Themenbereich haben sich durch die rasante Entwicklung in der digitalen Welt grundlegend geändert. Es sind neue Möglichkeiten für den Diskurs, den Kurzfilm und die Bildung entstanden. Der Kurzfilm wird für die Bildung immer entscheidender werden. Mit dem Smartphone haben User nicht nur zu jeder Zeit an jedem beliebigen Ort Zugriff auf unzählige Filme, sondern können auch in jeder Lebenssituation selbst neue Kurzfilme produzieren und mit der Welt teilen. Beinahe jeden Tag stehen für diese Arbeit relevante Themen in den Schlagzeilen: Einfluss auf diese Arbeit hatten sowohl aktuelle Themen wie die NSA- und Datenskandale, Schwarmintelligenz-Studien, Computer im Unterricht, Smartphone, Smart Home, Smart City, Smart Wearables, Film-Stream-Plattformen, Weiterentwicklungen der Netzwerke, dem Breitband, neue Applikationen oder Extensions, ausgeklügelte Synchronisierungsverfahren, der massive Einstieg der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender ins Netz, Entwicklung der Online-Universitäten als auch Fortschritte in extrem ausgefallenen Nischenbereichen.

Forschungsergebnisse wurden durch die Auswertung öffentlich zugänglicher Expert_Innen-Interviews (vor allem in Videoform) ergänzt. Dabei wurde immer wieder festgestellt, dass viele dieser Entwicklungen kritisch zu betrachten sind und nicht selten unsere Demokratie in den Grundfesten erschüttern. Das Sammeln der persönlichen Daten unterschiedlicher Institutionen ist hierfür nur ein Beispiel. Dem muss entgegengewirkt werden. Es liegen aber auch ungehobene Schätze für die Bildung in der digitalen Evolution. Es gilt einen Weg zu finden, der Verantwortung zulässt, Sicherheit bietet, aber vor allem aufgrund der entstehenden Ängste Bildungsinstitutionen und damit die beteiligten Menschen nicht in Stagnation verfallen lässt.

Der Diskurs ist die Methode der Demokratie. Von dieser These geht diese Arbeit aus. Ein strukturierter, systematischer digitaler Diskurs kann zu einer neuen Dimension der Bildung führen. Schwerpunkt der Arbeit ist aus diesem Grund neben der kommunikationswissenschaftlichen Einordnung des Diskurses und der Entwicklung einer exemplarischen digitalen Diskursplattform die Rückwirkung auf den Diskurs in der Bildung im Allgemeinen. Aufgrund der Fortschritte im Bildungsbereich, insbesondere der Sonderrolle des Kurzfilms in einem MOOC (Massive Open Online Course), wurde eine zusätzliche Ausführung (Kapitel 5) notwendig, welche keinen theoretischen, sondern einen ganz praktischen, realistischen Ausblick auf ein zukünftiges Online-Schuldiskursportal bietet. Mit dem auf Media-Wiki basierenden „MOOCit.de“ wird ein Übergang vorgestellt, der die reellen Bedingungen berücksichtigt und sich den aktuellen Entwicklungen stellen kann. Durch die Öffnung des Bildungsplans können Konzepte wie das „Blended Learning“ oder das „Flipped Classroom“ (Inverted Classroom) eine fortschrittliche Erweiterung zum bisherigen Unterricht bieten. Die Neugier ermöglichenden und Interesse fördernden Kontaktmöglichkeiten, die verantwortungsbewusste und reputationsgebundene neue Anonymität, lebenslaufdienliche Anreize, die relevanten, transparenten Entscheidungen und das Anerkennungspotenzial im Austausch können Basis-Elemente einer digitalen Schuldiskurskultur sein und dazu beitragen das Bildungssystem in Deutschland zu revolutionieren.

Die heranwachsende Generation muss auf die modernen Entwicklungen vorbereitet werden. Wenn wir nicht im Informationsdschungel untergehen oder kostenpflichtige Bildung wollen, müssen anspruchsvolle, kommerzunabhängige, digitale Diskursmöglichkeiten für die Bildung entstehen. Bund und Länder, insbesondere die Kultusministerien, können es sich nicht mehr leisten, sich dem digitalen Diskurs zu verweigern. Diskurs ist nicht nur ein wissenschaftliches Konzept. Der Diskurs ermöglicht demokratische Prozesse. Der Film ist in diesem Zusammenhang nicht allein ein „Kunstmedium“, sondern ein für alle Bildungsinhalte relevanter Kommunikationsgegenstand der durchdrungen werden muss. Filmbildung ist heute ein wesentliches Mittel zur (Selbst-) Bildung.