Vorgehen bei Vertragsstörungen: die Nicht-rechtzeitig-Lieferung



Situation

Die Möbel Bauer GmbH hat am 20. März bei der SchöneMöbel AG 15 Regale der Sorte "Bücherfreund" bestellt. Die vereinbarte Lieferfrist war vier Wochen nach dem Eingang der Bestellung. Am 30. April stellt die Möbel Bauer GmbH jedoch fest, dass die bestellten Regale noch nicht eingetroffen sind. Herr Otten, der Einkaufssachbearbeiter der Möbel Bauer GmbH, erfährt durch eine telefonische Rückfrage bei der SchöneMöbel AG, dass die Regale aufgrund einer produktionsbedingten Störung erst in zwei Wochen geliefert werden können. Herr Otten besteht auf der sofortigen Lieferung und teilt dies dem Lieferer telefonisch und schriftlich mit.

Was sind eigentlich die Voraussetzungen für eine Nicht-rechtzeitig-Lieferung (oder auch Lieferungsverzug) und welche Rechte hat die Möbel Bauer GmbH?

Voraussetzungen der Nicht-rechtzeitig-Lieferung

Im Kaufvertrag hat sich der Lieferer dazu verpflichtet, die bestellten Waren termingerecht zu liefern. Unter folgenden Voraussetzungen befindet sich der Lieferer im Lieferungsverzug (Schuldner- oder Leistungsverzug).

Möglichkeit der Leistung

Die Nicht-rechtzeitig-Lieferung (Lieferungsverzug) ist eine nur vorübergehende Leistungsstörung. Daher ist die Nachholbarkeit grundsätzlich noch möglich. Sofern also die Nachholbarkeit der Leistung nicht mehr möglich ist, liegt auch kein Lieferungsverzug vor, sondern eine Unmöglichkeit der Leistung. Der Anspruch auf Leistungserfüllung ist dann ausgeschlossen (§275 (1) BGB). Liegt etwa als Ursache für die verspätete Lieferung höhere Gewalt (Brand, Sturm, Erdbeben, Krieg, Hochwasser, Streik) vor, gerät der Lieferer somit nicht in Lieferungsverzug.

Fälligkeit der Lieferung

Mit der Fälligkeit der Lieferung ist der Zeitpunkt gemeint, ab dem der Käufer eine Lieferung verlangen kann. Wurde gar keine Vereinbarung über einen Lieferzeitpunkt getroffen, kann der Käufer die Lieferung sofort verlangen.

Wurde für den Liefertermin kein genauer Kalendertag bestimmt, wird eine Mahnung durch den Käufer beim Verkäufer erforderlich. Erst durch diese Mahnung des Käufers mit kalendermäßiger Bestimmung des Lieferungsverzuges gerät der Lieferer dann in Verzug. (Lesen Sie hierzu §286 BGB)

  • Beispiele: Lieferung ab Mitte April, Lieferung ab Anfang Juli, sofortige Lieferung, sobald als möglich, Lieferung frühestens 20. Mai, Lieferung ab 30. Juli

Wurde der Liefertermin kalendermäßig genau vereinbart, dann ist eine Mahnung des Käufers NICHT erforderlich.

  • Beispiele: Lieferung am 30. August, Lieferung zwischen dem 6. und 12. Mai, Lieferung 10. Juni.. fix.

Auch in einigen anderen Fällen ist eine Mahnung durch den Käufer NICHT erforderlich:

  • bei Selbstinverzugsetzung, d.h. der Verkäufer erklärt ausdrücklich seine ernsthafte und endgültige Verweigerung der geschuldeten Leistung, wenn er nicht liefern kann oder will
  • bei einem Fixkauf oder Zweckkauf, d.h. eine verspätete Lieferung hat für den Käufer keinen Sinn mehr, er hat dann kein Interesse mehr an der Lieferung, da ihr Zweck durch die Verspätung weggefallen ist (etwa bei Weihnachtsartikeln nach Weihnachten)
  • bei eilbedürftigen Pflichten (bspw. eine Reparatur nach einem Wasserrohrbruch)
  • bei der Möglichkeit der genauen Berechnung der Lieferung aufgrund eines vorangegangenen Ereignisses (bspw. Lieferung innerhalb von 14 Tagen nach Bestelldatum)

Verschulden des Lieferers

Ein Verschulden des Lieferers liegt dann vor, wenn der Lieferer selbst oder sein Erfüllungsgehilfe vorsätzlich oder fahrlässig (§276 (2) BGB) handelt. Das Verschulden des Lieferers ist nur beim Stückkauf erforderlich. Liferungsverzögerungen aufgrund der bereits genannten höheren Gewalt hat der Verkäufer nicht zu vertreten.

Multiple-Choice

Entscheiden Sie jeweils, ob bei den gegebenen Beispielen ein Verschulden des Lieferers vorliegt.

Die SchöneMöbel AG hat eine Bestellung von der Möbel Bauer GmbH erhalten. Der Sachbearbeiter der SchöneMöbel AG vergisst die Bestellung. Dadurch versäumt der Lieferer den vereinbarten Liefertermin. (Ja) (!Nein)

Durch einen Blitzschlag im Lager der SchöneMöbel AG wurde ein Brand verursacht. Dieser hat die versandfertige Ware zerstört, die daher nicht geliefert werden kann. (!Ja) (Nein)

Die SchöneMöbel AG (als Verkäufer) hat sich nicht rechtzeitig mit den benötigten Materialien zur Produktion eingedeckt. Jetzt kann sie deshalb nicht termingerecht an die Möbel Bauer GmbH liefern. (Ja) (!Nein)



Zu beachten: Nach dem Eintritt des Lieferungsverzugs haftet der Verkäufer - unabhängig von einem Verschulden - für Vorsatz, Fahrlässigkeit und für Zufall.

Zusammenfassung: Ein Schuldner gerät mit seiner geschuldeten Leistung dann in Verzug, wenn er trotz Mahnung (sofern erforderlich) nicht oder nicht rechtzeitig leistet, obwohl diese Leistung möglich ist und er die Nichtleistung oder die zu späte Lieferung verschuldet hat. Der Lieferungsverzug ist ein Schuldnerverzug.

Kleiner Wissenscheck zu den Voraussetzungen der Nicht-rechtzeitig-Lieferung

Memory
Finden Sie die Paare der zusammengehörigen Aussagen und / oder Begriffe. Eine mit "?" gekennzeichnete Frage gehört zu genau einer mit "!" gekennzeichneten Antwort.

Die Unmöglichkeit der Leistung bedeutet ? Die Leistung kann nicht mehr nachgeholt werden !
Brand, Erdbeben oder Streik gelten als ? Höhere Gewalt !
Die Fälligkeit der Lieferung bedeutet ? Der Käufer kann die Lieferung verlangen !
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist ! § 286 Der Mahnung bedarf es nicht, wenn...?
Selbstinverzugsetzung ! Erklärt der Verkäufer die Verweigerung der geschuldeten Leistung heißt das?
Durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlungsweise entsteht ein? Verschulden des Lieferers !
Fixkauf oder Zweckkauf bedeutet? Eine verspätete Lieferung ist für den Käufer sinnlos !
Eine Mahnung des Käufers ist erforderlich bedeutet? Für den Liefertermin wurde kein genauer Kalendertag bestimmt !
Der Lieferungsverzug ist eingetreten, also? haftet der Verkäufer für Vorsatz, Fahrlässigkeit, Zufall !

...

Rechte des Käufers bei der Nicht-rechtzeitig-Lieferung

Kommt es zu einem Lieferungsverzug so hat der Käufer daraufhin unterschiedliche Rechte. Diese hängen davon ab, ob der Käufer dem Lieferer eine angemessene Nachfrist setzt oder nicht. Angemessen ist eine Nachfrist dann, wenn für den Lieferer die Möglichkeit besteht, die Lieferung nachzuholen, ohne dass er die Ware selbst beschaffen oder anfertigen muss.

Gibt es keine Nachfristsetzung, hat der Käufer folgende Rechte:

  • Er kann die Lieferung verlangen und damit auf die Vertragserfüllung bestehen ODER
  • Er kann die Lieferung und Schadenersatz wegen verspäteter Lieferung (=Verzögerungsschaden) verlangen. Voraussetzung hierfür ist eine Mahnung und das Verschulden des Verkäufers.

Nach Ablauf einer angemessenen Nachfristsetzung hat der Käufer folgende Rechte:

  • Er kann die Lieferung ablehnen und vom Vertrag zurücktreten. Dies ist unabhängig vom Verschulden des Verkäufers möglich, bspw. wenn die gleiche Ware inzwischen bei einem anderen Lieferer günstiger zu beschaffen ist. (Lesen Sie dazu auch §323 BGB.)
  • Zusätzlich kann der Käufer Schadenersatz statt der Leistung (=Nichterfüllungsschaden) verlangen, sofern ein Verschulden des Verkäufers vorliegt (§325 BGB). Der Käufer hat dann keinen Anspruch mehr auf die Lieferung.
  • Anstelle von "Schadenersatz statt der Leistung" kann der Käufer den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen (§284 BGB). Diese müssen angemessen sein und nachgwiesen werden.

Die Nachfristsetzung entfällt beim

  • Selbstinverzugsetzen des Lieferers,
  • Zweckkauf,
  • Fixkauf.

Im Falle des Fixkaufs (§376 HGB) ergibt sich der Verzug des Lieferers automatisch mit Überschreiten des Liefertermins. Ohne Nachfristsetzung hat der Käufer dann das Recht,

  • vom Vetrag sofort zurückzutreten ODER
  • auf der Lieferung zu bestehen (sofern der Käufer dies dem Lieferer unverzüglich mitteilt) ODER
  • Schadenersatz statt der Leistung zu verlangen (sofern ein Verschulden des Verkäufers vorliegt).

Verlangt der Käufer Schadenersatz, so muss dieser Schaden ermittelt werden. Dabei muss der Käufer dem Lieferer den Schaden durch eine Schadensberechnung nachweisen. Zur Schadensberechnung gibt es verschiedene Vorgehensweisen.

  • Konkrete Schadensberechnung bei einem tatsächlichen Schaden: Als Ersatz für die nicht gelieferte Ware tätigt der Käufer einen anderweitigen Einkauf (Deckungskauf) bei einem anderen Lieferer. Durch den Mehrpreis für die Waren im Vergleich zum Vertragspreis ergibt sich der Schaden.
  • Abstrakte Schadenberechnung für einen angenommenen Schaden: Der unter normalen Umständen zu erwartende, so aber entgangene Gewinn kann als Schaden vom Käufer geltend gemacht werden. Die Ermittlung eines solchen Schadens erweist sich jedoch als schwierig, da entgangener Gewinn nur schwer nachzuweisen ist. Zur Vermeidung dieser Problematik wird daher die dritte Vorgehensweise genutzt.
  • Vereinbarung einer Konventionalstrafe: Zwischen Käufer und Lieferer wird diese Vertragsstrafe vereinbart, die der Lieferer im Verzugsfall zu zahlen hat, auch bei geringerem Schaden. In der Regel hinterlegt der Lieferer die als Vertragsstrafe vereinbaret Geldsumme bei einer Bank. Im Verzugsfall erfolgt dann die Auszahlung.

Kleiner Wissenscheck zu den Rechten des Käufers bei Nicht-rechtzeitig-Lieferung

Um das Kreuzworträtsel zu füllen, drücken Sie mit der Maus auf ein Feld mit einer Zahl, dann erscheint ein Eingabedialog mit der Frage und der Eingabemöglichkeit.

Nachfristsetzung Ohne sie hat der Käufer das Recht, die Lieferung zu verlangen.
Aufwendungen Der § 284 BGB behandelt den Ersatz vergeblicher ...
Vertragserfüllung Langjährige gute Geschäftsbeziehungen mit dem Verkäufer könnten trotz Lieferungsverzug ein Grund sein für das Bestehen auf ...
Schadenersatz Kosten für Mehraufwendungen oder ein entgangener Gewinn sind mögliche Gründe für das Fordern von ...
Konventionalstrafe Käufer und Lieferer vereinbaren sie im Vertrag für den Fall der Notwendigkeit einer abstrakten Schadenberechnung.
Nacherfüllung Nach § 323 BGB ist dem Schuldner vom Gläubiger eine angemessene Frist zur Leistung oder ... zu bestimmen.
Deckungskauf Eine konkrete Schadensberechnung kann erfolgen, wenn der Käufer bspw. einen ... bei einem anderen Lieferer tätigt.
Fixkauf Der Verzug des Lieferers ergibt sich automatisch mit Überschreiten des Liefertermins bei einem ...

...

Zurück zur Ausgangssituation

Betrachten Sie erneut die Ausgangssituation und entscheiden Sie auf Basis der nun erarbeiteten Informationen, wenn Sie die folgenden Fragen beantworten. Markieren Sie hierbei alle richtigen Antworten.

Die SchöneMöbel AG hat eine Bestellung von der Möbel Bauer GmbH an einem bestimmten Datum erhalten. Zudem ist eine feste Lieferfrist vereinbart worden. (!Nach §286 bedarf es einer Mahnung.) (Der Leistung ist ein bestimmtes Ereingis vorausgegangen.) (Die Leistung lässt sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen.)

Die Möbel Bauer GmbH setzt der SchöneMöbel AG KEINE Nachfrist. (Als Käufer hat sie das Recht, die Lieferung zu verlangen.) (!Da der Lieferer die Ware nicht selbst anfertigen muss, wäre eine Nachfrist angemessen.) (Herr Otten hätte das Recht, neben der Lieferung auch Schadenersatz wegen verspäteter Lieferung zu verlangen.)

Angenommen, der produktionsbedingte Schaden bei der SchöneMöbel AG ist auf ein Feuer zurückzuführen. (Aufgrund höherer Gewalt liegt dann kein Lieferungsverzug vor.) (!Der Lieferungsverzug ist auf ein fahrlässiges Handeln des Lieferers zurückzuführen.) (!Die Aussage der möglichen Lieferung in zwei Wochen stellt eine Selbstinverzugsetzung des Lieferers dar.)



Literaturverzeichnis

Die dargestellten Informationen sind den folgenden Quellen entnommen. Für einen besseren Lesefluss wurden sie nicht an jeder Stelle entsprechend gekennzeichnet.
Blank, A./Hahn, H./Meyer, H. (2016), Büromanagement Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement, 1. Ausbildungsjahr, 2. Auflage, Köln: Bildungsverlag EINS GmbH, S. 560ff.
Hug, H./Knauer, S./Lennartz, M./Speth, H. (2016): Büromanagement, Kaufmann/-frau für Büromanagement 1. 2. Auflage. Rinteln: Merkur Verlag, S.361ff.