Aktuelle Situation, Stand der Forschung, Forschungslücken, Notwendigkeit - Leseprobe - MOOC it! MOOCs für die Schule und das Studium

LESEPROBE: „MOOC it! MOOCs für die Schule und das Studium“.

„Ich setze voraus, dass in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird – und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine schwere und bedrohliche Materialität zu umgehen.“[17]


Link


Glanz, Udo; MOOC it! MOOCs für die Schule und das Studium: eBook bei Amazon oder Buchhandel.de


Aktuelle Situation

Liest man die Förderprogramme von Bildungsinstitutionen, dann möchte man denken, dass der Staat und das Land einiges unternehmen, um die digitale (Film-) Bildung zu fördern. Sieht man jedoch die weltweite Entwicklung der digitalen Möglichkeiten, so erscheinen diese Bemühungen als ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Bildungsauftrag wird im digitalen Bereich nicht ernsthaft wahrgenommen. Von „Stagnation in Bildungseinrichtungen“ zu reden ist eher noch schmeichelhaft formuliert.

Aktueller Stand an den Schulen und Mängel

Aktuell beschäftigen sich Schulen eher fragmentarisch mit Diskurs und mit digitalen Lösungen hierzu. Bei der „Operativ eigenständigen Schule“, dem OES-Prozess werden beispielsweise Qualitätsentwicklungen thematisiert, welche auch mit digitalen Medien zusammenhängen können. Die Nutzung z. B. des Moodle-Portals ist an manchen Schulen eine beliebte Ablage für PDFs. Die Nutzung weiterer digitaler Möglichkeiten wird aus unterschiedlichen – teilweise berechtigten – Bedenken nicht vorangetrieben. Von einer Auslagerung einer Unterrichtsdiskussion z. B. auf WhatsApp oder dergleichen ist abzuraten (wie in der Analyse der Online-Portale deutlich werden wird). Bildungsprojekte wie ein Klassen- oder Schul-Wiki sind eher Inselprojekte von engagierten Lehrkräften. Qualitativ hochwertige digitale Diskurse sind nicht vorgesehen. Die Wertschätzung für Online-Beiträge von SuS ist eine Ausnahme. Der Bildungsplan ist zwar offen formuliert, jedoch starr und eher als Zehn-Jahres-Plan statt als ein offen zu diskutierender Inhalt angelegt.

Wie zuvor dargelegt, wird die Notwendigkeit von den Expert_Innen (in diesem Fall von vielen Lehrkräften) erkannt. Es fehlt allerdings eine Idee oder eine konkrete Vorstellung davon, wie der Wandel in der Bildung aussehen könnte. Es fehlt ein Portal, welches sich als Ausgangspunkt für viele Bildungsprojekte versteht, ein E-Diskurssystem für die Bildung, welches es SuS, Eltern, Lehrkräften, der Schulleitung und den Verantwortlichen der Kultusministerien ermöglicht, angemessen über Bildungsinhalte an einem (virtuellen) Tisch zu diskutieren. Es fehlen noch Ideen, den betroffenen Personengruppen ihre Bildungsarbeit zukunftsgerecht zu ermöglichen. Es stellt sich weiter die Frage, ob mehrere private oder ein zentrales Bildungsdiskurs-Portal erfolgreich sein können? Können sowohl der Bildungsplan, als auch die Bildungsinhalte diskutiert und erlernbar gemacht werden? Kann der Diskurs als Oberbegriff für den Austausch, aber auch für das Lernen gesehen werden? Das Prinzip Internet beruht auf dem Geben und Nehmen in Communities. Ein Portal lebt von den Menschen, welche die Plattform nutzen. Diese müssen einen Mehrwert in dem Portal erkennen. Noch wichtiger als das Nehmen ist jedoch das Geben. Im Geben liegt eine potenzielle Anerkennung. Dieses Potenzial ist für die Neugier und die emotionalen Grundvoraussetzungen des (Online-) Lernens und der Selbst-Bildung wesentlicher, als unzählige trockene Wissensangebote. Wie kann diese Bedingung geschaffen werden? Eine wichtige Voraussetzung für einen funktionierenden Diskurs ist, dass alle etwas zu geben haben. Mit dem abstrakten Begriff „Bildungsplan“ kann kaum jemand etwas anfangen. Aber in einem bestimmten Fach, zu einem ganz bestimmten Thema, haben alle SuS anderen Interessierten etwas zu geben, da hier ihre Stärken – oft im Verborgenen – zu finden sind. Diese Schätze zu heben ist Aufgabe der Institution Schule. Das Instrumentarium dafür zur Verfügung zu stellen ist die Aufgabe der Kultusministerien.

Notwendigkeit

Mehr Demokratie. Mehr Mitbestimmung. Mehr Transparenz.


„Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ (Willy Brandt)


Dieser Satz von Willy Brandt wurde als Motto für seine Amtszeit ausgegeben, kann aber aufgrund mehrerer Ereignisse als gescheitert angesehen werden. Die Worte werden seit 1969 immer wieder zum Leben erweckt und dieses Vorhaben wird mehr oder minder ernsthaft in den unterschiedlichen Bereichen unseres Lebens angestrebt. Vor allem im Bereich Bildung wird diese Losung immer wieder ausgegeben, um junge Menschen auf das Staatssystem vorzubereiten. Obgleich die technischen Voraussetzungen heutzutage ungleich günstiger als im Jahre 1969 für die Umsetzung eines solchen Zieles sind, wurde doch nicht sehr viel in dieser Richtung gewagt.

Diese Arbeit geht nicht den Gründen der Verweigerung zu „mehr Demokratie“ nach, sondern beschreibt ein System, welches durch den digitalen Diskurs einen Weg für die Bildung vorzeichnet, der auf bisherigen Strukturen basiert, aber mehr Demokratie realisierbar machen könnte. „Wir sind keine Erwählten, wir sind Gewählte. Deshalb suchen wir das Gespräch mit allen, die sich um diese Demokratie bemühen. (...) Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an.“[24]

Wir sollten die Jugend auf die Demokratie der Zukunft vorbereiten, Ängste überwinden, Gefahren eindämmen und die Chancen, welche die technologischen Fortschritte bieten, erkennen und nutzen. Es wird niemand bestreiten, dass sich die digitalen Medien auch an den Schulen durchsetzen werden. Im Alltag der Menschen haben sie das schon längst getan. Unzählige Zahlen und Stimmen sprechen für eine Erneuerung des Bildungssystems. Dabei wird häufiger von einem „Re-Image“, also von einem kompletten Schnitt, als von einer Reform der bestehenden Strukturen gesprochen.

Das System in dem wir lehren und lernen, lässt nicht nur eine konkrete Talentförderung für verborgene Begabungen vermissen. Es fehlen zeitgemäße Strukturen des Feedbacks, der Evaluation und der Qualitätsentwicklung. Es wird mit den neuen Möglichkeiten unserer Zeit auch mehr erwartet. Vor allem besteht eine Erwartung in die Transparenz aller Prozesse. Auch in der Bildung ist festzustellen, dass es immer wieder um Daten, Geld, Macht und Kontrolle geht. Eine wirkliche Demokratie zu erreichen ist ständiges Ziel der Bildung in Deutschland.


Im Diskurs findet die Demokratie ihre Methode sich selbst weiter zu entwickeln und nicht zu stagnieren.


Wir müssen nicht nur junge Menschen auf die Demokratie vorbereiten, sondern die Demokratie durch einen ständigen Diskurs in der Konfrontation mit aktuellen Umständen schützen. Diskurse können heute nicht mehr nur entweder im Kleinen z. B. im Klassenzimmer, im Expert_Innendiskurs oder in der großen multimedialen politischen Debatte geführt werden. Diskurse zu ähnlichen Themenbereichen können heute digital verbunden werden, damit die Stärke jedes Diskursmitglieds hervortreten kann. Dies macht es erforderlich, große Themen wie die Demokratie und die Bildung dem öffentlichen, digitalen Diskurs zu öffnen, neu zu denken, neu zu interpretieren und auch umzugestalten. Wir müssen neben der Ausformulierung unserer Fachbereiche versuchen das Große und Ganze zu betrachten und lernen, den Schutz des Grundgesetzes in jedem Diskurs zu erkennen.

Immer wieder stellt sich im Informationszeitalter die Frage, was Kinder und Jugendliche heute noch wissen müssen, wenn die Information nur einen Klick weit entfernt ist. Auch aus diesem Grund ist die Kombination der Grundrechte mit den digitalen Themen unserer Zeit für diese Arbeit gewählt worden. Die Grundrechte selbst sind die zeitlosen Inhalte, über welche die Bürger_Innen Bescheid wissen sollten. Sie bilden die Grundlage für eine angemessene Bildung. Die Themen der Grundrechte sind beinahe in allen aktuellen Debatten enthalten und bieten eine gesicherte Orientierung im alltäglichen Diskurs. (In „Zahlen und Stimmen“ wird noch ausführlicher auf die Notwendigkeit eines digitalen Diskurs-Online-Portals eingegangen.)

Fragestellung und Zielsetzung

Online-Schuldiskursportal: Wie könnte ein digitales Schulportal aussehen, welches den (neuen) Bildungsplan für einen Diskurs öffnet? In diesem E-Book soll deutlich gemacht werden, warum ein zentrales Diskursportal für die Schule von den Kultusministerien umzusetzen ist. Ziel ist es, das Bild eines idealen Portals zu zeichnen, aber auch einen realistischen Übergang vom starren bisherigen System zu einem dynamischen, demokratischen Diskurssystem aufzuzeigen. Die Verknüpfung des Bildungsdiskurses mit den konkreten Inhalten des Bildungsplans ist vor allem unter Berücksichtigung der neuen digitalen Gegebenheiten zu verstehen. Alle Teile dieser Arbeit spiegeln die Hauptthese wider, die davon ausgeht, dass Diskurse die Methode der Demokratie sind und (Selbst-) Bildung ermöglichen.


Folgende Fragen werden hier diskutiert:

  1. Inwiefern könnte ein digitaler Diskurs die Bildungsarbeit in Zukunft unterstützen?
  2. Wie könnte eine signifikante Qualitätsverbesserung durch einen digitalen Diskurs in der Bildung stattfinden?
  3. Warum ist ein demokratisch strukturiertes Online-Diskursportal für alle am Schulbildungsprozess beteiligten Personen notwendig?
  4. Sind kleine (private bzw. schulische) oder größere zentrale Lösungen (z. B. des Kultusministeriums) angebracht?
  5. Entspricht das Kultusportal-BW.de den Ansprüchen einer modernen DQ?
  6. Was können wir von bisherigen MOOC-Portalen und Online-Universitäten lernen?
  7. Welche aktuellen technischen und didaktischen Entwicklungen könnten sinnvoll für ein Diskurs- und Bildungsportal eingesetzt werden?
  8. Wie müsste ein Online-Schuldiskursportal idealerweise beschaffen sein?
  9. Können Kurzfilme auf einem digitalen Portal ein Zugang zur (Selbst-) Bildung sein?
  10. Wie könnte ein digitales Schulportal aussehen, welches den (neuen) Bildungsplan für einen Diskurs öffnet?
  11. Wie kann der digitale Diskurs strukturiert und qualitativ hochwertig ablaufen, um damit die Methode der Demokratie zu sein?
  12. Ist der digitale Diskurs geeignet um Bildung zu fördern?
  13. Was kann der Diskurs und der Film für die (Selbst-) Bildung leisten?


Literatur für diesen Abschnitt

  • [17] Foucault, M.: Die Ordnung des Diskurses, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main, 1991
  • [24] Brandt, W.: Regierungserklärung am 28. Oktober 1969, Seite 19/19
  • Video: https://www.youtube.com/watch?v=w0otNPt50uY t=2m52s, aufgerufen am 30.04.2015

Links



Gesamtausgabe

Digitale Diskurskultur in der Bildung

Glanz, Udo; Digitale Diskurskultur in der Bildung: Print bei Amazon oder Buchhandel.de